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Verfasst: 25 Jun 2015 08:56
von Kosmee
Eine weitere Aua-Reaktion der letzten Tage war: "Damit hat ja jetzt keiner mehr gerechnet, oder!?" (von einer Freundin, die ihre Kinder in der jeweils ersten ICSI empfing) Meine Antwort: "Wir hatten schon noch Hoffnung."

Ich merke, dass ich mich, solange wie niemand aus meinem persönlichen Umfeld von der Schwangerschaft wusste, einfach nur freuen und erleichtert sein konnte. Doch mit der Verkündung setzte der Schmerz über bestimmte Kommentare wieder ein - genau wie vor der Schwangerschaft. Da das jetzt seit anderthalb Wochen so geht und weder mir noch dem Kind (fürchte ich jedenfalls) guttut, habe ich für nächste Woche nun doch noch einmal einen Pro-Familia-Termin vereinbart.

Unabhängig davon beherzige ich eure Ideen

- den Schmerz zulassen und loslassen
- versuchen, nicht alles auf die Goldwaage zu legen
- nicht so streng mit der Umwelt sein
- davon ausgehen, dass sie es nicht böse gemeint haben
- mich selbst okay finden

Da der Schmerz aber hartnäckig ist und ich gerade die Erfahrung mache, dass er durch immer neue Kommentare nicht zur Ruhe kommt, habe ich mich jetzt für diesen Termin entschieden und fühle auch, dass ich mir selbst und dem Kind damit einen Gefallen getan habe.

Ich sende herzliche Grüße in die Runde und wünsche jeder/m alles Gute!
Kosmee

Verfasst: 25 Jun 2015 10:53
von theia
Hallo Kosmee,

ich bin diesem Ordner bisher still gefolgt, mag dir aber nun meinen Eindruck zu deiner Reaktion
erzählen.

Ich hatte ganz ähnliche Reaktionen und mich haben sie nicht "berührt".
Das hilft jetzt dir nicht, klar. Aus meiner Sicht und Erfahrung möchte ich dir erklären,
warum es mich nicht anrührt, nicht verletzt, so etwas zu hören.

Du hattest geschildert, dass du aus deiner Kindheit die Erfahrung mitgenommen hast
nicht richtig, nicht gut genug zu sein und dir die Anerkennung der wichtigsten Personen
gefehlt hat.
Das kenne ich nur zu gut. Ich wuchs auf ohne das Gefühl geliebt zu werden und bin
lange hinter Anerkennung hinter her gelaufen.
Den unerfüllten Kinderwunsch habe ich als Kränkung empfunden.
Wieder etwas, wozu ich zu blöd bin, das andere einfuch tun - ich kriege nicht mal das hin.
So war meine Denkweise.
Wir hatten den Kinderwunsch nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen ja bereits ad acta gelget.
In der Zwischenzeit bis zur EZS habe ich mich auf meine Füße gestellt. Bemerkt, dass ich o.k.
bin, so wie ich bin. Geliebt werde, mehr bin als eine kaputte Gebärmaschine.
Es ging mir darum die Erfahrungen meiner Kindheit zu integrieren - und zwar zu einer
Person zugehörig (meiner Mutter) und zu einer Zeit.
Im Laufe der Zeit habe ich gelernt Vertrauen zu den Menschen in meinem heutigen Umfeld aufzubauen.
Diese Menschen sind NICHT meine Mutter, sie sind mir freundschaftlich zugeneigt.

Diese zwei Faktoren, nämlich meinen Wert nicht kritisch zu beäugen und alte Erfahrungen
nicht mehr in die Jetztzeit zu übertragen haben mich sehr gestärkt und meine Verletzlichkeit
sehr, sehr reduziert.

Du siehst also, dass deine Vorsätze, die du aus den Anregungen aller hier genau den Weg
einschlägst, der für mich sehr hilfreich war.

Auch wenn du dich jetzt als verletzlich ansiehst - das ist völlig in Ordnung.
Schlag dich nicht deswegen, sondern nimm es zur Kenntnis: so ist das.
Du kennst schon eine Reihe von Ursachen dafür und damit kannst du arbeiten.

