Kritischster Tag Embryoentwicklung

Für fachliche Fragen an die Spezialistin Frau Zeitler

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Moderator: sonjazeitler

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BimBamBum
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Kritischster Tag Embryoentwicklung

Beitrag von BimBamBum »

Guten Tag Frau Dr. Zeitler,

ich habe eine Frage an Sie:

Kann man sagen, welcher Tag in der Embryoentwicklung am kritischsten ist? Manche sagen Tag 3 auf Tag 4, weil ab da auch das männliche Genom eine Rolle spielt. Wieder andere sagen, dass Tag 4 auf 5 der Kritischste ist, weil den Sprung zur Blastozyste nicht alle Embryonen schaffen.

Wie beurteilen Sie das?

Könnten Sie mir außerdem mitteilen, ob die Embryonen üblicherweise an Tag 4 begutachtet/bewertet werden?

Vielen herzlichen Dank für Ihre Mühe vorab.

BimBamBum
Kinderwunsch seit Januar 2013 :cry:

1 negative IUI
3 negative ICSI
2 negative Kryos
4 negative NC-ICSI

KIR AB, Hashimoto, MTHFR homozygot, PAI 4G homozygot, nat. Killerzellen (Blut) bei 11%

März 2017: Gebärmutterschleimhaut zum Transfer nicht rezeptiv

War das der Grund? Wir starten noch mal einen Versuch...
sonjazeitler
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Beitrag von sonjazeitler »

Hallo,

von Tag 3 zu Tag 4 der Embryoentwicklung findet ein sehr entscheidender Schritt statt,
der sich "Aktivierung des embryonalen Gesamtgenoms" nennt und die genetischen Selbststeuerung
durch eigene Proteinbiosynthese bedeutet ( davor wurde die Proteinbildung durch Faktoren in der Eizelle ermöglicht).
Findet diese Aktivierung nicht statt, bleibt die Embryoentwicklung zurück oder stoppt .
Von Tag 4 zu Tag 5 zeigt sich dann an Hand der Embryostrukturen die Qualität der BCs.
Die Begutachtung/Bewertung an Tag 4 wird in den IVF-Laboren unterschiedlich gehandhabt.
Dies hängt meist mit der Art der Kultivierung der Embryonen zusammen.
Werden die Embryonen in "der Gruppe" (alle Embryonen zusammen in einer Kulturschale) gehalten,
kann der Verlauf der Entwicklung nicht für jeden Embryo einzeln unterschieden werden,
an Tag 5 wird die Qualität der BCs bestimmt.
Werden die Embryonen einzeln in Tröpfchenkultur gehalten, kann der Verlauf für jeden Embryo
sehr genau dokumentiert werden und die zeitgerechte oder aber sprunghafte/verzögerte Entwicklung
des einzelnen Embryos kann in die Bewertung der BC einbezogen werden.
Das gleiche gilt für die Kultur in einem Timelapse-Inkubator.

Gruß
Sonja Zeitler
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tigerlilian
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Beitrag von tigerlilian »

Hallo Frau Dr. Zeitler,
werden diese Entwicklungsschritte alleine durch die Zeit definiert oder auch durch die Anzahl der Zellen, sprich ist ein 8 Zeller ein Tag 3 Embryo und ein >8 Zeller ein Tag 4 Embryo, egal zu welchem Zeitpunkt?
Mein Sohn war nämlich zum Transfer an Tag 3 ein 10 Zeller und der Arzt damals meinte, damit hätte er im Unterschied zu einem 8 Zeller einen "wichtigen Schritt" schon geschafft.
Danke und Gruß
tigerlilian
Jasha
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Beitrag von Jasha »

tigerlilian, interessante Frage. Ich hatte zwischenzeitlich über ein Dutzend Embryonen, die am Tag 3 schon 10-Zellen oder mehr hatten und habe mich gefragt, ob diese Entwicklung dafür spricht, dass die Aktivierung des Gesamtgenoms sozusagen angesprungen ist. Ich hatte bislang allerdings nur einen Arzt, der diese schnelle Entwicklung toll fand. Alle anderen waren sehr verhalten und meinten, dass eine zu schnelle Entwicklung nicht begrüßenswert wäre, da diese überdurchschnittlich oft aufgrund von Chromosomenfehlern passiert.

