Zur Geschichte des ESchG

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rebella67
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Zur Geschichte des ESchG

Beitrag von rebella67 »

Ich lese gerade in dem Buch von Andreas Bernard "Kinder machen".

Andreas Bernard bezeichnet sich in Bezug auf die Reproduktionsmedizin Pro und Kontra. Und genauso stehe ich gegenüber dem, was er in seinem Buch schreibt, manchmal pro und manchmal kontra. Ich werde dazu hier sicher noch in anderen Threads etwas schreiben.

Auf alle Fälle beinhaltet sein Buch sehr interessante Herleitungen, worauf manche Gedankengänge in der Gesellschaft basieren. Woher zum Beispiel kommt die Ablehnung bestimmter reproduktionsmedizinischer Verfahren? In dieser Frage ist das Buch eine wahre Fundgrube. Ich kann das hier gar nicht alles wiedergeben.

Eine Vorlage für das ESchG war jedoch der 1984 erstellte Bericht der Benda Kommission. Man findet heute noch bei Amazon diese Lektüre: , die in der Hinsicht sicher sehr aufschlussreich ist. In der 19-köpfigen Benda-Kommission war nur ein einziger Psychologe enthalten, Prof. Peter Petersen, der z.B. behauptete, die Kinderlosigkeit mancher Frauen und Paare hätte durchaus ihre Berechtigung und solle keinesfalls durch die Errungenschaften der Reproduktionsmedizin behoben werden. Die Sterilität einer Frau sei eine sinnvolle, unbewusste Schutzmaßnahme des psychosomatischen Organismus. "...angesichts ihrer neurotischen Störung ist diesen Frauen und ihren Partnern eine intensive Psychotherapie zu raten - nicht aber ein medizinischer Eingriff in Form einer Retortenbefruchtung."

Die entsprechenden Passagen findet man in dem o.g. Buch von Bernard auf Seite 438/39.

Ich habe mal nach diesem Petersen gegoogelt und zwei Spiegel-Artikel aus den 80-er Jahren gefunden:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13514563.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13494009.html

Diese zeigen, dass Petersen auch so ein "Lebensschützer" ist oder war.

"Die Verteidigung [in einem Abtreibungsfall] beanstandet, daß ihr ein formeller Beschluß über Auswahl und Bestellung Professor Petersens und den ihm erteilten Gutachtenauftrag nie mitgeteilt worden ist. Und sie trägt vor allem vor, daß sich die drei Berufsrichter, damit die Besorgnis ihrer Befangenheit begründend, für einen Sachverständigen entschieden haben, "der aus seiner weltanschaulichen Bindung keinen Hehl macht".

Naja, ich kann mir denken, um was für eine weltanschauliche Bindung es da geht. ...

Es ist eigentlich unfassbar, dass solche weltanschaulichen Bindungen heute, 2014, immer noch ungewollt kinderlose Menschen malträtieren.
Liebe Grüße, Rebella
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Katharinchen
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Re: Zur Geschichte des ESchG

Beitrag von Katharinchen »

rebella67 hat geschrieben:
Die Sterilität einer Frau sei eine sinnvolle, unbewusste Schutzmaßnahme des
psychosomatischen Organismus. "...angesichts ihrer neurotischen Störung ist diesen
Frauen und ihren Partnern eine intensive Psychotherapie zu raten - nicht aber ein
medizinischer Eingriff in Form einer Retortenbefruchtung."
Die Absurdität dieser Aussage wird deutlich, wenn man Sterilität durch eine andere
Krankheit ersetzt.

"Der Herzinfarkt eines Mannes sei eine sinnvolle, unbewusste Schutzmaßnahme des
psychosomatischen Organismus. " ... angesichts ihrer neurotischen Störung ist diesen
Männern eine intensive Psychotherapie zu raten - nicht aber ein medizinischer Eingriff ...."

"Der Prostata-Krebs eines Mannes sei eine sinnvolle, unbewusste Schutzmaßnahme des
psychosomatischen Organismus. " ... angesichts ihrer neurotischen Störung ist diesen
Männern eine intensive Psychotherapie zu raten - nicht aber ein medizinischer Eingriff ...."
Viele liebe Grüße von
Katharinchen
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Kinderwunsch seit 1999
1. Behandlung Juli ´07: negativ
.
.
.
.
.
.
8. Behandlung November ´09: positiv, MA bei 8+2 :cry:
.
10. Behandlung August ´10: negativ
1. Kryo-Behandlung Oktober ´10: P O S I T I V
Geburt bei 38+3
2. Kryo-Behandlung Oktober ´12: negativ
11. Behandlung März ´13: negativ
Abschied vom Wunsch nach einem Geschwisterchen.
Es ist gut so, wie es ist.


