Ungestillte Sehnsucht. Wenn der Kinderwunsch uns umtreibt

Benutzeravatar
Chrischn
Gründer von klein-putz
Gründer von klein-putz
Beiträge: 1099
Registriert: 10 Jul 2001 02:00

Ungestillte Sehnsucht. Wenn der Kinderwunsch uns umtreibt

Beitrag von Chrischn »

Ungestillte Sehnsucht. Wenn der Kinderwunsch uns umtreibt von Millay Hyatt

Millay Hyatt hat mit 32 Jahren erfahren, dass sie aufgrund verfrühter Wechseljahre keine Kinder bekommen kann, inzwischen ist sie Ende 30, und sie und ihr Mann hoffen nun nach langen, aufreibenden Kämpfen auf einen Adoptionsbescheid. Aber nicht nur ihre Geschichte wird hier erzählt, auch die von vielen anderen Paaren, Alleinstehenden, Homosexuellen etc., die von dem Thema betroffen sind. Und darüber hinaus analysiert die Autorin immer wieder ihre eigenen Gefühle und das System, das dahinter steckt.

Ich würde Ihnen also gern ein Prüfexemplar zukommen lassen, damit Sie wiederum innerhalb Ihres Forums auf dieses wichtige und bewegende Buch aufmerksam machen können! Denn vor allem dort soll es ermutigen und Kraft geben können!

Unsere Buchpremiere findet übrigens am 6. September 2012 in Berlin Prenzlauer Berg statt, um 20 Uhr in der Biblitohek am Wasserturm.
Viele Grüße
Bild
** 11.07.2021 - klein-putz ist schon 20 Jahre alt! **
Benutzeravatar
Laulau69
Rang3
Rang3
Beiträge: 2039
Registriert: 28 Apr 2010 15:11

Beitrag von Laulau69 »

ich habs gelesen!
ein tolles buch! sehr, sehr klug.
Reverie
Rang0
Rang0
Beiträge: 182
Registriert: 28 Okt 2011 15:16

Beitrag von Reverie »

Vielleicht geht ja der ein oder andere von Euch zur Buchpremiere? Möchte selbst gerne hin. Wer auch geht und vielleicht Interesse an einem Kaffee vorher hat, kann sich gerne per PM bei mir melden. Vielleicht bekommen wir ja sowas wie einen Mini-Forenstammtisch hin, wenn das überhaupt gewollt und gewünscht ist? Mich würde es auf jeden Fall freuen.

Liebe Grüße! :juhu:
quaita
Rang0
Rang0
Beiträge: 58
Registriert: 01 Mai 2012 20:29

Beitrag von quaita »

habe das Buch gerade bestellt, bin sehr gespannt :o .

Gruss,
Quaita
Suzn85
Rang0
Rang0
Beiträge: 3
Registriert: 24 Jul 2012 19:02

Beitrag von Suzn85 »

Haben schon sehr gute Rezessionen bei amazon darüber gelesen und erst letzte Woche gesehen dass Frau Hyatt in meiner Kiwupraxis in München da am 30.10 eine Lesung hält :o

Vielleicht werde ich mir dies mal anhören (finde lesungen eigentlich immer recht interessant) und dann entscheiden ob ich das Buch kaufe *pfeif*
merlin1
Rang0
Rang0
Beiträge: 81
Registriert: 11 Sep 2011 14:07

Beitrag von merlin1 »

Ich hab`s an einem Tag durchgelesen. Es lohnt sich, sehr klar und intensiv geschrieben!!! Toll! :o))
rebella67
Rang5
Rang5
Beiträge: 13586
Registriert: 10 Jan 2002 01:00

Beitrag von rebella67 »

Liebe Reverie,

ich wurde auch schon zum 6. September eingeladen und denke jetzt, da mein anderer Termin für den 6. September etwas unwichtiger geworden ist, gerade darüber nach, ob ich komme. Wenn es dort einen Foren--Stammtisch gibt, sollte ich es mir vielleicht nicht entgehen lassen.

Das Buch gefällt mir in großen Teilen auch. Wobei ich ganz ehrlich auch Kritik habe. Ich finde nämlich, die Reproduktionsmedizin kommt zu schlecht dabei weg. Deshalb habe ich eine fundierte Rezension geschrieben. Die stelle ich hier mal ein.

