Ich kann heute nicht mehr alle Themen beackern, die im Laufe des Tages aufgeworfen wurden. Erstmal danke insbesondere an free. Du hast einiges schon gut erklärt.
Beginne ich mal mit dem Spenderkatalog. Ich empfinde es als unfair, ständig in diversen Medien vorgehalten zu bekommen, ich wollte doch meine Kinder nur aus einem Katalog auswählen. In dem hier betrachteten Buch kam das Katalogthema nur am Rande vor, aber es wurde auch hier wieder benutzt, um eben Stimmungsmache zu betreiben. Ich fand die Auseinandersetzuing mit dem Kathalogthema in der Dissertation von Tobias Fischer sehr hilfreich. Die Meisten hier werden das zwar nicht kennen, aber einige vom Spenderkinder-Verein gewiss. Da hatten wir zum Beispiel eine seriöse wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema.
Ich gebe aber gern auch meine persönliche Betrachtung noch dazu, denn dieser Begriff ist einfach ärgerlich. Wir haben uns nämlich nicht überlegt, unsere Kinder durch Samenspende zu bekommen, weil wir es so cool fanden, seine Gene aus einem Katalog auszuwählen. Unsere Entscheidung kam aus echter Sensucht nach einem Kind, das auf dem herkömmlichen Weg nicht für uns erreichbar war. Bevor wir zum Reproduktionsmediziner gegangen sind, haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir es am Besten erreichen werden, dass der Spender größtmögliche Ähnlichkeit mit meinem Mann hat. Das nicht deshalb, um die Herkunft zu vertuschen, sondern damit sich die Spende für uns am Besten anfühlt. Mein Mann sollte damit das Gefühl bekommen, obwohl er selbst seine Gene nicht weitergab, dass das Kind trotzdem etwas haben würde, das ähnlich ist wie bei ihm. Es sollte zu seiner Identifizierung mit dem Kind beitragen. Gleichzeitig wollten wir, dass unser Kind sich durch eine Ähnlichkeit mit uns als Eltern bestmöglich identifizieren kann. Es sollte sich bei uns wohlfühlen. - Uns waren äußere Merkmale nicht ganz so wichtig. Wir wünschten uns eher Übereinstimmungen bei inneren Merkmalen. Deshalb kamen wir zum Erstgespräch vorbereitet mit zwei Listen, in denen wir unsere Interessen, Hobbys und Charakterzüge schilderten. Wir hofften, dass so ein passender Spender für uns gefunden werden würde.
Allerdings wählte die Samenbank damals nicht nach inneren Merkmalen. Es ging zu der Zeit (1997/98) nur um Äußerlichkeiten und um die Blutgruppe. Warum die Blutgruppe, das konnten wir nicht verstehen. Die war uns am egalsten. Der Spender wurde dann vom Arzt ausgewählt. Wir waren etwas enttäuscht, dass es nicht nach inneren Merkmalen ging, aber wir waren damals froh, überhaupt Hilfe erhalten zu haben. So sollte es eben so sein. - Für uns hat also keine Auswahl aus einem Katalog stattgefunden. Wir haben genommen, was wir erhalten haben. - In unserem Fall war das trotzdem o.k. Unsere Kinder passen zu uns. Und trotzdem entsprechen sie keinen "Erwartungen", die man an ein Kind vorher gehabt haben könnte. Ich kann mich auch nicht an wirkliche Erwartungen erinnern. Man versucht, sich sein zukünftiges Kind vorzustellen, hat aber kein wirkliches Bild von ihm. Man phantasiert vielleicht, wie man mit ihm zusammen ein Bild malt. Unter Umständen mag das Kind später nicht gern malen. Dann ist es doch auch o.k. - Ich wollte nie einen Mann heiraten, der Fußballfan ist. Erhalten habe ich jetzt z.B. in einem meiner Söhne einen absoluten Fußballfan. Trotzdem ist das meiner Liebe zu meinem Kind nicht abträglich. Er wird nun gelegentlich liebevoll "mein kleiner Fußballfan" von mir genannt. - Und iwir würden ihn gegen kein anderes Kind dieser Welt mehr tauschen wollen. Auch nicht gegen ein Kind, das genetisch mit meinem Mann verbunden wäre.