Letztlich entscheidet aber das Ergebnis. Und das sah bei mir leider so aus, dass sich tatsächlich kein einziger dieser schnellen Embryonen eingenistet hat. Das ist die Frage, ob ein 10-Zeller am Tag 3 für einen Embryo mit überdurchschnittlichen Chancen spricht, da er so früh schon einen wichtigen Schritt geschafft hat und ich lediglich über ein Dutzend Mal Pech hatte oder ob das prognostisch doch kein so berauschender Faktor ist und Du eben Glück hattest. Wobei es ja bei der Entwicklung auch immer darauf ankommt, wieviele Stunden nach der Befruchtung durch ICSI oder IVF der Transfer stattfindet.
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red.fraggle
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Beitrag von red.fraggle »

Ich hatte an Tag 2 einen 5 und einen 8 Zeller bekommen. Einer davon ist meine völlig gesunde Tochter geworden. Das spricht für mich dagegen, dass zu schnell unbedingt problematisch ist.
Jasha
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Beitrag von Jasha »

red.fraggle, unbedingt problematisch ist das sicher nicht. In der Reproduktionsmedizin ist ja fast alles Statistik, d.h. die Wahrscheinlichkeit ist bei bestimmten Voraussetzungen oder Ereignissen halt höher oder niedriger als der Durchschnitt. Und da fragt es sich, ob eine überdurchschnittlich rasche Zellteilung eher ein ungünstiger Prognosefaktor ist, der für eine reduzierte Erfolgswahrscheinlichkeit spricht. Gegen Null gehend ist die Schwangerschaftschance damit ja nicht, nur eventuell herabgesetzt. Es gibt zumindest einige Studien, die aussagen, dass sehr schnell geteilte Embryonen in viel höherem Maß Chromosomenstörungen haben als Standard-Embryonen. Ich habe mir damals die Finger nach Erfahrungen anderer und Studien wund gegoogelt.

Einen Fünfzeller am Tag 2 hatte ich auch mal. Ich habe mich zuerst riesig gefreut, dass ich so einen flotten Embryo habe. Mein Arzt hat die Freude aber sofort gedämpft. Seine Aussage war, dass das kein gutes Zeichen ist, da man am Tag 2 im Optimalfall Vierzeller sehen möchte. Meine nachfolgenden Ärzte haben bis auf eine einzige Ausnahme diese Aussage leider bestätigt. Geklappt hat es mit dem Fünfzeller übrigens damals genauso wenig wie danach mit den ganzen schnell geteilten Tag 3-Embryonen.

Aber wie schon geschrieben. Bei den Zellteilungen kann es auch auf ein paar Stunden hin oder her ankommen. Wenn die ICSI am früheren Vormittag durchgeführt wurde und der Transfer in den Nachmittagsstunden ist kann der Embryo schon wieder ein Stück weiter sein und ist dann halt kein 4- oder 8-Zeller mehr.
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tigerlilian
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Beitrag von tigerlilian »

Hallo Frau Dr. Zeitler,
könnten Sie bitte nochmal auf die Frage eingehen, ob lediglich das Alter des Embryos oder auch das Zellstadium über das erreichte Entwicklungsstadium Aufschluss geben, also z.B. auch ein >8Zeller an Tag 3 schon das Gesamtgenom aktivieren konnte. Ich vermute JA.

Ich habe auch noch nicht verstanden, ob immer eine Potenz von 2 mit größeren Pausen zu weiteren Teilungen stehen sollte oder ob es am Ende sogar normal ist, dass in gleichmäßigen zeitlichen Abständen munter alle Zellanzahlen dazwischen entstehen :?:

@red.fraggle
red.fraggle hat geschrieben:Ich hatte an Tag 2 einen 5 und einen 8 Zeller bekommen. Einer davon ist meine völlig gesunde Tochter geworden. Das spricht für mich dagegen, dass zu schnell unbedingt problematisch ist.
Wer sagt Dir denn, dass Deine Tochter nicht der normal schnelle 5Zeller ist ;)

Generell ist es ohne Embryoscope vermutlich schwer bei 1 Begutachtung/Tag die Geschwindigkeit festzustellen, da man nie weiß, ob der Embryo kurz vor oder nach oder genau zwischen zwei Teilungen ist.
Ich hatte letzte Woche an PU+2 einen 2 und einen 5 Zeller und an PU+3 waren beide wieder sehr schöne 8 Zeller.

Danke und Gruß
tigerlilian
sonjazeitler
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Beitrag von sonjazeitler »

Guten Morgen,

das Alter der Embryonen d.h. die Anzahl der Tage nach Bildung der Vorkerne
zeigt wie schnell, langsam oder zeitgerecht sich ein Embryo entwickelt.
Im Idealfall sieht man bis Tag 3 jeweils eine Verdopplung der Zellzahl 2->4->8-> (16),
häufig beobachtet man jedoch auch Übergangsphasen mit ungeraden Zellzahlen
(wenn nicht alle Zellen die gleiche Größe haben, kann eine kleine Zelle als Fragment
oder als Zelle eingestuft werden d.h. ein Embryo kann ein 9-Zeller sein oder ein
8-Zeller mit relativ großem Fragment)

Die Aktivierung findet erst nach dem 8-Zellstadium statt d.h. nachdem ein 8-Zeller
seine Zellzahl entweder nochmal verdoppelt hat oder kompaktiert ist.
Bei einem 10-Zeller an Tag 3 ist die Aktivierung noch nicht durchlaufen.

Gruß
Sonja Zeitler
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