du lieferst viel Diskussionsstoff. Das gefällt mir.
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Zitat: „daß es doch ein erheblich anderer Blickpunkt ist, ob man ein Individuum tötet, weil man ihm ein Recht auf Leben versagt (aus diesem oder jenem Grund). Oder ob man dem Idividuum zwar ein Recht auf Leben zubilligt, aber es ihm aufgrund massiver Überschneidung mit Rechten anderer, dennoch tötet.“
- Das sehe ich im Prinzip genauso. Nur dass ich die Sache mit dem Recht auf Leben etwas anders definiere. Ich würde die Aussage deshalb aus meiner Sicht so abändern:
„daß es ein erheblich anderer Blickpunkt ist, ob man ein Individuum tötet, weil man ihm keinerlei Respekt (oder auch Wert) anerkennen will. Oder ob man dem Individuum zwar einen Wert zubilligt, ihn aber aufgrund Überschneidung mit höherwertigen Rechten anderer dennoch tötet.“ - Übertragen auf die Abtreibung heißt das für mich, dass das Recht der zweifelsfrei mit Bewusstsein ausgestatteten Mutter, über ihren Körper und über ihre Fortpflanzung zu bestimmen, von mir als höher bewertet wird.
Einzelfallentscheidungen möglich machen, ja, das finde ich auch super wichtig! Daher ist der Begriff „hinreichend“ in unseren Gesetzen ganz vernünftig angebracht. Nur, wenn wir ihn hier in unserer Diskussion verwenden, dann kann doch jeder unter hinreichend etwas ganz anderes verstehen.
Zitat: „Aber zu sagen: "der Embryo hat eh noch kein Lebensrecht und spüren tut er auch nix also ruhig weg damit" halte ich für eine zu sehr vereinfachte Sichtweise.“ - So habe ich es ja auch nicht gesagt. „Ruhig weg damit“ wäre wirklich eine sehr vereinfachte Sichtweise im Zusammenhang mit einer Abtreibung. Wenn du dir meine Bemühungen in dem Thread der abtreibungswilligen potentiellen Drillingsmutter vom November des letzten Jahres anschaust, wirst du merken, dass ich durchaus nicht so eine einfache Sichtweise habe. Im Gegenteil, mir tut so was weh und ich habe mich damals sehr darum bemüht, dass sie wenigstens eins oder zwei der Kinder behält. Das aber so, dass ich den Respekt gegenüber den Frau beibehalten konnte. Leider waren es vergebliche Bemühungen.
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Zitat: „Im Falle einer Abtreibung aus finanziellen Gründen würde ich immer sagen: hier ist die Verhältnismäßigkeit NICHT gegeben. Geld kann niemals ein hinreichender Grund zur Tötung sein.“
Peg, normalerweise sehe ich finanzielle Gründe auch nicht als Verhältnismäßigkeit zum Leben eines Embryos an. Aber wer hilft denn der Mutter? Wenn wir als Gesellschaft so sozial wären, ihr wirklich zu helfen, damit sie ihr Kind behalten kann, ja, dann würde sie es ja bei rein finanziellen Gründen auch tun. Aber die Realität zeigt: Wir unterstützen sie viel zu wenig. Da ist es dann schon schwer mit dem hinreichenden Grund. Finanziell heißt ja nicht nur: „Pah, ich will viel Kohle“, sondern es heißt auch Existenzgrundlage. Nun könnte man sagen, die Frau kann ja das Kind austragen und dann abgeben. Das würde ich in dem Fall auch versuchen, zu erreichen. Aber in dem Fall letztens hat die Frau ja gesagt, sie weiß genau, wenn sie das Kind erst im Arm hat, dann wird sie es nicht hergeben können. Genau vor diesem Dilemma wollen sich die Frauen ja schützen. Ist also auch mit der Verhältnismäßigkeit nicht so einfach.
„Verdrängungsmechanismen“ - Die haben wir Menschen doch alle. Ohne Verdrängungsmechanismen wären wir nicht fähig, Glück zu empfinden. Denn in jeder Sekunde gibt es irgendwo auf der Welt ganz viele Menschen, denen es schlecht geht, die Hunger oder Schmerzen haben. Wenn wir das alles permanent auf uns einwirken lassen würden, gäbe es für uns alle kein Glück mehr! Verdrängungsmechanismen in Bezug auf den wenig leidensfähigen und nicht hungernden Embryo wären dagegen vergleichsweise gering.
Nun meine Lieblingsfrage. Zitat: „Wer hat das Recht auf Leben vergeben? …
Auch schon vor dem Menschen war die Erde von Lebewesen bewohnt. Ich war zwar damals nicht dabei, aber dennoch würde ich mal behaupten, dass auch sie ein Recht auf Existenz hatten.“
Ein Recht auf Existenz kommt nicht von irgendwo. Mir war natürlich von vornherein klar, dass du das mit Gott beantworten wirst. Der muss ja bei euch für alles her halten, wo kein anderer da ist. Diese Gültigkeit kann es ja für dich durchaus geben. Für mich gibt es das, wie du weißt, nicht. Ich mag mir also nicht vormachen lassen, das Recht auf Leben käme von einem Gott. Genauso wenig, wie du dir vielleicht vormachen lassen würdest, dieses Recht käme speziell von Allah oder von der roten Ameise oder so. Dein Ausweg, ich müsste dann sagen, das Recht auf Leben käme durch den Urknall, ist für mich völlig unverständlich. Kann ein Recht auf Leben von einem Ereignis her kommen? Für mich kommt das Recht auf Leben ganz klar vom Menschen selbst. In der Natur gibt es kein Recht auf Leben. Da gilt: Fressen und Gefressen werden! Lebewesen mit einem nicht ausreichend entwickelten Bewusstsein haben auch nicht die Fähigkeit, sich gegenseitig Rechte zuzugestehen. Das einzige, was sie oft tun, ist, dass sie ihre Gruppenmitglieder schützen, weil sie selbst ein Teil ihrer Gruppe sind und ohne diese nicht überlebensfähig. Aber darüber hinaus werden sie sich keine Lebensrechte zugestehen. Es braucht eines besonders gut entwickelten Gehirns, um Rechte zu formulieren und um sich an die daraus resultierenden Gesetze auch zu halten. Dem Tiger kannst du nicht sagen, he, Menschen haben ein Recht auf Leben, also friss sie nicht! Du wirst ihn damit nicht beeindrucken können.
