Zypries möchte Änderung beim Eschg !

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Birgit~
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engagierter Einspruch / Widerspruch -> !

Beitrag von Birgit~ »

Hallo Rebella und Interessierte,

durch Zufall habe ich eine Rede zum Thema Bioethik, Eschgesetz v. Prof. H. Markl gefunden. Sie ist in dem Piper-Taschenbuch * Denkanstösse 2004*, enthalten ( gestern in Bahnhofsbuchhandlg gekauft :-? )
..aber auch bei der *Max-Planck-Gesellschaft* als pdf-download (11 Seiten).

Mir gefällt das sehr, daß ein prominenter dtsch. Wissenschaftler seine andere Sicht der Dinge engagiert erläutert und sich auch nicht scheut, dem Bundespräsidenten zu widersprechen:

Dazu nachstehend Zitate aus der Ansprache (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., Berlin, 22. Juni 2001)
des (damaligen) Präsidenten Hubert Markl :

>>Freiheit, Verantwortung, Menschenwürde:
Warum Lebenswissenschaften mehr sind als Biologie<<


Quelle: http://www.mpg.de/pdf/redenPraesidenten ... 1Markl.pdf

>>..Dabei kann es allerdings leider nicht ausbleiben, dass ich mich in dem einen oder anderen Streitpunkt nicht völlig in Übereinstimmung mit dem wiederfinde, was der Herr Bundespräsident in seiner beeindruckenden Grundsatzrede - manche sprachen gar von Levitenlesung - vom 18. Mai dieses Jahres dazu gesagt hat, obwohl ich vielen seiner Aussagen sehr zustimme. Glaube niemand, dass es mir leicht fällt, gleichzeitig den ökumenisch vereinten deutschen Bischofskonferenzen, den Partei- und Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU und Grünen, dem biopolitisch gleichgeschalteten Gesamtbioethikrat deutscher Tageszeitungen, und dann sogar auch noch dem Bundespräsidenten zu widersprechen, als frecher Hecht im dicht an dicht besetzten Karpfenteich moralischer Hochgesinnung.<<

>>....Selten haben Biologen oder Mediziner in so kurzer Zeit so viel Neues über die Grundlagen des Lebens und über unsere ..Möglichkeiten, solches Wissen anzuwenden, gelernt. Und niemals zuvor hat eine so breite Öffentlichkeit zumindest soweit davon Notiz genommen, dass so viel Neues und Unverstandenes die ureigensten Privatentscheidungen von Essensauswahl bis Kinderwunsch, von Lebensversicherung bis Arbeitsplatz betrifft und daher alle gemeinsam angstvoll und hoffnungsvoll verunsichert.
Da der rasche, auch für die Wissenschaftler selbst kaum überschaubare Fortschritt der Forschung diese Wechselgefühle von Angst und Hoffnung hervorruft, müssen wir diese Verunsicherung ernst nehmen und Verständnis dafür aufbringen. Mehr noch: Die kontroverse öffentliche Debatte darüber ist unumgänglich. Die sich manchmal überschlagenden Stimmen der Medien sind unvermeidlicher, sogar unverzichtbarer Teil einer öffentlichen, freien Auseinandersetzung mit den sich überstürzenden Neuerungen. Viele Befürchtungen werden sich als übertrieben herausstellen, viele Hoffnungen genauso.<<

>>..Wir sollten uns auch nicht darüber wundern, wie groß das Verlangen vieler nach klaren Wegweisungen und Grenzziehungen ist, möglichst aus berufenem Mund und möglichst unbezweifelbar in ewigen Werten und Wahrheiten verankert. Der Wunsch danach ist einsichtig, aber er wird die Menschen von den Zweifeln und Mühen eigenen kritischen Urteils nicht befreien können. Kein noch so sorgfältig argumentierender Ethikrat, dessen Argumente wir übrigens doch erst einmal hören sollten, ehe wir sie gleich vorweg verdächtigen, kann uns davon befreien, uns selber in entscheidenden Fragen für eigenes Urteil kundig zu machen. Und wer mit gut gemeintem moralischen oder juristischen Machtwort die verwirrten Debatten beenden möchte, wird merken, dass sie gerade deshalb weitergehen. Denn wo ein jeder Mensch im eigenen Innersten berührt ist, da ist er letztlich selbst für seine Gewissensentscheidungen verantwortlich, solange wie wir in einer Gesellschaft leben, die darauf begründet ist, in der Gewissensfreiheit jedes einzelnen den Kern der Würde jedes Menschen zu achten. Letzten Endes geht es dabei immer
darum: Was ist der Mensch?<<

