Schmerz & Rückzug: Wie umkehren?
Verfasst: 17 Mär 2015 08:21
Hallo Frau Schwekutsch,
ich schreibe Ihnen (und hole etwas aus), weil ich mich mit meiner Trauer, die mich auf dem steinigen, mittlerweile vierjährigen Weg zum Kind immer einsamer fühle. Vielleicht geht das ja nicht nur mir so.
Bis zu unserer Hochzeit vor vier Jahren war ich sehr gesellig, manchmal wurde mir die Organisation meiner Freizeit direkt ein bisschen viel, andererseits tat mir der Umgang und Austausch mit Menschen auch gut. Häufig war ich diejenige, die um Rat gefragt oder um Zuhören gebeten wurde. Ich war gern für meine Freunde da. Daraus schöpfte ich durchaus auch Kraft.
Seit vier Jahren erlebe ich nun aber, wie meine Freunde problemlos oder im ersten ICSI-Anlauf ihre Familien gründen. Anfangs nahm ich noch großen Anteil, konnte mich neben meiner eigenen Trauer noch über ihr Glück freuen und es auch begleiten. Mit zunehmender Zeit und zunehmenden Misserfolgen in der Kinderwunschbehandlung und dem Abschied von meinen eigenen Eizellen wurde die Trauer aber so groß, dass ich vor einem halben Jahr entschied, mich nicht mehr zu Kontakt zu den vielen jungen Familien in meiner Umgebung zu zwingen, weil ich hinterher immer lange brauchte, um mich wieder zu fangen. Die durch das Glück anderer getriggerte Trauer schränkte meinen Alltag so sehr ein, dass ich mich zurückzog, um meine Kräfte zu schonen. Allerdings habe ich jetzt noch genau eine einzige kinderlose Freundin, die nur leider der Meinung ist, ich solle von meinem Kinderwunsch Abschied nehmen und das Schicksal so annehmen, wie es ist. Noch bin ich dazu aber nicht bereit, wenn meine Kraft auch schwindet und ich das Gefühl habe, langsam am Ende des Kinderwunschweges anzukommen.
Entferntere Bekannte und Kollegen kämen zur engeren zwischenmenschlichen Kontaktaufnahme natürlich noch infrage, aber ich fürchte mich mittlerweile einfach sehr vor immer neuen Schwangerschaftsmeldungen. Ich versuche, seit ich 29 war, ein Kind zu bekommen, und bin mittlerweile 33. Ich bin also in dem Alter, in dem viele Menschen (in meinem Umfeld) ihre Familien gründen.
Zum Glück ist der monatelang durchlittene Neid, für den ich mich auch furchtbar geschämt habe, mittlerweile dem Schmerz gewichen. Doch manchmal habe ich das Gefühl, all die Trauer und der Schmerz und das Vermissen meines Kindes sind mehr, als ich noch gut innerlich tragen kann. Vielleicht eben auch, weil ich mich zusätzlich häufig einsam fühle, denn ich habe nun immer wieder erlebt, dass meine Freunde mit genau diesem, schmerzvollsten meiner Themen, nicht so umgehen können, wie ich mir das von ihnen wünsche. Auch deswegen habe ich mich zurückgezogen:
Ich möchte keine ungebetenen Ratschläge ("ich würde ja mal ein Vierteljahr 'ne Auseit nehmen und in den Urlaub fahren, dann klappt's bestimmt") hören, auch keine psychologisierenden Interpretationen/Gründe ("ihr wünscht euch das viel zu dolle" - bis - "im Grunde deines Herzens bist du nicht bereit für ein Kind, darum klappt's nicht"). Und ich möchte mich nicht ständig gegen esotherische Ansichten abgrenzen müssen ("alles im Leben hat seinen Sinn"/"das soll so sein"). All das verletzt mich zusätzlich zu dem ohnehin schon zu tragenden Schicksal.
Es sind also zwei Aspekte, die mir den Umgang mit meiner Umwelt im Moment erschweren: Das Glück der anderen, das mir mein eigenes Unglück ungeschminkt vor Augen hält, und die vielen ungebetenen Kommentare, Ratschläge und Interpreationen zu meiner Situation.
Ich gehe davon aus, dass meine Freunde es nicht böse mit mir meinen, doch ihre Reaktionen tun mir oft nicht gut. ABER: Ich möchte nicht immer einsamer werden, sondern einen Weg finden, nicht noch zusätzlich am Familienglück meiner Umwelt zu leiden. Gegen verletzende Aussagen versuchte ich mich eine Weile zu wehren, indem ich genau sagte, was ich empfinde in solchen Momenten, allerdings ist mir das auch mittlerweile zu anstrengend geworden. Auch daher habe ich vorerst den Rückzug gewählt. Irgendwie ist alles zusammen ein bisschen viel für mich: Die eigene ungewollte Kinderlosigkeit, die anstrengende Behandlung, das Glück anderer, die Einmischungen anderer, die daraus resultierende Einsamkeit. Wäre ich nicht so sensibel, könnte ich vermutlich taffer mit der Situationen und ihren einzelnen Aspekten umgehen, doch zurzeit krieche ich etwas auf dem Zahnfleisch.
Wenn Sie eine Idee haben oder einen neuen Aspekt sehen, wie ich wieder "gesellschaftsfähiger" werden könnte, dann wäre ich Ihnen sehr, sehr dankbar. Manchmal reicht ja schon, wenn man an einer kleinen Schraube dreht, um eine Reihe von positiven Veränderungen auszulösen.
