Bioethikdiskussion - "Aktion Mensch"

mina2
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Beitrag von mina2 »

Liebe Seejungfrau,
sich etwas wünschen und es UM JEDEN PREIS durchzusetzen versuchen ist ein Unterschied.
Und da du nach Gottes Willen fragst: Wer kennt ihn schon - Gottes Willen? Aber die religiösen Menschen unter denjeingen, die sich in Ethikräten und -kommissionen über Embryonenschutz und Menschenwürde den Kopf zerbrechen, bemühen sich eben darum, nach dem, was sie von Gott gehört, erfahren und gelesen haben oder glauben, zu erahnen, was Gott wohl will. Angenommen, Gott will, dass Leben, welches ER schenkt nicht durch Menschen vernichtet wird, dann müssen wir weiterfragen, was ist Leben?
Erst das geborene Kind? Nur der gesunde Fetus? Der Embryo nach xy Tagen oder der Embryo nach der vollzogenen Befruchtung?
Das ESchG nimmt (sozusagen vorsichtshalber) Rücksicht auf die weitestgehende Auslegung, dass die erste verschmolzene befruchtete Eizelle bereits menschliches und schützenswertes Leben ist. Das ist halt sehr streng aber nicht verlogen.
Ich bin weiß Gott froh, dass es heute mehr Möglichkeitn gibt, uns ungewollt Kinderlosen noch eine Chance zu geben. Aber wir sollten das Recht, unser Glück zu suchen, nicht damit verwechseln, ein Recht auf ein Kind - gar das Recht auf ein gesundes Kind - zu haben.
Es gibt auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit, aber dennoch soll es Leute geben, die krank sind.
Gruß Mina
Floppy
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Beitrag von Floppy »

Hallo Mina2,
findest Du nicht, daß da ein Widerspruch im EschG und auch in Deiner Argumentation herrscht :
Das ESchG nimmt (sozusagen vorsichtshalber) Rücksicht auf die weitestgehende Auslegung, dass die erste verschmolzene befruchtete Eizelle bereits menschliches und schützenswertes Leben ist. Das ist halt sehr streng aber nicht verlogen
Ich finde es schon verlogen, daß PID verteufelt wird, wobei jeder weiß, daß im Rahmen der Pränatal Diagnostik wie FU / CB / Triple Test etc. häufig Abtreibungen in der 16. Woche vorgenommen werden müssen, weil eine schwere Behinderung vorliegt ?????????
Ist es wirklich besser einen Embryo bis zur 16 SSW wachsen zu lassen und ihn dann evtl. abzutreiben, als schon im Vorfeld die genetisch kranken EZ auszusortieren.
Ist es wirklich menschlich eine Frau mit Medikamenten vollzupumpen und EZ zu transferieren die von Anfang keine Chance haben ????
Wir haben heute nun mal Medizinische Hilfsmittel, die uns sehr viel mehr Möglichkeiten bieten als früher und allein durch die Pränatal Diagnostik muß es ein Umdenken in den Köpfen geben.
Es gab ja auch mal Zeiten, da waren Leute die Operationen gemacht haben "Quacksalber" und "Gotteslästerer" weil wenn Gott will daß Du an einer Blinddarmentzündung stirbst, dann ist es Gottes Wille ??????? Ist das richtig ?????
Ich denke wenn "Frau" heute einen FU macht dann ist sie auch bereit bei einer wirklich schlimmen Diagnose die SS abzubrechen, dieser Frau würde durch PID eine Menge erspart werden können.
Ich war selbst schwanger und habe meine Krümelchen in der 6. und 8.SSW verloren...........Diagnose nach AS Trisomie15 (nicht lebensfähig). Bei ganz großem Pech hätte ich diese Diagnose erst in der 16 SSW erhalten können und hätte dann einen Abbruch einleiten müssen, das finde ich unmenschlich !!!!!!!!
Ich persönlich wäre sehr froh, wenn PID gestattet werden würde, da ich mir davon erhoffen würde,
  1. daß es in Zukunft deutlich weniger Abtreibungen in der 14-16 SSW geben wird
    daß weniger Mehrlingsschwangerschaften auftreten (Stichwort Reduktion ????????)
    daß nicht mehr so viele riskante pränatale diagnostische Verfahren notwendig sind
    daß für eine erfolgreiche Behandlung deutlich weniger Transfers und Medikamente nötig sein werden.
Wie gesagt, ich denke es ist ein Widerspruch in sich, Abtreibungen nach FU zuzulassen aber PID zu verdammen.
Wenn man es aber unbedingt krass sehen will, Selektion ist beides !!!!!!!

