Bisherige Tendenzen der Auswirkungen der Gesundheitsreform auf IVF / ICSI
a) Zitat Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland:
?Seit 1.1.2004 hat die Zahl der Inanspruchnahme von psychosozialer Beratung spürbar zugenommen. Auch Adoptionsstellen verzeichnen eine steigende Nachfrage, während reproduktionsmedizinische Zentren über einen Rückgang bis zu 40% berichten.
Außerdem lässt sich nach Angaben von Petra Thorn vom BKiD-Vorstand eine Zunahme der Fremdsamenbehandlungen beobachten, nachdem die teure intracytoplasmatische Spermieninjektion, die vor allem bei der männlichen Fruchtbarkeitsstörung eingesetzt wird, nur noch teilweise kassenfinanziert wird.?
b) Der bisherige durchschnittliche EBM-Punktwert von 3,5 Cent hat sich zum 1.1.2004 auf 5,11 Cent erhöht. Der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschland e.V. hat die Ärzte aufgefordert, einheitlich mit 5,11 Cent zu kalkulieren. Bisher ist uns zumindest kein Fall bekannt, in dem weniger kalkuliert wurde. Das entspricht einer Erhöhung von knapp 50%! Die Reduzierung der Anzahl der Patienten wird damit mehr als ausgeglichen. Viele Praxen, die bisher Selbstzahlern noch den 1-fachen GOÄ-Satz angeboten haben, haben diesen jetzt auf mindestens 1,5-fach erhöht, um nicht unter den per EBM abgerechneten Kosten zu liegen.
Die gesetzlichen Kassen sparen somit also nicht wie geplant 3,5 Cent pro Punkt, sondern nur 0,95 Cent pro Punkt. ?Gespart? wird daher mehr an den Paaren, die sich die hohe Zuzahlung nicht leisten können und daher auf ihr Wunschkind verzichten müssen.
Bei den Medikamentenkosten wird ? zumindest bei den Kassen - mehr als die Hälfte gespart, weil die Patienten sich durch den Eigenanteil zunehmend die Medikamente im Ausland beschaffen, wo sie wesentlich günstiger sind. Interessant wäre es, daraus die steuerlichen Mindereinnahmen und den Verlust an Apotheker-Arbeitsplätzen zu ermitteln.
c) Laut einer amerikanischen Studie (Frankfurter et al: Fertil Steril Supplement; O-135 (1998) neigen Selbstzahler dazu, sich die maximale Anzahl von Embryonen transferieren zu lassen, um maximale Erfolge zu erzielen. Das wiederum führt aber zu vermehrten Drillings- und Zwillingsschwangerschaften, die wiederum höhere Kosten der GKV produzieren. Das D.I.R. 2004 wird darüber ? leider erst Ende 2005 ? Auskunft geben, wie sich das bei uns ausgewirkt hat. Dr. Michael Thaele, Vorsitzender des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren, rechnet mit einer 36%igen Steigerung der Mehrlingsgeburten und einer daraus resultierenden Kostenerhöhung von 17%. Im Vergleich zur Geburt eines einzelnen Kindes kostet die nachgeburtliche Versorgung für Zwillinge das Vierfache, für Drillinge sogar das Zehnfache.
d) Zahlen über mehr Behandlungen im Ausland liegen uns bisher nicht vor. Häufigere Anfragen im Forum lassen jedoch darauf schließen. In vielen Nachbarländern sind die Kosten geringer und die Erfolgsquoten höher, weil keine Behinderungen durch ein restriktives Embryonenschutzgesetz.
e) Einige Paare sparen jetzt erstmal auf einen Versuch. Das Markabere daran ist: Je länger sie sparen müssen, desto mehr sinkt ihre Aussicht auf Erfolg, weil sie dabei selbst immer älter werden.
Universität Brüssel
http://www.ulb.ac.be/erasme/edu/FIV/ger/D.htm
Rate der Schwangerschaften und Geburten pro Follikelpunktion
je nach Folgenummer des Versuchs
Ungewollte Kinderlosigkeit ist eine Krankheit.