Herzlichen Dank im Voraus und viele Grüße,
Kosmee
ich schreibe Ihnen (und hole etwas aus), weil ich mich mit meiner Trauer, die mich auf dem steinigen, mittlerweile vierjährigen Weg zum Kind immer einsamer fühle. Vielleicht geht das ja nicht nur mir so.
Bis zu unserer Hochzeit vor vier Jahren war ich sehr gesellig, manchmal wurde mir die Organisation meiner Freizeit direkt ein bisschen viel, andererseits tat mir der Umgang und Austausch mit Menschen auch gut. Häufig war ich diejenige, die um Rat gefragt oder um Zuhören gebeten wurde. Ich war gern für meine Freunde da. Daraus schöpfte ich durchaus auch Kraft.
Seit vier Jahren erlebe ich nun aber, wie meine Freunde problemlos oder im ersten ICSI-Anlauf ihre Familien gründen. Anfangs nahm ich noch großen Anteil, konnte mich neben meiner eigenen Trauer noch über ihr Glück freuen und es auch begleiten. Mit zunehmender Zeit und zunehmenden Misserfolgen in der Kinderwunschbehandlung und dem Abschied von meinen eigenen Eizellen wurde die Trauer aber so groß, dass ich vor einem halben Jahr entschied, mich nicht mehr zu Kontakt zu den vielen jungen Familien in meiner Umgebung zu zwingen, weil ich hinterher immer lange brauchte, um mich wieder zu fangen. Die durch das Glück anderer getriggerte Trauer schränkte meinen Alltag so sehr ein, dass ich mich zurückzog, um meine Kräfte zu schonen. Allerdings habe ich jetzt noch genau eine einzige kinderlose Freundin, die nur leider der Meinung ist, ich solle von meinem Kinderwunsch Abschied nehmen und das Schicksal so annehmen, wie es ist. Noch bin ich dazu aber nicht bereit, wenn meine Kraft auch schwindet und ich das Gefühl habe, langsam am Ende des Kinderwunschweges anzukommen.
Entferntere Bekannte und Kollegen kämen zur engeren zwischenmenschlichen Kontaktaufnahme natürlich noch infrage, aber ich fürchte mich mittlerweile einfach sehr vor immer neuen Schwangerschaftsmeldungen. Ich versuche, seit ich 29 war, ein Kind zu bekommen, und bin mittlerweile 33. Ich bin also in dem Alter, in dem viele Menschen (in meinem Umfeld) ihre Familien gründen.
Zum Glück ist der monatelang durchlittene Neid, für den ich mich auch furchtbar geschämt habe, mittlerweile dem Schmerz gewichen. Doch manchmal habe ich das Gefühl, all die Trauer und der Schmerz und das Vermissen meines Kindes sind mehr, als ich noch gut innerlich tragen kann. Vielleicht eben auch, weil ich mich zusätzlich häufig einsam fühle, denn ich habe nun immer wieder erlebt, dass meine Freunde mit genau diesem, schmerzvollsten meiner Themen, nicht so umgehen können, wie ich mir das von ihnen wünsche. Auch deswegen habe ich mich zurückgezogen:
Ich möchte keine ungebetenen Ratschläge ("ich würde ja mal ein Vierteljahr 'ne Auseit nehmen und in den Urlaub fahren, dann klappt's bestimmt") hören, auch keine psychologisierenden Interpretationen/Gründe ("ihr wünscht euch das viel zu dolle" - bis - "im Grunde deines Herzens bist du nicht bereit für ein Kind, darum klappt's nicht"). Und ich möchte mich nicht ständig gegen esotherische Ansichten abgrenzen müssen ("alles im Leben hat seinen Sinn"/"das soll so sein"). All das verletzt mich zusätzlich zu dem ohnehin schon zu tragenden Schicksal.
Es sind also zwei Aspekte, die mir den Umgang mit meiner Umwelt im Moment erschweren: Das Glück der anderen, das mir mein eigenes Unglück ungeschminkt vor Augen hält, und die vielen ungebetenen Kommentare, Ratschläge und Interpreationen zu meiner Situation.
Ich gehe davon aus, dass meine Freunde es nicht böse mit mir meinen, doch ihre Reaktionen tun mir oft nicht gut. ABER: Ich möchte nicht immer einsamer werden, sondern einen Weg finden, nicht noch zusätzlich am Familienglück meiner Umwelt zu leiden. Gegen verletzende Aussagen versuchte ich mich eine Weile zu wehren, indem ich genau sagte, was ich empfinde in solchen Momenten, allerdings ist mir das auch mittlerweile zu anstrengend geworden. Auch daher habe ich vorerst den Rückzug gewählt. Irgendwie ist alles zusammen ein bisschen viel für mich: Die eigene ungewollte Kinderlosigkeit, die anstrengende Behandlung, das Glück anderer, die Einmischungen anderer, die daraus resultierende Einsamkeit. Wäre ich nicht so sensibel, könnte ich vermutlich taffer mit der Situationen und ihren einzelnen Aspekten umgehen, doch zurzeit krieche ich etwas auf dem Zahnfleisch.
Wenn Sie eine Idee haben oder einen neuen Aspekt sehen, wie ich wieder "gesellschaftsfähiger" werden könnte, dann wäre ich Ihnen sehr, sehr dankbar. Manchmal reicht ja schon, wenn man an einer kleinen Schraube dreht, um eine Reihe von positiven Veränderungen auszulösen.
Herzlichen Dank im Voraus und viele Grüße,
Kosmee