Rede Brigitte Zypries auf dem Erlanger Symposium Samenspende

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rebella67
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Rede Brigitte Zypries auf dem Erlanger Symposium Samenspende

Beitrag von rebella67 »

Am 22./23.11.2013 fand in Erlangen ein Symposium Samenspende statt. Anwesend waren als Redner und als Publikum Spenderkinder, Eltern nach Samenspende, Spender, Ärzte und Biologen, Psychologen und Rechtswissenschaftler. Und natürlich auch einige Pressevertreter.

Besonders gefreut habe ich mich über das Kommen der Journalisten Heike Haarhoff (TAZ). Diesen Artikel hat sie diese Woche schon mal gebracht: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/arti ... a1206d57bd

Und wir dürfen wohl auch noch auf einen längeren Artikel hoffen. :-)
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Meine Mitschriften aus der Rede von Frau Zypries, die auch für mich ein Highlight war, bekommt ihr noch. :-)
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Erlanger Symposium Samenspende – 22./23.11.2013 - meine Mitschriften

Vortrag Brigitte Zypries – Spendersamenbehandlung in Deutschland aus Sicht der Politik – welcher Handlungsbedarf besteht für gesetzliche Regelungen?

- Der Zeitpunkt der Veranstaltung ist rechtspolitisch günstig. Ihre Arbeitsgruppe hat gerade beschlossen, dass das Recht des Kindes auf Wissen über seine Herkunft zu regeln ist.
- Mit allen Beteiligten, also auch den Familienangehörigen von Spenderkindern (Eltern, Großeltern, eigene Kinder und Enkelkinder), den Spendern mit ihren Familien und den Ärzten müssten nach Einschätzung von Frau Zypries ca. 1 Mio. Menschen von den Regelungen betroffen sein.
- Die Entscheidung des OLG Hamm war einer der letzten Anstöße, dass eine Regelung nötig ist. Sie zitiert das OLG: „unzulässiger Vertrag zulasten Dritter“)


Zur Rechtslage:

- Bereits 1988 wurde das Auskunftsrecht des Kindes mit einem Gerichtsurteil bestätigt. Da ging es allerdings um kein Spenderkind, sondern um ein Kind, dessen Mutter keine Auskunft über den Erzeuger geben wollte, von dem sie sich früh getrennt hatte. 1989 wurde jedoch das Auskunftsrecht des Kindes generalisiert und bezog sich dann nicht mehr nur auf Familien, wenn eine Ehe gescheitert ist.

- Einige Passagen aus diesen Entscheidungen, die Grundlage sind für alles, was wir jetzt diskutieren, wurden von Frau Zypries zitiert: „Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit …“ / „Abstammung nimmt nicht nur …. Umfasst das Persönlichkeitrecht auch …“ (Sorry, hier konnte ich nicht schnell genug mitschreiben.)

- Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte, sondern beinhalten auch Schutzpflichten.

- Das Gesetz möchte regeln, dass die austragende Mutter immer die genetische ist. Bestraft wird im Fall der Eizellspende nicht die Frau, sondern der Arzt und das Personal. Selbst wenn feststeht, dass die genetische Mutter eine andere ist, gibt es rechtlich keine Möglichkeit der Anfechtung der Mutterschaft.

- Die Mutter war bisher immer sicher. Aber: „fathers maybe“.

- Kann man ein Kind auch schon vor der Befruchtung anerkennen? Die Vaterschaftsanerkennung kann nicht vor der Zeugung eines Kindes erfolgen. Das ist aber in der Praxis so, dass wir diese brauchen. Deshalb helfen wir uns mit Notarverträgen, in denen der Vater sich von vornherein verpflichtet, dass er die Vaterschaft anerkennen wird.

- Der Spender hat rechtlich keine Möglichkeit, den Vaterschaftsstatus zu erhalten. Er bräuchte die Zustimmung der Mutter. Es gibt auch keine doppelte Vaterschaft. Der Spender kann den Vater nicht verdrängen. Auch die Mutter kann die Vaterschaft nicht anfechten.