>>...Denn der neue Mensch ist nicht fertig in der Zygote, wie es ein fast schon vorwissenschaftlich präformatorisches Denken manchmal hinstellt; er kann aus ihr werden und zwar nur unter bestimmten Bedingungen, für die die Verbindung zum Mutterorganismus für Säugetiere nicht etwa nur so etwas wie die eines Untermieters in einer Biowohnung, sondern für eine normale Entwicklung absolut konstitutiv ist.

Ich habe diesen Punkt aus anderer Sicht schon kurz berührt. Er hat biologisch jedoch weiterreichende Bedeutung. Für eine Säugetiermutter (und in solcher Hinsicht ist und bleibt der Mensch ein Säugetier) bedeutet die Aufnahme eines Embryos in die symbiotische Wechselbeziehung mit ihr eine für den gesamten Lebenserfolg ungemein folgenreiche Entscheidung, weil sie - im Falle widriger Umstände - ihre Leibesfrucht nicht etwa wie eine Vogelmutter ihre Eier verlassen kann. Für langlebige Spezies wie die unsere mit nur wenigen Chancen, überhaupt Nachkommen aufzuziehen, ist diese Entscheidung daher besonders lebensentscheidend. Es darf daher sehr wohl angenommen werden, dass die von Menschen und anderen Säugetieren bekannte Tatsache, dass sich nur ein
Bruchteil befruchteter Eier tatsächlich im Uterus einnisten kann - beim Menschen wird berichtet, dass mehr als jede zweite Leibesfrucht durch spontanen Frühabort verloren geht, - schon von Natur aus dazu dient, um möglichst nur gesunde und voll entwicklungsfähige Keime zur Entwicklung kommen zu lassen. Die eigentliche "biologische Entscheidung" zur Menschwerdung fällt daher tatsächlich mit der Einnistung des Keimes im Uterus, nicht schon mit der Befruchtung. Dies wird besonders deutlich daran, dass die spontan frühabortierenden Embryonen besonders häufig von genetischen Anomalien betroffen sind.<<

>> ..Mich schreckt am meisten der Geist erbarmungsloser Moral und zugleich
des rechtlichen Zwanges auf betroffene Einzelne im Dienste vermeintlicher
Gemeinschaftsinteressen. So als gehörten eine Frau und ihr Reproduktionsverhalten und sogar die dabei instrumentalisierten Behinderten zu allererst einmal dem Staat, der dieser Frau in von Mehrheitsmeinung abhängigen Grenzen Freiheiten hinsichtlich ihres ureigensten Menschenrechts, nämlich der Entscheidung über die eigene Fortpflanzung, einräumt oder versagt, und sie gegebenenfalls dazu zwingt, ein schwerst behindertes Kind sozusagen als Exempel für andere auszutragen und aufzuziehen. Je älter ich werde, umso falscher finde ich es nämlich, wenn alte Männer - wie ich - junge Männer gegen ihren Willen für den Krieg und junge Frauen gegen ihren Willen zur Fortpflanzung verpflichten wollen. Es mag schon zutreffen, dass Eltern keinen Rechtsanspruch auf ein gesundes Kind haben - allerdings sehr wohl ein Menschenrecht, danach zu streben!<<


Besonders den letzten Satz habe ich früher, so ähnlich formuliert, leider häufiger in Online-Foren schreiben "müssen" (!), weil immer wieder unterstellt wird, man würde irgendwo ein >>Recht auf ein eigenes Kind einfordern<<, was ich immer als gehässig empfand, insbesondere wenn es von selbst ungewollt Kinderlosen Frauen in dieser Weise gegenüber mitbetroffenen Frauen ausgesprochen wurde...
...hätte früher nie gedacht, daß man das *Recht auf den Wunsch*, eine Familie zu gründen, verteidigen muss...