Die Erkenntnis, dass wir Menschen uns unsere Gesetze und unsere Rechte selber machen, ist für mich eine zentrale Erkenntnis und von äußerster Wichtigkeit. Denn nur so haben wir die Chance, unsere Gesetze und Rechte human (=menschlich) zu formulieren. Aufgrund unserer eigenen Erfahrungen können wir alles so formulieren, dass es sich in unserer Gesellschaft wirklich schön leben lässt. Nicht umsonst steht beim Humanismus der Mensch im Mittelpunkt unseres Handelns. Alles, was wir tun, können wir für den Menschen tun. -
Bei euch Religiösen ist das so, dass ihr alles, was ihr tut, für euern Gott tut. Dabei dürftet ihr euch eigentlich nicht mal sicher sein, was Gott eigentlich wirklich von euch will. Denn alles, was ihr meint, was Gott will, das haben Menschen aufgeschrieben. Daraus entsteht die Gefahr, dass euer Handeln auf etwas gerichtet ist, was bestimmte Menschen mal festgelegt haben, was ihr für Gott tun sollt. Und nicht immer ist das, was ihr deshalb für Gott tut, auch gut für den Menschen. Ihr denkt euch also einfach, Gott hat allen Menschen das Recht auf Leben gegeben. Ist ja so pauschal erstmal ´ne schöne Aussage, wenn sich denn alle dran hielten. Dann denkt ihr euch noch, Gott hat bestimmt, ab der Befruchtung ist die Eizelle ein Mensch. Also hat die befruchtete Eizelle ein Recht auf Leben. Dass die befruchtete Eizelle ein Mensch ist, das war in eurer Religion nicht immer so. In vergangenen Jahrhunderten galt die Menschwerdung christlicherseits erst ab dem 40. Tag nach der Befruchtung für Jungen und ab dem 80. Tag nach der Befruchtung für Mädchen. 1869 erließ Pius IX. ein generelles Abbruchverbot und stellte fest, dass das Kind seine Seele bereits zum Zeitpunkt der Zeugung empfängt. Die Änderung im Kirchenrecht erfolgte aufgrund der "Unbefleckten Empfängnis Mariens", die Pius IX. 1854 zum Dogma erklärt hatte. Er stützte sich dabei auf den Leibarzt des Papstes Innozenz X., Paul Zacchias, der schon 1661 sagte, die vernunftbegabte Seele (anima rationalis) werde dem Menschen im Augenblick der Empfängnis eingegossen, denn sonst würde ja das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens eine vernunftlose Materie feiern. Das aber sei der allerseligsten Jungfrau "unangemessen". (aus Uta Ranke-Heimemann: „Eunuchen für ein Himmelreich“) Das II. Vatikanische Konzil der katholischen Kirche formulierte das dann so: „Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muss. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige Verbrechen.“
Noch vor 160 Jahren also hatte der christliche Gott das Menschenrecht auf Leben keineswegs der befruchteten Eizelle zugeordnet. Du bist mit diesem Dogma aufgewachsen und dementsprechend ist dein Denken. Nur, was macht dich so sicher, dass nun ausgerechnet diese christliche Erkenntnis in einem so kleinen Zeitfenster die einzig richtige ist?
Wir Humanisten gehen da etwas anders heran. Wir haben erkannt, dass nur wir Menschen allein Gesetze formulieren können. Und deshalb tun wir alles dafür, dass diese Gesetze denn auch im Sinne der Menschen formuliert werden. Das Recht auf Leben für Menschen ist im Sinne der Menschen und daher von uns anerkannt. Der Zwang zum Leben wäre zum Beispiel aber nicht im Sinne mancher Menschen. Deshalb sind wir fähig, Ausnahmefälle für diese Menschen zu schaffen. Ein absolutes Recht auf Leben für den menschlichen Embryo können wir nicht formulieren, da das mit den Rechten der Mutter kollidiert, die auf jeden Fall ein Mensch mit Bewusstsein ist. Da Embryonen zwar menschliches Leben sind, aber noch keine Wesen mit Bewusstsein, können wir hier einen Kompromiss eingehen. Wir wissen, wir können nicht gegen die Interessen des Embryos verstoßen und billigen der Mutter den Schwangerschaftsabbruch zu. Das heißt nicht, dass wir ihn unbedingt feiern müssten. Ein Schwangerschaftsabbruch ist kein Ereignis, das wir uns wünschen. Vorbeugung ist die bessere Alternative. Wenn es dann aber doch zum Konflikt gekommen ist: Zuerst sollten alle Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden, eine Schwangerschaft auszutragen. So wird auch in den humanistischen Beratungsstellen verfahren. Wenn aber zu sehen ist, dass die Frau fest entschlossen ist und dass es aus ihrer Sicht wirklich keine Alternative gibt, dann sollten wir sie bei diesem schweren Schritt begleiten. Und solche Gruselgeschichten wie „Ich, dein armes abgetriebenes Kind sitze jetzt hier und bin traurig“ haben bei dieser Begleitung ganz sicher nichts verloren!
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