Nach der Definition der WHO ist ungewollte Kinderlosigkeit eine Krankheit. Es liegt ein regelwidriger Zustand des Körpers [des Geistes oder der Seele] vor, der der Krankenbehandlung bedarf. Der Bundesgerichtshof stellt in einem Urteil vom 17. Dezember 1986 fest, daß ungeachtet der jeweiligen Ursache im Tatbestand Fortpflanzungsunfähigkeit Krankheit zu sehen ist. (Neue Juristische Wochenzeitschrift 1987; 703 ? 704;II2 b:BGH-Urteil vom 17.12.1986 ? IV a ZR 78/85)
Soziologisch ist Krankheit eine Krise, die aus der Einschränkung der Handlungsfähigkeit des Individuums resultiert. Die Profession des Arztberufes ist die stellvertretende Krisenbewältigung (vgl. Oevermann 1998).
Unstrittig ist, daß Sterilität ( ICD 10 = Internationale Klassifikation der Krankheiten ) eine anerkannte Krankheit ist, Fortpflanzungsbeinträchtigung von medizin. Gutachtern als Behinderung/ körperliche Funktionsstötrung ( in D ?AHP ? 2003 vom Bundessozialgericht anerkannte ?Anhaltspunkte? f.d. ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem ( früher Schwerbehindertengesetz" inzw. SGB IX), auch n. WHO-definition ?ICF? = Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit ,eingestuft wird. Gültige Klassifikationen der Sterilität ( siehe dazu:
http://www.dimdi.de/de/klassi/index.htm )
ICD 10 : N97 + N46 ICF: b 660 + b 6600 AHP: 26.13 + 26.14
Bei der Behandlung der Sterilität werden Operationen, Hormongaben, Zyklusmonitoring mit Blutanalysen u. Ultraschall , IUI als medizinisch sinnvolle therapeutische Massnahmen anerkannt und erstattet. Nur wenn eine direkte Zeugungshilfe medizinsch notwendig wird ( IVF / ICSI ) dann liegt plötzlich keine Krankheit oder erstattungsfähige Behandlungswürdigkeit mehr vor ?
Zitat: ?Die Fortpflanzungsfähigkeit gehört zu den biologischen Grundvoraussetzungen des menschlichen Lebens wie Ernährung, Bewegung und Kommunikation. Störungen derselben stellen somit ein erhebliches biologisches Defizit dar.? [Gisela C. Fischer, ?Falsches Signal?, GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE, Nr. 8 ? August 2003 ? Seite 16 ff.,
http://www.fertinet.de/news/temp/Fischer-gpk-08-03.pdf]
Weitere Gründe für die Notwendigkeit einer sozialverträglichen Lösung
a) Fortpflanzungsfreiheit ist auch international als Menschenrecht anerkannt, u.a. in der UNO-Frauenkonvention (Art. 16, 1). Sie garantiert ?das Recht auf freie und verantwortliche Entscheidung über die Zahl der Kinder und den Abstand der Geburten?. ?Heiratsfähige Männer und Frauen haben ohne jede Beschränkung auf Grund der Rasse, der Staatsangehörigkeit oder der Religion das Recht, zu heiraten und eine Familie zu gründen...? (
http://www.uno.de/menschen/index.cfm?ctg=udhr ]
b) Laut EU-Charta gibt es das Grundrecht auf das Gründen einer Familie und das Verbot von Diskriminierung ( bei Behinderung):
Artikel 9 Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen: Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln.
Artikel 21 Nichtdiskriminierung : (1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.
c) Unerfüllter Kinderwunsch ist nach WHO eine Krankheit. Eine künstliche Befruchtung kann bei Erfolg diese Krankheit heilen. In den meisten Fällen haben die betreffenden Paare diesen Zustand nicht selbst verschuldet, leiden aber stark darunter. Treffen kann es jeden. Manche Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit sind im allgemeinen gesellschaftlichen Verhalten unserer Zeit zu suchen. Wenn z.B. ein Mitarbeiter der Tankstelle ein eingeschränktes Spermiogramm hat, sind dafür alle mit verantwortlich, die Auto fahren (oder sich fahren lassen).
