Vorgehensweise der Vernichtung von Kryoembryonen

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Moderator: sonjazeitler

rebella67
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Vorgehensweise der Vernichtung von Kryoembryonen

Beitrag von rebella67 »

Sehr geehrte Frau Dr. Eue,

ich hätte gern mal gewusst, wie das vonstatten geht, wenn Kryoembryonen nicht mehr transferiert werden sollen. Ich stelle mir das so vor, dass diese Embryonen zwangsläufig aufgetaut werden und sich dann, da sie nicht in das notwendige Kulturmedium gegeben werden, zwar noch ein kleines bisschen weiter entwickeln, dann aber sterben. Ist das so richtig?

Ich frage vor dem Hintergrund der Geschichte der Witwe aus Neubrandenburg, die die Embryonen ihres verstorbenen Mannes gern austragen möchte, der das aber mit der Begründung verweigert wurde, man dürfe keine Eizellen mit Samenzellen eines Verstorbenen befruchten. Als Befruchtung wird hier offensichtlich der Vorgang der Kernverschmelzung betrachtet.

Vielleicht können Sie auch noch mal sagen, von wann bis wann die Befruchtung zählt und ob es dazu klare Richtlinien gibt. Meines Erachtens müsste die Befruchtung schon mit dem Eindringen der Samenzelle beginnen, was ja im vorliegenden Fall schon passiert ist. Das heißt, die Befruchtung könnte jetzt allenfalls fortgesetzt werden. Wenn also die Vollendung der Befruchtung nicht erlaubt sein sollte, fragt sich, ob nach dem Auftauen die Befruchtung evt. ein ganz kleines bisschen weiter passiert. Dann könnte man ja sagen, wenn das passieren darf, dann kann man auch die Befruchtung zuende passieren lassen. ...
Liebe Grüße, Rebella
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Dr. Eue
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Beitrag von Dr. Eue »

Sorry, Rebella, dass ich erst heute antworte, war im Urlaub.

Das ist ja eine ganz heikle Frage....
In der Regel werden die Eizellen im Vorkernstadium zum Vernichten in Alkohol geworfen, wodurch sie direkt absterben. Eine erfolgreiche reguläre Befruchtung liegt vor, wenn sich der männliche und der weibliche Vorkern gebildet haben. Nicht jede Eizelle, in die Spermium eingedrungen ist, wird auch befruchtet. Und nicht jede befruchtete EZ ist regulär befruchtet. Es gibt auch irreguläre Befruchtungen - 1 PNer oder 3PNer z.B. Also am Eindringen des Spermiums kann man es nicht festmachen.

Was die Übertragung der EZ im VK - Stadium bzw. Embryonen angeht, fürchte ich, dass es wirklich schwierig wird für die Witwe in Neubrandenburg. Keimmaterial oder Embryonen verstorbener Partner dürfen nach üblicher Rechtssprechung nicht verwendet werden.

VG

Dr. Eue
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Herzlichen Dank! Da muss ich doch noch mal nachfragen:

"wenn sich der männliche und der weibliche Vorkern gebildet haben" - Heißt das, die erfolgreiche Befruchtung liegt nicht erst dann vor, wenn diese beiden Vorkerne dann auch verschmolzen sind? Die Kernverschmelzung gehört nicht zur Befruchtung? Liegen denn diese Vorkerne zum Zeitpunkt des Einfrierens noch nicht vor? Warum nennt man sie dann Vorkernstadien?
Liebe Grüße, Rebella
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Dr. Eue
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Beitrag von Dr. Eue »

Halle rebella,

nach deutscher Rechtssprechung beginnt neues Leben mit der Verschmelzung des männlichen und des weiblichen VK. Ab dann ist jede Manipulation (Biopsie, Kryo...) verboten. Deshalb werden in D die Eizellen eingefroren bevor die VK verschmelzen, man bezeichnet sie dann auch als Präembryonen (Vor-Embryonen) oder imprägnierte Eizellen. Die erfolgreiche Befruchtung wird also - wie gesagt - durch das Vorhandensein zweier Vorkerne bezeichnet. Aber nicht aus jeder befruchteten EZ entwickelt sich auch ein lebensfähiger Embryo.

VG

Dr. Eue
Zuletzt geändert von Dr. Eue am 04 Sep 2009 17:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von rebella67 »

Ganz schön schwierig, Frau Dr. Eue. Jetzt steckt für mich im Zeitablauf eine Unterscheidung zwischen Befruchtung und neuem Leben. Ich versuche es mal so:

Zeitpunkt A:
Spermium ist in die Eizelle eingedrungen. Es gibt noch keine zwei Vorkerne. Die Eizelle ist noch nicht befruchtet, der Prozeß beginnt aber gleich. Es handelt sich per Definition noch nicht um neues Leben bzw. um eine "Person" (nach der Christendefinition)

Zeitpunkt B: Es haben sich zwei Vorkerne gebildet (Vorkernstadium). Die Eizelle ist befruchtet. Es handelt sich per Definition noch nicht um neues Leben bzw. um eine "Person" (nach der Christendefinition) Zu diesem Zeitpunkt wird das PN-Stadium eingefroren.