Vielleicht hat hier jemand Lust, das mit mir zu diskutieren.
Zuletzt geändert von rebella67 am 23 Aug 2012 23:08, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße, Rebella
------------------------------------------
rebella67
Rang5
Rang5
Beiträge: 13586
Registriert: 10 Jan 2002 01:00

Beitrag von rebella67 »

Das Buch ist in großen Teilen gut geeignet, um Aufklärungsarbeit im Sinne von ungewollt Kinderlosen zu betreiben, aber auch, um ungewollt Kinderlosen wichtige Gedankenstützen zu geben. Es werden Fragen aufgeworfen, woher der dringende Kinderwunsch kommt oder “wie wir selbst unsere Entscheidung für Kinder eigentlich begründen und warum die drohende Möglichkeit, sie nicht zu bekommen, derartig unerträglich ist.” Das oft entgegen gebrachte Unverständnis von außen Stehenden wird beleuchtet. Es werden zudem Möglichkeiten aufgezeigt, wie man mit Enttäuschungen umgehen kann. All das an konkreten Beispielen. Dazu hat die Autorin einige ehemalige Kinderwunschpaare interviewt und lässt sie mit ihren Geschichten, Erfahrungen, Strategien und Entscheidungsgründen neben ihrer eigenen Geschichte, ihren eigenen Erfahrungen, Strategien und Entscheidungsgründen (sowie denen ihres Mannes) zu den verschiedenen Fragen zu Wort kommen. Das Wort bekommen auch homosexuelle Menschen mit Kinderwunsch, eine Frau mit Kinderwunsch ohne Partner, sowie ein Paar, das als letzte Station seinen Kinderwunsch über eine Eizellspende erfüllte. In den letzten Abschnitten wird eingehend das Verfahren einer Inlands- und Auslandsadoption an ganz konkreten Erlebnissen verschiedener Paare dargestellt.
Die Autorin beleuchtet die Reproduktionsmedizin und auch das Verhalten der Reproduktionsmediziner sehr kritisch. Teilweise ist die Kritik gerechtfertigt, im Großen und Ganzen kommt sie jedoch aus meiner Sicht überzogen beim Leser an. Das mag einerseits darauf zurück zu führen sein, dass die Autorin selbst eine ablehnende Haltung gegenüber der Reproduktionsmedizin - die sie selbst für sich ausschließt - hat. Andererseits könnte das umfangreiche Literaturstudium der Autorin – die derzeit zu dem Thema verfügbare Literatur schließt einen hohen Anteil mit überzogen kritischer Haltung zur Reproduktionsmedizin ein - diese Meinung gefestigt haben. Die von der Autorin zum Interview ausgewählten Paare äußerten durchweg negative Erfahrungen mit der Reproduktionsmedizin. Das hinterlässt beim unbedarften Leser eine Vorverurteilung medizinisch möglicher Wege zum Wunschkind. Hier fehlen als Gegengewicht die Geschichten von Paaren mit positiver Erfahrung.
Liebe Grüße, Rebella
------------------------------------------
rebella67
Rang5
Rang5
Beiträge: 13586
Registriert: 10 Jan 2002 01:00

Beitrag von rebella67 »

S.21:
“... dass es Elemente gibt, die sich meinem Bewusstsein entziehen, mich aber ausmachen und meine Wünsche prägen.” ... “... ist der Körper nie nur Biologie, sondern immer auch Erinnerung, Geschichte, Kultur. In meinem Kinderwunsch spricht auch der Wunsch meiner Eltern, Großeltern, Ururururgroßeltern, nicht sterben zu wollen. Sprechen die Eindrücke, die ich bewusst und unbewusst mein Leben lang von Eltern-Kind-Beziehungen, von Schwangerschaft, Muttersein, Fürsorglichkeit und Reproduktion mitbekommen habe, in Form von Bildern, Erzählungen, eigener Erfahrung. Es sprechen Wertvorstellungen, Sehnsüchte, elementarer Fortpflanzungsdrang.”
--> Die Auseinandersetzung mit der Frage, woher der Kinderwunsch kommt, ist gut geeignet, um selbst zu reflektieren und auch von außen Verständnis zu erlangen.

S. 49:
“Im Nachhinein erscheint es mir aber auch als Glücksfall, dass uns die Strapazen medizinischer Behandlungen erspart worden sind.”
--> Persönliche Sicht der Autorin, die sich von vornherein gegen diese Behandlungen entschieden hat. Die meisten Paare, die die Strapazen medizinischer Behandlungen auf sich genommen haben, dürften diese Behandlungen rückblickend ebenfalls als Glücksfall betrachten.