Viele Grüße,
Liebe Grüße,
Floppy ;-) mit Nick & Ben (*10.12.2003)

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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

Hallo Mina und Susanne,

ich würde mich eher zu den nachdenklichen Menschen zählen, empfinde aber den Umgang mit der PID in Deutschland ebenfalls als verlogen, genau aus dem Grund, den Susanne schreibt. Soweit ich weiß, wird einem hier der Triple Test ab einem bestimmten Alter sogar aktiv empfohlen. Ich habe gelesen, daß bei dem Test auf Down Syndrom mehr Embryos sterben als überhaupt Kinder mit Down Syndrom entdeckt werden, weil der Test so gefährlich ist.
Es kann doch nicht sein, daß Abtreibungen in der 16. SW - oder sogar später - erlaubt sind, die PID aber verboten ist. Die Gesetze sollten schon in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Man könnte bei der PID ja einschränken, was erlaubt ist. Konsequenterweise sollte aber alles erlaubt sein, was man später auch untersuchen darf.
Ich bin sicher kein Befürworter davon, Kinder nach Geschlecht auszuwählen oder so.

Die Entscheidung zur Abtreibung behinderter Kinder halte ich für sehr schwierig. Wenn man nicht betroffen ist, ist es sicher einfach, da eine sehr rigorose Meinung zu vertreten. In meiner Familie gab es ein sehr schwer behindertes Kind und ich habe selbst erlebt, daß sich das Leben für meine Eltern dadurch sehr geändert hat. Ich bewundere es, wenn Eltern wissen, daß ihr Kind behindert sein wird, sich das aber zutrauen und bereit sind, ihre ganze Lebensplanung zu ändern, z.B. werden sich Pläne für die Wiederkehr in den Beruf für einen Partner erheblich erschweren. Aber ich habe aufgrund dieser Erfahrungen auch Verständnis für Menschen, die sich das nicht zutrauen. Ich wüßte wirklich nicht, wie ich mich da entscheiden würde, die Entscheidung würde mir in jedem Fall sehr schwer fallen.

Viele Grüße

kaschmirziege
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo Mina,

ich sehe es auch so, wie Susanne und kaschmirziege. Und dieses Gerede „Nach Gottes Willen handeln“ gefällt mir in dem Zusammenhang auch nicht. Ich selber glaube nicht an einen Gott und möchte mir das von anderen auch nicht aufzwängen lassen.

Nach meiner persönlichen Weltanschauung beginnt das Leben nämlich noch eher – wenn die Eizelle befruchtet ist und die Kerne noch nicht verschmolzen sind. Und dieses Leben war ich einmal gezwungen, einfrieren, sprich: kaputt frieren zu lassen. Ich hatte 7 lebende befruchtete Eizellen. Mit PID hätte man feststellen können, welche der 7 überhaupt das genetische Potential haben, ein Mensch zu werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wären das eh nicht mehr als 3 gewesen. Nur diese hätten dann bei mir die maximale Chance erhalten, sich weiter zu entwickeln. Vielleicht hätte ja eine von den beiden Eizellen, die das Auftauen nicht überlebten, jetzt nebenan im Kinderzimmer geschlafen oder eine von den beiden, die vom Einfrieren geschwächt noch kurze Zeit in mir weiter gelebt haben?

Wir sollten es nicht vergessen, dass verschiedene Menschen diese Problematik sehr verschieden betrachten können. Für jeden ist seine Antwort richtig. Und wir sollten deshalb die Menschen nach ihrem eigenen Gewissen entscheiden lassen, wie sie richtig handeln.

Gruß, Rebella
Homa
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Beitrag von Homa »

Hallo Mina, hallo Rebella, Birgit und alle anderen

ich glaube zwar an Gott, aber in diesen Diskussionen wird er und sein Wille immer so ausgelegt, wie`s dem jeweiligen gerade passt. Das beginnt bei: wenn Gott Euch keine Kinder schenkt, dann lasst es halt, bis eben dazu, dass irgendjemand meint festlegen zu können, was Gott unter einem Embryo versteht. Wo wäre da die Grenze zu ziehen? Jeder sieht sie anders und glaubt Gott stützt seine Auffassung. Ich glaube nicht, dass uns das weiter bringt.

Mina, es gibt so viele Dinge die schief gehen können, und ich glaube keiner von uns würde ein Kind das z.B. eine Behinderung während der Geburt erhält oder einen nicht genetischen "Fehler" hat oder später krank wird weggeben. Aber wenn wir schon auf die Reproduktionsmedizin zugreifen können, muss man uns doch nicht unnötigen Versuchen und Risiken aussetzen.
Meistens erledigt die Natur ja später das von alleine, was mit der PID gleich entschieden wird. Nur das wir dann wenigstens die Chance hätten als ALternative einen lebensfähigen Embryo zum Transfer zu bekommen, der nach dem momentanen Verfahren vielleicht verworfen worden wäre. Das ist doch derzeit absurd.