Sorry, dass ich nun so weit ausgeholt und von mir geschrieben habe.
Es geht mir um dich und ich wünsche dir von Herzen, dass du auch nicht zu streng zu dir bist.

Viele Grüße
theia

Verfasst: 25 Jun 2015 19:28
von rebella67
Es ist ein schönes Gefühl, sich etwas Gutes zu gönnen. Stimmt's,iebe Kosmee? Bestimmt wird euch der Termin guttun.

Vielleicht gelingt es dir beim nächsten derartigen Kommentar zu denken, meinem Gegenüber fehlt aber was. Kann nicht ein wenig positiv denken? Schön blöd, wenn sie an meiner Stelle die Hoffnung aufgegeben hätte. Sei stolz auf dich, dass du dich nicht hast irritieren lassen.

Verfasst: 25 Jun 2015 21:31
von betty75
Liebe Kosmee,

ich kann dich gut verstehen ... mir ging es ähnlich und manchmal reagiere ich heute - vier Jahre nach der Geburt meiner Tochter - immer noch sehr sensibel auf bestimmte Äußerungen. Es ist eben nicht so, dass mit eingetretener Schwangerschaft oder Geburt des Kindes alle erlebten Verletzungen, Belastungen etc. der vergangenen Jahre einfach weg sind. Vielmehr prägen sie einen und bleiben für immer ein Teil der eigenen Persönlichkeit / Geschichte.

Gut, dass du dir den Termin bei pro familia hast geben lassen. Ich drücke dir die Daumen für ein konstruktives Gespräch!

Verfasst: 26 Jun 2015 10:05
von ajamue
Kosmee

die Psychologin von Pro Familia hat mir geraten, den Leuten die mir nicht gut tun, bzw. ihr Geschwätz mich verletzt, dies einfach zu sagen, ein bisschen Abstand von ihnen zu nehmen.
Das habe ich bei einer Person gemacht und bin damit bisher gut gefahren. Ich habe sogar gemerkt, dass ich mich dadurch stärker fühle!

Verfasst: 26 Jun 2015 18:22
von rebella67
Ich habe meinen Gedanken von gestern noch weiterentwickelt, liebe Kosmee.

Könnte man nicht die Aussage, "Daran habe ich nicht mehr geglaubt, daas du noch schwanger wirst" als Zugeständnis der eigenen Schwäche des Gegenübers betrachten? Und damit gleichzeitig als Bewunderung, dass du stark warst, weiter daran geglaubt hast, Wege gefunden hast und letztlich auch erfolgreich warst?

Verfasst: 26 Jun 2015 18:53
von Kosmee
Liebe Rebella,
ja, ich glaube, das kann man. Schöner Gedanke! Toll, dass du mir das noch schreibst! Dass andere Menschen schon eher aufgegeben hätten, könnte allerdings genauso auch dahinter stehen. Beides (und wahrscheinlich noch einiges mehr) ist möglich. Bei sehr engen Kontakten lohnt sich vermutlich einfach die Nachfrage. Und du hast Recht, es war ein beruhigendes und regelrecht schönes Gefühl, den Pro-Familia-Termin zu vereinbaren. Dass ich ihn nun wg. des neuerlichen KH-Aufenthaltes wieder absagen musste, ändert daran nichts.

Ajamue,
wenn es die richtige Entscheidung war, dann kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es deine innere Stärke unterstützt. Schön, dass du diese Erfahrung machen konntest, und danke, dass du sie mit mir/uns teilst!

Betty,
ich glaube, mir geht es wie dir! Und zu lesen, dass ich mit meinen spontanen Empfindungen nicht ganz allein dastehe, tut mir gut. Dir bestimmt auch, oder ;o)!? Außerdem sind die Menschen einfach auch unterschiedlich empfindsam. Selbst meine Gesangslehrerin, die nicht durch die Kinderwunschmühle gegangen ist, konnte meine Gefühle verstehen. Einfach, weil sie sensibel ist - ohne jemals meine realen Erfahrungen geteilt zu haben. Das fand ich auch erhellend.