“Die “kumulative ... Geburtenrate” ist eine weitere statistische Augenwischerei” ... “dass mindestens 30.868 Frauen, 71% der Patientinnen, am Ende des Jahres ohne ein Baby waren.
--> Ich sehe die kumulative Geburtenrate nicht als Augenwischerei. Es wird ja immer dazu angegeben, nach wie viel Zyklen. Im Gegenteil ist dies eine sehr gute Größe, um die Erfolgsaussichten einschätzen zu können. Wobei die Aussichten in jedem Fall individuell sind und durchaus von der durchschnittlichen Rate deutlich abweichen können. Das sollte man dazu wissen.
S. 51:
“Man muss hoffen können.” ... “Eine mögliche Lösung überhaupt in Aussicht zu haben, mag sie noch so gering sein, beflügelt uns und lässt uns Dinge in Erwägung ziehen und tun, die uns sonst fremd und unvorstellbar geblieben wären.”
--> Das ist sicher so richtig beobachtet, jedoch nicht unbedingt verkehrt. Wichtig ist es doch, dass der Betreffende die Aussichten genau kennt und seine Entscheidung gut reflektiert. Manch einer hat trotz so geringer Aussichten auf Heilung einer Krankheit nicht aufgegeben und die Krankheit am Ende doch überwunden. Auf solche Menschen schauen wir. Wir zollen ihnen Respekt. Mit der Lebenseinstellung: “Klappt ja doch nicht” kommen wir meist nicht weiter. Es ist nur wichtig, dass wir nicht unüberlegt handeln. Diese Herangehensweise gilt ebenso für Kinderwunschbehandlungen.

S.52:
“Es ist egal, wie weh es tut. Hauptsache, ich bekomme ein Kind.”
--> Das ist in der Tat oft ein Motiv. Für den Leser kommt das jedoch negativ rüber. Als Kritik an den offenbar tollwütigen ungewollt Kinderlosen. Warum eigentlich? Auch andere Lebensherausforderungen nehmen wir mit “Egal, wie viel Anstrengung, ...“ usw. an. Ohne eine solche Einstellung hat man oft eben keinen Erfolg.
Persönliche Erfahrung: Ich habe damals auch so gedacht und bin überzeugt, dass ich ohne diese Einstellung nicht ans Ziel gekommen wäre. Für mich stellten körperliche Schmerzen sogar eine Art Befriedigung dar, weil sie von den psychischen Schmerzen ablenkten. Ich war bereit für körperliche Schmerzen und es war so o.k. Ich hätte auch dauerhafte körperliche Beeinträchtigungen in Kauf genommen. Auch das war meine persönliche Entscheidung, die ich nicht kritisiert sehen will. “Schuld” ist wohl das von der Autorin auf S.144 so treffend bezeichnete “wilde, hungrige Tier”. Dazu kann ich nur sagen, dass ich meine wilde Natur auch leben dürfen will, solange ich keinem anderen damit schade.

“Ich habe den Arzt gebeten, mich krank zu schreiben. Er meinte, dass kann er der Schule, in der ich arbeite, nicht antun.”
--> Ein sehr individuelles Erlebnis, von dem ich zum ersten Mal lese. Im Allgemeinen sind Krankschreibungen aufgrund Schmerzen bei Kinderwunschbehandlungen kein Problem.

“Ich habe wirklich Selbstmordgedanken gehabt. .... Das sind die Nebenwirkungen von den Hormonen.”
--> Wirklich aufgrund der bösen Hormone Selbstmordgedanken? Lese ich auch zum ersten Mal. Ich denke, Selbstmordgedanken können eher deshalb auftreten, weil man immer noch erfolglos ist und das Leben ohne Kind sinnlos erscheint. In solchen Fällen ist in der Tat psychologische Unterstützung angesagt. Evt. gibt es dank Reproduktionsmedizin weniger Selbstmordgedanken. Weil ja viele Paare dadurch einen echten Ausweg bekommen. (Meine Vermutung.) Studien dazu wären sicher interessant.

“für diesen Weg, der dabei ist, sich ... in eine fast zwingende Maßnahme für Menschen mit Fruchtbarkeitsstörungen zu entwickeln.”
--> Das wird oft behauptet, Frauen könnten sich gezwungen sehen. Gibt es dafür Belege? Wir haben doch die freie Wahl, uns dafür oder dagegen zu entscheiden. Gut aufgeklärt und selbstreflektiert können wir eine Wahl treffen. Niemand zwingt uns.

