Manuskript einer Radiosendung über künstl. Befruchtung

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Chrischn
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Manuskript einer Radiosendung über künstl. Befruchtung

Beitrag von Chrischn »

Kinderstimme:
Es war einmal vor langer Zeit, dass ich an einem sehr kalten Ort lebte. Es war nicht irgendein alter Kühlschrank, in dem Käse, Wurst, Milch und Limos liegen. Nein es war ein ganz besonderer kalter Ort...Das ist der Grund warum ich Frostie heiße. .... Ich lag dort nicht allein, sondern neben mir lagen sehr viel andere Frosties, die auch darauf warteten, ein Baby zu werden.



Cut (Hans van der Ven):
Die Besonderheit bei der Geburt von Paul war die, dass das Kind aus eingefrorenen Eizellen entstanden ist. Die Technik des Einfrierens ist eigentlich keine neue Technik, die wird schon seit 10 oder 15 Jahren auch in Deutschland angewandt. Die Besonderheit in diesem Fall war, dass die befruchteten Eizellen vor neun Jahren eingefroren worden sind und erst so spät der Mutter zurückgesetzt worden sind in die Gebärmutter und es dann zur Schwangerschaft und zur Geburt dieses gesunden Kindes gekommen ist.

Kinderstimme:
Mammi und Pappi waren zu einem Doktor gegangen, weil sie keine Babies zum Liebhaben hatten. Die Ärzte konnten dann aus einigen Ei- und Samenzellen einen kleinen Embryo machen. Ich war nur so groß wie die Spitze eines Bleistifts und man konnte mich nur unter dem Mikroskop erkennen...

Sprecherin:
“Ich bin ein kleiner Frostie” – so der Titel dieses englischen Bilderbuches. Kein Blick durchs Schlüsselloch ins elterliche Schlafzimmer, keine Geheimniskrämerei, keine Andeutung sexuellen Miteinanders , die die kindliche Phantasie anregen könnte... Nüchtern wird Kindern erklärt, wie sie im Labor entstanden sind - hygienisch sauber und unter ärztlicher Aufsicht.

Kinderstimme:
Aber es war für mich nicht der richtige Zeitpunkt um zu einem Baby zu werden, deshalb taten mich die cleveren Ärzte und Wissenschaftler in eine kleine Flasche und machten mich kälter und kälter...brrr ...bis ich gefroren war und dann taten sie mich in einen speziellen Gefrierschrank. Dort lebte ich sehr ruhig und kalt vor mich hin bis es Zeit war, mich wieder wachsen zu lassen.

Cut (van der Ven):
Wissenschaftlich gibt es keine gute Basis für die Einschätzung einer möglichen erhöhten Fehlbildungsrate durch diese lange Lagerungszeit. Das haben wir den Eltern auch mitgeteilt, dass wir zum einen eine geringe Wahrscheinlichkeit haben, dass die Schwangerschaft eintritt, und wir haben den Eltern auch mitgeteilt, dass eine genaue Einschätzung über ein mögliches erhöhtes kindliches Fehlbildungsrisiko nicht gegeben werden kann. Die Eltern waren dennoch bereit, die Behandlung durchführen zu lassen und wir haben dann auch sehr früh nach Eintritt der Schwangerschaft entsprechende Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, auch um das Befinden des Kindes zu beurteilen.

Sprecherin:
Der Bonner Reproduktionsmediziner Hans van der Ven, der sich und dem kleinen Paul ins Guiness-Buch der Rekorde verholfen hat. Neun Jahre harrte der Embryo im sogenannten Vorkernstadium im Tiefkühlfach aus. So lange hatte es zuvor noch kein Embryo in der Kälte ausgehalten. Weltweit lagern zig- tausend Embryonen in Gefrierschränken und verursachen bizarre soziale Verwicklungen. In Deutschland versucht ein strenges Embryonenschutzgesetz bisher noch einen Riegel vorzuschieben. Es erlaubt nur so viele Eizellen zu Embryonen zu kultivieren, wie der Frau dann auch anschließend eingesetzt werden. Außerdem dürfen Embryonen nur im Vorkernstadium eingefroren werden. Vorkernstadium bedeutet, dass sich männliche und weibliche Zellkerne noch nicht zu einem neuen Individuum vereint haben. Doch trotz strenger Regelungen hat sich im Laufe der Jahre auch in Deutschland viel embryonales Gefriergut angesammelt. Gesetzliche Regelungen, wie damit zu verfahren ist, fehlen.