LG Birgit
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Was für eine Rede! Ich war ja schon so begeistert von dem Welt-Artikel, der ja auch von diesem Biologen ? Hubert Markl - geschrieben wurde. So viele neue einschlagende Argumente!
Ja, Birgit, das Argument, daß wir sehr wohl ein Recht haben, alles zu unternehmen, habe ich auch schon oft angebracht. Das wird leider immer wieder verkannt!

Liebe Grüße, Rebella
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Entschuldigung, aber ich muß jetzt einfach auch noch mal einiges zitieren, was ich an dieser Rede von Hubert Markl so wichtig finde. Für alle die, die diesen längeren Text nicht lesen wollen:

(1) ?zumeist in den ebenso verbreiteten wie falschen Formulierungen, dass alles Leben Chemie sei, alle Chemie Physik, alle Physik Mathematik und alle Mathematik reine Philosophie, allseits wärmend vom mütterlichen Mantel der Theologie umhüllt.? ? ?Ich will vielmehr ganz nah am Thema, das die Öffentlichkeit derzeit so sehr bewegt, bleiben und an diesem Beispiel deutlich machen, zu welch unsinnigen Schlussfolgerungen es führt, wenn wir die Wurzeln mit einer ganzen Pflanze, die Fundamente mit einem Bau, die Voraussetzungen mit den Konsequenzen oder ganz drastisch das Ei mit dem Huhn verwechseln oder sogar in einen Topf werfen,? ? ? Die grundlegenden Voraussetzungen eines emergenten Phänomens mit dem Phänomen selbst zu verwechseln, führt zu einem oft zwar besonders logisch erscheinenden, aber an der Wirklichkeit regelmäßig zum Scheitern verurteilten Idealismus,? ? ?Das, woraus sich etwas neues entwickelt, ist nicht identisch mit dem Neuen selbst. Dies gilt auch für den Menschen. Jede geborene menschliche Person ist etwas einmalig Neues, das sich aus einer befruchteten menschlichen Eizelle entwickelt hat.? ? ?dass "Mensch" ein kulturbezogener Zuschreibungsbegriff von Menschen ist und keine rein biologische Tatsache.?

(2) Wir wissen, dass, heute wie in der Vergangenheit, verschiedene Kulturen den Zeitpunkt des Beginns der Zuschreibung des Menschseins gegenüber dem sich entwickelnden Embryo oder Fötus sehr verschieden gewählt haben und noch wählen, selbst bei genauer Kenntnis der Tatsache, dass der Embryo seinen Entwicklungsanfang in der Vereinigung von Ei- und Samenzelle hat. Aus Gründen, die ich noch näher ausführen werde, finde ich dabei die Stellungnahme jüdischer Religionsgelehrter besonders überzeugend, einer Religion, der es wahrhaftig weder an Scharfsinn der Argumentation, wissenschaftlichen Kenntnissen, Gesetzestreue und Achtung des Lebens mangelt. Sie weist nämlich der Tatsache, dass sich der Mensch nur in engster Verbindung zu einem mütterlichen Körper entwickeln kann, eine besondere Bedeutung für die Menschwerdung zu.? ? ?dass - selbst in heutigen Hochkulturen, die keiner moralischen Belehrung durch uns bedürfen, - dieser Akt der Zuschreibung des vollgültigen Menschseins mit allen Pflichten vorbehaltlosen Schutzes seines Lebens durchaus verschieden begründet wird. Dies ist auch unserer Rechtsprechung wie Lebenspraxis alles andere als fremd, sonst wäre nicht nur die nach langem Ringen weitgehend rechtsfriedliche Regelung von Abtreibungen, sondern vor allem auch die allgemein akzeptierte Verwendung von einnistungshemmenden Mitteln zur Geburtenkontrolle gar nicht möglich.?

(3) ?Selbstverständlich zwingt uns Deutsche nichts dazu, uns dieser britischen Parlamentsentscheidung anzuschließen oder jener Frankreichs, Israels oder anderer Länder, weil wir doch selbstverständlich alles besser wissen. Aber gerade in einer immer mehr zusammenwachsenden Gemeinschaft europäischer Nationen täten wir vielleicht doch gut daran, zu hören und abzuwägen, was die Argumente anderer abendländischer Nationen sind, die nicht weniger als wir in freien, demokratischen Rechtsstaaten leben, ehe wir gemeinsam mit dem Vatikan das Hochufer moralischer Letztbegründungen zu besetzen suchen.?