S. 53:
“Foren, in denen sich Betroffene über die medizinischen Möglichkeiten austauschen und sich gegenseitig ermutigen” werden mit verantwortlich gemacht für das fast Zwingende.
--> Dabei bieten diese Foren doch auch Aufklärung, die sonst auf der Strecke geblieben wäre. Für mich sind sie eine geniale Unterstützung und Orientierung. Klar wird oft geschrieben: “Gib nicht auf!” Das ist aber kein Zwang, sondern eher das, was jede Einzelne auch selbst hören will. Ich selbst habe hin und wieder gelesen, dass Frauen zum „Gib nicht auf“ ermutigt werden, obwohl ich ihnen persönlich keine so große Chance mehr einräume. Ich schreibe dann auch ein paar Worte dazu, die die betreffenden zum Umdenken bewegen könnten oder wenigstens vorschlagen, sich psychologische Beratung zu holen. Allerdings ist es danach schon häufiger passiert, dass diese Frauen es doch noch geschafft haben.




S. 55:
“Die neue Reproduktionsmedizin arbeitet sehr intensiv daran, diese bisher natürlich gegebenen Begrenzungen auszuhebeln.... Bringt dort neue Hoffnungsquellen hervor, wo früher ein Stoppschild stand. ... Den Zeitraum verlängert, in dem Betroffene an ihrem Wunsch festhalten - und der kann sehr, sehr quälend werden. ... Paare, die behaupten, es wäre ihnen fast lieber, man würde ihnen sagen, dass es gar nicht geht.”

--> Böse Reproduktionsmedizin? Wirkt hier nicht einfach wie überall in der Marktwirtschaft der Mechanismus von Angebot und Nachfrage? Kommt nicht auch das Bestreben der Mediziner hinzu, ehrlich zu helfen? Kann nicht das Leid der täglich in die Praxis kommenden wieder Erfolglosen einen Arzt auch psychisch ankratzen, so dass er selbst für diese Menschen nach Auswegen sucht? - Wünschen wir uns das Stoppschild wirklich zurück? Können wir nicht einfach reif sein, auch ohne rote Ampel stehen zu bleiben?
Alkoholiker sagen sicher auch, es wäre ihnen fast lieber, es gäbe keinen Alkohol. Sollten wir deshalb sämtlichen Alkohol aus den Regalen nehmen?

“Der deutsche Weg, die Dinge sehr gründlich zu prüfen, und nicht immer gleich auf jeden Zug aufzuspringen, ist gar nicht so verkehrt.”
--> Ist denn der deutsche Weg wirklich so? Hier wird doch oft gar nicht geprüft, sondern einfach nur verboten. Oder man scheut sich davor, etwas gründlich zu prüfen und dann zu regeln. Die Samenspende z.B. ist immer noch ungeregelt, obwohl die Politik seit Jahrzehnen darüber Bescheid weiß und immer wieder zu einer Regelung aufgefordert wird (u.a. auch von mir).

S.57:
“Wer an der Unermesslichkeit des eigenen Kinderwunsches einmal gekostet hat, wird sehen, wie schnell Hemmungen gegenüber solchen Optionen [Eizellspende, Geld leihen,... ] überwunden werden können. Warum sollte man etwas unversucht lassen? ... Das starke Gefühl, alles, was in Reichweite ist, versuchen zu müssen.... Je mehr Möglichkeiten aber in Reichweite sind, desto mehr Druck lastet auf den Individuen und Paaren, äußerst komplexe Fragestellungen abzuwägen.”

--> Versuchen zu müssen? Versuchen zu wollen. Keiner muss müssen. Ich meine, die Entscheidung für ein reproduktionsmedizinisches Verfahren wird im Allgemeinen gut überlegt getroffen. Als Moderatorin im Forum “heterologe Insemination” lese ich täglich, welche Fragen die Neuen beschäftigen. Die Entscheidung für eine Eizellspende erfolgt auch nicht nur von Paaren, die schon einen nervenaufreibenden Weg mit anderweitigen Versuchen hinter sich haben, sondern durchaus auch von Paaren, die aufgrund ihrer Diagnose (nicht unbedingt nur ihres Alters!) von vornherein mit Eizellspende Eltern werden wollen. - “Geld leihen” - das wird dann in der Tat oft ein Müssen, weil die getroffene Entscheidung für ein bestimmtes Verfahren nicht anders umzusetzen ist.

Äußerst komplexe Fragestellungen - ja, es wäre schön, gäbe es noch mehr Literatur, die uns diese Fragestellungen beantworten hilft. Ich wünschte mir eine auf solche Fragestellungen abgestimmte Pflichtlektüre vor der ersten IVF/ ICSI/ Samenspende / Eizellspende / Embryonenspende... .
Hemmungen überwinden - Das ist sicher richtig. Ist das aber falsch? Hemmungen müssen wir doch im Leben immer wieder überwinden, wenn wir Erfolg haben wollen. Wenn wir einen Job suchen, eine Krankheit heilen wollen, den drohenden Verlust unseres Vermögens abwenden wollen, lassen wir auch (fast) nichts unversucht.