Zeitpunkt C und D: Nach dem Auftauen beginnt der Kernverschmelzungsprozess, der nicht der Befruchtungsprozess ist. Es handelt sich per Definition nach der Kernverschmelzung um neues Leben bzw. um eine "Person".

Habe ich das jetzt richtig verstanden?
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von Dr. Eue »

Ja, so ist es etwa richtig. Zwischen dem Eindringen des Spermiums und dem Sichtbarwerden der der VK liegen etwa 16 - 20 h im Normfall. Nach dem Auftau dauert es in Kultur auch etwa 1/2 - 1 Tag bis die Teilung beginnt.
Was den Beginn des neuen Lebens beginnt, darüber gibt es ja verschiedene Auffassungen. Aber im Zusammenhang mit dem ESchG wird es in D immer so wie gesagt verstanden.
Ja das ist alles ganz schön schwierig und ich denke, man sollte das alles auch nicht so spitzfindig diskutieren.

VG

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Beitrag von rebella67 »

Herzlichen Dank, Frau Dr. Eue.

Damit ist die Eizelle bereits befruchtet, wenn sie eingefroren wird. Weil ja die Vorkerne schon vorliegen. Im ESchG heißt es, bestraft wird, wer eine Eizelle mit dem Samen eines Toten BEFRUCHTET. Das jedoch könnte nach diesem Verständnis des Befruchtungszeitpunktes gar nicht mehr passieren, weil es ja längst passiert ist. Und auch in dem aktuellen Gerichtsurteil beruft man sich darauf, dass die Eizelle nicht mit dem Spermium des verstorbenen Mannes befruchtet werden darf. Man beruft sich nicht darauf, dass man die bereits zu Lebzeiten des Mannes befruchtete Eizelle nun nicht mehr übertragen darf.

Um das zu verstehen, musste ich jetzt leider so spitzfindig nachfragen. Weil leider auch der Gesetzgeber da sehr spitzfindig ist. Sonst dürfte es ja auch egal sein, in welchem Stadium die Anlage des potentiellen Menschen eigefroren wird. ...
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Ich weiß, zur Frage, wann das Leben beginnt, gibt es sehr interessante philosophische Abhandlungen, die ich teilweise auch schon gelesen habe. Man könnte auch sagen, das Leben beginnt mit der Entstehung der Eizelle und des Spermiums. - Aber das müssen wir hier nicht weiter vertiefen. Weil, ich suche hier nach einem Vorschlag für eine juristische Argumentation.
Liebe Grüße, Rebella
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Dr. Eue
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Beitrag von Dr. Eue »

Ja, stimmt, so steht es im ESchG. Aber man kann das Thema auch immer auf verschiedenen Ebenen diskutieren: Offenbar scheut man sich auch, geplant eine SS herbeizuführen (die u.U. ja auch zu einer Mehrlings/Risiko - SS führen kann nach ART) bei einer dann ja alleinstehenden Frau, die aufGrund ihrer pesönlichen Situation als Witwe evtl. auch stark belastet ist. Das ist schon ethisch etwas heikel. Es wird einfach (mal pragmatisch und unabhängig von juristischen Erwägungen gesehen) in D schwierig sein, einen Arzt zu finden, der die Embryonen transferiert.

Viel Erfolg bei Ihrem Projekt !

Dr. Eue
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Beitrag von rebella67 »

Danke noch mal. Ich werde auf jeden Fall diese Gedanken weiter leiten.

Die Frau hatte schon einen Arzt in Polen gefunden. Aber das Gericht meinte, die Kryo-Embryonen dürfen nicht zu diesem Zweck herausgegeben werden, weil das Beihilfe zu einer strafbaren Handlung wäre. Nämlich zu der strafbaren Handlung der Befruchtung mit dem Spermium eines Verstorbenen. Dies dürfte mit Ihrer wissenschaftlichen Bewertung so nicht haltbar sein. Dann müsste das Gericht zumindest auch einen anderen Grund eindeutig nennen und mit dem Gesetz plausibel machen.

Gibt es verschiedene Definitionen zum Befruchtungszeitpunkt oder ist diese von Ihnen genannte eine ganz offizielle, möglichst irgendwo auch dokumentierte und anerkannte Position? Wo kann man das nachlesen?
Liebe Grüße, Rebella
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