- Wenn der Spender in die rechtliche Vaterrolle hinein wollte, müsste er eidesstaatlich versichern, dass er der Mutter während der Zeit beigewohnt hat. Wenn das Ganze nicht über eine Samenbank ging, dann ist auf diesem Weg das Anfechten der Vaterschaft möglich. Das z.B. ist der Fall bei der Bechermethode. Der BGH hat die Anfechtung des biologischen Vaters eines Kindes mit zwei lesbischen Müttern zugelassen.

- Ein privater Samenspender kann rechtlicher Vater werden, wenn es nicht bereits einen anderen Vater gibt.

- „Das, was denkbar ist, passiert irgendwann auch.“

- Das Kind kann, wenn es weiß, wer der Spender ist, die Vaterschaft anfechten. Mit einer Frist von 2 Jahren ab Kenntnis der Umstände bzw. ab 18 Jahren.

- Mit dem notariellen Vertrag übernehmen die Wunscheltern die finanzielle Verpflichtung des Spenders. Das funktioniert aber auch nur dann, wenn die Eltern ausreichend Geld haben. Erbrechtliche Verpflichtungen übernehmen die Eltern nicht. Die bleiben beim Spender.

- Das Kind kann sein Anfechtungsrecht nur dann nutzen, wenn es Kenntnis über seinen Erzeuger hat.

- Das Kind darf seit 2008 keinen heimlichen Vaterschaftstest machen. Es kann seine Eltern um Einwilligung für einen Vaterschaftstest bitten, hat auf diese Einwilligung aber keinen Anspruch.

- Das Umgangsrecht kann vom Vater verweigert werden, wenn … (sorry, hier ging es zu schnell.)

- Nach dem Gesetz gibt es keine Informationspflicht der Eltern. Aber: „Eltern und Kinder sind gegeneinander Beistand und Rücksicht schuldig.“

- Es ist einhellige Auffassung abseits des Rechts bei der Adoptionsforschung, dass Kinder einen Anspruch auf Identität haben. Diesem kann man aber nur gerecht werden, wenn die Daten auch da sind.

- Trifft den behandelnden Arzt eine Aufbewahrungspflicht? Nach §42 BGB gibt es eine Nebenleistungspflicht. Daraus könnte man evt. eine Pflicht zur Aufbewahrung schlussfolgern. Es gibt dazu aber keine höchstrichterliche Entscheidung und auch sonst nichts.

- Die Musterrichtlinie der BÄK weist auf diese Rechtslage hin und empfiehlt 30 Jahre Datenaufbewahrung.


Frau Zypries schlägt dem Deutschen Bundestag vor, dass

(1) Anerkennung der Vaterschaft schon vor der Zeugung möglich sein muss.

(2) Abschaffung des Anfechtungsrechts des Kindes

(3) Gesetzliches Verbot der anonymen Samenspende im Gesetz.

(4) Gesetzliches Verbot von Spermamischungen

(5) Es soll im Gesetz so formuliert stehen: „Jedes Kind hat ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung.“

(6) Einfordern der Bereitschaft des Spenders, sich später einmal mit dem Kind zu treffen, wenn es den Wunsch äußert. (Umgangspflichten würde sie nicht gesetzlich regeln wollen.)

(7) Wie lange müssen solche Daten aufgehoben werden? Die Alternative, dass man den Namen des Spenders in die Geburtsurkunde oder das Geburtsregister einträgt, hält Frau Zypries nicht für eine günstige Lösung.

(8) Dokumentationspflicht des Arztes. 30 Jahre sind zu wenig. Es müssten mindestens 60 Jahre sein, besser 100.