Fragerin:
Haben tiefgekühlte Embryonen ein Verfallsdatum? Sollen sie danach vernichtet oder zur Adoption freigegeben werden? Oder sollen sie der Wissenschaft geschenkt werden, die einen großen Bedarf an Embryonen hat? Was ist, wenn sich die Partner getrennt haben oder einer von beiden gestorben ist? Wem gehört der Embryo?

Sprecherin:
Der Düsseldorfer Gynäkologe Dr. Hugo Verhoeven beim Rundgang durch seine reproduktionsmedizinische Praxis:

Cut (Verhoeven):
Geräusche. Das ist der Raum, der immer abgeschlossen ist. Das ist nämlich der Raum, wo wir unser Hodenmaterial, unser Eierstockmaterial und unsere befruchteten Eizellen einfrieren. Das ist ein Einfriergerät, gefüllt mit flüssigen Stickstoff. Das sind alles Patienten, die da drin liegen . Das sind Embryonen, nein keine Embryonen Vorkernstadien – aber wir haben es mit E. gekennzeichnet und das ist alles Sperma von Leuten, die bei uns im Moment in Behandlung sind. !!
Autorin: Und das sind alles Vorkernstadien. Wie viele lagern da drin?
Verhoeven: Keine Ahnung, aber da sind bestimmt einige Tausende drin. Wahrscheinlich können man die Hunderte von Jahren aufbewahren im flüssigen Stickstoff. Das macht mir nicht soviel Angst. Aber was wir gleich sehen werden – die Genetik wo man Stücke von Chromosomen herausschneiden kann, davon Kopien machen, Klonen kommt bestimmt ...Das ist nur eine Zeitfrage.

Zitator:
30 Jahre Grenzverschiebungen

Sprecherin:
Wir hören immer diese Erfolgsstories. Es sind die Geschichten kinderloser Paare, die sich nichts sehnlicher als ein Kind wünschen und denen die Reproduktionsmedizin helfen konnte. Doch die Geschichte der Reproduktionsmedizin ist auch eine Geschichte von Versuch und Irrtum, von einem ausufernden weltweiten Markt und immer neuen Begehrlichkeiten. Es ist eine Geschichte der Tabubrüche. Innerhalb weniger Jahrzehnte haben sich die ethischen Vorstellungen, über das was richtig und was falsch ist, was sein darf und was sein soll, verändert. Und auch der Blick auf den Lebensanfang hat sich verändert. Nicht mehr ein dicker Leib repräsentiert im öffentlichen Bewusstsein eine Schwangerschaft, sondern ein Embryo, der scheinbar losgelöst von jeder Beziehung für sich existieren kann – so als würden Embryonen auf den Bäumen wachsen oder als Kartoffeln in der Erde. Der Prozess der Schwangerschaft ähnelt mehr und mehr dem eines “Produktionsprozesses”, der perfektioniert werden soll, um möglichst am Ende ein perfektes Produkt zu bekommen.

Zitator.
Stern vom 2.3.69
Das eigene Kind im fremden Schoß. Dem britischen Wissenschaftler Dr. Robert Edwards gelang ein bahnbrechendes Experiment: die künstliche Befruchtung des menschlichen Eis in der Retorte.

Sprecherin:
Ob die vielen Eizellen, die Dr. Edwards für seine Experimente verbrauchte, den Frauen geklaut wurden – ist nie ganz geklärt worden. Auf jeden Fall hatte der Physiologe Dr. Edwards einen Deal mit einem gewissen Dr. Steptoe, Chirurg in einer englischen Provinzstadt namens Oldham gemacht. Dieser belieferte ihn jahrelang mit Eierstöcken. Der Stern:

Zitator:
Der Mann, der in seinen Reagenzgläsern seines Labors neues Leben beginnen lässt, hat keine Gewissensbisse: Edwards sagt: ”Was sollte daran Sünde sein.”

