Mehr Kinder nach IVF durch Polkörperchendiagnostik

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Chrischn
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Mehr Kinder nach IVF durch Polkörperchendiagnostik

Beitrag von Chrischn »

Warum Polkörperchendiagnostik?

Um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen, werden der Mutter nach IVF/ICSI mehrere (in Deutschland maximal drei) Embryonen rückübertragen. Leider ist dadurch die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsschwangerschaften ebenfalls erhöht. Höhergradige Mehrlingsschwangerschaften gehen mit vielen Komplikationsmöglichkeiten für Mutter und Kinder einher und sind daher unerwünscht.



Mehrlingsschwangerschaften können vermieden werden, wenn weniger als drei Embryonen transferiert werden. Um zu einer Schwangerschaft zu führen, müssen diese Embryonen aber von hoher Qualität sein.

Die Schwierigkeit besteht darin, diese qualitativ hochwertigen Embryonen zu bestimmen. Hierzu bieten sich mehrere Methoden allein oder in Kombination an, nämlich die Blastozystenkultur, die morphologische Beurteilung voll Vorkernstadien und die Präkonzeptionsdiagnostik.

In Deutschland scheint die Präkonzeptionsdiagnostik in Form der Polkörperchenanalyse die vielversprechendste Methode zur Identifizierung qualitativ hochwertiger Eizellen zu sein, da die Vorteile der Blastozystenkultur aufgrund des EmbryonenSchutzGesetzes (nur drei Vorkernstadien dürfen befruchtet werden) nicht zum Tragen kommen und die morphologischen Beurteilung der Vorkernstadien unsicher ist.

Mit zunehmendem Alter der Frau nimmt die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden ab. Von vielen IVF--Zentren wird weltweit übereinstimmend berichtet, daß die Implantationsrate bei Patientinnen zwischen 35 und 42 Jahren um 30-50% niedriger liegt, als bei Patientinnen zwischen 25 und 34 Jahren. Die Abnahme der Implantationsrate bei Frauen fortgeschrittenen Alters liegt allerdings nicht an der mangelnden Fähigkeit der Gebärmutter, den Keim aufzunehmen, sondern in der schlechteren Qualität der zur Verfügung stehenden Eizellen.
Ein maßgebliches Qualitätsmerkmal ist die richtige chromosomale Ausstattung der Eizelle, d.h. ob während der Eizellreifung die Chromosomen richtig auf Eizelle und Polkörperchen verteilt wurden.
Chromosomenfehlverteilungen während der Eizellreifung sind häufig und nehmen mit zunehmendem Alter der Mutter zu.

Altersabhängig zeigen schon bis zu 50% der heranreifenden Eizellen genetische Defekte, viele dieser Eizellen können nicht befruchtet werden. Von den befruchteten Eizellen entwickeln sich ca. 50% bis zur Blastozyste, von diesen kann sich aber wieder nur ca. die Hälfte in der Gebärmutter einnisten. Von diesen frühen Schwangerschaften gehen nochmals ca. 30% zugrunde.
Ca. 50% dieser Frühaborte sind auf Chromosomenfehlverteilungen, die sich schon während der Eizellreifung ereignet haben können, zurückzuführen. Bei Betrachtung von nur 5 der 23 Chromosomen erkennt man, daß über 43% der Eizellen für diese 5 Chromosomen genetisch abnormal sind- Eizellen und frühe Embryonen mit Chromosomenfehlverteilungen (Aneuploidien) unterscheiden morphologisch nicht von normalen Eizellen/Embryonen !

Vorkernstadien mit gesundem Chromosomensatz können mittels Polkörperchen-FISH identifiziert und für die Befruchtung ausgewählt werden.


Wie lunktioniert die Polkörperchendiagnostik?

