taz-Artikel am 17.7.09

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Gast

Beitrag von Gast »

Ein wirklich vorzüglicher Artikel, der die ganze Scheinheiligkeit in Sachen ESchG in Deutschland klar macht. Von "Unterwanderung" des Gesetzes durch die KiWu-Praxen (ich erinnere mich, dass bei den Behandlungsgesprächen von meiner Frau und mir 2004/5 ähnlich "kreativ" mit der Gesetzeslage umgegangen wurde, z.B. auch mit der geplanten Erzeugung von Kryos im "Vorkernstadium") würde ich allerdings da nicht sprechen, denn eigentlich kommen die ja nur ihrem hippokratischen Eid nach, in dem sie unsinnige Regelungen zum Wohl der Patientin und zum Wohl eines hoffentlich später gesund geborenen Kindes übergehen.

In der taz ist übrigens gerade das Thema "Kinderlosigkeit" akut in der Leserforumsdebatte. Ich habe da auch schon etwas geschrieben, um wieder einmal darauf hinzuweisen, dass nicht alle Kinderlosen sich bewusst und freiwillig für die Kinderlosigkeit "entschieden" haben. Vielleicht mag sich von euch da noch jemand beteiligen?
Hier der Link:
http://www.taz.de/1/leben/alltag/artike ... ne-kinder/
Ich hatte eigentlich gestern schon auf den Artikel hinweisen wollen und ca. zur Mittagszeit einen Beitrag hier in diesem Forum geschrieben, aber der war dann verschwunden, warum auch immer...
Übrigens beschäftigt sich die taz in der Wochenendausgabe sogar mal mit dem Thema "Kinderlosigkeit von Männern", wobei natürlich auch wieder nicht von Fruchtbarkeitsstörungen die Rede ist...
Hier der Link zu dem Interview mit einem Väterinitiativen-Vertreter:
http://www.taz.de/1/leben/alltag/artike ... dem-blick/
So, das ist jetzt genug zum Lesen :räusper:
Ein schönes Wochenende wünscht euch
B.
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cruzeiro
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Beitrag von cruzeiro »

ich darf hier mal aktualisieren (habe den Link auch schon im Ordner zum Embryonenschutzgesetz, dort im Unterordner "Neuauslegung des Embryonenschutzgesetzes" gepostet.

http://library.fes.de/pdf-files/stabsab ... /05642.pdf

Berti, auf Frau Ulrike Riedel habe ich dich deswegen gebracht, weil sie Staatsekretärin im Gesundheitsmininisterium unter der - lange ist es her - Frau Andrea Fischer (Grüne) war. Außerdem diskutierst Du ja gerne mit Anhängern der Grünen.

Sie ist die Verteidigerin der herkömmlichen Auslegung des Embryonenschutzgesetzes, die sowohl die Weiterkultivierung von mehr als drei befruchteten Eizellen als auch die Präimplantationsdiagnostik, als Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz wertet (und in der Folge leider auch die Bundesärztekammer - ich möchte wetten, auf Basis eines Gutachtens von ihr). Sie ist sozusagen die Gegenspielerin von Frau Monika Frommel, Prof. Taupitz aus Mannheim und Günter, Diedrich, Hepp, die Befürworter einer liberaleren Auslegung des derzeitigen Embryonenschutzgesetzes.

Um zum Kern vorzudringen: In Ihrem Beitrag zum oben verlinkten Sammelaufsatz zum Stand der Reproduktionsmedizin in Deutschland, von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben, verteidigt Frau Ulrike Riedel ihre Auslegung der §§ 1 und 2 EmbSchG der "heiligen Dreierregel". Bis aufs Brechen wehrt sie sich gegen die Notwendigkeit, die Dinge endlich realitätsnäher zu sehen, in Fußnote 171. Ein Meisterwerk juristischer Spitzfindigkeit. Lesenswert! Die ganze Dreierregel steht und fällt also mit der Art und Weise, wie man eine bestimmte Bundestagsdrucksache von vor 19 Jahren interpretiert. Es ist einfach nicht zu fassen.

