Wie mit dem erfüllten unerfüllten Kinderwunsch fertig werden

Hier antwortet Frau Silke Schwekutsch von www.kindeshalb.de

Moderator: Kindeshalb

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Schmidti61352
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Wie mit dem erfüllten unerfüllten Kinderwunsch fertig werden

Beitrag von Schmidti61352 »

Ersteinmal habe ich das Gefühl, ich sollte mich bei allen Paaren hier entschuldigen, deren Kinderwunsch (noch) unerfüllt ist. Aus dieser Sicht habe ich ein echtes Luxusproblem. Ich hoffe wirklich, dass niemand sich auf den Schlips getreten fühlt durch meine Überlegungen und Gedanken. Und sicher ist es aus dieser Perspektive nahezu unmöglich zu verstehen, dass ich überhaupt ein Problem habe.

Ich weiß natürlich, dass es viele Wunschkindmütter gibt, die meine Gedanken nicht nachvollziehen können. Die sagen, als das Baby da war, war alles vergessen. Das ist wunderbar und hilft mir aber nicht, da ich es eben nicht so fühle. Ich wende mich also mit meiner Bitte um Anregung, Rat und vielleicht sogar Austausch an eine vermutlich kleine Gruppe von vermutlich vor allen Dingen Frauen, denen es ähnlich geht.
Obwohl es eigentlich nie einen wirklichen Grund gab und ich auch als sehr junge Frau einmal ungewollt schwanger war, hat es bei uns vom Absetzen der Verhütung vier Jahre bis zur ersten Schwangerschaft (EUG) und 7 Jahre bis zur ersten Geburt gedauert. Weitere 3 Schwangerschaften und knapp fünf Jahre bis zur zweiten Geburt. Wir haben wirklich wahnsinniges Glück gehabt. Das empfinde ich wirklich so. Ich bin einfach nur sehr froh und dankbar über diese Familie, über diese tollen Jungen. Gleichzeitig waren es 12 Jahre mit vielen Ängsten, Neid. Viel Wut, über taktlose grobklotzige Familie und "Freunde". Viele in Teilen dunkle Jahre. Ich werd immer noch sauer, wenn Frauen sich über das Geschlecht eines Babys und Schwangerschaftsstreifen aufregen. Ich versuche dann manchmal zu trösten (Jungs sind toll! Streifen verblassen!). Sozusagen als paradoxe Intervention. Ich möchte manchmal sagen: übrigens wäre mein Kindergartenkind wie Dein Kind ein Gymnasiast. Wenn die Welt... gut und richtig wäre. Ich habe mein halbes Erwachsenenleben unter anderem damit zugebracht, jeden Monat enttäuscht zu sein. Das ist für mich eben nicht ein für alle Mal vorbei (gerne hätte ich ein drittes Kind). Ich bin gleichzeitig glücklich und wütend und weiß keinen Weg daraus.
Meine Frage ist: wie kann man das abhaken, hinter sich lassen, einfangen. Hat jemand eine Idee für einen symbolischen Akt?

Danke fürs Lesen und ich freue mich auf Antworten!
Kiwu seit 09/2004
Wiesbaden:
08/2008 IUI positiv, Eileiter-SS
12/2008-02/2009 2x IUI neg.
04/2009 ICSI neg.
08/2009 ICSI neg.
12/2009 Diagnose Hashimoto initiiert durch Dr. Inacker vom KiWu-Zentrum Darmstadt
03/2010 erhalte Hilfe von Fr. Dr. Brakebusch
10/2010 in Darmstadt: ICSI neg. (mit Redimune und IMSI)
12/2010 in Darmstadt: ICSI pos.
Bild

Mai 2012: Gerichtstermin wegen Klage gegen das Kinderwunschzentrum Wiesbaden wegen fehlerhafter Behandlung -->> wir haben einen Vergleich geschlossen, ich denke, das spricht für sich
Oktober 2012 (einziger?) Geschwisterversuch:
Kryo im Spontanzyklus
1. US 16.10.2012-> Abbruch wegen Zyste
Kryo Nov./Dez. 2012 negativ
PAUSE- wie soll es weiter gehen?