(9) Wo dokumentieren? Die Idee der staatlichen Stelle mit Einsichtsrecht an dem 16. Lebensjahr präferiert sie persönlich nicht. Die Bundesnotarkammer würde gern so ein Register führen. Das aber wäre eine unglaubliche Ansammlung von höchstsensiblen Daten. Frau Zypries glaubt, dass die notarielle Datenhinterlegung ein gutes Modell ist. Im Erlanger Notariat gibt der Notar aufgrund der Codenummer einen Klarnamen heraus. Notare sind öffentlich-rechtlich. Die Landesjustizverwaltung überträgt das an einen anderen Notar.

(10) Frau Zypries findet es nicht richtig, dass die Allgemeinheit das finanziert. Auch deshalb ist nach ihrer Ansicht das Notarmodell besser.

(11) Altregelung: Die Vernichtung von Daten muss untersagt werden. Wenn ein bereits geborenes Kind begründete Hinweise hat, muss ein Anspruch auf eine genetische Untersuchung bestehen.


Wo gibt es noch Regelungsbedarf?

- Wie regeln wir das bei lesbischen Paaren?

- Die Eizellspende ist „“komischerweise“ verboten. Das ist nur historisch zu klären. Die Unfruchtbarkeit der Frau sollte historisch härter bestraft werden. Der Europäische Gerichtshof befasst sich gerade mit der Eizellspende. Der Ethikrat hat sich mit der Thematik noch nicht befasst. Es ist keine verfassungsrechtliche Regelung in der nächsten Legislaturperiode zu erwarten.

- Frau Zypries benennt das Beispiel des homosexuellen Paares, das sein Kind durch eine indische Leihmutter hat austragen lassen. Dieses Paar will in Deutschland adoptieren. Ausgetragen werden die Kinder in Indien von etwas älteren Frauen, die schon Kinder haben. Als Leihmutter angegeben wird aber ein junges Mädchen (Subunternehmerschaft). Das OLG Düsseldorf hatte diesen Fall zu entscheiden. Behördliche Zweifel wurden abgewiesen. Es wurde beurkundet. Wenn das Kind mal die Mutter wissen will, was dann?

- Die Realität ist uns ein ganzes Stück voraus. Der säkulare Staat kennt kein Schicksal mehr. Man macht das, was man machen kann. Die Sachen entwickeln sich erstmal und erst später reagiert der Gesetzgeber.

Schlusssatz: Wir brauchen eine bessere Aufklärung von Eltern. Das Kind hat ein Recht auf seine Herkunft. Es muss Verantwortung übernommen werden.


Aus der Diskussion mit den Anwesenden:

(1) Ein Wunschvater: Sie sind nicht auf die Finanzierung der Krankenkassen eingegangen. Wie lässt sich die Ablehnung der Kostenübernahme vereinbaren damit, dass wir in Deutschland mehr Kinder bekommen sollen? – Frau Zypries: Das ist für die Betroffenen nicht so einfach zu erkennen. Unfruchtbarkeit ist keine Krankheit, nur Behinderung. Damals gab es einen Kompromiss. Es waren viele dagegen. Auch Mitglieder des Gesundheitsausschusses. Sie macht keine Hoffnung auf eine Kostenübernahme. In einer Antwort auf eine Petition (4-17-07-4032-005982; Anmerkung der Protokollantin) heißt es: „Die Beschränkung der Leistungspflicht auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit eigenen Ei- und Samenzellen verletzt im Übrigen kein Verfassungsrecht.“ (Bundessozialgericht, Neue Juristische Wochenzeitschrift (NJW) 2002, 1517)

(2) Herr Dr. Martini, Notar aus Erlangen merkt an: Über das Internet ist immer der Notar zu finde, an den eine Aufgabe übertragen wurde. Er sieht das Problem, welche Notare dann die Daten hinterlegen. Wenn es mehrere Notare sind, an wen soll sich das Kind dann wenden? Herr Dr. Martini schlägt vor, dass in einem zentralen Register zumindest stehen sollte, welcher Notar die Urkunde in Verwahrung hat. – Frau Zypries nimmt das mit. Dieser Vorschlag würde auch die Bundesnotarkammer freuen.

