Artikel aus "Die Welt" vom 01.07.2004
Verfasst: 20 Dez 2004 15:37
Ein Embryo ist genug bei einer künstlichen Befruchtung
Mehrlingsschwangerschaften sind vermeidbar
Berlin - Kinderlose Paare versuchen oft jahrelang und vergeblich, Nachwuchs zu zeugen. Die künstliche Befruchtung ist dann der letzte Ausweg, den in Deutschland heute rund 60 000 Menschen jährlich wählen. Doch das Bangen fängt dann erst richtig an: Nisten sich die eingepflanzten Embryonen tatsächlich ein, sind sie gesund und - wie viele Kinder wachsen heran? Bislang pflanzen Ärzte den Betroffenen häufig mehrere Embryonen ein, um die Chancen einer Schwangerschaft zu erhöhen. In mehr als jedem dritten Fall kommt es anschließend in Deutschland zu Mehrlingsgeburten; die Risiken für Mutter und Kinder und auch die psychische Belastung sind dadurch weitaus höher. Verpflanzen Mediziner aber nur einen Embryo in den Mutterleib, so entsteht fast genauso häufig eine intakte Schwangerschaft. Das hat eine skandinavische Forschergruppe um die Schwedin Ann Thurin von der Universität Göteborg jetzt herausgefunden - ihre Ergebnisse stellten die Wissenschaftler jetzt auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Reproduktion und Embryologie in Berlin vor.
661 Frauen aus Norwegen, Dänemark und Schweden nahmen an der Studie teil; einer Hälfte von ihnen wurden zwei, der anderen nur ein Embryo implantiert. Die Raten der Schwangerschaften lagen in der ersten Gruppe bei 43,5 Prozent, in der zweiten bei 39,7 Prozent, aber in dieser Gruppe konnte das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften deutlich gesenkt werden. In Schweden ist es seit 2003 nur noch erlaubt, einen Embryo zu verpflanzen - seltene Ausnahmen werden gemacht, wenn die Frauen älter als 39 Jahre sind oder schon mehrere fehlgeschlagene Befruchtungsversuche hinter sich haben.
Ein solcher "Single-Embryo-Transfer" ist in Deutschland nicht vorgeschrieben: "Hier zu Lande werden bis zu drei Embryonen verpflanzt, die Anzahl ist abhängig vom Alter der Patientin und ihren Wünschen", sagt Michael Zitzmann vom Institut für Reproduktionsmedizin in Münster. Werden dann Zwillinge oder Drillinge geboren, so kommen diese im Durchschnitt fünf oder neun Wochen zu früh auf die Welt. "Die intensivmedizinische Versorgung einer Frühgeburt kostet bis zu 80 000 Euro", rechnet Klaus Diedrich, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) vor. "Die jährlichen Gesamtkosten für Frühgeburten übersteigen deutlich die Kosten für künstliche Befruchtungen, die bei etwa 500 Millionen im Jahr liegen." Seit Januar 2004 muss ein deutsches Paar die Hälfte der Kosten einer künstlichen Befruchtung selbst tragen. Zu Schweden bestehen noch weitere rechtliche Unterschiede: "Die Auswahl des richtigen Embryos ist für den Erfolg wichtig", erklärt Ann Thurin. Damit setzt sie eine Präimplantationsdiagnostik voraus. Embryonen aber zu kultivieren, ihre Zellen zu begutachten und dann den auszuwählen, der die größten Chancen zur Einnistung hat, ist in Deutschland nicht erlaubt.
Eine Arbeitsgruppe der DGGG feilt bereits an einer eigenen Initiative: Die Wissenschaftler wollen das überholungsbedürftige, 13 Jahre alte Embryonenschutzgesetz dem Fortschritt anpassen. "Wir möchten alles tun, um Mehrlingsschwangerschaften durch die In-vitro-Fertilisation zu verhindern", so Klaus Diedrich. "Das schaffen wir nur, wenn wir die Embryonen auswählen dürfen, die wir in die Gebärmutter einpflanzen."
Zu klären bliebe dann die umstrittene Frage, was mit den überzähligen Embryonen geschehen soll. "Die befruchtete Eizelle gehört den Eltern. Sie sollen entscheiden, ob ein tiefgefrorener Embryo verworfen wird, wenn sie keine weiteren Kinder wollen", meint Diedrich. Für Forschungszwecke dürfen diese Zellen in Deutschland nicht verwendet werden.