Mit einer NC-ICSI in Heidelberg:
Juni 2013 negativ
Juli 2013 biochemische SS
Ende September: Hämatosalpinx, Entfernung linker EL, rechter EL nicht mehr durchgängig (BS 2006 OB)
Oktober 2013 negativ
November 2013 keine EZ
Dezember 2013 wieder keine EZ

NC-ICSI Juli 2014: MA
NC-ICSI Dez. 2014: 5 Follikel, keine Ez
Ende Juli 2015 3 ICSI in Prag:
6 Ez, 5 befruchtet (AMH 0,1)
TF von zwei Blastos am 10.08.2015
.....positiv!
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Kindeshalb
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Beitrag von Kindeshalb »

Liebe Schmidti,

gerne will ich dir meine Gedanken zu deiner Nachricht aufschreiben.

Ich habe mich beim Lesen gefragt, ob es wirklich so ist, dass viele hier dein Problem nicht nachvollziehen können. Ich denke, jede hier im Forum kennt nur zu gut das monatliche Auf und Ab zwischen Hoffnung und Enttäuschung, verletzende Kommentare aus dem sozialen Umfeld und die weitere große Achterbahn, die im Rahmen von Kinderwunschbehandlungen auf einen zukommt.

Vermutlich gibt es Frauen, für die diese "dunkle Zeit", wie du sie nennst, mit der Geburt vergessen ist.

Aber es gibt sicherlich auch viele, die mit der Bewältigung der Erfahrungen während der Kinderwunschzeit lange zu tun haben und mit weiterer Kraft und viel Mühe ihren ganz individuellen Weg finden müssen, um mit dieser dunklen Zeit umzugehen.

Unerfüllter Kinderwunsch ist eine existenzielle Krise, die mit dem Erleben bei einer schweren Krankheit oder dem Tod eines lieben Menschen vergleichbar ist.

Und unerfüllter Kinderwunsch hinterlässt Spuren in der eigenen Seele, die nicht einfach verschwinden, wenn das Wunschkind endlich da ist.

Liebe Schmidti, wie stark würdest du auf einer Skala von 1 bis 10 deine emotionale Belastung durch den unerfüllten Kinderwunsch einschätzen?
Wie stark beschäftigt dich das Thema und wieviel Kraft kostet es dich?

Zumal deine Kinderwunschzeit nicht vorbei ist und du dir ein weiteres Geschwisterkind wünschst.

Dies wirkt auf mich wie eine paradoxe Situation: Du willst gerne mit der Vergangenheit abschließen, obwoh sie ja noch immer deine Gegenwart darstellt. Du wünschst dir ein weiteres Kind und hoffst vielleicht weiter jeden Monat? Oder bist in Behandlung?

Ich finde deine Idee, eine kleine Gruppe von Frauen zu finden, denen es ähnlich geht, sehr gut. Denn ich denke, dass Austausch über Strategien, wie man mit dem Erlebten umgehen kann, eine wirkliche Option ist.

Und auch das Teilen und das sich Austauschen über ein sehr ähnliches Schicksals tut gut und entlastet seelisch. Nicht zuletzt deshalb gibt es dieses Forum.

Vielleicht gibt es hier im Forum die ein oder andere Frau, die sich angesprochen fühlt oder selbst jemanden kennt, die Interesse haben könnte.

Vielleicht magst du dir auch psychosziale Beratung im Rahmen von wenigen Stunden organisieren.

Ich denke hierbei beispielsweise an Angebote wie sie Profamilia im Bereich Kinderwunsch anbieten.

3 bis 5 Stunden Beratungszeit, um mit der Hilfe einer Fachkraft herauszufinden, was du tun kannst, damit es dir besser geht.

Sicherlich gibt es weitere Beratungsstellen, die solche Angebote haben, vielleicht googelst du vor Ort in deiner Stadt danach.