Es wird also spannend, was wohl in Deutschland mehr zählt: das Leben, oder der Zellhaufen, der noch nicht einmal richtig von seinen eigenen Genen gesteuert wird. Wenn ich mir vorstelle, dass das letztendlich aber der Antrieb dieser Dame sein muss, eine solche engstirnige, lebensfremde Auslegung eines Gesetzes 19 Jahre nach dessen Verabschiedung im Jahre 2008/09 immer noch mit Vehemenz zu betreiben. Ich finde es dann im Weiteren eine Verhöhnung, wenn sie sagt, der Gesetzgeber möge doch bitte endlich ein klareres Embryonenschutzgesetz auf den Weg bringen! Nur weil es Leute wie sie gibt - und sie hat ja mit Sicherheit maßgeblichen Anteil an der Einstellung der Juristen in der Bundesärztekammer - haben wir doch die konservative Auslegung der Regelungen im Embryonenschutzgesetz. Ohne sie würden sich doch schon mehr trauen, das Gesetz - endlich - liberaler auszulegen. Und wenn es dann nicht mehr klammheimlich geschieht, dann wird es auch leichter sein, das Gesetz tatsächlich anzupassen. Bis dahin sind es aber eben Leute wie Frau Riedel, die neuerdings auch als Gegnerin von Babyklappen von sich Reden macht, die eine Verbesserung verhindern. Logische Erklärung, warum, bleibt bei mir eben nur, dass der Zellhaufen tatsächlich ihrer Meinung nach mehr Schutz verdient, als das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, wozu auch, die Hilfe bei unerfülltem Kinderwunsch auf dem Niveau des anerkannten Standes der Wissenschaft gehören würde. Hier hat sie sich in der Abwägung eben für das eine und gegen das andere entschieden.

Und im juristischen Sinne wird es ein Streit zwischen zwei Arten von Auslegungen sein: die teleologische Auslegung (nach dem Gesetzeszweck, den Folgen usw.), oder die Auslegung nach dem Wortsinn, wobei letztere Vokabel bereits ein Zirkelschlussargument ist, denn ein Wort hat immer nur den Sinn, den man ihm - durch Auslegung - beimisst. Die Auslegung nach dem Wortsinn (Pro Dreierregel) ist dann jedenfalls der teleologischen Auslegung (Pro Neuauslegung) nicht mehr überlegen.

Wie wird das Kammergericht hier entscheiden? (Abgesehen davon, dass es ja im Fall selbst gar nicht um das Pro- oder Contra Dreierregel geht, sondern um die Präimplantationsdiagnostik)?

Möge das Kammergericht hier bei klein-putz.net ausgiebig recherchieren!

Im Zeit-Artikel wird schließlich noch erwähnt, dass auch das Amtsgericht Wolfratshausen sich der Neuauslegung angeschlossen hat. Es wäre interessant, mehr über das Urteil zu erfahren. Hier müsste man den Autor des Zeitartikels befragen.

Cruzeiro
3 Jahre KiWu in D
2006 / 2007 Untersuchungen in D
EmbSchG in D *mecker* => ab nach A zur ersten IVF
09/2007 in A - Bregenz (Zech) - Langes Protokoll
25.09.2007 PU, ICSI (IMSI - Teratozoospermie),
12.10.2007 SST positiv
01.11.2007 3. US 8 mm gr. Frucht m. DS, Herztöne m. 142 spm
30.11.2007 Frühscreening: alles o.k., "Krümel" misst jetzt 52 mm
08.02.2008 Großer US (21W4D): alles i.O. und - es wird ein Mädchen!
08.03.2008 3D-US - sehr knuddelig
05.06.2008 SC

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27.08.2009 Spontan-SS SST positiv
14.09.2009 1. US 19 mm gr. Frucht m. DS, Herztöne m. 136 spm
27.10.2009 Frühscreening: alles o.k., wir bekommen einen Jungen!
21.12.2009 Großer US - alles proper
17.02.2010 3D/4D Ultraschall - hat Spass gemacht
19.04.2010 SC

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Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Cruzeiro,
danke für den Link, eine interessante Veröffentlichung, um Hintergrundwissen zu bekommen. Du kennst dich ja in der Materie wirklich gut aus.
Leider klingt es ja aber nicht so danach, als ob man mit Frau Riedel mit Aussicht auf Meinungsveränderungen diskutieren könnte. In der Tat versuche ich immer mal wieder bei Gelegenheit, im grünen Spektrum für ein Umdenken zu werben, weil es mir nicht in den Kopf will, dass die Grünen sich hier in eine unheilige Allianz mit der katholischen Kirche und dem klerikalen Flügel der CDU/CSU begeben. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, weil an und für sich die Grünen ja lernfähig sind, wie sich in anderen Politikfeldern gezeigt hat.
Allerdings tippe ich mir auch nicht umsonst die Finger wund, wenn es eh keinen Zweck hat. Zur Zeit schreibe ich so eher mal was im taz-Leserforum, weil ich bei der taz den Eindruck habe, dass hier ein gewisser Meinungspluralismus herrscht und eher die Stimmung am Kippen zu sein scheint.
Es grüßt so unverdrossen
B.
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