Sprecherin:
Noch Hunderte von Experimente mit Frauen waren nötig bis die englische Boulevardpresse neun Jahre später am 27. Juli 1978 jubeln konnte:

Zitator:
And here she is ...... the lovely Louise..
Und hier ist sie - die wunderbare Louise.

Sprecherin:
Kritischer berichteten damals die deutschen Zeitungen.

Zitator:
Spiegel vom 31.Juli 1978
Ein Schritt in Richtung Homunkulus – Kinder aus der Retorte Fortschritt oder Frevel

Sprecherin:
und die Wochenzeitung “Die Zeit” fragte sich damals noch besorgt, ob nun die Manipulation der menschlichen Fortpflanzung komme? Leihmutterschaft, Eispende, Eizellplasmaspende, Embryonen im Tiefkühlfach, die zerstört werden, weil sie die Lagerfrist überschritten haben, Vierlinge von denen zwei bereits im Mutterleib abgetötet werden, Berichte über Kinder mit drei oder vier verschiedenen Müttern, die einen genetisch, die anderen sozial, Omas, die die eigenen Enkelkinder gebären, Eltern, die ihr verstorbenes Kind klonen lassen wollen ..... Unsere soziale Ordnung droht durch die Möglichkeit, Menschen gezielt im Labor erzeugen zu können, durcheinander zu geraten. Ethiker sollten und sollen Ordnung in das Wirr-Warr bringen. Als “Gewissen” der Nation haben sie seither Konjunktur. Die Kindermacher dagegen beschwichtigen. Der Tübinger Sozialethiker Dietmar Mieth im Rückblick:

Cut (Mieth):
Ich habe schon Problem, wo man als Ethiker 30 Jahre die Diskussion beobachtet, dass man immer beruhigt worden ist. Wenn man Bedenken hatte, damit, dass die Wissenschaftler gesagt haben, man kann es nicht und dass man dann gesagt hat, man will es zwar vielleicht, aber dann darf man es nicht. Hinter dieser Beschwichtigungsstrategie steckt auch so eine Art Salamitaktik, wenn man den Fuß in die Tür bekommen hat, dann wird man auch weitere Wege gehen können. Jetzt sind wir als Ethiker vorsichtiger geworden in der Bereitschaft zu glauben.

Zitator:
30 Jahre Grenzverschiebungen.

Fragerin:
Dürfen Embryonen auf ihre genetische Normalität getestet werden, bevor sie in die Gebärmutter eingepflanzt werden? Dürfen sie, falls auffällig, dann weggeworfen werden? Was bedeutet es für unser Menschenbild wenn Embryonen für Forschungszwecke oder als Ersatzteillager eigens gezüchtet werden? Ist Klonen von embryonalen Stammzellen zu therapeutischen Zwecken moralisch? Und läuten Klone den Untergang des Spezies Mensch ein?

Sprecherin:
Diese Fragen bewegen und beunruhigen uns heute. Dahinter verschwindet der Alltag der Reproduktionsmedizin. Doch ist es nicht paradox, dass Deutschland einerseits weltweit eine der niedrigsten Geburtenzahlen hat und sich andererseits bei der Zahl der High Tech Befruchtungen neben Israel an der Weltspitze befindet? 37 000 Frauen waren allein 1999 in reproduktionsmedizinischer Behandlung, und die Zahl der Behandlungszyklen hat sich in nur 8 Jahren auf 65 000 Zyklen mehr als verzehnfacht. Dabei wäre es falsch, diesen Trend als Indiz für eine kinderfreundliche Gesellschaft zu sehen. Ganz im Gegenteil: Kinderkriegen und - haben ist für Frauen ein biografisches Risiko – das sie von Partner oder Sozialamt abhängig machen kann. Schließlich lässt sich ein Berufsleben in Deutschland nach wie vor mit Kindern schlecht vereinbaren. Die Folge: Frauen schieben das Kinderkriegen möglichst lange hinaus und erwarten dann von den Medizinern nicht nur Zeugungshilfe, sondern auch die Garantie für ein gesundes – möglichst pflegeleichtes Kind. Schließlich können Frauen nur funktionieren, wenn auch ihre Kinder funktionieren.