Herzliche Grüße

Silke
4 x ICSI, 2 Kryo, 4 x schwanger
Mutter von 2 tollen Jungs!
Kindeshalb ist mein Blog für Frauen mit Kinderwunsch
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Tasha
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Beitrag von Tasha »

hm, schwierig...ich dachte beim lesen spontan, man muss das vielleicht nicht abhaken/abschliessen, dieses Thema wird wohl immer ein Teil von dir sein, und gehört zu deiner Biografie...schön wäre es, wenn du es so annehmen könntest, das du deinen inneren Frieden damit machen kannst...glaube aber nicht das man das alleine schafft? deshalb wäre vielleicht eine therapeutische Beratung etwas sinnvolles für dich?
wenn dann auch noch weiterer Kinderwunsch besteht, ist das ganze natürlich noch schwerer anzunehmen zu verarbeiten, das verstehe ich sehr gut.

Ich hadere auch oft mit dem Schicksal, wir gehen jetzt sogar einen Weg wo ich nie gedacht hätte ihn zu gehen(EMS), aber noch bin ich nicht bereit den Kampf für ein Geschwisterkind aufzugeben...wenn ich heut irgendwo im Bekanntenkreis mitbekomme das jmd ungeplant schwanger ist usw. ,ja dann macht mich das auch manchmal wütend: aber meine innere Einstellung war/ist schon immer: egal wer/wie schwanger wird, es ändert ja nichts an mir, bzw. hat keinen Einfluss darauf das ich es nicht werde.


ich denke so ambivalente Gefühle kennen viele Frauen, jeder muss seinen Weg finden das zu verarbeiten, ja vielleicht auch aufzuarbeiten...
ich habe eine tolle Homöopathin/Heilpraktikerin gefunden, mit der ich mich schon viel austauchen konnte sie sagte Mal:
"was war, das war und bleibt so, da kann man noch so grübeln, an dem was war ändert sich nichts, und man sollte es als das was es war annehmen, denn mehr war es nicht..."

naja so ungefähr, kann mich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern, aber der Sinn dahinter leuchtete mir ein:
ich kann die Vergangenheit nicht (mehr) ändern, sondern sie nur als einen Teil von mir akzeptieren, der zu meiner Biografie gehört...
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Macchiata
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Beitrag von Macchiata »

Hi,

ich gebe Tasha recht. Der unerfüllte KiWu hat Jahre für sich eingenommen, aber er ist ein Stück Autobiographie.

Was mir ähnlich geht, wenn Frauen "undankbar " sind. So wie Du es beschrieben hast. Geht es Dir nur bei dem Thema so?
Bei mir stoßen all diese "Selbstverständlichkeiten" auf. Und ich glaube, ich lasse es mir anmerken, weil es mich dann überkommt.. Überhaupt hat mich diese Zeit sehr ehrlich und direkt gemacht, was mir guttut.

Ich habe einen inneren Frieden gefunden, ich bin jetzt rinfach so wie ich bin und freue mich über 2 Menschen, für die sich der Kampf gelohnt hat.
Viele liebe Grüsse von Macc!!!


.....und der Kaffeefamilie:

<a href="http://smiles.26l.de/smile.45720.html" target="_blank"><img src="http://s3.rimg.info/ef6e8565a50e8218fd0 ... 34c763.gif" border="0" alt="smiles" /></a>


<a href="http://daisypath.com/"><img src="http://davf.daisypath.com/4jxLp1.png" width="400" height="80" border="0" alt="Daisypath Anniversary tickers" /></a>




<a href="http://lilypie.com/"><img src="http://lbyf.lilypie.com/x1mXp1.png" width="400" height="80" border="0" alt="Lilypie Kids Birthday tickers" /></a>




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Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.
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Frosch;o)
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Beitrag von Frosch;o) »

Macchiata hat geschrieben:Hi,
Und ich glaube, ich lasse es mir anmerken, weil es mich dann überkommt.. Überhaupt hat mich diese Zeit sehr ehrlich und direkt gemacht, was mir guttut.
Warst du nicht schon immer so? :knuddel:
Liebe Grüße von Anja
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Macchiata
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Beitrag von Macchiata »

Frosch;o) hat geschrieben:
Macchiata hat geschrieben:Hi,
Und ich glaube, ich lasse es mir anmerken, weil es mich dann überkommt.. Überhaupt hat mich diese Zeit sehr ehrlich und direkt gemacht, was mir guttut.
Warst du nicht schon immer so? :knuddel:
Natürlich nicht. Erst seit ich Macc bin. *g* :kreisch:
Viele liebe Grüsse von Macc!!!