Bild


Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. (Václav Havel, * 05.10.1936; † 18.12.2011)
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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

liebe Katharinchen,

deine argumentation ist sehr gut geeignet, diese, sorry, hirnrissige theorie, kurz und bündig zu widerlegen.

liebe grüße

mondschaf
Mit zwei Jungs geboren 2004 und 2007

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ – J. W. von Goethe

„Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es (zu) dir - für immer.“ - Konfuzius

*** Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. ***
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Ich habe mir gerade bei Amazon diesen damaligen Bericht der Benda Kommission bestellt. Bin schon gespannt, was da noch so für Unsinn drin steht.
Liebe Grüße, Rebella
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Katharinchen
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Beitrag von Katharinchen »

Der Bericht der Benda Kommision ist 30 Jahre alt. Vor 30 Jahren war die künstliche
Befruchtung was ganz Neues. Louise Brown war da gerade mal sechs Jahre alt.
Sie war das erste "Retortenbaby" (schreckliches Wort!) der Welt.
Das Baby Oliver, das in Erlangen gezeugt wurde und als erstes deutsches
Retortenbaby geboren wurde, war zwei Jahre alt.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass diese Methode auf Widerstand
gestoßen ist. Das war völliges Neuland und hat natürlich die Menschen in Angst und
Schrecken versetzt, weil sich keiner vorstellen konnte, dass so ein Kind ganz normal
sein könnte. Und das spiegelt sich auch in den Aussagen wider, die immer wieder in
Diskussionen von Skeptikern der künstlichen Befruchtung gebetsmühlenartig
wiederholt werden. Die älteren Leute haben diese emotionale Diskussion darüber
in den Medien verfolgt, sowas brennt sich in den Köpfen ein, auch wenn sich die
Zeiten ändern.
30 Jahre später ist diese Aufregung kaum mehr nachvollziehbar, die künstliche Befruchtung
ist zur Routine geworden. Weltweit wurden vermutlich bisher etwa 4,5 Millionen Retortenbabys zur
Welt gebracht, allein in Deutschland sind 121 Zentren für die In-vitro-Fertilisation (IvF) registriert.
Doch 1982 berührte und polarisierte die Menschen die künstliche Befruchtung wie kaum ein anderes
Thema. Ein Kind aus dem Reagenzglas, das klang, je nach Standpunkt, nach Horror, Gotteslästerung,
menschlicher Hybris - oder der segensreichen Technik der Zukunft.
Hier ist ein interessanter Artikel von 2012 über die Entstehungsgeschichte von Oliver,
aus dem auch das Zitat oben stammt.

http://www.spiegel.de/einestages/deutsc ... 47554.html
Darin kann man lesen, dass selbst die Biologin Tatjana Kniewald Bedenken hatte,
dass das Kind Behinderungen bekommen könnte oder später ein Verbrecher
werden könnte.
Viele liebe Grüße von
Katharinchen
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Kinderwunsch seit 1999
1. Behandlung Juli ´07: negativ
.
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8. Behandlung November ´09: positiv, MA bei 8+2 :cry:
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10. Behandlung August ´10: negativ
1. Kryo-Behandlung Oktober ´10: P O S I T I V
Geburt bei 38+3
2. Kryo-Behandlung Oktober ´12: negativ
11. Behandlung März ´13: negativ
Abschied vom Wunsch nach einem Geschwisterchen.
Es ist gut so, wie es ist.


Bild


Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. (Václav Havel, * 05.10.1936; † 18.12.2011)
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ajamue
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Beitrag von ajamue »

Guter Bericht Katharinchen,

besonders die Aussage „sie machen das Leben nicht, sie setzen nur die Voraussetzungen“ sagt doch eigentlich alles.
Es wird doch eigentlich nur ein bisschen angeschubbst. Das Verschmelzen, Teilen, Wachsen macht immer noch die Natur.

