Literaturtipp Helping the Stork - auch zur Aufklärung

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rebella67
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Literaturtipp Helping the Stork - auch zur Aufklärung

Beitrag von rebella67 »

"Rezension" einer Userin im HI-Forum (2005):

Hallo, ihr Lieben!

Ich möchte euch wärmstens ein Buch empfehlen, das ich letztes Wochenende fast in einem Rutsch verschlungen habe: „Helping the Stork – The Choices and Challenges of Donor Insemination“. Leider gibt’s das nur auf Englisch, aber die Lektüre lohnt sich, weil die Autoren wirklich alle Phasen der HI berücksichtigen – vom ersten Schock der Diagnose bis zum Erwachsenwerden eventueller HI-Kinder.

Die Autoren sind ein Paar, die selber über HI eine Familie gegründet haben, und eine auf HI spezialisierte Paar- und Familientherapeutin. Besonders toll fand ich den absolut undogmatischen, offenen Ton des Buches zu einem doch ziemlich kontroversen Thema. Außerdem gibt es viele Interview-Auszüge, die das ganze sehr lebendig machen.

Also, wie gesagt, das Buch beginnt mit der Diagnose und dem Schock und der Trauer, die das Paar empfindet. Es werden alle möglichen Ursachen behandelt – Krebs, genetische Defekte, Sterilisation, Verletzungen der Wirbelsäule, aber auch angeborene Azoospermie. Das Buch berücksichtigt aber auch die besondere Situation lesbischer Paare oder alleinstehender Frauen.

Der nächste Schwerpunkt sind die Optionen, die man hat: Kinderlosigkeit, Adoption oder HI und wie man zu einer Entscheidung gelangen kann, welcher Weg für einen der richtige ist. Es geht um die Geschichte der HI, die Bedeutung von Genen, die Tradition der Verschwiegenheit und eine der wichtigsten Entscheidungen am Anfang: Wem erzählt man was? Wie kann man eventuell zuviel Gesagtes rückgängig machen? Damit eng verknüpft ist natürlich auch die Frage, ob man es den Kindern später sagt und wenn ja, wann. Bei den Autoren wird eine kleine Tendenz zur Offenheit sichtbar, aber sie gehen auch sehr respektvoll mit der Entscheidung vieler Paare um, es den Kindern nicht zu sagen. Sie wägen die Vor- und Nachteile beider Varianten sorgfältig ab und lassen Paare beider „Schulen“ zu Wort kommen sowie gegebenenfalls auch die Kinder und Verwandte. Falls man das persönliche Umfeld in die Zeugungsunfähigkeit eingeweiht hat, aber niemandem etwas von der HI erzählen möchte und dann schwanger wird, so gibt einem das Buch auch Tipps, was man verwunderten Verwandten und Freunden sagen kann.

Dann geht’s zur Phase der Informationssammlung, insbesondere zur Spenderauswahl. Da haben Amerikaner natürlich viel mehr Optionen als unsereiner hier in Deutschland, aber es hilft einem zu schauen, was für einen persönlich wichtig ist. Z.B. die Frage, ob man lieber einen Freund oder Bruder oder so fragen möchte, oder man sich mit einem anonymen Spender von der Samenbank wohler fühlt. Es geht um die Geschichte der Spenderauswahl, um die Spender selbst und um ihre Motivation und schließlich um die Frage, ob man den Spender selbst aussuchen möchte (soweit hier in Deutschland überhaupt möglich) oder an wen man die Entscheidung delegiert. Wie kann man gegebenenfalls mehr Informationen aus Samenbank-Personal rausquetschen? Welche Prioritäten hat man? (Blutgruppe, Aussehen, Interessen, Beruf etc.). Die Autoren schlagen vor, vielleicht so eine Art Tagebuch über den Entscheidungsprozess zu schreiben, etwas, das man später mal den Kindern zeigen kann, wenn man möchte und wenn es für die Kinder wichtig ist, wie man den Spender ausgewählt hat – also so etwas ähnliches, was auch Adoptiveltern öfters empfohlen wird.