.....und der Kaffeefamilie:

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<a href="http://lilypie.com/"><img src="http://lbyf.lilypie.com/x1mXp1.png" width="400" height="80" border="0" alt="Lilypie Kids Birthday tickers" /></a>




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Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo Schmidti, ich habe meinen ganzen damaligen Frust in positive Energie umgewandelt und engagiere mich heute für ungewollt Kinderlose.

Rückblickend sage ich, ein Glück, dass alles so gekommen ist. Sonst hätte ich viele interessante Erfahren in meinem Leben nicht gemacht. Und vor Allem hätte ich nicht genau DIESE Kinder.

Schau dir dein Kind an und sage dir, genau für dieses Kind hat sich alles gelohnt.
Liebe Grüße, Rebella
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Gast

Beitrag von Gast »

Hallo an Alle,

ich kann das alles gut nachvollziehen. Auch wenn unser Weg zum Geschwisterkind erst 2,5 Jahren dauert, ich in einer priviligierten Situation bin, mich sehr glücklich schätze, ein supertolles Kind habe, nie ein Fehlgeburt erleiden musste... Und trotzdem ist es schon für mich unheimlich schwer, vielleicht mit dem Kinderwunsch abschließen zu müssen. Wie soll das gehen? Ich sehe mich schon immer mit 2 Kindern in meinem Leben.

Der erste große Schock war als klar war, ein zweites Kind wird nicht meine Gene tragen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal den Weg der Eizellspende gehe, das habe ich am Beginn für mich ausgeschlossen. Bisher hat das auch nicht geklappt, ohne medizinischen Grund. Also soll nach den verbliebenen 2 Kryos Schluss sein. Das Leben muss auch ohne weitergehen? Oder doch noch einen Versuch? Irgendwie kann ich noch nicht loslassen. Und wie ist das wohl für die Männer? Meiner hätte am Liebsten 3-4 Kinder. Es ist auch für ihn unheimlich schwer.

Aus einer Krabbelgruppe sind einige Freundschaften entstanden. Inzwischen haben alle Mädels ein zweites Kind, zwei sogar 3 Kinder. Bei einer ist das 4. in Planung. Wenn wieder jemand schwanger ist, bin ich hin- und hergerissen, ich freu mich für die Freundin, mich macht es aber auch unendlich traurig und ich bin wütend auf mich selbst, warum erst so spät Kinder. Dann brauche ich meist Abstand für einige Wochen.

Nun lese ich Eure Posts und merke, wie wenig Zeit im Alltag für die Auseinandersetzung und Bewältigung bleibt und man das auch selten zulässt. Das Forum ist wirklich toll, zu sehen, es gibt so Viele, die davon betroffen sind und ein ähnliches Schicksal haben. Weder Familie noch Freunde können es so richtig verstehen, sie sind ja auch nicht in dieser Situation.

Das aufschreiben hilft mir schon. Deshalb kann ich Allen empfehlen, die sonst nichts schreiben (da zähle ich meist dazu ;)): schreibt es auf, auch wenn es schmerzt. Niemand ist hier allein.

Leider hab ich auch noch keine Antwort auf Deine Frage, Schmidti. Wie es geht, seinen Frieden zu schließen. Wie Du schreibst, es hat Dich sehr lange begleitet. Und es war traumatisch, ohne Frage. Es gehört zu Dir, für immer. Die Erinnerung wird verblassen, irgendwann. An deiner Stelle würde ich wahrscheinlich professionelle Hilfe suchen. Ich hab damit schon gute Erfahrungen in anderer Richtung gemacht und stehe dem recht offen gegenüber. In meiner KIWU-Klinik in Deutschland wird solche Hilfe sogar angeboten. Vielleicht hast Du ja jetzt die Kraft und bist bereit einen Schritt weiter zu gehen, Dich mehr damit auseinander zu setzten - um Deinen Frieden zu finden, um Dich zu finden.

Danke, dass Du das Thema angefangen hast! ...

Viele Grüße
himbienchen
Antworten

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