Theia,
danke, dass auch du deine höchstpersönlichen Erfahrungen hier teilst! Und es freut mich sehr, dass du dein Selbstwertgefühl stabilisieren konntest und dich heutzutage solcherlei Dinge nicht mehr treffen. Unverwundbarkeit in diesen Dingen ist sicher ein großer Gewinn.
Da ich selbst aber schon seit ca. 10 Jahren sehr aktiv an mir arbeite und dennoch immer wieder mal solche Empfindungen habe, vermute ich, dass ich nie so richtig "über den Berg" sein werde. Mir tut da am besten, es als eine Eigenart meiner Person zu akzeptieren. Ich denke auch, dass ich unabhängig von meiner Kindheit ein empfindsamer Mensch bin. Die Verwundbarkeit ist auch nicht nur schlecht. Wenn sie sich natürlich vollkommen unangebracht, also zu Unrecht, meldet, behindert sie mich, doch ich kann den Prozess auch nicht künstlich beschleunigen. Es wird wohl noch eine Weile oder auch für immer meine Aufgabe sein, herauszufinden, an welcher Stelle ich "nur dünnhäutig" bin und an welcher Stelle sich frühkindliche Verletzungen aufs Neue melden. Dass ich damit einmal so abschließen können werde wie du, ist mir schwer vorstellbar - doch ich bin für alles offen - vor mir liegen ja hoffentlich noch einige Jahre, um es herauszufinden ;o)!

Die neuen Blutungen haben mich gestern allerdings so erschüttert, dass ich etwas inneren Abstand zu dem Schmerz der letzten 2 Wochen bekommen habe. Es war, als ob ich mich gezwungenermaßen wieder aufs Wesentliche - nämlich mein Kind, sein Überleben und seine Gesundheit - konzentrieren musste, und wie nebenbei war für mich plötzlich doch denkbar, dass eben jeder die Welt durch seine eigene Brille betrachtet - gefärbt durch die selbst gemachten Erfahrungen. Und wenn Menschen mir ihre Deutungen, ihre Einschätzungen mitteilen, dann erfahre ich dabei vieles über sie, doch die Macht, mich zu verletzen haben sie im Grunde nicht - auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Wenn wir Dinge unterschiedlich einschätzen / eingeschätzt haben, bleibt mein Wert und meine eigene Entscheidungsfreiheit davon unberührt.
Ungefragtes Herumdeuten und Beratschlagen-ohne-Not ist dennoch nicht mein Ding und empfinde ich als übergriffig. Doch selbst das hat mehr mit dem anderen als mit mir zu tun. Das lernte ich dank einer Freundin, die mir erklärte, ihre Deutungen und Ratschläge seien aus dem Bedürfnis geboren, mein Leid zu beenden. Offenbar hatte ich selbst mein Schicksal schon viel mehr angenommen als sie. Sie wollte einfach, dass die Trauer und der Kinderwunschweg vorbei seien, wobei ich - offenbar trotz allen Haderns für mich grundsätzlich akzeptiert hatte, dass es solange dauert, wie es dauert. Das Ende würde ich schon fühlen oder es würde sich irgendwann auf seine Weise einstellen. Doch nun genug. Mehr gäbe es auf meinem Blog. Hier sprenge ich schon wieder den Rahmen ...

Seid herzlich gegrüßt, Kosmee

Verfasst: 26 Jun 2015 20:47
von rebella67
Ach nein, das muss doch nicht sein, dass du schon wieder ins Krankenhaus musstest. - Ich kann dir einfach nur sagen, liebe Kosmee, dass ich in Gedanken bei dir bin und dir wünsche, dass du bald wieder glücklich nach Hause kannst.

Aber: Im Krankenhaus passen sie gut auf dich und dein Kleines auf. Es wird alles gut.

Verfasst: 27 Jun 2015 08:54
von erdbeer.marmelade
Liebe Kosmee,

ich drücke Dir ganz fest die Daumen, dass die Blutungen schnell aufhören und Dich dann in Ruhe lassen. Und ich wünsche Dir und Euch ganz viel Kraft, um diese nervenaufreibende Zeit gut zu überstehen.

