Gebührenhöchstsätze bei IVF/ICSI ?

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ikki
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Gebührenhöchstsätze bei IVF/ICSI ?

Beitrag von ikki »

Hallo,

unsere Kinderwunschpraxis und meine private Krankenversicherung (Ehemann) sind leider unterschiedlicher Auffassung in Bezug auf die Begründetheit einer Überschreitung des Regelhöchstsatzes (bei den nach den Empfehlungen der Bundesärztekammer abgerechneten analogen Gebührenpositionen 4852a, 4873a und 1114a).

Die Versicherung hat beanstandet, dass die Kinderwunschpraxis das Überschreiten der Regelspanne lediglich mit Umständen begründet hat, die allgemein bei einer IVF-/ICSI-Behandlung vorliegen und bei denen es sich somit nicht um Besonderheiten des Einzelfalles handele.

Auf diese Beanstandung der Versicherung hingewiesen, teilte uns die Kinderwunschpraxis - offenbar mit einem Mustertext des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e. V. - im Wesentlichen Folgendes mit:

- Wir haben die Schwellenwertüberschreitung bei den genannten Leistungspositionen klar und eindeutig und auch nach den Bestimmungen des § 5, Abs. 2 der GOÄ begründet. Zu der Feststellung der PKV ist zu bemerken, dass die Bemessung der Gebührenhöhe nach den Bestimmungen der GOÄ sich nicht ausschließlich auf im Einzelfall von der Person des Patienten verursachte Kriterien bezieht. Die von uns gegebenen Begründungen belegen eindeutig, dass besonderer Zeitaufwand, bzw. besondere Umstände bei der Durchführung vorhanden sind und eben ein erheblich höherer Qualitätsstandard erforderlich ist.
In den Beratungen zur Abrechnung dieser reproduktionsmedizinischen Leistungen beim Gebührenordnungsausschuss der Bundesärztekammer wurde von diesem Ausschuss festgestellt und im Protokoll niedergeschrieben: „Die hier gebotene besondere Sorgfalt sowie die im Rahmen des Embryonenschutzgesetzes vorgeschriebenen umfangreichen Dokumentationspflichten führen zu einem besonders hohen Aufwand, der aus Sicht des Ausschusses für Gebührenordnung ein Überschreiten der Begründungsschwelle rechtfertigt“. -

Die Versicherung teilte hierauf wiederum mit, die auf Empfehlung der entsprechenden Berufsverbände erfolgende Abrechnung des Höchstsatzes für Leistungen bei der IVF/ICSI sei durch eine Stellungnahme der Bundesärztekammer zumindest teilweise sanktioniert worden, und in den der Versicherung zugänglichen Bekanntmachungen der Bundesärztekammer gebe es keine Äußerung zu der Faktorgestaltung.

Leider scheint auch der Kinderwunschpraxis das erwähnte Protokoll des Gebührenordnungsausschusses nicht vorzuliegen.

Da ich nun "zwischen den Stühlen" sitze, hilft mir vermutlich der vollständige Text des Protokolls und eine Fundstelle dabei, gegenüber der Versicherung (oder der Praxis?) schlagkräftiger zu argumentieren - immerhin hat mir die Versicherung eine Erstattung "im Rahmen der Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer" zugesagt.
Außerdem wäre natürlich von Interesse, ob die angebliche Position des Ausschusses zwischenzeitlich korrigiert wurde (ggf. wodurch).

Kann mir jemand weiterhelfen?
RA Wagner
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Überschreitung des Regelhöchstsatzes, GOÄ

Beitrag von RA Wagner »

Hallo ikki,

das von Ihnen genannte Protokoll des Ausschusses „Gebührenordnung“ der Bundesärztekammer konnte ich nicht ermitteln. Möglicherweise können Sie dieses aber direkt von der Bundesärztekammer erhalten.

Leider kann ich daher nur allgemein auf Ihre Frage zur Regelung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und der Ermittlung des Gebührensatzes eingehen:

Die Beschlüsse des Gebührenordnungsausschusses der Bundesärztekammer sind – im Gegensatz zur GOÄ - nicht rechtsverbindlich, werden jedoch vielfach von Gerichten bei der Prüfung der Angemessenheit einer Honorarrechnung hinzugezogen.