Auch bevor ich selbst zur Betroffenen wurde, habe ich nie was dabei gefunden, sich beim Kinderkriegen helfen zu lassen. Ich kenne auch schon recht große Kinder, die Retortenbabies waren wo ich mich nicht an negative Stimmen erinnern kann und im Nachhinein hat auch niemals wieder jemand daran gedacht.

Dass man damals Bedenken hatte, kann ich verstehen, man hatte aber auch in den Anfängen Bedenken, dass Blutspende und Organtransplantation das Wesen eines Menschen verändern könnte und heute ist das absolut kein Thema mehr.
Liebe Grüße von Ajamue

Versuch Nr. 5 - 16. Oktober - wir sehen einen Herzschlag
18.Januar 20+2 - Baby hat 17,7 cm Kopfumfang, ist ca. 24 cm lang und wiegt ca. 325 Gramm
3.Februar 22+4 - Baby hat 20 cm Kopfumfang und wiegt 513gramm. und... ist ein Mädchen!!!
24. Februar 25×4 Babygirl hat 23cm KU und 730gramm
16. März 26,4 cm KU und 1100gramm
11. April 44cm lang und 1879gramm schwer ist die Mini Maus jetzt
22. April 2440gramm
4. Mai 2450gramm seltsam aber würde passen
19. Mai 2860gramm und alles gut
27. Mai ca. 3000gramm 32cm Kopfumfang und macht keine Anstalten, den Aufenthalt bald zu beenden
15.Juni 0:55 babygirl wird bei 41+4 geboren: 4120g, 54cm und alles dran

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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Ja klar - die Umstände der damaligen Zeit.

Jedoch schlagen die sich eben jetzt und heute immer noch im ESchG nieder.

Deshalb kann es vielleicht sinnvoll sein, noch mal ins Bewusstsein zurück zu führen, was damals u.a. so gesagt wurde. Ich finde das auch in Hinblick auf die bevorstehende Tagung beim Ethikrat am 22.05. noch mal interessant.
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Mittlerweile habe ich das o.g. Buch, Peter Petersen: „Retortenbefruchtung und Verantwortung“, gelesen. Wenn es auch von 1984 ist, so möchte ich hier doch gern einen Abriss aus diesem Buch vornehmen. Ihr dürft ja gern sagen, ist ja alles verstaubt und eh Schnee von gestern. Für mich war das aber wichtig für mein Verständnis und die weiterhin in mir existente Frage: Wo kommt diese Ablehnung der Reproduktionsmedizin her?

Der Psychotherapeut Peter Petersen kommt hier gleich mit einem ganzen Wortschwall diffamierender Begriffe und Äußerungen. Klar gab es einiges davon vorher schon. Aber wo auch immer mir diese Ablehnung entgegen geschlagen ist, bin ich auf Worte wie die von Petersen getroffen, der seine Aufsätze ja kurz vor der Verabschiedung des Embryonenschutzgesetz genau in dem Kreis des Gesetzgebers verbreitet hat.

Und da kann es mich nur trösten, dass er sich teilweise selbst diskreditiert, vor Allem, wenn er so sehr in das Esotherische abrutscht.

Trotzdem, diese geballte Ablehnung, immer wieder mit neuen Worten beschrieben und dazu unter dem Deckmantel des Wissenschaftlers, Prof. D. med., das macht natürlich Eindruck und hinterlässt seine Spuren. Spuren bis in die heutige Zeit.

Wer von euch sensibel ist und noch in der aktuellen Kinderwunschphase, sollte es wohl lieber nicht lesen. Alle anderen, die wie ich eh schon Mama und abgebrüht sind, lesen das vielleicht gern als weiteren Puzzlestein zur Erschließung des Universums oder suchen darin vielleicht sogar auch Erheiterung. ...
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Nochmal was vorab:

Es war natürlich viel Arbeit, das alles rauszuschreiben. Ich bin mit den Zitaten etwas liederlich umgegangen. Oft hat er andere zitiert. Die ganzen Quellen lasse ich hier weg. Ich habe auch selten was in Anführungsstriche geschrieben, obwohl ich direkt aus dem Buch heraus geschrieben habe. Denkt euch also einfach die Anführungsstriche.