Zitator:
Reproduktionsmedizinischer Zeugungsalltag

Kinderstimme:
Nach einiger Zeit tauten die Ärzte und Wissenschaftler mich sehr vorsichtig und sanft wieder auf und sie konnten sehen, dass ich tatsächlich noch am Leben war und ich wieder anfing zu wachsen. Als sie sicher waren, dass alles in Ordnung war, taten sie mich in Mammis Bauch, wo ich immer größer und größer wurde bis ich stark genug war, um geboren zu werden.

Cut (Verhoeven):
Ich habe mich vor 10 Jahren mit einer Arzthelferin auf 90 qm niedergelassen. So jetzt sind wir bei 1700 qm. Und etwa 80 Angestellten. Wir sind zur rechten Zeit auf rechten Zug aufgesprungen. Wir haben 1997 etwas weniger als 3000 Patienten punktiert, wir können davon ausgehen, dass etwa 15% der Zyklen aus irgendeinen Grund abgebrochen werden, d.h. dass wir etwa 3000-4000 Patienten starten für eine Eizellentnahme.

Sprecherin:
Am Vormittag sei Hauptkampfzeit, sagt der Gynäkologe Dr. Hugo Verhoeven, der in der Düsseldorfer Innenstadt eine der größten deutschen Privatpraxen für Fortpflanzungsmedizin betreibt. Der Nachmittag dagegen sei ruhiger, entschuldigt er sich fast. Im Wartezimmer, das von seiner Größe her eher wie ein Wartesaal anmutet, sitzen zwei, drei Männer herum und blättern scheinbar gelangweilt in Illustrierten. Ein türkisches Paar wartet schweigend nebeneinander, bis endlich ein Lämpchen rot aufleuchtet und sie schnell hinter einer der zahlreichen Türen verschwinden. Mir sitzt eine Frau gegenüber, vielleicht Ende dreißig. Sie mustert mich verstohlen, während ich die vielen bunten Geburtsanzeigen an den Wänden studiere. “Endlich: Britta und Alex sind da.” Oder: “Frisch gepresst – Max, 3200 gr. schwer.” Eltern haben die Anzeigen offensichtlich als Dankeschön an das Zentrum geschickt. Und glückliche Babies sind der beste Werbeträger für die Fortpflanzungsmediziner.

Cut (Verhoeven):
Zu uns kommen die Patienten die sagen: jetzt reichts. Jetzt will ich noch einmal was versuchen in so einem hochspezialisierten Zentrum und dann ist Schluss. Das trifft zu auf Patienten, die älter geworden sind und sagen: ich mach das jetzt 10 Jahre und bin noch nicht schwanger und jetzt geh ich zum Verhoeven, oder Patientinnen, die sehr spät angefangen haben und sagen, ich habe nur noch drei Jahre Zeit: ich will sofort die beste Behandlung haben, koste, was es wolle.

Sprecherin:
Zwischen einer gewollten und einer ungewollten Kinderlosigkeit können nur wenige Monate liegen. Je älter die Frau wird, umso mehr tickt die biologische Uhr und umso ungeduldiger reagieren die Paare, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Dabei zeigt eine europäische Studie, dass es bei einem Drittel der Frauen, die älter als 30 sind, länger als ein Jahr gedauert hat, bis sie schwanger geworden sind. Doch wer ermutigt die Paare zur Geduld ? In Deutschland gibt es die Wunschkinder auf Krankenschein. Vier Behandlungszyklen kosten den Krankenkassen etwa 30 000 bis 40 000 DM – Erfolg nicht garantiert.

Cut (Verhoeven):
Das ist einer der Spermiengewinnungsräume, die sehr nackt gehalten sind. Früher hatten wir ein Videogerät mit Pornofilmen. Das ist aber von der Ärztekammer untersagt worden. Das wäre mit dem Berufsrecht nicht in Übereinstimmung zu bringen. Wir haben hier – sehr wichtig die Verbindung mit dem Laboratorium – die Männer stellen das Töpfchen hier rein. Sie haben ein bisschen Pornoliteratur, Sie können mitbringen, machen, was sie wollen. Von mir aus können sie kommen mit ihrer Ehefrau, drei Freundinnen oder ihrer Sekretärin...sie können tun, was sie wollen. (blenden)

Sprecherin:
Nur dieser kleine Raum erinnert an die sexuelle Lust. Sonst wirkt alles medizinisch – steril..... wie beim Gynäkologen eben. Schließlich findet die In-vitro-Fertilisation auf dem Rücken der Frauen statt. Die Prozedur ist nach wie vor gesundheitlich riskant und psychisch stressig. Die Frau muss erst einmal mit Hormonen stimuliert werden, damit mehrere Eizellen heranreifen. Diese werden dann unter örtlicher Betäubung gewonnen.

