Zur Geschichte der HI

Die heterologe Insemination ist eine Insemination mit Spendersamen.

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Moderator-HI
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Zur Geschichte der HI

Beitrag von Moderator-HI »

Künstliche Inseminationen wurden in größerem Umfang durchgeführt, seitdem Knaus und Ogino in den 20-er Jahren die zyklischen Schwankungen bei der Fruchtbarkeit der Frau erkannt hatten. „In der Nachkriegszeit gab es eine beispiellose Hetzkampagne gegen die heterologe Insemination. Besonders der Direktor der Universitätsfrauenklinik Tübingen Prof. August Meyer bezeichnet in mehr als 15 Publikationen die heterologe Insemination als „eine Perversität des Denkens, des Fühlens und des Handelns“.

Laut Gutachten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Tiefenpsychologie entspringt der Wunsch „Mutter zu werden“ ohne den Vater zu kennen oder ihn zu heiraten in der überragenden Mehrzahl der Fälle aus einer „schweren neurotischen Persönlichkeitsstörung“. Die Behandlung soll zu einer alsbaldigen Hasseinstellung des Ehemannes gegen das fremde Kind führen. Der Tübinger Jurist Dölle spricht von einem grundsätzlichen Verstoß gegen die Idee von Ehe, Vaterschaft und Familie. Bundesrichter Geiger erblickt in der Einmischung eines Dritten in den Fortpflanzungsvorgang eine Störung der natürlichen Ordnung und hält die heterologe künstliche Besamung nach Artikel 1 des Grundgesetzes der BRD „mit dem Rechtsgebot der Achtung der Wahrung der Menschenwürde“ nicht für vereinbar.“

Trotzdem wurde die Insemination mit Spendersamen in der Bundesrepublik Deutschland in geringerem Umfang durchgeführt. Der 62. Deutsche Ärztetag 1959 in Lübeck erklärte die heterologe Insemination aus sittlichen Gründen für standesunwürdig. Zu Beginn der 60er Jahre sollte diese Behandlung in die Strafrechtsreform aufgenommen werden.

Die Auffassungen in Deutschland standen auch in Übereinstimmung mit Auffassungen in anderen Ländern, z.B. in Großbritannien. Dort untersuchte 1960 das Feversham-Komitee legale Aspekte der DI und kam zu der Auffassung, dass dieses Verfahren zwar nicht als Verbrechen verfolgt werden sollte, aber dass davon abzuraten sei.
"Es bestand kein Zweifel, dass ein durch DI gezeugtes Kind als unehelich zu betrachten sei ... Ein Kind, dessen Unehelichkeit bekannt ist, muss bei seiner Geburt als solches registriert werden. … Wer bei der Registrierung wissentlich falsche Angaben machte, war des Meineids schuldig. Personen, die zur DI beitrugen, wurden für schuldig befunden, an einer kriminellen Verschwörung zur Herstellung eines unehelichen Kindes teilzunehmen.... Das Komitee kommt zu dem Ergebnis, dass DI nicht wünschenswert ist, weil sie eine Gefahr für die Institution Ehe und für die aus der DI hervorgehenden Kinder darstellt.“

Erst 1970 entschloss sich der 73. Deutsche Ärztetag zu einer standesrechtlichen Akzeptanz. Der 56. Deutsche Juristentag kam 1986 zu dem Schluss, dass die DI „nicht gegen die Menschenwürde“ verstoße, weswegen ein Verbot nicht auf Artikel 6 Abs. 1 GG gestützt werden kann.

Demnach ist die HI in Deutschland nicht verboten, jedoch auch nicht explizit zugelassen, nicht akzeptiert. Vor allem aber auch bis heute nicht hinreichend geregelt.

Quellen:
Thomas Katzorke: Die Entstehung und Entwicklung der Spendersamenbehandlung in Deutschland, Blickpunkt III/05, S. 3
Thorn,P. & Daniels,K. (2000). Psychosoziale Fragestellungen, die bei der Familienbildung mit donogener Insemination entstehen. Reproduktionsmedizin, 16, S. 203f.
Feversham Committee (1960). Human Artificial Insemination: Feversham Committee´s Report. British Medical Journal July 1960. pp.379-80

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Julilly
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Re: Zur Geschichte der HI

Beitrag von Julilly »

Moderator-HI hat geschrieben: Laut Gutachten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Tiefenpsychologie entspringt der Wunsch „Mutter zu werden“ ohne den Vater zu kennen oder ihn zu heiraten in der überragenden Mehrzahl der Fälle aus einer „schweren neurotischen Persönlichkeitsstörung“.
:vogel: :vogel: Wenn man ein ganzes Kind (von total unbekannten Eltern) annimmt und liebt, dann ist das ganz besonders löblich und großherzig, aber wenn man nur die eine Hälfte nicht kennt, dann ist das Krank. tz... auf was intolerante Leute so kommen, wenn sie zu viel nachdenken....Leider geistern manche dieser Psycho-Altlasten heute immer noch durch einige Köpfe... *mecker*
Liebe Grüße von Juli
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Beitrag von rebella67 »

Ja, Julilly, das ist auch der Grund, warum ich das hier eingestellt habe. Wenn es dieses Denken nicht gegeben hätte, wäre die HI auch heute ganz anders anerkannt. Es ist fast immer interessant, nach den Wurzeln so einer Nichtachtung zu suchen.
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Wer sich für die Frage, wo die Ablehnung der HI herkommt und wie die Geschichte der HI ist, noch näher interessiert, dem kann ich jetzt das neue Buch von Andreas Bernard "Kinder machen" empfehlen. Das ist unglaublich aufschlussreich und von so viel Inhalt, dass ich das hier leider längst nicht alles wiedergeben kann.