Wer es noch genauer braucht, das Büchlein gibt es für wenige Euros bei Amazon und gewiss auch noch anderswo.
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Peter Petersen: „Retortenbefruchtung und Verantwortung“, 1985
Eine Schrift, die sich auf das ESchG auswirkte
__________________________________________________________

Klappentext:
- Die Annahme, Leben sei „machbar“, beginnt sich in unserer Gesellschaft durchzusetzen
- Petersen will „vielmehr eine Verbesserung der Partnerbeziehung und eine selbstlose Erwartungshaltung dem Kind gegenüber“
- Nicht der Egoismus, sondern das Kind selbst soll von Anfang an im Mittelpunkt stehen

Über den Autor:
- Prof D. med, Psychotherapeut und Psychoanalytiker
- 1933
- Mitarbeiter der in der Bundesregierung eingesetzten Arbeitsgruppe für „In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie“ unter dem Vorsitz von Ernst Benda

Vorwort:
- Dies ist eine für das Buch veränderte Reihe von Vorträgen und Aufsätzen (1985) aus den vergangenen 2 Jahren
- Unsere zukünftigen, noch ungeborenen Kinder durch Willkür im Gewande von Therapie ausgebeutet und seines tieferen Wesens beraubt

Einleitung:
- Ob die in ihrem Wesen durchschauten Fruchtbarkeitstechnologien … einem christlichen Konzept vom Menschen zu integrieren sind … wird jeder für sich selbst zu entscheiden haben.
- „Abendländische Wissenschaftsentwicklung“
- 3 methodische Mittel, an denen deutlich wird, wie derartige Denkstrukturen unseren Alltag des Kinderkriegens bestimmen: rationale Logik, Massenstatistik, das Ideal der Objektivität (deren grundsätzlicher Fehler die Einseitigkeit und der Absolutheitsanspruch sind)

Rationale Logik:
- Ist allein auf Zwecke ausgerichtet – das Paar soll …
- In der Lust- und Fruchtbarkeitsmaschinerie, die mit Hilfe von Pornografie und Onanie Samenausschüttung stimuliert, herrscht allein rationale Logik
- Dieser kühl-kalkulierte Zweckvorgang
- Solche Heuchelei ist heute an der Tagesordnung
- Der Zweck (das gemeinsame Kind) heilige die Mittel (pornografisch produzierte Lust)
- Das Kind geht nicht aus einem seelisch-geistig durchwirkten Schöpfungsvorgang hervor.
- Der Embryo ist das Produkt einer zweckrational bestimmten Handlung – bei seiner Produktion stand die Medizin-Maschinerie allein Pate.

Massenstatistik:
- Individualität des Menschen ist ausgelöscht
- Massenübertragung von Embryonen
- Da der Mensch nur noch eine Zahl ist
- Der Embryo ist zum Massenartikel gemacht

Das Ideal der Objektivität:
- Es besagt: Jeder Vorgang im Menschen oder Patienten läuft objektiv, ohne innere Beziehung zum Subjekt
- Produktion einer Schwangerschaft
- Unter Umständen Ehepaaren mit stark neurotisch überlagertem Kinderwunsch die künstliche Befruchtung aus guten Gründen verweigert wird
- Die sich im Kinderwunsch des Paares manifestierende Willkür wird zum Kriterium der Objektivität für den Arzt.
- Kinderwunsch oder individuelles Kind?
- Brauchen die Eltern ein Kind zur Erfüllung und Befriedigung ihres Kinderwunsches? Oder braucht das Kind Eltern, die sich auf eine individuelle Existenz und sein Geist-Wesen einlassen und dafür eigene Kräfte hingeben wollen?

- Prozesse manipulieren
- „Die Schöpfung geht weiter“ – Mit unserem sensiblen oder blinden Handeln sind wir die Transformatoren der Schöpfung.


Kapitel: Retortenbefruchtung und unser Bewusstsein von der Kindesankunft

- Kindesankunft = Zeit der Empfängnis und Zeugung als psychosomatischer Prozess
- Wird die Kindesankunft dem Elternwunsch verfügbar gemacht.
- Höchst zweifelhaft, ob das Kind mit seiner unbestimmbaren Zukunft in dieser Wunschfixierung überhaupt noch Raum hat.
- Verlust der Mitte
- Wenn die Zeit offen genug ist, kann das Kind kommen, wann es will, nicht aber: wann die Eltern oder Ärzte es wollen.
- Überidentifizieren mit dem Planungskalkül
- Nur eine ermöglichende Erwartung der Eltern öffnet den Raum, in dem sich die Individualität des Kindes von Anfang an selbst verwirklichen kann.
- Das Paradigma der Kindesankunft steht unter dem Stern der Emanzipation des Kindes: Selbstverwirklichung vom Beginn seiner pränatalen Biographie an.