Druck - Sollten wir lieber weniger Angebote haben? Lastet auf den Paaren wirklich weniger Druck, wenn sie keine Chancen haben? Lastet auf einem Krebskranken weniger Druck, wenn es keine Therapiemöglichkeit mehr gibt? Ist es besser, von vornherein verloren zu haben? - Ich finde es gut, wenn es vielfältige Möglichkeiten gibt und das betroffene Paar umfassend und kompetent darüber aufgeklärt wird, um eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Das beinhaltet auch die Entscheidung, weniger Wahlmöglichkeiten zu haben. (z.B. wird die Auswahlmöglichkeit des Spenders anhand bestimmter Kriterien im HI-Forum gelegentlich als belastend beschrieben. Dabei könnte doch jedes Paar auch einem Dritten die Auswahl überlassen.)

S. 58:
“Das Alter setzt einfach so eine Grenze. ... Ich finde es wichtig, dass es auch Anhaltspunkte gibt.”
--> Finde ich im Allgemeinen gut. Das gilt aber nicht für alle. Es gibt nun mal die Paare, die sich erst mit 36 kennen gelernt haben, es 2 Jahre so probiert haben, dann noch 2 Jahre von Ärzten hingehalten wurden. Schwupp ist man 40, obwohl man keine Chance hatte, schon Anfang oder Mitte 30 einen Erfolg versprechenden Versuch zu starten. Ich halte das Alter auch noch dann für einen Anhaltspunkt, wenn IVF/ ICSI´s noch bis 43 (je nach individuellen Voraussetzungen) finanziert werden. Schließlich wissen aufgeklärte Paare, dass die Fruchtbarkeit ab 30 deutlich abnimmt. Wer will schon leichtfertig eine Eizellspende riskieren oder dass es dann ohne medizinische Hilfe nicht mehr geht? Die Idealvorstellung vom natürlich gezeugten Kind ist auch den Kinderwunschpaaren nicht abhanden gekommen, die sich medizinisch helfen lassen.

“selbst schuld” sein, “alles tun müssen”
--> Wer lässt sich schon medizinisch zu einem Kind verhelfen, nur, um nicht selbst schuld zu sein? Ein Kind ist keine Therapie gegen Schuldgefühle, sondern man will doch das Kind als solches gern austragen und unter eigener Obhut aufwachsen lassen. Würden wir anders handeln, wenn wir nicht gelegentlich Schuldgefühle uns selbst gegenüber hätten?

“Dass in Deutschland eine Kultur der Machbarkeit zum Teil ein Riegel durch das ESchG vorgeschoben wird, ist zumindest in der Hinsicht zu begrüßen, dass es eine gesellschaftliche Reflexion ... begünstigt.”
--> So gesagt sicher richtig. Nur sollte das ESchG trotzdem in Teilen verändert werden. Was nützt alle Reflexion, wenn z.B. weiterhin kein SET nach einer Auswahl aus Mehreren durchgeführt werden kann?

S. 59
“Dafür bedarf es nicht nur Verbote, sondern positive Maßnahmen....”
--> Ja, sehe ich auch so. Verbunden mit weniger Verboten.

“Bea fühlt sich von den Ärzten “pathologisiert und in Schema F gepresst” ...
--> Da gibt es eine ganze Reihe von Ärzten, auf die diese Aussage nicht zutrifft. Davon abgesehen gibt es wiederum Ärzte, die wirklich noch an sich und an einer Verbesserung ihrer Erfolge arbeiten müssen. Siehe dazu die sehr unterschiedlichen Erfolge in deutschen Kliniken (D.I.R.!)

“Lisa sitzt allein in der Praxis, als ihr diese Diagnose überbracht wird.
--> Ja, das ist so üblich. Nur, wer würde das bezahlen müssen, wenn bei jeder Ergebnisverkündigung nach einem Schwangerschaftstest oder einer Diagnose ein Psychologe Händchen haltend für die Betreffenden da sein soll? Wer alles selbst bezahlen muss, nimmt solche Zusatzleistungen wohl eher nicht in Anspruch.

S. 62:
“Dass man über diese Risiken [Gesundheitsrisiken, Bedeutung für das Kind] eigentlich wenig weiß.”
--> Man weiß zwar immer noch nicht genug, aber doch schon ziemlich viel. ...