In der Abrechnungspraxis von Ärzten wird in den allermeisten Fällen der ärztlichen Leistungen der 2,3fache Satz berechnet wird, und zwar in einer zumeist wohl schematischen Weise. Bei alledem besteht keine Notwendigkeit, dem Arzt zur Liquidationen bis zum Höchstsatz der Regelspanne eine Begründung seiner Einordnung abzuverlangen. Hierzu führt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 08.11.2007 (III ZR 54/07) aus:

„Indes hat sich der Verordnungsgeber nicht auf die vorstehend beschriebene Regelung beschränkt, sondern - unter einer weitergehenden Reduzierung des Ermessensspielraums - in § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ bestimmt, dass "in der Regel" eine Gebühr nur "zwischen" dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden darf. In der Begründung heißt es hierzu, die Ausübung des Ermessens bei Anwendung der Spannenregelung vom Ein- bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes werde dadurch eingeschränkt, dass "bei mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand" eine Gebühr innerhalb der Spanne vom 1- bis 2,3fachen des Gebührensatzes zu bemessen sei (Regelspanne). Die Überschreitung des 2,3fachen des Gebührensatzes sei nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ genannten Kriterien sich im Einzelfall von üblicherweise vorliegenden Umständen unterschieden und ihnen nicht bereits in der Leistungsbeschreibung des Gebührenverzeichnisses Rechnung getragen worden sei (BR-Drucks. 295/82 S. 14; ähnlich BR-Drucks. 276/87 S. 69 f zu § 5 GOZ). … Nach § 12 Abs. 3 GOÄ hat der Arzt, um die Fälligkeit seines Vergütungsanspruchs herbeizuführen, nur bei einer Überschreitung des Schwellenwerts dies verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen und die Begründung auf Verlangen näher zu erläutern.“

Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbsatz GOÄ ist ein Überschreiten der Regelhöchstsätze daher zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Ein Überschreiten des Schwellenwertes ist daher nur möglich, wenn Besonderheiten im zugrundeliegenden Fall vorliegen, die jenseits dessen liegen, was ein Arzt in einem vergleichbaren Fall sonst zu leisten hat. Solche Besonderheiten liegen dann vor, wenn sich im Vergleich mit der Mehrzahl der vergleichbaren Fälle im vorliegenden Fall Besonderheiten ergeben haben.

In Ihrer Sachverhaltsdarstellung ist auch nicht ausgeführt, ob die Klinik Sie auf die Überschreitung des Regelsatzes hingewiesen hat. Hierzu hat das OLG Köln (zugrundeliegender Fall bezog sich auf eine Zahnarztbehandlung) mit Urteil vom 01.07.1997 (5 U 196/95) zur Überschreitung des Regelhöchstsatzes festgestellt:

„Ein Zahnarzt darf für eine (private) zahnärztliche Behandlung Gebühren mit einem Steigerungssatz über 2,3 nur dann in Ansatz bringen, wenn er den Patienten im Rahmen seiner Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag vor der Behandlung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, es sei denn, daß die Erschwernis im Sinne einer außergewöhnlichen Besonderheit, die eine Erhöhung über den Regelhöchstsatz rechtfertigt, nicht vorhersehbar war und sich erst während der Behandlung (hier: Operation) ergeben hat.“

Gegen eine Überschreitung des Regelsatzes spricht nach meiner Meinung, dass mit die vorliegenden Begründung die Abrechnung der Gebührensätze immer zu einer Überschreitung des Regelhöchstsatzes führen würde. Dieses würde den Ausnahmefall zum Regelfall machen. Vor dem Hintergrund der vorgenannten Ausführungen halte ich daher eine genauere Begründung der Klinik für notwendig. Als Begründung könnte die Klinik auch das Protokoll des Gebührenausschusses vorlegen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen damit weiterhelfen konnte.

Ihr RA Wagner
Die erteilte Auskunft kann eine Rechtsberatung unter Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht ersetzen. Es handelt sich somit nur um eine vorläufige erste Einschätzung. Für eine verbindliche Rechtsauskunft fragen Sie bitte hierzu einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl. Aktuelle Meldungen und Urteile (News) zum Kinderwunschrecht sowie zu meiner Person unter www.ra-kinderwunschrecht.de
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