Kapitel: Verlust der Mitte
- Uns wäre die menschliche Mitte, der Sitz unseres Herzens, verloren gegangen -> Nekrophilie
- Nekrophiler Mensch = todessüchtiger Mensch und Wissenschaftler; ist wie ein perfekt funktionierender Computer konstruiert; Abspaltung jeglichen Gefühls
- Früher hätte sich jede einzelne wissenschaftliche Disziplin dem Kosmos der „großen übergeordneten Wahrheit“, der „wahren humanen Ordnung“ eingeordnet. Dem Verlust der großen Wahrheit [Anmerkung Rebella: Gott] ging nun auch der Kosmos der Werte verloren.
- Haben sich die naturwissenschaftlichen Fruchtbarkeitsideologien rigoros von dieser wissenschaftlichen Ganzheit abgetrennt
- Zerrbild einer manipulierten Fruchtbarkeit

Das reduzierte Menschenbild
- Ethos des Machens: Mensch als reparaturbedürftige Fruchtbarkeitsmaschine
- Selbsttäuschung der Ärzte – Verschleierung der manipulierten Zeugung
- Dass der Mensch im Prinzip hier in dieselbe ärztliche Behandlung genommen wird wie eine Zuchtkuh
- Ethos der Wunscherfüllung: zwingt zur Eliminierung des Leidens mittels einer hochdifferenzierten Manipulation

Sie wissen nicht, was sie tun
- Retortenbefruchtung = ungeeignetes Mittel zum Erreichen des Zwecks
- Beispielsweise ließen sich Menschen erwarten, die ihre emotionale Grundschwäche durch eine spezialisierte Intellektualität überkompensieren (nekrophiler, todessüchtiger Mensch; ausschließlich zerebral gesteuerter Mensch setzt seine Denkstrukturen in brutaler Weise im sozialen Leben durch). – Gefühl, Gemüt und das Denken mit dem Herzen sind für ihn nicht nur verdrängt, noch schlimmer: ausgelöscht.
- Unfruchtbarkeit als seelischer Schutzmechanismus – wenn dieser durchbrochen wird, kann es zu schweren seelischen Chaotisierungen kommen. (Bsp.: er habe allein in einem Monat zwei Frauen erlebt, die hochgradig emotional verwirrt, weinend in seinem Konsultationszimmer saßen, nachdem sie erfahren hatten, dass bei ihnen die anatomischen Voraussetzungen für eine Befruchtung herstellbar seien.
- Narzistische Persönlichkeitsstruktur der durchschnittlichen Kinderwunschpatientin; Persönlichkeitsstörung
- abgründige Leibfeindlichkeit und masochistischer Hass gegen den eigenen Körper
- Die Präexistenz einer individuellen Geistseele des Menschen zur Zeit seiner Empfängnis
- Hinweis auf die katholische Anthropologie
- Frage: Wird hier ein mit einer präexistenten Geistseele begabter Mensch ins Dasein gezwungen?

Unmittelbare Folgen der Retortenbefruchtung
- Mehrlinge; Störung ihrer Ich-Findung und Individualisierung; Frühaborte; …
- Maßlosigkeit und Zügellosigkeit bei den finanziellen Kosten; Luxusindividualismus; Petersen zählt auf, was man mit dem vielen Geld sonst noch anstellen könnte
- Es grenzt an Menschenzüchtung, wenn Paare für die Retortenbefruchtung aufgrund psychologischer Kriterien ausgewählt werden. Der Arzt maßt sich die Rolle des Schicksals an, ohne die Weisheit des Schicksals zu besitzen
- Menschenverachtung, da überzählige Embryonen eingefroren werden für spätere Zwecke (nach Art eines Reserve-Depots im Kaufhaus)
- Brutalisierung der menschlichen Vorstellungskraft und unserer Atmosphäre
- Verrohung unserer Sitten
- Wird hier nicht die Frau zur Fruchtbarkeitsmaschine denaturiert? Wird der Mann nicht zum masturbierenden Samenerzeuger degradiert?
- Auslöschung der sensiblen Ästhetik