Während der Eizellreifung teilt sich die Oozyte in eine große Eizelle und eine kleine Zelle, das 1. Polkörperchen (PK). Nachdem das Spermium in die Eizelle eingedrungen ist teilt sich die Eizelle erneut und produziert so das 2. Polkörperchen. Das erste und das zweite Polkörperchen enthalten beide eine Kopie des genetischen Materials der Eizelle, werden für die weitere Entwicklung aber nicht gebraucht.

Nach Eröffnung der Zona pellucida werden die Polkörperchen entnommen und mit Hilfe fluoreszenzfarbstoffmarkierter genetischer Proben untersucht (Fluoreszenz In Situ Hybridisierung oder FISH). Das Ergebnis dieser Untersuchung läßt auf die chromosomale Ausstattung der Eizelle schließen und Eizellen mit spezifischen chromosomalen Fehlern können identifiziert werden. Dadurch lässt man nur die Eizellen mit korrektem Chromosomensatz zur Befruchtung zu und selektiert So auf Embryonen, die die beste Chance zur Implantation und nachfolgender Schwangerschaft haben.


Welche Nachteile/Risiken gibt es?

Mit der Polkörperchenanalyse kann ausschließlich die mütterliche Seite betrachtet werden. Allerdings sind Chromosomenfehlverteilung in über 90% der Fälle (je nach Chromosom) auf Fehler während der Eizellreifung zurückzuführen, So daß die väterliche Seite vernachlässigt werden kann.

Nachteile der Methode sind: eine mögliche Verringerung der Eizellzahl aufgrund einer Beschädigung während der PK-Entnahme; möglicher Verlust eines oder beider Polkörperchen (dann läßt sich über die zugehörige Eizelle keine Aussage machen); vereinzelt nicht auswertbare FISH-Ergebnisse.

Es besteht die Möglichkeit, daß die Analyse sämtlicher Polkörperchen negativ ausfällt und keine Eizelle zur Befruchtung zur Verfügung steht.

Die Polkörperchendiagnostik ist eine recht junge Technik, die ständig Verbesserungen erfährt. Bis heute wurden weltweit mehr als 400 Babies nach Präkonzeptionsdiagnostik geboren; es wurde kein schädlicher Effekt auf Befruchtung, prä-- und postimplantativer Entwicklung beobachtet. Die Polkörperchendiagnostik gibt keine Garantie für ein gesundes Kind, da lediglich Chromosomenfehlverteilungen einiger, nicht aller, Chromosomen untersucht werden können.


Wer profitiert von der Polkörperchendiagnostik?

Die Schwangerschaftsrate ist bei Frauen fortgeschrittenen Alters (>34 Jahre) nach IVF/ICSI deutlich reduziert im Vergleich zu jüngeren Frauen (<34 Jahre). Gleichzeitig steigt die Zahl der Chromosomenanomalien mit zunehmendem Alter (s.o.).

Gelingt es also, die genetisch defekten Eizellen vor der Befruchtung zu identifizieren und nur genetisch intakte Eizellen zu befruchten, sollte dies die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft bei einer Frau über 35 Jahren erhöhen, ebenso die Wahrscheinlichkeit auf ein gesundes Kind. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des deutschen Embryonenschutzgesetzes (es dürfen maximal drei Eizellen befruchtet werden) und der Tatsache, daß sich genetisch defekte Eizellen dem Aussehen nach nicht von gesunden Eizellen unterscheiden.

Dasselbe gilt für Frauen, die bereits mehrere aus ungeklärten Gründen erfolglose IVF/ICSI-Cyclen hinter sich haben oder deren Behandlung immer in Spontanaborten endete; hier sind 1/3 der Embryonen von Frauen unter 37 Jahren abnormal, bei älteren Frauen fast doppelt so viele.

Auch bei Frauen unter 35 Jahren kann die Polkörperchendiagnostik möglicherweise helfen, das Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft bei gleich hoher Schwangerschaftswahrscheinlichkeit zu reduzieren.
Viele Grüße
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** 11.07.2021 - klein-putz ist schon 20 Jahre alt! **
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