Mit dicker Umarmung, Erdbeere

Verfasst: 12 Jul 2015 14:42
von Kosmee
Liebe Leute,

diese Woche hatte ich ein Telefongespräch mit Pro Familia (weil ich mich ja noch schonen muss). Ich war sehr dankbar, dass meine Beraterin sich auf ein Telefonat einließ, sonst hätte ich noch länger warten müssen. Dieses Gespräch hat mir gut getan und nochmal alles auf den Punkt gebracht. Die hauptsächliche Erkenntnis für mich war, dass die von Freunden geäußerten Zweifel am Eintreten einer Schwangerschaft an meiner uralten Angst rühren, mich mit meinen Entscheidungen und Wünschen von anderen Menschen zu unterscheiden und dafür abgelehnt zu werden.

Ich habe schon oft festgestellt, dass ich meinen Weg immer solange gut gehen kann, wie ich allein bin und nicht damit konfrontiert werde, dass andere an meiner Stelle vielleicht andere Entscheidungen getroffen hätten. Denn dann gerate ich schnell in einen Rechtfertigungsstrudel, was an mir und nicht am anderen liegt.

In meinem Blog habe ich versucht das zusammenzufassen und kopiere es mal hierhin. Vielleicht gibt es neben mir noch andere Menschen, die sich ab und an schwer damit tun, sich von den Erwartungen und Ansichten ihrer Mitmenschen zu unterscheiden.

Jeder ist richtig. Ich auch. Eigentlich selbstverständlich. Und doch gibt es in meinem Leben immer wieder Situationen, in denen ich es nicht fühlen kann. Das sind die Momente, die wehtun, die Augenblicke, in denen jemand etwas zu mir sagt, das augenblicklich schmerzt, und einen Automatismus in mir auslöst, dem ich mich nur mit großer Mühe (und Zeit und Gesprächen) wieder entziehen kann.

Die Zweifel meiner Mitmenschen am Eintreten einer Schwangerschaft waren genau so ein Trigger. Obwohl ich mir selbst sehr überzeugt sagen konnte, dass sie es bestimmt nicht verletzend gemeint haben, war der unmittelbar ausgelöste Schmerz doch nicht zu bändigen. Tagelang. Das ist immer ein klares Anzeichen dafür, dass hier eine frühkindliche Verletzung angerührt ist.

Wenn andere an meiner Stelle den Kinderwunschweg schon verlassen hätten, dann zeigt mir dies, dass ich selbst eben anders entschieden habe. Ich war noch nicht am Ende dieses Weges, ich hatte noch Hoffnung, wenn die Kraft auch sank – und selbst die Zuversicht. Aufgeben war für mich noch nicht dran. Für andere wäre es das durchaus bereits gewesen. Ja, und dann muss ich zu mir stehen, zu meinen Entscheidungen, zu meinem Weg.

Wenn sich mein Weg vom Durchschnitt oder auch nur von dem des Gegenübers unterscheidet, dann habe ich sofort Sorge “falsch” zu sein, in Ungnaden zu fallen, verachtet zu werden. Das geht blitzschnell – und schon will ich mich erklären, rechtfertigen, verstanden und mit meinen Entscheidungen okay gefunden werden. Obwohl das gar nicht vonnöten ist. Glücklicherweise. Das scheinen uralte Mechanismen zu sein, die aufgrund ihres Alters eine so große Macht haben. Dennoch ist es mir gelungen, mich – wieder mal – über sie zu wundern, sie anzusehen und mithilfe weiser Gesprächspartner für diesmal zu enttarnen.

Mein Weg steht neben dem Weg eines jeden anderen Menschen. Mein Weg ist für mich genau so gut und richtig wie der Weg des anderen für ihn. Der Unterschied zwischen ihnen macht keinen von beiden besser oder schlechter.

Selbstverständlich? Na klar. Eigentlich schon. Nur in meinem Inneren, da galten lange Zeit andere Gesetze. Gut, dass ich es wieder einmal bemerkt habe.

Jetzt fühlt es sich immer weniger schlimm an, dass andere nicht mehr mit meiner Schwangerschaft gerechnet oder nicht mehr auf sie gehofft haben. Jeder ist eben anders. Fest mit ihr gerechnet habe auch ich nicht, auf sie gehofft aber sehr. Immer noch. Zum Glück!


Nochmals herzlichen Dank für den Austausch hier, aus dem ich dank eurer Offenheit viele Erkenntnisse gewinnen konnte und euer Mitgefühl erfahren durfte.

Kosmee