Cut (Verhoeven):
Alle Patientinnen sind in einem Dämmerschlaf, sind in einem Zustand, dass ihnen alles egal ist, was gemacht wird. Die Eizellen werden aus dem Follikel abgesaugt und die werden dann von unserer OP-Schwester ins Laboratorium gebracht, es werden Eizellen ausgesucht, von unserem Embryologen begutachtet und an einen sicheren Platz gebracht zum Beispiel in den Brutschrank. Inzwischen ist auch Samen produziert worden und dann wird beides zusammengebracht: bei der normalen IVF eine Eizelle mit 300 000 Samenzellen – bei ICSI spritzen wir eine Eizelle in eine Samenzelle, wobei dann mit einer Mikropipette ungefähr 8 tausendstel Millimeter eine Samenzelle in eine Eizelle gespritzt wird. Das machen wir hier pro Tag vielleicht bei 200 Eizellen.

Sprecherin:
Nach dem Rücktransfer der Embryonen in ihre Gebärmutter bleibt der Frau nur noch zu hoffen, dass sie sich dauerhaft einnisten und zu einem Kind heranwachsen. Nach wie vor ist die Erfolgsquote gering: Nur etwa 15 % der Frauen werden in einem Behandlungszyklus schwanger und nur jede 3. Frau mit Hilfe der Laborbefruchtung zur Mutter. Außerdem kommt es häufig zu Risikoschwangerschaften und Mehrlingsgeburten.

Cut (Verhoeven):
Schwangerwerden ist ein Instinkt, darum kann eine Frau (und auch Männer) nicht so von heute auf morgen sagen: Jetzt ist Schluss. Die kommen alle wieder, weil dieser Grundgedanke, nicht alles getan zu haben oder nicht lange genug versucht zu haben, die Frauen weiter quält und nach einem Jahr sagen sie – vielleicht hätte ich es doch noch ein oder zweimal machen müssen. Gehen wir doch noch mal hin. - Die kommen alle wieder. Ich sage: Sie sind inzwischen über 40. Die Chancen sind gering geworden. Ach, wir spielen auch jeden Monat Lotto, versuchen wir es noch einmal. Vielleicht haben wir Glück.

Sprecherin:
Ältere Patientinnen können ihre Chance auf eine Schwangerschaft mit den Eizellen fremder Spenderinnen verbessern. In Deutschland ist allerdings die Eizellspende verboten. Doch Interessierte können im Ausland einkaufen gehen. Dies ist nicht ganz billig, da Eizellen weltweit Mangelware sind. Schließlich sind Eizellen nicht so einfach und risikofrei wie Spermien zu gewinnen. Die Spenderin muss sich einer Hormontherapie unterziehen, damit mehrere Eizellen heranreifen, die dann operativ geerntet werden. Außerdem lassen sich Eizellen nicht gut einfrieren.

Zitator:
Die Globalisierung der Reproduktion

Cut (Verhoeven):
Wir haben ausländische Zentren, womit wir kooperieren. Wir machen eine Eizellspende in Prag. In allen anderen Ländern sind die gesetzlichen Vorschriften so diffus, dass die Spenderinnen nicht mehr wollen oder die Kosten so hoch geworden sind wegen tausender Anwaltsberatungen, dass es nicht mehr bezahlbar ist. Und wenn nicht in Prag, dann in Amerika, dann bestellen wir meistens Spenderinnen übers Internet.

Zitator:
Astarte. Where parenthood begins. We invite you to browse this site and find information on the medical aspects of egg donation and how to choose a donor.

Sprecherin:
www.astarte.com, Sitz San Francisco vermittelt Eizellspenderinnen für jeden Geschmack: weiße oder schwarze Hautfarbe, Hausfrauen, Sekretärinnen, Studentinnen, Eine Eizellspende kostet zwischen 25 000 und 30 000 Mark – dazu kommen noch die Kosten für die Laborbefruchtung – alles in allem müssen Paare etwa 50 000 Mark hinblättern.