Also in unserem Fall keine wirkliche Katalogauswahl. - Heute können die Eltern bei deutschen Samenbanken aus relativ kurzen nach dem äußeren Erscheinungsbild vorausgewählten Listen einen Spender auswählen. Sie wissen dann auch etwas über dessen Beruf und dessen Hobbys. - Ist das wirklich verwerflich? Wenn sich eine Musikerfamilie einen musikalischen Spender auswählt und eine Ärztefamilie einen mit ebenfalls medizinischem Hintergrund? Dann ist die Chance erhöht, dass vielleicht auch das passt. Eine Garantie gibt es eh nicht. Auch mithilfe des musikalischen Spenders kann nämlich ein ganz unmusikalisches Kind gezeugt werden. Und ich wette, bei 99% aller Eltern ist das dann letztlich auch egal. Bis man das feststellt, liebt man sein Kind schon iel zu lange.
Was wohl am ehesten schief gehen kann, ist sehr unterschiedliches Temperament. So, wie auch in dem einen Fall in besagtem Buch beschrieben. Ein Kind mit südamerikanischem Temperament bei eher gemächlichen Eltern. Das wird gewiss für beide Seiten schwierig. Und warum sollte man das provozieren?
Ich lese heute öfter von Paaren, die nach sehr eingeschränkten Merkmalen den Spender auswählen können und ich kann daran nichts Schlimmes finden. Ich lese zwischen den Zeilen der Betreffenden auch nicht, dass sie ausgefallene Wünsche/ Erwartungen an das Kind haben. Sie versuchen einfach mal ihr Glück mit einem ihrer Meinung zu ihnen passenden Spender. Was man ja wirklich anhand von 5 Merkmalen nicht wissen kann. Vielleicht hätte man sich mit dem schwarzhaarigen blauäugigen Künstler besser verstanden als mit dem Ehemann ähnlichen blonden Computertechniker? Das weiß man doch eh nicht.
Die zukünftigen Eltern müssen eh das hinnehmen, wie sie es angeboten bekommen. Ich habe noch bon keiner Samenbank gehört, die die Eltern die Auswahloptionen wählen lässt. So gibt es die passende Blutgruppe standardmäßig. Ohne dass wir zuvor danach gefragt wurden. Wir Eltern und Paare, die noch Eltern werden möchten, wünschen uns manchmal andere Modalitäten. Und doch müssen wir es so hinnehmen wie es ist. Warum aber soll ich mir den Schuh anziehen, wenn da einer herkommt und sagt, he, dein Kind hat eine passende Blutgruppe. Es sollte wohl nichts davon erfahren. Was für schlechte Eltern ihr doch seid! Da muss ich dann sagen, die passende Blutgruppe hatte ich gar nicht bestellt.
Worüber man also sachlich diskutieren könnte, wäre, was sollte sich an den Auswahlmodalitäten ändern? Sollten Eltern mehr Mitspracherecht bekommen? Ist die Auswahl durch den Arzt nicht paternalistisch? - Das wäre konstruktiv. Aber diese Methapher "Baby aus dem Katalog" ist etwas, was seit eh und je eine abwertende Methapher ist. Sie nervt. Wir wissen aus Erfahrung, dass es so nicht ist. - Also ist es nicht konstruktiv, damit umherzuwerfen. - Ein Katalog ist etwas, in dem man Waren aussucht. Babys sind aber keine Waren. Babys sind Menschen. Genau deshalb wählen wir eben auch nicht aus dem Katalog. Jedenfalls nicht in Deutschland.
Einige deutsche Paare gehen zu amerikanischen Samenbanken. Da z.B. kann man deutlich mehr Merkmale des Spenders aussuchen. Die Paare, die das tun, sind allerdings weniger darauf fixiert, sich ein Baby nach Maß zu stricken als darauf, dass sie mehr über den Spender wissen wollen. Auch für das Kind. Das sollte doch auf der Seite älterer Spenderkinder eher als ehrenhaft betrachtet werden. Über amerikanische Samenbanken findet man auch deutlich häufiger Halbgeschwister.
Kann ja sein, dass ein Prozent oder ein Promille der DI-Eltern fragliche Motivationen zur "Katalog"-Auswahl haben. Das sind dann aber Extrembeispiele und die müssen als solche gekennzeichnet werden. Extrembeispiele dürfen nicht als Exemplar für die ganze Gruppe hingestellt werden.
So, nun kreiselt es mir im Kopf. Morgen mehr.