(4) ?Der Mensch ist eben gerade dadurch mit Menschenwürde begabt, dass er sich nicht Naturfakten - wie dem Zeitpunkt einer Zellkernverschmelzung - in seinen verantwortlich zu treffenden Entscheidungen zu unterwerfen hat.?

(5) ?will es mir scheinen, als ob die alleinige Fixierung des Menschenwesens auf den Besitz eines Satzes menschlicher Gene (von denen wir zudem auch noch einen sehr hohen Prozentsatz mit vielen anderen Tieren identisch gemeinsam haben) und die als hochmoralisch bewertete willenlose Hinnahme jedes Zufallsunglücks in der Beschaffenheit dieses Gensatzes, den Gipfel eines Biologismus bedeutet, der den Menschen tatsächlich zum reinen Biowesen degradiert und ihm genau das abspricht, was ihn eigentlich erst zum Menschen macht: Seine kulturbedingende Entscheidungsfreiheit.

(6) ?Ich bestehe aber darauf, dass zwischen den Untaten von Wissenschaftlern in einem Terrorregime unter dem Vorwand wissenschaftlicher Erkenntnissuche gegenüber gepeinigten und ermordeten Kindern und Erwachsenen und dem Vorgehen von Forschung und Medizin bei der Präimplantationsdiagnostik, bei therapeutischem Klonen oder bei der Entwicklung von Heilverfahren gegen schwere Krankheiten mittels Zellkulturen aus Embryonen kategoriale Unterschiede bestehen. Ich sähe in der unangebrachten Gleichsetzung des einen mit dem anderen geradezu eine Verniedlichung der Leiden der Opfer von bestialischen Menschenversuchen,?

(7) ?Denn der Mensch ist seit jeher ein Wesen, das seine Grenzen überschreiten muss, um ganz Mensch zu sein und das sich dabei dennoch immer neue Grenzen setzen muss.?
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Ich habe heute auch noch einen Brief an die Justizministerin geschrieben:


Sehr geehrte Frau Ministerin Zypries,

Ihre Rede ?Vom Zeugen zum Erzeugen? hatte in uns große Hoffnungen gesetzt, daß sich die Rahmenbedingungen für künstliche Befruchtungen bald ändern werden.

In einem Interview sagten Sie nun, es gäbe im Moment keinen Handlungsbedarf, den Zeitpunkt von dem ab Menschenwürde gilt, neu zu definieren, weil bisher so wenig Forschungsanträge gestellt wurden. Dazu möchte ich dringend noch mal daran erinnern, daß eine Definition wie Sie Ihnen vorschwebt, daß nämlich Menschenwürde erst mit dem Embryonentransfer beginnt, auch sehr im Interesse von ungewollt kinderlosen Paaren ist, die hoffen, durch künstliche Befruchtung im Reagenzglas Eltern zu werden. Ihre Aussichten auf Erfolg würden damit erheblich steigen, während das Mehrlingsrisiko sinkt, weil dann schon der Transfer von 1 oder 2 Embryonen sehr erfolgversprechend ist. Wir sehen deshalb einen sofortigen Handlungsbedarf. Gerade auch deshalb, weil die hohen Kosten für Künstliche Befruchtungen ab dem nächsten Jahr zu einem großen Teil von den Betroffenen selbst getragen werden müssen. 5.000 Euro für eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 16%? In anderen Ländern, die nicht solch ein strenges Embryonenschutzgesetz haben, werden doppelt bis dreifach so hohe Erfolge erzielt!

Es kann nicht sein, daß trotz dieser Tatsache allein das Streben unseres Landes, auf dem Gebiet der Forschung kein Schlusslicht zu sein, eine Definitionsänderung begründet.

Wir bitten Sie, Ihre Position zu überprüfen und schon jetzt geeignete Schritte zu unternehmen, um eine schnellstmögliche Durchsetzung Ihrer Forderung zu erreichen. Wir freuen uns, wenn Sie uns darüber informieren.

Bitte, teilen Sie uns auch mit, ob Sie einen sofortigen Handlungsbedarf für die Schaffung einer vernünftigen Regelung bei künstlicher Befruchtung mit Spendersamen sehen und wann Sie denken, daß eine solche Regelung greifen wird.