S.66
Vorab: Die hier zitierte Psychologin Christina Hölzle kann nicht ernst genommen werden. Näheres dazu siehe bitte hier: http://www.klein-putz.net/forum/viewtop ... zle#785867
“Dass die Industrie die Gefahren versucht kleinzureden, während die Erfolge aufgebauscht werden. ... Dass nicht zu leugnende Risiken, wie z.B. die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen ... Von Reproduktionsmedizinern einerseits auf andere Faktoren ... zurückgeführt werden.
--> Es gibt bisher keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen auf reproduktionsmedizinische Verfahren selbst zurück zu führen ist. Leicht erhöhte Fehlbildungsraten bei einigen Studien können tatsächlich auf das höhere Alter oder die Fruchtbarkeitsstörung selbst zurück zu führen sein. Ich halte es für etwas gewagt, hier die Reproduktionsmediziner zu kritisieren.

“So soll die PID oder die Legalisierung von Eizellspenden als Mittel gegen Chromosomenanomalien eingesetzt werden. ... Die Risiken der Technologie liefern kontinuierlich neue Argumente für neue Grenzüberschreitungen,...”
--> Vor einigen Jahren wurde die PID im Ausland genutzt, um die Wahrscheinlichkeit des Erfolges bei IFV/ICSI zu erhöhen. Dabei wurden Embryonen mit festgestellten bestimmten Chromosomenanomalien nicht übertragen. Es wurde dann nach meiner Erinnerung aber festgestellt, dass das nichts bringt. Ich weiß nicht, ob das im Ausland hier und da weiter so betrieben wird, jedoch ist das ein Ziel, für das man die PID nicht einsetzen muss.




“Auch eine ausgewogene Aufklärung wäre nicht ausreichend gewesen, um mich angemessen in einer derartigen Entscheidung zu begleiten.... Wäre eine tatsächliche psychologische Beratung vonnöten - eine, die unabhängig ist von Interessen der Zentren, die den Paaren die Wichtigkeit einer Reflexion vorab nahe legt, ...”
--> Es gibt inzwischen ein Netz von Beraterinnen  www.bkid.de Zwei dieser Beraterinnen kenne ich und werde ich auf das Buch hinweisen.

S. 82:
“dass wir aus diesem Grund etwas tun (oder zu tun erwägen), dass auch diesem Kind eventuell schaden könnte. ... Eizellspende und Leihmutterschaft- sind nicht zum Schutz der Frauen da, sondern ... der Embryonen bzw. Kinder wegen eingeführt worden.

--> Nein, sie sind ganz gewiss auch zum Schutz der Frauen eingeführt worden. Zumindest gibt es ja triftige Gründe auch zum Schutz der Frauen. Und es gibt keinen Grund, warum Kinder, wenn es denn möglich wäre, vor einer Eizellspende mehr geschützt werden sollten als vor einer Samenspende.
Als Mutter zweier rechtzeitig aufgeklärter Söhne nach Samenspende (13 und 9) kann ich auch nicht erkennen, dass wir unsere Kinder damit geschützt hätten, wenn wir sie nicht hätten entstehen lassen. Unsere Kinder sagen übrigens auch selbst, dass sie froh sind, dass sie da sind. Ich glaube, bei den Kindern nach Gametenspende oder auch Leihmutterschaft, die sich im Netz und in Medien negativ zu ihrer Entstehungsart äußern, liegt das eher an dem Vertrauensbruch durch die nicht oder zu spät erfolgte Aufklärung. Außerdem sind das hinreichend Wenige. Die Gemeinschaft von spenderkinder.de umfasst z.B. auch nach Jahren nur relativ wenige erwachsene Spenderkinder. Und Stina, die die Seite erschaffen hat, sagt selbst, dass sie gern lebt. Sie würde die Samenspende nur anders regeln. Ich habe mit Stina sehr ausführlich kommuniziert. Sie begrüßt aufklärende Eltern und Ärzte, die die Spenderdaten tatsächlich auch an das Kind weiter geben.

Mit der Autorin, die Philosophie studiert hat, würde ich als an Philosophie Interessierte und teilweise auch Belesene gern darüber diskutieren, wie man einen Menschen damit schützen kann, dass man ihn nicht entstehen lässt. Denn für den potentiellen Menschen gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder nicht zu entstehen oder mit der Geschichte zu leben, aus einer Eizellspende zu kommen bzw. von einer Leihmutter ausgetragen worden zu sein.