Bernard beschreibt, wie immer besser herausgefunden wurde, wie Fortpflanzung überhaupt funktioniert, wann, wo und weshalb die ersten homologen Inseminationen stattfanden und wie deren Ergebnisse aussahen, wie sich der Erkenntnisstand immer mehr verbesserte, wie Techniken entwickelt wurden und wie eigentlich an jedem Stand mit Bangen darauf gewartet wurde, ob dieses Kind überhaupt gesund ist (nach den ersten Inseminationen überhaupt, nach den ersten Inseminationen mit Fremdsperma, dann mit kryokonserviertem Sperma und mit welchem, was zum ersten Mal per Luftpost verschickt wurde, ...)

Er beschreibt die unterschiedlichen Entwicklungen in Amerika und in Deutschland, die z.B. auch zu sehr unterschiedlichen Bedingungen bei den Samenbanken geführt haben. Überhaupt war es in Deutschland sehr lange nur denkbar, Spender aus der Familie und dem Freundeskreis heranzuziehen, während es in Amerika schon die ersten Samenbanken gab. Warum und was man befürchtete, das könnt ihr alles dort nachlesen.

Sehr aufschlussreich ist es, dass er aufdeckt, dass die Befruchtung mit Spendersamen im Nationalsozialismus überhaupt nicht erwünscht war und daher auch kaum praktiziert wurde. Er belegt das mit zahlreichen Zitaten und Aussagen. Diese Erkenntnis ist deshalb von so großer Bedeutung, weil nach dem Krieg in verschiedenen Dokumenten die heterologe Insemination in den Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, Selektion und Menschenzüchtung gebracht wurde. Dies von Menschen mit zweifelhaftem Menschenbild wie z.B. August Mayer, der auch ein radikaler Abtreibungs- und Empfängnisverhütungsgegner war und "schon vor 1933 als "Tübinger Faschist" tituliert" wurde.

Die Aussage (im Zusammenhang mit der Samenspende): "Solche Gedankengänge kennen wir aus dem Dritten Reich" wurde seitdem vielfach übernommen. So in einem Bericht der Strafrechtskommission in den 60-er Jahren im Zusammenhang mit der damaligen Absicht, im Strafgesetzbuch einen §203 einzufügen, der die heterologe Insemination sowohl für die Ärzte als auch für die Frauen unter Freiheitsstrafe stellen wollte. Und dies sogar bei den Frauen, die eine heterologe Insemination im Ausland in Empfang genommen hätten. (Verhindert wurde die Realisierung dieses Gesetzes damals nur durch internationale Einflüsse. Auf dem "9. Internationale Strafrechtskongress in Den Haag 1964 wurde gesagt, Deutschland sei reproduktionsmedizinisch auf dem Weg der "normativen Isolierung."") Auch die SPD, die 1990 einen Änderungsantrag gestellt hatte, um die Samenspende unter Strafe zu stellen, berief sich noch auf den Nationalsozialismus. Und ich, die hier schon zahlreiche Debatten mit zahlreichen Akteuren geführt habe, kann das bestätigen, dass dieses "Argument" bis heute hier und da immer wieder hochkocht. Von daher kann es nichts Besseres geben als dass das nun mal aufgedeckt wurde.

Interessant aber auch, welche Rolle auch bei der Ablehnung der Samenspende die Literatur spielte. Es wird über die Geschichte in einem Buch namens Alraune geschrieben (Mehr über dessen Inhalt hier: das Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Klassiker wurde. Die Zeitschrift: "Das neue Weltbild" erzählte 1949 eine Geschichte eines "französichen Ehepaars, das auf Drängen der wesentlich jüngeren Frau eine Insemination durchführen lässt. "Als das Kind da war, war auch die Tragödie da. Es wurde von der Mutter vergöttert und vom Ehemann gehaßt."" Natürlich wird diese Geschichte dann mit Depressionen beim Mann fortgesetzt, der versucht, mit einem Messer auf den Arzt zuzugehen. Eine weitere Geschichte aus den USA berichtet von einer uuter durch Samenspende, die durch einen Einbruch in die Arztpraxis den Spender ausfindig macht, ihren Ehegatten verlässt und eine Familie mit dem Spender gründet. Diese Geschichte wurde Vorlage für einen Film: "Frucht oder Liebe", der ein Plädyoer gegen die Samenspende ist. All dies hatte natürlich Einfluss auf die Meinungsbildung auch bei Ärzten und Politikern.
Liebe Grüße, Rebella
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