Warnung gleich vorab - mega-langes Posting ... bitte Kaffee, Tee o.ä. bereit stellen

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Hallo zusammen,
nach langer Zeit mal ein Lebenszeichen von einer "Ehemaligen". Einige hier können sich vielleicht noch an mich erinnern. Für die, die mich nicht (mehr) kennen: ich war auch mal kurze Zeit hier im Immu-Ordner aktiv. Letztes Jahr wurde nach der 3. FG festgestellt, dass mir drei aktivierende KIR-Gene fehlen. In der nächsten SS hätte ich Granocyte nehmen sollen. Leider ist es dazu nicht mehr gekommen, weil sich mein Mann im Dezember kurz vor der geplanten Stimu von mir getrennt hat

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Somit musste ich mich also (zumindest bis auf Weiteres?) von meinem Kiwu verabschieden

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Ich lese aber trotzdem immer noch hin und wieder hier still mit. Zum einen, weil es mich interessiert, wie es euch so ergeht; zum anderen, weil ich neugierig bin, wie sich das mit der "KIR-Thematik" weiter entwickelt und ob Granocyte da wirklich das Mittel der Wahl ist. Ich konnte es ja nun nicht mehr ausprobieren, aber falls der Kiwu für mich vielleicht irgendwann mit einem neuen Partner doch noch mal akut werden sollte, möchte ich diese Option ja vielleicht doch noch mal für mich nutzen.
Ich wollte mich eigentlich schon länger mal wieder zu Wort melden, aber irgendwie hat es nie richtig gepasst. Aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Erstens habe ich heute auf den Tag genau vor einem Jahr positiv getestet. Leider musste ich die Zwillis ja dann in der 9./12. SSW gehen lassen. Und zweitens haben mich die Negativ-Welle und die vielen traurigen Postings der letzten Tage hier sehr berührt. Auch bei mir ist da einiges wieder hoch gekommen und ich habe so einige Tränen mit euch geweint

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Hier erst mal ein paar persönliche Worte an einige von euch:
@ Kiki, Mandy, Tina, Katharinchen und Froschprinzessin (ich hoffe, ich habe keine vergessen?): es tut mir leid, dass ihr alle wieder einen Rückschlag hinnehmen musstet

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@ Monni: wie grausam, nach dem Positiv so etwas durchmachen zu müssen. Ich hoffe, es ist wenigstens keine weitere ELS. Auch für dich einen dicken

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@ Itzchen: noch einen verspäteten Glückwunsch zu deinen beiden süßen Jungs. Es ist schön, hier auch mal etwas Positives zu lesen. Das mit der Mastitis klingt allerdings übel – gute Besserung!
@Clelia: Herzliches Beileid zum Tod deiner Großeltern

. Es tut mir sehr leid, dass sie ihren Urenkel nicht mehr kennen lernen konnten. Ich wünsche dir aber trotzdem noch eine schöne Rest-SS.
Und nun zu mir:
Mir geht es inzwischen wieder recht gut. Die ersten Wochen nach der Trennung waren hart, und ohne meinen Job zur Ablenkung wäre ich wahrscheinlich total untergegangen. Gleichzeitig vom Partner und vom Kiwu Abschied nehmen zu müssen, war dann doch etwas zu viel auf einmal. Manchmal wusste ich am Morgen nicht, woher ich die Kraft nehmen sollte, noch aufzustehen. Manchmal habe ich mir gewünscht, am Morgen einfach nicht mehr aufzuwachen