Wer sagt, er (oder sie) möchte durch Samenspende, Eizellspende, Embryonenspende oder Leihmutterschaft nicht Vater (oder Mutter) werden, weil das dem Kind schaden würde, müsste eigentlich konsequent sagen, überhaupt nicht Vater bzw. Mutter werden zu wollen, weil jeder Vater und jede Mutter trotz aller Liebe und allem Handeln nach bestem Gewissen, seinem / ihrem Kind auch irgendwann mal schadet. Vielleicht haben die Eltern wegen ihres Berufes zu wenig Zeit, haben ihnen - weil sie es nicht besser wussten - etwas Ungesundes zu essen gegeben oder sie achten nicht sorgfältig genug darauf, dass das Kind nicht zu häufig am Computer spielt. Meine eigenen Kinder empören sich gerade, dass sie ihre Ferien schon wieder an der Ostsee verbringen müssen, weshalb ich die böse Mama bin. Ich selbst werfe meinen Eltern vor, dass sie mich haben taufen lassen. - Wir können unseren Kindern nicht immer alles recht machen. Manche Tatsachen müssen Kinder auch hinnehmen. - Die Gesellschaft sollte sich für die Stärkung von Kinderrechten noch mehr engagieren, z.B. für den Schutz vor religiöser Gewalt, vor anderen Gewaltformen, vor Gesundheitsschädigungen durch Passivrauchen oder durch giftiges Spielzeug (Weichmacher) - alles Schädigungsformen, die Kindern insbesondere auch durch die Eltern zugefügt werden. Eine Gesundheitsschädigung durch Passivrauchen halte ich persönlich für schlimmer als die Tatsache, durch eine Leihmutter ausgetragen worden zu sein.

S. 87:
“Dass es möglich ist, sich so sehr ein Kind zu wünschen, dass man sich verleiten lässt, etwas zu tun, was dem Kind schaden könnte.”
--> Diese Aussage kann wegen siehe oben nur auf Adoptionen zutreffen, wenn man z.B. einen unseriösen Adoptionsweg wählt.
Bei Wunscheltern, die auf eine Eizell- oder Embryonenspende angewiesen sind, bekomme ich mit, dass diese häufig ein Problem damit haben, dass selbige für uns nur anonym möglich ist. Es wird dann schweren Herzens auch der anonyme Weg in Kauf genommen. Wegen der o.g. philosophischen Betrachtung schaden sie damit nicht ihrem potentiellen Kind. Jedoch wäre selbstverständlich ein nichtanonymer Weg besser. Da dieser wegen des Verbots in Deutschland nicht möglich ist, würde ich eher sagen, der deutsche Gesetzgeber – ganz allgemein gesagt - schadet diesen Kindern.

S. 113:
“warum Andrea das Angebot eines Freundes, seinen Samen zu spenden, ohne zu zögern ausschlägt ....”
--> Das ist jedoch Andreas und Thomas´ ganz persönliche Perspektive. Ich kenne als Moderatorin in zwei Internetforen für donogene Insemination, als fast 11-jähriger täglicher Gast in diesen Foren, als Kontaktperson von di-familie.de und Mitglied der Berliner Gruppe von Familien nach Samenspenden (die sich 1mal im Jahr persönlich treffen - bei diesen Treffen habe ich ganz liebevolle Väter und Mütter kennen gelernt) unzählige Geschichten, in denen sich die Paare ganz klar dafür entschieden haben. Und da hat keiner der Männer das Gefühl, außen vor zu sein.

S. 120:
“Spenderinnen ... Durch die Hormongabe kann sich das Krebsrisiko erhöhen, entsteht die Möglichkeit von Schäden am eigenen Reproduktionssystem. ...”
--> Es gibt bisher keinen Beweis für ein erhöhtes Krebsrisiko, allenfalls Studien, die versuchen, ein solches herzustellen. Bisher ist zumindest kein erhöhtes Krebsrisiko belegt. - Davon abgesehen wünsche ich mir für Deutschland eine Erlaubnis der nicht anonymen Eizellspende, wobei nur solche Spenderinnen genommen werden sollten, die bereits Kinder haben und deren Familienplanung bereits abgeschlossen ist.

S.126:
“Wunder... Losgelassen ... Warum die Frauen schwanger werden? Weil sie mit ihrem Partner schlafen.”
--> Das werden vermutlich eher seltene Fälle sein. Ich erinnere mich an das Buch von Tewes Wischmann „Der Traum vom eigenen Kind“. Ich meine, darin heißt es, dass diese Form von psychopatischer Sterilität nicht so häufig ist. Es ist allen anderen Paaren gegenüber unfair, mit dieser Wundergeschichte zu kommen, weil diese ganz andere - handfeste -Ursachen haben. Der freundlich gemeinte Tipp: “Fahrt mal in den Urlaub” steht deshalb auf der Nerv-Liste dieser Paare ganz oben. Vielleicht mag die Autorin das noch mal mit Herrn Dr. Wischmann diskutieren? http://www.dr-wischmann.privat.t-online.de/index.htm

S. 132:
“von Müttern. Sie liebten ihre Kinder, also müsste ihnen auch die Vorstellung das Herz zerbrechen, dass mir eben diese verwehrt werden sollten. Genau das stellte sich aber... Als keine Selbstverständlichkeit heraus.