Zitator:
Spenderin: Nummer 243, Name: Gabriella, Alter: 29, Größe 1.60, Gewicht 50 kg, Haarfarbe: blond, Herkunft: schwedisch-irisch, Ausbildung: Abschluss in politischen Wissenschaften, raucht nicht, trinkt 2 bis 3 mal die Woche etwas Alkohol. Familiengeschichte: Vater starb mit 64 an Blasenkrebs,.
Ansonsten: freundlich, humorvoll und offen, liebt Sport und Musik, ebenso das Gärtnern, will durch Eispende Gutes tun und sich außerdem eine Reise nach Afrika finanzieren

Cut. (Verhoeven):
Übers Internet wird in einem gewissen Katalog ein Eizellspender ausgesucht. Im Zentrum, wo die Patientin stimuliert wird, muss zum Zeitpunkt der Eizellspende Sperma zu Verfügung stehen, d.h. der Mann ejakuliert hier, das Sperma wird in einen Container eingefroren, per Express nach Amerika geschickt. Zum Zeitpunkt der Eizellentnahme ist das Sperma da, die Eizelle wird befruchtet und die Embryonen werden dann 3-4 Tage später im eingefrorenen Zustand per Express wieder nach Europa geschickt und hier irgendwo in Europa, aber nicht in Deutschland, weil es verboten ist, in die Gebärmutter der Frau übertragen, meist in Belgien oder Holland.

Zitator:
Der Kampf ums weibliche Ei. Das Klonen bedroht den Eiervorrat

Sprecherin:
berichtete die BBC am 14. November 2000 und bezog sich auf die Diskussion um die Kultivierung embryonaler Stammzellen im britischen Parlament. Sie zitiert einen Reproduktionsmediziner, der die Konkurrenz der Forscher fürchtet.

Zitator:
Die Wissenschaftler sind genauso auf gesunde Spenderinnen angewiesen wie wir: Sie wollen ihr therapeutisches Klonen entwickeln, wir den Paaren zu einem Kind verhelfen. Schon heute haben wir eine Warteliste, die von Jahr zu Jahr länger wird.

Sprecherin:
Die knappe Ressource der Eizellen hoffen einige australische und amerikanische Forscherteams bald aufzufüllen. Sie arbeiten an einer Konservierungsmethode für unreife Eizellen, die sogar aus dem Eierstock weiblicher Föten stammen könnten. Theoretisch könnten also in Zukunft Kinder geboren werden, deren genetische Mutter nie das Licht der Welt erblickt haben.

Zitator:
30 Jahre Grenzverschiebungen

Sprecherin:
Im Juli 1999 feiert die britische Zeitung “Sunday Times” den Fortpflanzungspionier Robert Edwards, den medizinischen Vater von Louise Brown. Das Foto zeigt einen stolzen alten Mann mit einem Baby auf dem Arm, sein 2.500stes IVF-Kind. IVF, also In Vitro Fertilisation. Sunday Times zitiert den Altmeister:

Zitator:
Bald wird es eine Sünde sein, wenn Eltern ein genetisch defektes Kind auf die Welt setzen. Wir sind im Begriff eine Welt zu betreten, in der jedes Kind erwünscht ist und genetisch okay.

Kinderstimme:
Mammi und Pappi fragen sich oft, was ich und die anderen Frosties in dieser speziellen Tiefkühltruhe machten? Rate mal welcher von den Frosties ich war? Genau – ich war der mit dem Lächeln auf dem Gesicht. ....Das alles macht mich zu etwas ganz Besonderem, so dass Mammi und Pappi mich ihren eigenen sehr speziellen Frostie nennen!

Zitator:
Präimplantationsdiagnostik oder wie die Qualität der Labor-Embryonen zukünftig geprüft werden soll.

Cut (Diedrich):
Die Präimplantationsdiagnostik ist eine neue diagnostische Möglichkeit, die im Ausland schon durchgeführt wird und eine gute Alternative für einige belastete genetische Paare, die schon die Pränataldiagnostik hinter sich haben und vielleicht auch einen Schwangerschaftsabbruch, und die Präimplantationsdiagnostik wäre dann der weniger belastende Weg.