Mittelbare Folgen und Hintergründe
- Eine mittelfristige Folge der Retortenbefruchtung könnte der Eingriff in den genetischen Code des Menschen sein.
- Hier Peter Petersens eigentliche Angst: „die langfristigen Ziele der genetischen Menschenplanung und damit auch der Weltplanung“ – „Der Genetiker H.J. Muller will das genetische Endziel, nämlich die Züchtung des Übermenschen, durch künstliche Mutationen erreichen. „Wenn der Mensch seine Evolution erst selbst manipuliert, wird eine exakte Genetik, die Gottes Schöpferkraft usurpiert, ein Gott gleiches Wesen nach ihrem Bilde erschaffen, vor dem die mythischen Gottheiten der Vergangenheit mehr und mehr lächerlich werden.““
- Die innere Beziehung zum Kind ist zur Zeit von Zeugung und Empfängnis abgeschnitten durch das Ethos der absoluten Wunscherfüllung und das Ethos der totalen Manipulation
- Amuptiertes Menschenbild


Kapitel: Intensivierte und vertiefte Du-Beziehung

- Wir beobachten in der Psychoanalyse bei funktional sterilen Männern und Frauen: Wenn sie ihre destruktive Wesensseite integriert haben, sind sie fähiger geworden für Empfängnis und Zeugung eines Kindes. (Erlebniswandel von der Destruktivität zur Annahme des eigenen Lebens: Werde der du bist)
- Lebenshaltung des Seins im Gegensatz zur Haltung des Habenwollens
- Ehrfurcht vor dem Leben und vor dem, was mir als schicksalhafter Zufall zugeführt und zugefügt wird – hier bekommen nach Ansicht Petersens Autonomie und Emanzipation einen neuen Sinn, nämlich: ich verwirkliche mich selbst, indem ich mich zu meinem Schicksal in die bewusst vollzogene Beziehung des Annehmens setze.
- Ethos des bewussten Verzichtens
- Ich darf nicht von der Voraussetzung ausgehen, dass ein Kind sofort dann ankommt, wenn ich die Kontrazeption weglasse – das hieße ja auch schon: die Ankunft des Kindes herstellen zu wollen. … Das Kind möge sich selbst einstellen, sich selbst und von sich aus.
- Die Begegnung mit dem personalen, reinen Geist ist immer inhaltsleer und leibfrei.
- So können Eltern in der Lebenshaltung von Stille und Schweigen ein spürendes Ahnen erleben, ein spürendes Ahnen vom personalen Dasein ihres zukünftigen Kindes – und zwar zum Zeitpunkt ihrer leibhaftigen geschlechtlichen Vereinigung.
- Die Vereinigung eines Paares als eine Art Anspruch oder Anruf von außen her
- So liegt der Kindesankunft etwas von leibwerdender Notwendigkeit. Ganz anders beim Kinderwunsch.
- Ist das wunschgesteuerte Handeln immer zweckbestimmt: Ein Koitus wird vollzogen zum Zweck der Kinderzeugung. Dagegen ist die Bewusstheit der Notwendigkeit [zur körperlichen Vereinigung] zweckfrei, weil der Zweck gar nicht das Entscheidende ist.


Kapitel: Manipulierte Fruchtbarkeit: Psychosomatisch-psychologische Aspekte der In-vitro-Fertilisation und anderer Fertilitätstechnologien

- dass das zukünftige Kind zum Opfer der unbewussten Willkür der Eltern gemacht wird. Insofern ist meine Darstellung auch zu verstehen aus der Sorge heraus, was mit den zukünftigen Kindern geschieht, die mit Hilfe manipulierter Technologien ins Leben gebracht werden.
- Kinderwunsch und der Wille zum Kinde ist bei einem durchschnittlich gesunden Paar selbstverständlich das ausreichende Motiv zum Kinderzeugen und Kinderkriegen. Ein Hinterfragen … wäre hier unangebracht, wenn nicht respektlos und unstatthaft. – Anders ist die Situation bei unerfülltem Kinderwunsch von Paaren, die wegen ihres Wunsches … den Arzt oder Psychotherapeuten aufsuchen.
- Der totale, absolute Kinderwunsch und dessen Produkt, das absolute Wunschkind