--> Kann ich auch nur bestätigen. Ich diskutiere gern in offenen Internetforen mit Außenstehenden darüber und ernte regelmäßig auch von Eltern Unverständnis. Dass dieses Phänomen angesprochen wurde, freut mich.

S.137:
“Bei allem Verständnis merkt man, dass die Leute sich das gar nicht vorstellen können, was das heißt, und auch über die Mechanismen ziemlich unwissend sind.”
--> s.o.!

S.144:
“Oft sind gerade Eltern befremdet von den Mühen, die sich ungewollt Kinderlose aufbürden, um wie sie Eltern zu werden. Dabei wissen diese Eltern nicht, was in ihnen vorgegangen wäre, wenn sich keine Kinder in ihrem Leben angekündigt hätten. ... Können sie nicht wissen, was für ein wildes, hungriges Tier in ihnen erwacht wäre, wären sie kinderlos geblieben. Womöglich ist es das gleiche wilde Tier, das sich in ihnen regt, wenn ihr Kind bedroht oder in irgendeiner Weise ungerecht behandelt wird. Selten wird die Familienähnlichkeit zwischen diesen beiden Tieren, dem bewachenden und dem verlangenden, wahrgenommen. So bleibt bei vielen Eltern eine mehr oder weniger leise Verwunderung gegenüber dem Aufheulen der ungewollt Kinderlosen, während diese sich daran aufreiben, dass jene sich nichtdankbar zeigen für das ungeheure Glück, das ihnen zuteil wird.”

--> Hier möchte ich einfach mal nur Beifall klatschen! Ich finde den Vergleich mit den beiden Tieren großartig und kenne diese beiden Verwandten als ehemals ungewollt Kinderlose und jetzt Mutter sehr gut. Mir ist z.B. auch klar, dass ich im Notfall bereit wäre, für meine Kinder zu sterben. Vermutlich wird fast jede Mutter dazu bereit sein. Die gleiche Intensität wie dieses bewachende Tier hatte eben auch damals schon das verlangende Tier, das bereit war, für mein Kind auch eine körperliche Schädigung bei mir in Kauf zu nehmen.

S. 145:
“die andere Seite, die aber trotzdem unschön sein kann: Eine Banalisierung des Verlustes, im Sinne von - na gut, dann hast du eben keine Kinder, ist ja ein anerkannter Lebensentwurf und nicht das Ende der Welt. ... Bleibt man auf der eigenen, unsichtbaren Geschichte sitzen, während die anderen sich womöglich ein völlig falsches Bild machen.“
--> Sehr gut formuliert!

S. 149:
“Tatsächlich frauenfeindlich ist’s, ein gesellschaftliches Problem auf Frauen abzuwälzen, die vor unmögliche Entscheidungen gestellt werden: ... In einer Gesellschaft, in der unbezahlte Praktika, befristete Verträge, ganze Lebensläufe in Niedriglohnjobs sowie Arbeitslosigkeit und Prekarität zunehmend zum Normalfall werden, ist der Druck, sich erst einmal um einen Beruf zu kümmern, keine Blüte eines falschen Ehrgeizes, sondern Ausdruck einer realistischen Einschätzung der gegebenen Notwendigkeiten. ...”
--> Das ist ganz wichtig, dass das hier so in aller Deutlichkeit gesagt wurde. Schön, dass auch gleich ein Forderungskatalog folgt.
Liebe Grüße, Rebella
------------------------------------------
Reverie
Rang0
Rang0
Beiträge: 182
Registriert: 28 Okt 2011 15:16

Beitrag von Reverie »

Danke für die ausführliche Rezension, Rebella! Ich halte die negative Einstellung gegenüber der Repromedizin bei der Autorin auch für problematisch. Auch wenn man selbst (wie ich) in der "Tretmühle Repromedizin" festhängt und dort einiges an Zeit, Geld und Lebensfreude verliert, gibt es doch etliche Familien, die durch entsprechende Behandlungen ihr Glück gefunden haben. Das darf man nicht vernachlässigen, auch wenn man selbst nicht zu den Erfolgreichen gehört. Sonst erzählt man nur die halbe Geschichte.
“Die “kumulative ... Geburtenrate” ist eine weitere statistische Augenwischerei” ... “dass mindestens 30.868 Frauen, 71% der Patientinnen, am Ende des Jahres ohne ein Baby waren.
Mich würde interessieren, auch welche Statistik die Autorin diese Zahl stützt?
Antworten

Zurück zu „Bücher“