. Aber auch das schlimmste Tief geht vorbei. Auch der schlimmste Schmerz lässt nach. Klingt vielleicht abgedroschen, aber es ist so.
Sehr geholfen hat mir das Buch "Wenn der Partner geht" (
Falls ihr jemanden kennt, der eine Trennung bewältigen muss, kann ich das Buch nur wärmstens empfehlen. Vielleicht könnte es auch für die eine oder andere von euch von Interesse sein, weil es mir auch hinsichtlich des Abschieds vom Kiwu geholfen hat. Viele Strukturen sind ja bei jeder Art von Abschied (Tod, Trennung, Abschied von Lebensträumen …) ähnlich: das Nicht-Wahrhaben-Wollen, das Hadern mit dem Schicksal, Selbstmitleid, Hass, Wut, Schuldgefühle … Das Buch hat mir jedenfalls in beiderlei Hinsicht sehr geholfen.
Inzwischen bin ich wieder relativ stabil. Klar gibt es noch Rückschläge und Heultage, aber sie werden seltener. Mir geht es soweit sehr gut. Inzwischen kann ich mein neu gewonnenes Single-Leben sogar die meiste Zeit genießen. Ich muss jetzt plötzlich jedes Wochenende voraus planen, wenn ich nicht alleine zu Hause versauern will. Ich bin jetzt viel mehr unterwegs mit Freunden und Kollegen. Mit einem guten Freund treffe ich mich fast jedes Wochenende zu gemeinsamen Unternehmungen (Restaurantbesuche, Museen, Ausstellungen, spazieren gehen, etc.).
Der Abschied vom Kiwu hat auch etwas Befreiendes, auch wenn ihr euch das in eurer momentanen Situation sicher noch nicht vorstellen könnt oder wollt. Mir ging es vor einigen Monaten noch genauso. Wenn man dann mit der endgültigen Situation konfrontiert ist, sieht die Sache etwas anders aus. Ich merke jetzt erst, wie sehr der Kiwu mein ganzes Leben beherrscht hat. Ich genieße es, nicht mehr zu wissen, an welchem ZT ich mich befinde, nicht mehr in meinen Körper hinein zu horchen, nicht mehr zu hoffen und dann doch wieder enttäuscht zu werden.
Mein Job (Chefarztsekretärin) füllt mich jetzt noch mehr aus als früher. Gerade jetzt, wo sich die Sache mit dem Kiwu erledigt hat, bin ich so froh um diesen anspruchsvollen Job und sehe es noch mehr als zuvor als meine Aufgabe an, ein wichtiger und kompetenter Ansprechpartner für meine Patienten und Ärzte zu sein. Ich werde im Kollegenkreis sehr geschätzt und habe mir in den letzten Jahren viel aufgebaut.
In meinem Umfeld gab es kurz nach meiner Trennung noch zwei traurige Nachrichten. Eine Freundin, die nur durch ICSI schwanger werden kann, hat vor kurzem ihr zweites Kind bekommen. Sie war so glücklich, dass es noch mal geklappt hatte mit der ICSI, und nun wurde der Kleine mit dem Down-Syndrom geboren

. Und ein ehemaliger Kollege von mir hat erfahren, dass er Lungenkrebs hat, und leider sieht es nicht gut aus. Seine erste Ehe war kinderlos geblieben. Seine Frau hatte 4 FG. Mit seiner zweiten Frau war er dann recht spät doch noch Papa geworden. Die Kleine ist jetzt gerade 2 Jahre alt – und dann so eine Diagnose

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Diese zwei Ereignisse haben mir gezeigt, dass auch ein endlich und entgegen aller Widrigkeiten erfüllter Kiwu keine "Glücksgarantie" ist und haben mich einige Dinge in einem anderen Licht und aus einer anderen Perspektive sehen lassen.
Ich bin jeden Tag dankbar, dass ich gesund bin. Ich lebe viel intensiver als in den letzten Jahren und empfinde auch vieles viel intensiver - Schönes wie Trauriges. Ich ruhe viel mehr in mir selbst und rege mich viel weniger über Kleinigkeiten auf als früher. Ich bin selbstbewusster und mutiger geworden, weil ich weiß, dass ich nach den Erfahrungen der letzten Jahre alles überleben kann. Der Schmerz über den Abschied vom Kiwu wird sicher nie ganz vergehen und immer mal wieder aufbrechen, aber es gehört zum Leben nun mal leider auch dazu, Träume begraben zu müssen.
Ich bin in den letzten Wochen zu der Erkenntnis gelangt, dass alles schon irgendwie einen Sinn haben wird, auch wenn es für mich vielleicht momentan noch keinen vollständigen Sinn ergibt. Irgendwie wird sich alles fügen. Wer weiß, wozu es alles gut war. Wer weiß, was das Leben noch für mich bereit hält.
Ich wünsche jeder einzelnen von euch von ganzem Herzen, dass sich euer Wunsch nach einem Kind noch erfüllt, sei es durch die letzten Kryos, mit Hilfe von Immu, Granocyte, IVIGs oder mit EZS. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Es wird aber vielleicht auch einige geben, die sich doch letzten Endes vom Kiwu verabschieden müssen. Euch wünsche ich die Kraft, dieses Schicksal anzunehmen und trotzdem Erfüllung im Leben zu finden. Denn es gibt ein Leben nach dem Abschied vom Kiwu.
Sorry, dass es so lang geworden ist. Ich ziehe mich jetzt wieder in meinen "Still-Mitlese-Modus" zurück

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Alles Liebe und Gute für euch alle.