Einige Facetten des Wunsches nach einem Kinde
- Wunsch nach Zuwendung und Aufmerksamkeit
- Ausleben extremer Selbstliebe in sozial akzeptierter Weise
- Sehnsucht nach einem Objekt für die eigene Zärtlichkeit
- Ersatz für ein verlorenes Liebesobjekt
- Flucht aus Vereinsamung und Entfremdung
- Stabilisierung einer Partnerbeziehung
- Erzwingen einer Ehe (Partner oder Eltern unter Druck setzen)
- Streben nach Dominanz und Kontrolle über andere Menschen
- Wettbewerb mit anderen Frauen
- Flucht aus der Abhängigkeit von den Eltern oder dem Partner
- Erlösung aus der Furcht vor Unfruchtbarkeit
- Selbstbestrafungstendenz (vor allem bei unverheirateten Frauen)
- Beweis der biologischen Vollwertigkeit und sexuellen Potenz
- Überwindung eigener Hilflosigkeit
- Fortsetzung des eigenen Lebens in die Zukunft hinein

- Der Kinderwunsch dürfte vor allem gespeist sein aus der Haben-Haltung gegenüber dem Leben – Ich liebe dich, weil ich dich brauche; nicht aber: ich brauche dich, weil ich dich liebe
- Befriedigung der eigenen Bedürfnisse des Paares – Eltern brauchen vor allem ein Kind für ihre eigenen Bedürfnisse und ungelösten Konflikte – aber sie können kaum daran denken, dass ein Kind aufgeschlossene Eltern braucht, damit des Kindes Bedürfnisse erfüllt werden.
- Kind als Opfer der unbewussten Willkür und des unbewussten Missbrauchs ihrer Eltern
- Besitzansprüche
- Rechtsanspruch
- Für das Kind ist kein freiheitlicher Raum in der Gefühls- oder Gedankensphäre übrig
- Frauen mit dem Wunsch nach künstlicher Befruchtung sind beherrscht davon, ein Kind zu machen oder gemacht zu bekommen: Computer-Roboter-Haltung
- Demütigungen, Entwürdigungen, seelische Verletzungen und Verkrüppelungen und damit schwerste seelische Fehlentwicklungen des Kindes

- Hier der Frechheit Petersens Gipfel: „Ich brauche Kinder, weil mein Leben sonst leer ist“, sagt ein 46jähriger Mann mit ausgeprägter Neurose. Falls diesem Mann ein Kind geschenkt wird, dürfte sich das Kind wie in einem seelischen Sog befinden; die Leere des Vaters saugt dem Kind die seelischen Lebenskräfte weg. [Anmerkung Rebella: Hier findet eine Objektivierung der Wunscheltern statt.]
- Angesichts ihrer neurotischen Störung ist diesen Frauen und ihren Partnern eine intensive Psychotherapie zu raten – nicht aber ein medizinischer Eingriff in Form einer IVF.
- Sterilität als unbewusste Schutzmaßnahme – Die Seele dieser Frauen ist so strukturiert, dass sie im Grunde mit der Erziehung eines eigenen Kindes überfordert ist.
- Die durchschnittliche Sterilitätspatientin ist stark depressiv und narzistisch gestört.
- Ausgeprägte Depressivität und tiefgreifende Selbstwertstörung, die nur teilweise Reaktion auf den unerfüllten Kinderwunsch ist.
- Sterilität wird krankhaft verarbeitet

- Das Kind wirkt wie eine Krücke bei amputiertem Bein der Mutter – die Gehbehinderung ist zwar gelindert, aber die Tatsache der Amputation bleibt bestehen. Dabei wird allerdings das Kind als Krücke zweckentfremdet benutzt.
- Wenn das gewünschte Kind Wirklichkeit geworden ist, kann die Frau dieser Wirklichkeit nicht oder nur ungenügend gerecht werden. Durch die Geburt kommt es zur Desillusionierung des vorher aufgebauten Wunschbildes.
- Die Scheidungsrate solcher Paare lag nach Petersen mit 7% um das etwa 3-fache höher als bei einer vergleichbaren Gruppe. Er behauptet – ebenfalls ohne Quellenangabe – zu 25% psychosomatische Beschwerden der Kinder wie häufiges Nägelkauen, Bettnässen, Stottern, Lispeln.