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Antwort vom Justizministerium v. 8. Dez. 2003:


Sehr geehrte Frau ?

Vielen Dank für Ihre e-mail vom 20. November 2003, die sich ? wie schon Ihre bereits von mir beantwortete e-mail vom 20. Oktober 2003 ? mit Fragen zum Embryonenschutzgesetz (ESchG) befasst. Hierzu möchte ich Ihnen ergänzend folgendes mitteilen:

Soweit Sie der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß durch eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes die Aussicht ungewollt kinderloser Paare, Eltern zu werden, verbessert würde, gehe ich davon aus, daß Sie damit auf die ? keinesfalls unumstrittenen ? Möglichkeiten der Präimplationsdiagnostik (PID) abzielen. Frau Ministerin Zypries hat sich jedoch gegen eine Zulassung der Präimplatationsdiagnostik ausgesprochen. Zwar weiß sie, welch tiefe Empfindungen und leidvolle Erfahrungen oft Grund dafür sind, daß ein Paar die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik wünscht. Aber es besteht zu fürchten, daß in der Praxis eine Begrenzung der PID auf diese Fälle nicht gelingt.

Zur Frage des Handlungsbedarfs in Hinblick auf künstliche Befruchtungen durch Samenspenden weise ich im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung auf folgendes hin:

Die Samenspende ist grundsätzlich erlaubt und nur sehr lückenhaft geregelt. §3 Satz 2 ESchG erlaubt in Fällen schwerwiegender geschlechtsgebundener Erbkrankheiten eine Samenauswahl nach dem im der Samenzelle enthaltenen Geschlechtschromosom. §4 Abs. 1 Nr. 1 ESchG setzt die Einwilligung des Samenspenders für jegliche Befruchtung voraus. §4, Abs. 1 Nr. 3 ESchG stellt jede postmortale künstliche Befruchtung einer Eizelle, also auch die mittels Samenspende, unter Strafe. Nach 3.2.3 der berufsrechtlichen Musterrichtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer von 1998 darf für eine heterologe IVF-Behandlung grundsätzlich nur Samen des Ehemannes Verwendung finden, ansonsten bedarf es u.a. des zustimmenden Votums einer bei der jeweiligen Ärztekammer eingerichteten Kommission.

Vor der Entscheidung über eine gesetzliche Neuregelung in diesem Bereich einschließlich der Problematik der heterologen Insemination sollte nach Auffassung der Bundesregierung die Debatte im Bundestag intensiv geführt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, daß der Diskussionsprozeß interdisziplinär und fraktionsübergreifend erfolgt und angesichts der grundlegenden Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für verschiedene Grundrechtspositionen der Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, eine sorgfältige und eingehende Diskussion unter Einbeziehung der Enquete-Kommission ?Ethik und Recht der modernen Medizin? geboten ist. Die Bundesregierung will den Ergebnissen dieser Diskussion nicht vorgreifen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Hemmersbach
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Beitrag von rebella67 »

Habe auch schon wieder eine Reaktion darauf fast fertig. Schreibe ich dann demnächst. Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Hier nun also (wer was anders schreiben würde, kann sich noch in den nächsten tagen dazu äußern):

Sehr geehrte Frau oder geehrter Herr Hemmersbach,

Sie haben meine e-mail vom 20. November 2003 im Auftrag der Justizministerin am 8. Dezember 2003 beantwortet. Sie gehen darin davon aus, daß ich damit auf die Möglichkeiten der PID abziele, denn ich hatte geschrieben, daß durch eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes die Aussicht ungewollt kinderloser Paare, Eltern zu werden, verbessert werden könnte. Daß Frau Zypries sich gegen die Präimplationsdiagnostik ausgesprochen hatte, hatte ich bereits in ihrer Rede gelesen. Daher war die PID auch nicht der Hintergrund meines Schreibens. Ich habe mich wohl nicht verständlich genug ausgedrückt. Deshalb möchte ich das jetzt nachholen.