(3) Herr Dr. Hammel sieht das Problem der Rückmeldungen. Viele Eltern geben bewusst keine Rückmeldung, ob ein Kind geboren wurde. Er würde gern die Möglichkeiit bereits vorhandener Strukturen nutzen, um tatsächlich alle Behandlungen zu dokumentieren.

(4) Frau Coester-Waltjen, Familienrechtlerin: Soll sich das Gesagte auch auf die Mutterschaft beziehen, wenn wir eine gespaltene Mutterschaft haben? – Dazu Frau Zypries: Bis wir die gespaltene Mutterschaft ins Gesetz kriegen, das dauert noch.

(5) Stina: Wir haben ein Problem, dass viele Eltern nicht aufklären werden. Deshalb möchte sie einen Eintrag im Geburtenregister. Sie ist auch dagegen, dass das Anfechtungsrecht der Kinder abgeschafft werden soll. In einem Fall hat der Vater die Familie verlassen als das Kind 3 Jahre alt war. Hier besteht keine Beziehung zum sozialen Vater. In solchen Fällen wünscht sie sich ein Anfechtungsrecht.
(6) Stefanie Gerlach zu gleichgeschlechtlichen Elternschaften: Welche Chance sehen Sie, die Diskriminierung von lesbischen Frauen beim Thema Kinderwunsch zu beenden?

(7) Petra Thorn setzt sich für ein Zentrales Register ein, weil Samenspender zu mehreren Samenbanken gehen. Sie will außerdem eine psychosoziale Versorgung, eine Anlaufstelle in Deutschland. Sie spricht das reproduktive Reisen an. Deshalb wünscht sie sich ein transnationales Register.


Anmerkung: Ich habe mich bemüht, in dem Protokoll alles sachgerecht widerzugeben. Allerdings war das Mitschreiben dieses Vortrages sehr komplex und ich musste schnell schreiben. An einigen Stellen bin ich nicht mitgekommen. Die rechtlichen Aussagen konnte ich auch nicht immer sofort verstehen. Wenn also an ein oder zwei Stellen der Sachverhalt nicht exakt wiedergegeben wurde, möchte ich dafür keine Garantie übernehmen. - Rebella
Liebe Grüße, Rebella
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Munis
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Beitrag von Munis »

Interessant! :D

Gab es zu Frage Nr. 6 generell keine Antwort oder konntest du nur so schnell nicht mitschreiben?
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Liebe Munis,

leider habe ich da einen kleinen Aussetzer. Ich habe in meinen Aufzeichnungen noch zu stehen, dass Dr. Nassar in Essen lesbische Frauen behandelt. Der war ja auch da und hat sich wohl zu Wort gemeldet. Und vermutlich war das die Stelle, wo sie dann gefragt haben, wer lesbische Frauen von den anwesenden Ärzten behandelt. Es haben sich dann einige gemeldet. Ich kann dir aber nicht sagen, wer das noch war außer denen, die du schon kennst. Ich kannte diese anderen nicht. Und ich war zu der Zeit darum bemüht, selbst auch noch das Wort zu bekommen, was mir da aber nicht gelungen ist. Frau Zypries musste nach der letzten Frage sofort wieder weg.

Ich glaube, es war so, dass sie dann festgestellt haben, es gibt ja doch einige, die behandeln. Also nicht mehr so Diskriminierung. Was natürlich nicht erschöpfend ist. Aber mehr Zeit für eine fundierte Diskussion war da wohl nicht. Und wie gesagt, mein kleines Aufmerksamkeitsdefizit. - Vielleicht schickst du einfach eine Mail an die Fragestellerin? Die muss ja diese Antwort besser mitbekommen haben. Bestimmt auch die Anwesende vom LSVD - Lisa Green. Die saß an dem Tag auch schon mit im Publikum, meine ich.
Liebe Grüße, Rebella
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