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Quelle: Die Welt - 01.07.2004 - von Heike Jänz
zitiert von www.adoption.de
Mehrlingsschwangerschaften sind vermeidbar
Berlin - Kinderlose Paare versuchen oft jahrelang und vergeblich, Nachwuchs zu zeugen. Die künstliche Befruchtung ist dann der letzte Ausweg, den in Deutschland heute rund 60 000 Menschen jährlich wählen. Doch das Bangen fängt dann erst richtig an: Nisten sich die eingepflanzten Embryonen tatsächlich ein, sind sie gesund und - wie viele Kinder wachsen heran? Bislang pflanzen Ärzte den Betroffenen häufig mehrere Embryonen ein, um die Chancen einer Schwangerschaft zu erhöhen. In mehr als jedem dritten Fall kommt es anschließend in Deutschland zu Mehrlingsgeburten; die Risiken für Mutter und Kinder und auch die psychische Belastung sind dadurch weitaus höher. Verpflanzen Mediziner aber nur einen Embryo in den Mutterleib, so entsteht fast genauso häufig eine intakte Schwangerschaft. Das hat eine skandinavische Forschergruppe um die Schwedin Ann Thurin von der Universität Göteborg jetzt herausgefunden - ihre Ergebnisse stellten die Wissenschaftler jetzt auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Reproduktion und Embryologie in Berlin vor.
661 Frauen aus Norwegen, Dänemark und Schweden nahmen an der Studie teil; einer Hälfte von ihnen wurden zwei, der anderen nur ein Embryo implantiert. Die Raten der Schwangerschaften lagen in der ersten Gruppe bei 43,5 Prozent, in der zweiten bei 39,7 Prozent, aber in dieser Gruppe konnte das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften deutlich gesenkt werden. In Schweden ist es seit 2003 nur noch erlaubt, einen Embryo zu verpflanzen - seltene Ausnahmen werden gemacht, wenn die Frauen älter als 39 Jahre sind oder schon mehrere fehlgeschlagene Befruchtungsversuche hinter sich haben.
Ein solcher "Single-Embryo-Transfer" ist in Deutschland nicht vorgeschrieben: "Hier zu Lande werden bis zu drei Embryonen verpflanzt, die Anzahl ist abhängig vom Alter der Patientin und ihren Wünschen", sagt Michael Zitzmann vom Institut für Reproduktionsmedizin in Münster. Werden dann Zwillinge oder Drillinge geboren, so kommen diese im Durchschnitt fünf oder neun Wochen zu früh auf die Welt. "Die intensivmedizinische Versorgung einer Frühgeburt kostet bis zu 80 000 Euro", rechnet Klaus Diedrich, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) vor. "Die jährlichen Gesamtkosten für Frühgeburten übersteigen deutlich die Kosten für künstliche Befruchtungen, die bei etwa 500 Millionen im Jahr liegen." Seit Januar 2004 muss ein deutsches Paar die Hälfte der Kosten einer künstlichen Befruchtung selbst tragen. Zu Schweden bestehen noch weitere rechtliche Unterschiede: "Die Auswahl des richtigen Embryos ist für den Erfolg wichtig", erklärt Ann Thurin. Damit setzt sie eine Präimplantationsdiagnostik voraus. Embryonen aber zu kultivieren, ihre Zellen zu begutachten und dann den auszuwählen, der die größten Chancen zur Einnistung hat, ist in Deutschland nicht erlaubt.
Eine Arbeitsgruppe der DGGG feilt bereits an einer eigenen Initiative: Die Wissenschaftler wollen das überholungsbedürftige, 13 Jahre alte Embryonenschutzgesetz dem Fortschritt anpassen. "Wir möchten alles tun, um Mehrlingsschwangerschaften durch die In-vitro-Fertilisation zu verhindern", so Klaus Diedrich. "Das schaffen wir nur, wenn wir die Embryonen auswählen dürfen, die wir in die Gebärmutter einpflanzen."
Zu klären bliebe dann die umstrittene Frage, was mit den überzähligen Embryonen geschehen soll. "Die befruchtete Eizelle gehört den Eltern. Sie sollen entscheiden, ob ein tiefgefrorener Embryo verworfen wird, wenn sie keine weiteren Kinder wollen", meint Diedrich. Für Forschungszwecke dürfen diese Zellen in Deutschland nicht verwendet werden.
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Quelle: Die Welt - 01.07.2004 - von Heike Jänz
zitiert von www.adoption.de