Nächster Schwerpunkt sind die HIs selber – die Auswahl einer Praxis und worauf man achten sollte, die medizinischen Optionen (ICI oder IUI, Stimulation oder nicht, eine oder zwei Inseminationen pro Zyklus etc.), die emotionalen Bedürfnisse, die man am Anfang der Behandlung hat und wie man damit umgeht und was man machen kann, wenn es nicht so schnell klappt, wie erhofft? Spenderwechsel? Praxiswechsel? IVF? Aufgeben? Alternativen in Angriff nehmen? Wie findet jedes Paar seine persönliche Grenze?

Das nächste Kapitel widmet sich der Schwangerschaft und der Geburt– dem Gefühlsmix aus Erleichterung, Freude und eventuell einer kleinen Prise Angst vor dem eigenen Mut. Wie ist es für den Mann? Wie für die Frau? Wie reagiert das Umfeld auf die Schwangerschaft, die Geburt? Wie geht man mit unsensiblen Bemerkungen über Gene und Ähnlichkeiten um? Was kann man antworten? Wie kann man sich bei indiskreten Fragen humorvoll aus der Affäre ziehen? Sollte man Proben des Spenders zurücklegen lassen für ein zweites Kind?

Dann geht’s weiter mit den verschiedenen HI-spezifischen Freuden und Herausforderungen einer jeden Lebensphase des Kindes. Wie findet man als Paar den richtigen Weg zwischen Tabuisierung auf der einen Seite und Überbewertung der HI auf der anderen Seite? Welche Beziehungen bauen sich auf zwischen Mutter und Kind und zwischen Vater und Kind? Wie unterscheidet man zwischen altersspezifischen und HI-spezifischen Problemen des Kindes? In diesem Kapitel wird auch noch einmal ausführlich auf die Frage „Sagen oder nicht“ und wenn ja, wann und vor allem wie, eingegangen. Es gibt viele interessante Erfahrungsberichte und weiterführende Literaturempfehlungen zu den verschiedenen Lebensphasen Kleinkind – Schulkind – Teenager – Erwachsener. Wie geht man damit um, wenn das Kind beginnt, sich für den Spender zu interessieren oder ihn in einer Teenie-Trotzphase zu idealisieren? Wie entwickeln sich „Patchwork“-Familien mit Kindern verschiedenen Ursprungs (ganz leiblich, HI, Adoption, Kinder von verschiedenen Spendern)?

Zu guter Letzt gibt es ein ganzes Kapitel für die Vertrauensleute von HI-Paaren: Verwandte und Freunde – wie können sie das Paar unterstützen? Wie können sie selbst mit der „Bürde“, eingeweiht zu sein, umgehen? Dann gibt es noch einige Abschnitte für Therapeuten, Ärzte und Samenbank-Personal sowie Tipps zur Gründung von Netzwerken und Selbsthilfegruppen.

Das allerletzte Kapitel widmet sich den komischen Situationen, in die man kommen kann und wie man mit Humor auch Trauer überwinden kann. Es schließt: „If you’re now trying to start your family, it might be difficult to find ANY humour in your situation. Do remember that once you’ve got your baby in your arms, worries about whose genes he carries and memories of your painful Trying Times will surely begin to fade away. And when they do, you’ll find yourself starting to laugh again, at aspects of your experience you’d previously thought were anything but humorous. A child’s smile is the best medicine ever invented.”

So, das war’s! Mir hat in dem Buch eigentlich überhaupt nichts gefehlt und es war für mich (und meinen Mann!) eine sehr gute Vorbereitung auf das, was auf uns zukommt – es zeigt die Probleme auf, aber auch, wie man sie löst, und es kommt zu einer insgesamt sehr positiven Beurteilung dieser etwas anderen Form der Familienbildung. Sollte es bei uns mit der HI klappen, so bin ich sicher, dass ich dieses Buch noch öfter zur Hand nehmen werde! Wirklich schade, dass es so was nur auf Englisch gibt!
Liebe Grüße, Rebella
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