- Petersen verweist auf die Völkerkunde und die magische Bewusstseinsstruktur so genannter primitiver Kulturen, die die psychosomatische Bereitschaft zum Kinderzeugen veranschaulichen würde: Nur ein Mann mit ganz bestimmter seelischer Haltung (im sogenannten „Traumzustand“) kann ein Kind zeugen. Zudem nimmt der Mann mit dieser magischen Bewusstseinsstruktur das Kind als „Seelenkeim“ vor dessen Zeugung wahr, es handelt sich also um eine Art präexistenter Wahrnehmung des Kindes.
- Dass Präexistenz vor der Zeugung für unser abendländisches Bewusstsein durchaus eine Bedeutung hat, so bekommt dadurch die Selbstbestimmung des Kindes in seiner Zeugung eine ganz neue Bedeutung.

- Pathologisch schizoider Narzissmus: Während bei normalen Menschen Denken, Fühlen und Wollen im ständigen Fluss sind … wird bei diesem Krankheitsbild das Gefühl verdrängt, abgespalten, es kann sogar zum Erlöschen kommen. Das Denken mit dem Herzen ist ausgeschaltet.
- Gefühllos, ohne jeden Bezug zu sich selbst
- Tiefgehende Entfremdung und Abspaltung vom eigenen Körper, vom Leiberleben, von der Sinnenfreude und der Sinnlichkeit des Lebens
- Der Verlust der Sinnlichkeit ist komplett, Eros und Sexualität sind ausgemerzt.
- Automatenhafte Destruktion
- Der Sinn ehelicher Liebe in menschliche Destruktivität pervertiert
- Kaltes heroisches Bewusstsein
- Baby als Erfolgsobjekt (nicht als eigenständiges Wesen), Baby als bewundernswerte Leistung der Frau, wegen der sie selbst (in Presse und Fernsehen) bewundert wird.

- Zweckgerichtete Erfolgssucht
- Persönlichkeitsstörung infolge Fertilitätsmanipulationen
- Die Haltung der Machbarkeit oder die der Ehrfurcht
- Züchtung eines Defekt-Menschen
- Der kybernetische Mensch, der alles Leben in funktionierende Dinge ummanipuliert
- Freunde als Ausdruck intensiver Lebendigkeit wird durch Vergnügen, Lustgefühl oder Erregung ersetzt.

- Verleugnung von Natürlichkeit und Spontanität
- Zynismus anstelle von Gefühl
- Sind wir nach unserer ärztlichen Ethik berechtigt, einen Menschen durch einen operativen Kunstgriff ins Dasein zu nötigen?
- Ich halte es für möglich, dass wir durch Steigerung und systematische Schulung unseres Bewusstseins, das heute einseitig rational ausgebildet ist, intuitive Fähigkeiten erlangen, die uns Aufschluss darüber vermitteln, ob und wie ein Kind notwendigerweise empfangen und gezeugt werden muss … dass wir die Gewissheit erlangen, dass ein Kind ankommen will.

- „Die Eingeborenen … wussten vor Zeugung und Empfängnis, ob eine Kindseele ankommen will. Und zwar dämmerte im Kopf des Mannes (nicht der Frau!) eine Art Bild des Kindes auf, und dem Mann wurde der Name des Kindes bewusst.“
- „Ein holländischer Kollege und ich sammeln seit Jahren Erlebnisschilderungen von Paaren über ihre leiblich-seelisch geistigen Erfahrungen zum Zeitpunkt der Zeugung und Empfängnis. … die Paare oder einer der Partner nehmen die Begegnung mit einer fremden, als menschliche Person erlebten Gestalt wahr – einer Person, die sie mit dem späteren Kind identifizieren; es findet bei den Paaren … eine tiefgreifende seelisch-leibliche Veränderung statt; diese Veränderung dauert bis zu 24 Stunden kurz vor und nach dem physiologischen Zeugungstermin … die Paare haben das Empfinden der unbedingten Notwendigkeit, dass jetzt ihr Kind kommt; sie haben die feste Gewissheit der Ankunft; die Befindlichkeit ändert sich in einer als hell empfundenen Stimmung. …“

- Gibt es für den Menschen ein Recht auf Leiden ebenso wie es ein Recht auf Glück und Wohlbefinden gibt?
- Kinderlosigkeit als Chance für eine vertiefte Partnerschaft
- Der Arzt hilft nur, Leiden zu verdrängen
- Ungezügeltes Machenwollen oder demutsvolles Kommenlassen?
- Luxusegoismus
Liebe Grüße, Rebella
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