Die Entscheidung, ob sie zur Erfüllung ihres Fortpflanzungsbedürfnisses eine künstliche Befruchtung durchführen lassen will, muss die Patientin jedoch unabhängig von ihren finanziellen Mitteln treffen können.
d) ?Laut §10 SGB I hat jeder, der körperlich, geistig oder seelisch behindert ist, oder dem eine solche Behinderung droht, unabhängig von der Ursache seiner Behinderung ein ?soziales Recht? auf Hilfe, um ihm einen seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz in der Gemeinschaft, insbesondere im Arbeitsleben zu sichern. Rehabilitation ist damit nicht die Heilung oder Linderung von Krankheiten, sondern vielmehr die Beseitigung, der Ausgleich oder die Minderung der durch Krankheit verursachten Folgeschäden in Beruf, Familie und Gesellschaft.? (Gisela Fischer, ?Falsches Signal?, Gesellschaftspolitische Kommentare Nr.8 ? August 2003 ? Seite 16 ff.,
http://www.fertinet.de/news/temp/Fischer-gpk-08-03.pdf)
e) Kinder sind nicht nur Privatsache der Eltern, sondern auch ?gesellschaftliches Humankapital?. (Renten, Sozial- und Steuerkassen)
Volkswirtschaftliche Berechnungen
Für 21 Mio Kinder und Jugendliche, welche im Haushalt ihrer Eltern leben, werden 300 Mrd. Euro aufgewendet. (dbb magazin Oktober 2003, ?Mehr Kinder braucht das Land?). Danach wird für jedes Kind ein Betrag von 14.285 Euro pro Jahr aufgewendet. Dieser Betrag beinhaltet sämtliche Unterhaltskosten sowie den von den Eltern erbrachten durchschnittlichen Zeitaufwand, welcher mit dem Durchschnittseinkommen bewertet ist. Zieht man davon für eine konservative Berechnung 4.285 Euro für den Zeitaufwand der Eltern ab, dann setzt jedes Kind im Schnitt 10.000 Euro pro Jahr um.
12.000 IVF / ICSI ? Kinder würden damit pro Jahr 120 Mio. Euro Umsatz bewirken, in 20 Jahren 2,4 Mrd. Euro. Daraus resultieren bei Arbeitskosten je vollzeitbeschäftigtem Arbeitnehmer in Höhe von rund 44.800 Euro im Jahr (Quelle:
http://www.destatis.de/themen/d/thm_loehne.htm) rund 53.500 Arbeitsplätze.
Ein Beschäftigter mit einem Durchschnittsbruttoeinkommen von 30.000 Euro im Jahr bringt
(1) den Krankenkassen 4.200 Euro (14%)
(2) der Rentenversicherung 5.850 Euro (19,5%)
(3) der Arbeitslosenversicherung 2.100 Euro (7%)
Angenommen, jedes Jahr erblicken 12.000 IVF / ICSI Kinder die Welt und das über 20 Jahre, dann bedeutet das als Primärfolge Mehreinnahmen pro Jahr für die
(1) Krankenkassen: 4.200 * 53.500 = 224.700.000, sprich: 224,7 Mio. Euro
(2) Rentenversicherung 5.850 * 53.500 = 313.000, sprich: 313 Mio. Euro
(3) Arbeitslosenversicherung: 2.100 * 53.500 = 112.000.000, sprich: 112 Mio. Euro
Und dies sind nur die primär entstehenden Abgaben. Denn man muß ja rechnen, daß diese Beschäftigten auch mehr ausgeben können, was wieder Arbeitsplätze schafft.
Fazit:
Allein die durch den Konsum der IVF/ ICSI-Kinder in den ersten 20 Lebensjahren primär geschaffenen Arbeitsplätze führen so viel Geld an die Krankenkassen ab, daß sich die Kosten der IVF / ICSI bereits daraus bestreiten lassen.