Wenn mit einer Änderung des Embryonenschutzgesetzes der Schutz der befruchteten und kernverschmolzenen Eizelle erst mit der Übertragung auf die Mutter beginnt, dann gäbe es auch ohne die PID die Möglichkeit, die Aussichten bei einer Invitro-Fertilisation zu verbessern. Bisher ist es nur erlaubt, maximal 3 befruchtete Eizellen kernverschmelzen zu lassen. Wenn mehr als 3 befruchtete Eizellen vorhanden sind, müssen die übrigen noch vor der Kernverschmelzung entweder vernichtet oder kyrokonserviert werden. In diesem Stadium kann man aber nur mit einer sehr geringen Trefferquote vorhersagen, welche der befruchteten Eizellen tatsächlich das Potential zu einem Menschen hat. Es ähnelt in dem Stadium fast einem Lotteriespiel, ob ein Haupttreffer mit dabei ist. Oft werden gerade die Vor-Embryonen vernichtet, die zu einem Menschen geworden wären, während die Embryonen ohne Erfolgschancen übertragen werden. In anderen Ländern werden alle befruchteten Eizellen Im Rennen gelassen. Am Tag 2 oder 3 nach der Befruchtung werden dann die Embryonen mit den besten Erfolgsaussichten zum Transfer ausgewählt. Diese Erfolgsaussichten werden nicht mittels PID deklariert, sondern man geht hier nach rein optisch erkennbaren Merkmalen vor, z.B., ob die Zellteilung gleichmäßig erfolgte. Ob eine bestimmt Erbkrankheit vorliegt, lässt sich optisch nicht erkennen. Die Anzahl der Eizellen/ Embryonen, die zur Auswahl zur Verfügung stehen, ist zu diesem Zeitpunkt meist geringer, weil sich bis dahin schon einige auf natürliche Weise ? analog wie auch bei einer natürlichen Befruchtung ? verabschiedet haben. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, daß dann nicht mehr maximal 3 Embryonen übertragen werden, sondern nur noch ein oder zwei. Die Schwangerschafts- und Geburtenrate ist trotzdem wesentlich höher als derzeit in Deutschland. Gleichzeitig rückt das Problem der Mehrlingsschwangerschaften in den Hintergrund. In Finnland soll man ausgerechnet haben, daß die gesparten Kosten durch weniger Mehrlingsschwangerschaften (lebenslange Folgeschäden bei einem größeren Teil der Kinder) höher sind als die Kosten für die IVF insgesamt. Die Schwangerschaftsrate bei IVF / ICSI derzeit in Deutschland liegt bei etwa 27%, die Geburtenrate bei 16%. In diesen beiden Studien können Sie sich über die Erfolgsaussichten bei dem oben beschriebenen Verfahren informieren: http://www.thieme.de/gebfra/04_03/fsn_03.html
http://humrep.oupjournals.org/cgi/conte ... /18/9/1858


Wir meinen, daß Frau Zypries Rede auch dieses Verfahren rechtfertigen müsste, wenn nicht allein wirtschaftliche Überlegungen im Bereich Forschung dahinter stehen und sie ehrlich mit ihrem Gewissen und mit ihrer Rechtsauffassung vertreten kann, daß ein Embryo, der sich außerhalb des Körpers befindet und damit nicht die notwendige Lebensgrundlage hat, noch kein Mensch ist und ihm deshalb nicht Menschenwürde zusteht. Wenn sie also dieser Auffassung ist, freuen wir uns, wenn sie nun den Handlungsbedarf erkennt und sich für eine schnellstmögliche Änderung auch im Sinne der Kinderwunschpaare einsetzt. Wie wir von Herrn Röspel gelesen haben, steht evt. noch in dieser Legislaturperiode ein Fortpflanzungsmedizingesetz auf dem Programm. Es wäre schön, wenn dies bald geschieht und diese Überlegungen dabei berücksichtigt werden. Die Betroffenen wollen möglichst bald von so einer Regelung profitieren.

