So, hier mein erster Brief-Entwurf.
Mal sehen, ob ich morgen immer noch so wutschnaubend bin, oder ihn noch etwas abändere
Sehr geehrte Frau Schmidt,
ich beziehe mich auf den heutigen Live-Chat und muss ehrlich gestehen: ich bin maßlos enttäuscht und hätte gerade von einer Familienministerin etwas anderes erwartet.
Die Argumente, die Sie für den Wegfall der Bezahlung der künstlichen Befruchtung anbringen, lassen sich zum Teil so leicht entkräften, dass wirklich der Eindruck entsteht, dass auf Kosten einer Minderheit mit k(l)einer Lobby ein Bauernopfer gebracht werden soll.
Zum einen ist Unfruchtbarkeit eine Krankheit ! Da auch niemand auf die Idee kommen würde, z. B. Krebskranke die Chemo-Therapie selbst bezahlen zu lassen, ist es mir völlig unverständlich, warum das bei der Krankheit „Unfruchtbarkeit“ so einfach entschieden werden kann.
Wirklich getroffen hat mich der Satz, dass, wenn der Wunsch nach einem eigenen Kind nur groß genug sei, die Paare sicherlich die Behandlung aus eigener Tasche zahlen werden. Wie denn ??? Nicht jedes kinderlose Paar verfügt über Ihre finanziellen Mittel, Frau Schmidt !
Sollen sich nur noch wirklich reiche Paare Kinder leisten können ?
Eines Ihrer Gegenargumente war, dass nicht jedes durch künstliche Befruchtung geborene Kind ein zukünftiger Beitragszahler wird. Manche werden Beamte oder auch Sozialhilfeempfänger. Letzteres trifft dann vermutlich die, deren Eltern sich ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt haben, indem sie sich für die Behandlungen verschuldet haben !!!
An dieser Stelle würde ich gerne noch anmerken, wie erschreckend ich die Diskussion finde, dass kinderlose Paare in Zukunft höher besteuert werden sollen.
Wird dann zwischen gewollt und ungewollt Kinderlosen unterschieden ? Oder werden die ungewollt Kinderlosen einfach doppelt bestraft: Behandlungen für mehrere Tausend Euro selbst bezahlt, möglicherweise trotzdem keinen Erfolg gehabt (warum ? siehe nächster Punkt) und dann noch höhere Steuern als Krönung ? Das kann es doch wirklich nicht sein, oder ?
Des weiteren haben sie die USA als Beispielland angeführt, in dem die Geburtenrate nach künstlichen Befruchtungen wesentlich höher ist als in Deutschland.
Nun, da müssen Sie gar nicht so weit in die Ferne schweifen. Auch Österreich und so ziemlich jedes andere europäische Land (außer der Schweiz) hat bessere Quoten.
Und warum ??? Weil Deutschland ein hoffnungslos veraltetes, unzeitgemäßes und möchtergern-moralisches Embryonenschutzgesetz hat ! Eine Anpassung an die anderen europäischen Länder (Eizellspende, späte Selektion) würde wirklich KK-Kosten sparen: bessere Chancen pro Versuch = weniger notwendige Versuche. Warum wird darüber nicht nachgedacht ? Weil es unbequem ist ??? Aber wieso ist so etwas in fast jedem anderen Land möglich ???
Eine Ihrer Aussagen war, dass in anderen Ländern die künstliche Befruchtung auch keine Kassenleitung sei. Sicherlich richtig, aber es gibt auch in anderen Ländern Modelle, die denkbar sein sollten, oder ? z. B. Österreich, wo "nur" ein Drittel selbstfinanziert werden muss. Oder wie wäre es, wenn zumindest die Medikamente (meist der schlimmste Posten, übrigens in den Niederlanden bis zu ein Drittel günstiger ! Wieso ?) weiterhin von den KK übernommen würden ?
Ich hoffe doch sehr, dass Sie überhaupt bis hierher gelesen haben und würde mich über eine Antwort, die über das übliche Abwiegeln hinaus geht, wirklich sehr freuen !!!
Vielleicht erinnern Sie sich gelegentlich auch daran, wofür das „S“ in SPD eigentlich steht und dass eine Familienministern nicht nur für die Kinder da sein sollte, die bereits auf der Welt sind, sondern im Hinterkopf behalten, dass auch die betroffenen Kiwu-Paare nicht länger „alt aussehen wollen“, ohne Kinder.
Mit nicht allzu freundlichem Gruß
Der letzte Satz ist eine Anspielung auf ihr letztes Buch. Titel: Ohne Kinder sehen wir alt aus !