Autorin:
Der Gynäkologe Klaus Diedrich, Chefarzt der Lübecker Frauenklinik macht sich seit Jahren für die Präimplantationsdiagnostik stark. Er erzählt dabei gerne die Geschichte von einem Ehepaar, nennen wir es hier Susanne und Günther Schmitz. Beide waren Ende 20, als sie den Lübecker Kinderwunschspezialisten um Hilfe baten. Beide sind Träger des Mukoviszidose-Gens, ihre Kinder können deshalb an Schleimabsonderungen in der Lunge und im Magen-Darm-Trakt leiden. Die Ausprägungen der Erkrankung sind sehr unterschiedlich: manche Menschen können mit ihrer Krankheit gut leben, andere sterben schon in jungen Jahren daran. Solchen Paaren, wie dem Ehepaar Schmitz, will die Bundesärztekammer nun helfen. In ihrem Richtlinienentwurf sollen Paare mit einem erhöhten Risiko, eine Krankheit auf den Nachwuchs zu vererben, sich zukünftig künstlich befruchten lassen und die Embryonen vor der Übertragung auf die Frau auch durchchecken lassen dürfen. Das bedeutet eine weitere Ausweitung der Indikationen für eine künstliche Befruchtung.

Cut (Diedrich):
Es ist jetzt eine andere Art des Kinderwunsches – die Indikation zu einer IVF, d.h. es ist nicht mehr nur der Kinderwunsch die Indikation, sondern auch der Wunsch, ein gesundes Kind zu bekommen, das diese genetische Erkrankung oder Disposition, die bei den Eltern vorliegt, dann nicht haben soll.

Sprecherin:
Im Klartext: Genetisch im Achtzellstadium getestet und für schlecht befunden darf sich der Embryo nicht zum Menschen entwickeln. Er ist dann nur noch biologisches Material, gut genug für die Forschung oder dem Müll.

Cut (Kollek):
Ich bin der Überzeugung, dass wenn diese Methode erst einmal etabliert ist, dass man sie nur sehr schwer auf die wirklich schweren Erbkrankheiten begrenzen kann, sondern, dass sie dann eingesetzt wird, wie sich das auch international abzeichnet zu Screening-Zwecken, d.h. also zur Überprüfung des chromosomalen und Genstatus von Embryonen.

Sprecherin:
Die Hamburger Professorin für Technikfolgenabschätzung, Regine Kollek, fürchtet, dass die ohnehin sehr belasteten Paare nur als Türöffner benutzt werden können, um nach und nach dann jeden in vitro erzeugten Embryo einer solchen Prüfung zu unterziehen. Auch die Pränataldiagnostik wie Ultraschall oder Fruchtwasseruntersuchung war in den 70er Jahren ein Angebot an Schwangere mit hohem Risiko. Inzwischen gehören diese Methoden zur Schwangerschaft wie früher das Mützchen häkeln. Und Frauen gelten bereits heute als verantwortungslos, wenn sie Fruchtwasseruntersuchung oder Ultraschall nicht durchführen lassen oder gar ein behindertes Kind gebären. So setzt sich mehr und mehr eine Pflicht zum gesunden Kind durch.

Cut (Kollek):
Wer wollte es Paaren verbieten, sich ihre Embryonen untersuchen zu lassen? Es wird auch ein gewisser Rechtsanspruch konstituiert dadurch, wenn diese Methode erst einmal erlaubt ist, so dass man auch anderen Paaren dieses wird nicht verweigern können.

Fragerin:
Wird die Präimplantationstechnik nicht einen Dammbruch erzeugen? Heute werden die Embryonen im Labor nur selektiert, morgen vielleicht manipuliert? Und wer entscheidet, welche Gene “schlecht” sind und welche eine gute Qualität haben? Welcher Embryo ist wertvoll und welcher ist nicht seines Lebens wert? Gehört in Müll oder verbessert? Ist die Präimplantationstechnik das Tor zur Menschenzüchtung, das verantwortungsvolle Eltern dann pflichtgemäß durchschreiten werden?