Vielen Dank noch einmal für die Zusammenfassung der bisher vorhandenen lückenhaften Regelungen zum Thema Samenspende. Uns geht es insbesondere, genau wie es Frau Zypries in ihrer Rede ansprach, um das Recht für unsere Kinder, daß sie ? sofern sie es wünschen ? ab einem bestimmten Alter die Möglichkeit haben, Daten über ihren unbekannten genetischen Ursprung zu erhalten. Das ist bisher gar nicht geregelt und in der Praxis nicht in jedem Fall möglich und steht somit im Widerspruch zum Recht eines Menschen auf Kenntnis seiner Herkunft. Weiterhin geht es uns darum, daß die Erlaubnis der Samenspende im Gesetzeswerk besser zum Ausdruck auskommt. Bisher heißt es nur, es ist nicht verboten. Darin besteht unseres Erachtens ein Unterschied, der dazu beiträgt, die betroffenen Paare, die sich aufgrund fehlender Möglichkeiten, ein genetisch von beiden Elternteilen abstammendes Kind zu bekommen für diese Alternative der Familiengründung entschieden haben, als Kinderwunschpaare zweiter Klasse zu diskriminieren. Unter anderem widerspiegelt sich diese Diskriminierung in der Nicht-Kostenerstattung für solche Maßnahmen durch die Gesetzliche Krankenversicherung. Bei fehlenden finanziellen Möglichkeiten können diese Paare die Behandlungen nicht durchführen lassen und sind so bei Hilfeleistungen zur Erfüllung eines allgemein existentiellen Bedürfnisses gegenüber anderen Paaren benachteiligt.

Sofern Sie schreiben, die Bundesregierung will den Ergebnissen einer ausführlichen Diskussion zum Thema unter Einbeziehung der Enquete-Kommission ?Ethik und Recht der Modernen Medizin? nicht vorgreifen, möchte ich einfach darauf hinweisen, daß wir uns bereits an diese Kommission gewandt haben und von dort zur Antwort bekamen, das Thema käme erst wieder zur Sprache, wenn die Bundesregierung es auf die Tagesordnung setzt. Es wäre schade, wenn hier einer auf den anderen wartet und deshalb nichts passiert.

Mit freundlichen Grüßen
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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

Hallo Rebella,

Deinen Brief find ich gut!

Im letzten Spiegel war übrigens ein Kommentar von Bernhard Schlink zum Embryonenschutzgesetz. Ich muss zugeben, dass ich nicht alles verstanden habe. :oops:
Interessant fand ich, dass er auf die Diskussion, wann das Leben und somit die Menschenwürde anfängt, überhaupt nicht eingegangen ist. Das finde ich einen guten Ansatz, denn egal, was man persönlich darüber glaubt, ist es doch immer Spekulation. Er argumentierte so, dass man in manchen Situationen sozusagen Menschenwürde gegen Menschenwürde abwägen muss, beispielsweise, wenn ein jemand Leute unter Einsatz seines Lebens aus einer auch für ihn gefährlichen Situation rettet oder auch bei der Folterdebatte im letzten Jahr, wo man die Menschenwürde eines entführten Kindes gegen die Menschenwürde des potentiellen Entführers abwägen muss.
Allerdings habe ich weder verstanden, ob er nun für oder gegen die Folter als auch ob er für oder gegen die PID ist. :oops:

Hast Du das auch gelesen?
Für mich war das beste an dem Artikel, dass er sich nicht in die (ohnehin nicht klärbare) Frage nach dem Anfang des Lebens und der Menschenwürde verwickelt.

Liebe Grüße

Mondschaf
Mit zwei Jungs geboren 2004 und 2007

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ – J. W. von Goethe

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JBB
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Beitrag von JBB »

Solange es nicht strafbar ist, Babys ohne Indikation (zB medizinische) abtreiben zu dürfen, ist für mich persönlich die ganze Debatte um die Würde des Embryos nur BLABLA.
Liebe Grüße
Bea

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Beitrag von Mondschaf »

Hi Bea,

die inkonsequente Rechtssprechung hat der Schlink auch kritisiert.
Ich sehe es wie Du. Diese zusammengewürfelten Gesetze sind nur Kompromisse und wirken daher absolut nicht überzeugend und können von keinem ernst genommen werden, der sich wirklich für ethische Fragen interessiert. Von "Ethik" erwarte ich jedenfalls etwas konsistentes und durchgängiges und nicht den typischen deutschen Lobby-Gemischtwarenladen.
Wobei ich die existierende juristische Grauzone der Abtreibung nicht ändern wollte, da ich denke, dass es für Frauen in bestimmten Situationen gute Gründe gibt, sich dafür zu entscheiden - vor allem, weil es einem ja hier nicht gerade leicht gemacht wird mit den Kita-Gebühren, den für Berufstätige unmöglichen Öfgfnungszeiten usw.

Liebe Grüße

Mondschaf
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