Ich werde auf jeden Fall versuchen auf der entsprechenden Seite auch noch meinen Senf dazuzugeben, deshalb dank an Birgit für den Hinweis,

Homa
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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

Hi Mina, Rebella, Homa und alle anderen,

trotz der teilweise etwas hitzigen Debatten freue ich mich, daß es diese Diskussion hier gibt. Ich finde es tröstlich, daß es Menschen wie Mina gibt, die nicht einfach alles machbare machen wollen, sondern auch über Grenzen und ethisches Handeln nachdenken.

Das jeder die Grenzen zieht, ist eine andere Sache, aber ich bin sicher, daß die meisten von uns sich auf gemeinsame Grenzen wie z.B. Clonbabies oder Auswahl nach Geschlecht einigen könnten.

Manchmal frag ich mich, ob man es überhaupt verantworten kann, Kinder in eine Welt zu setzen, wo alles machbare früher oder später auch gemacht wird, sei es aus wissenschaftlichem Ehrgeiz, Profitgier oder warum auch immer.

Herzliche Grüße

kaschmirziege
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Diese mail habe ich vor ein paar Tagen bekommen:

Sehr geehrte Fragestellerinnen und Fragesteller,

in den vergangenen Monaten haben Sie mit einer oder mehreren Fragen oder
Kommentaren an unserem 1000Fragen-Projekt teilgenommen. Wir möchten uns
dafür sehr herzlich bei Ihnen bedanken und Ihnen heute einige Informationen
geben:

Im September wird bei der Deutschen Verlagsanstalt ein Buch mit allen
Fragen zur Bioethik, die auf 1000fragen.de gesammelt wurden, erscheinen.
Das Buch unter dem Titel "Was wollen wir, wenn alles möglich ist? Fragen
zur Bioethik" wird ab 15. September im Buchhandel verfügbar sein.

In einer Veranstaltungswoche in Berlin unter der Überschrift "Stadt der
1000 Fragen" werden verschiedene Themenschwerpunkte der Bioethik-Debatten
eingehend diskutiert.

Am Mittwoch, den 24. September, wird das Buch mit allen Fragen (und auch
einigen ausgewählten Kommentaren) im Rahmen einer Festveranstaltung an den
Präsidenten des Deutschen Bundestages (Wolfgang Thierse), den Präsidenten
der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Ernst-Ludwig Winnacker), den
Vorsitzenden des Nationalen Ethikrates (Spiros Simitis), den Vorsitzenden
der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" (René Röspel)
sowie an den Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung
Biotechnologie übergeben.

Zu dieser Veranstaltung, der "Nacht der 1000 Fragen", laden wir Sie
herzlich ein. Eigens für diese Veranstaltung werden einige hundert Fragen
in 13 Bildern theatralisch "in Szene gesetzt". Für die Inszenierung haben
wir den bekannten Berliner Regisseur und Bühnenbildner, Fred Berndt,
gewinnen können, bekannte Schauspieler wie Bobby Brederlow, Peter Kremer,
Thilo Prückner, Peter Radtke und Manfred Zapatka wirken bei diesem Abend
des "szenischen Fragens" mit. Die Musik des Komponisten Mike Herting wird
präsentiert von 14 Musikern und Sängern, darunter die international
bekannte Sängerin Janet Williams. Das Stück kommt am 24. September im
Schlütersaal des Zeughauses (Deutsches Historisches Museum) in Berlin zwei
Mal zur Aufführung:

Am 24.9.2003 um 19.00 Uhr (mit Buchübergabe) und
am 24.9.2003, 23.00 Uhr (nur Inszenierung)

Der Eintritt zu diesen Veranstaltungen ist frei. Eine Voranmeldung für die
19.00 Uhr-Veranstaltung ist jedoch erwünscht. Sollten Sie Interesse haben,
senden wir Ihnen sehr gerne eine Einladung zu. Wir würden uns freuen, wenn
wir möglichst viele Fragesteller/innen unter unseren Gästen begrüßen könnten.

Weitere Informationen über das Buch und die Veranstaltungswoche finden Sie
unter http://www.1000fragen.de .

Das 1000-Fragen-Forum bleibt übrigens weiter offen. Im Jahr 2004 wird das
Projekt fortgeführt.

Mit freundlichen Grüßen aus Bonn


Heike Zirden

Bereichsleiterin Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung
Projektleiterin 1000Fragen
Antworten

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