Sprecherin:
Jeremy Rifkin, amerikanischer Genkritiker malt die Zukunft des Kinderkriegens aus:

Cut (Rifkin):

Darüber:
Zitator:
Die neue sogenannte ”Life-Science” – Industrie bietet ihre Dienste an. Ich kenne diese Firmen: Sie wollen nur eins – vor allem ein gutes Produkt auf den Markt bringen, d.h. die neue Eugenik ist durch den Markt bestimmt. Sie sind also rein kommerziell-ausgerichtete Eugeniker, die sich als gutmeinend und serviceorientiert verstehen. Wenn die kommerzielle Eugenik Wirklichkeit wird, dann wandelt sich der Kinderwunsch zur ultimativen Shopping Erfahrung. Und da gute Eltern doch das Beste für ihr Kind wollen, werden sie versuchen auch das Beste aus ihren Eiern und Spermien herauszuholen. Sie können doch keinem Kind zumuten, dass es mit 40 an Brustkrebs oder mit 60 an Alzheimer erkranken wird. Die Eltern werden zu Architekten ihres zukünftigen Kindes. Sie betrachten sein Leben als ein unvollendetes Kunstwerk, und es wird zu ihrer ultimativen Pflicht, es zu vollenden.

Sprecherin:
30 Jahre Grenzverschiebungen

Zitator:
Der geheimnisvolle Wüstenklon

Sprecherin:
Während in Deutschland über die Einführung des embryonalen Genchecks gestritten wird und die Zulassung der Eizellspenden gefordert wird, erschrecken die Botschaften eines internationalen Klon- Konsortiums demnächst einen Menschen zu klonen. Der amerikanische Reproduktionstechniker Professor Panos Zavos gehört zu diesem Verbund. Er war bei einer Talkshow von Sabine Christiansen am 11. Februar 2001 zugeschaltet. Daraus ein Ausschnitt

Cut (Talkshow –Christiansen):
Christiansen: Gehen wir doch einmal nach Kentucky. Herr Prof Zavos, sie wollen das Experiment wagen? Warum wollen Sie einen Menschen klonen?
Zavos: (in overvoice übersetzt) Wir sind ein weltweites Konsortium von Experten. Wir entwickeln die Technologie und geben sie dann der Welt. Wir sprechen nicht vom Klonen, sondern wir bieten ein Paket des therapeutischen Klonens an z.B. für Kinderlosigkeit, Krankheit, damit Eltern ein Kind haben können, damit Leben vollzogen und erfüllt wird, damit sie ein Kind aufziehen können. Ich bin gegen das Klonen von Michael Jacksons dieser Welt oder anderen, die sich geklont sehen wollen. Der Geist ist raus aus der Flasche. Das Klonen ist eine irreversible Entwicklung, die künstliche Befruchtung, der Zellkerntransfer, Dolly, das Klonen von Tieren ist da und bringt uns in einen Ablauf der Ereignisse, die wir nicht bremsen können. Man kann klonen und man wird klonen, das ist eine Frage der Zeit.

Sprecherin:
Das Drehbuch ist immer das gleiche: das Leid der Menschen an Kinderlosigkeit oder an Behinderungen wird als Schrecken an die Wand gemalt. Betroffene werden vorgeführt und die Mitmenschen werden gefragt, ob sie verantworten können, dass diesen Menschen nicht geholfen wird. Wollen sie so kalt und unbarmherzig sein: Doch das, was als sozial erscheint, verändert die gesellschaftlichen Wertvorstellungen und unser soziales Zusammenleben. So wird ein Tabubruch nach dem anderen legitimiert –Das war bei Louise Brown so, das war so bei den Eltern, die ihr totes Kind durch Klonen wiederauferstehen lassen wollen, und das ist so auch bei dem kleinen Frostie:

Kinderstimme:
Mein Geburtstag war ein sehr besonderer Tag – es war der Tag an dem ich geboren wurde. Aber ich war ein winzig kleiner Embryo lange vor meiner Geburt. Es gibt viele hundert Kinder inzwischen, die nicht leben würden, wenn sie nicht eingefroren und in diesen speziellen Tiefkühltruhen gelagert worden wären. So wie ich. Das ist also die Geschichte, wie wir zu dieser glücklichen Familie wurden, nachdem ich so lange eingefroren war.
Viele Grüße
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** 11.07.2021 - klein-putz ist schon 20 Jahre alt! **
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