Blastozysten(-transfer) -allgem. Informationssammlung-

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Chrischn
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Blastozysten(-transfer) -allgem. Informationssammlung-

Beitrag von Chrischn »

Es werden so häufig Fragen zum Blastozystentransfer gestellt, daß ich mich entschlossen habe, die Informationen, die ich
so für mich gesammelt habe, allen Interessierten
zur Verfügung zu stellen.

Doch vorab noch einige Punkte.
Ich habe den Artikel unter Embryonenschutzgesetz
geschrieben, weil ich einfach hoffe, daß die selektive Auswahl von Blastozysten irgendwann auch mal in Deutschland möglich sein wird und
die Frauen, die schon genug Streß mit der Kinderwunschbehandlung haben, deshalb nicht mehr ins
Ausland reisen müssen.
Notfalls werde ich mich selber dafür einsetzen, denn
wir werden bald in Berlin wohnen und dann werde ich solange im Kanzleramt oder sonstwo anklopfen,
bis sich jemand um unsere Bedürfnisse kümmert.

Und noch eines, meine Informationen über Blastozysten stellen nur ein einfache, von mir
unbewertete Informationssammlung dar.
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Blastozysten-Transfer

I. Allgemeines

Wie auf allen Gebieten der Medizin, so ist auch oberstes Prinzip der Reproduktionsmedizin:
"Primum non nocere"!

Eine der Hauptgefahren bei der In vitro Fertilisierung und auch nach Follikelstimulation mit
Insemination besteht in der Mehrlingsschwangerschaft. Durch die im Vergleich zum Aufwand
(Medikamenteneinnahme, psychische und physische Belastung der Patienten, finanzielle
Belastung) zwischen 20 % und 40 % (je nach Zentrum) berichteten Erfolgsraten führten in der
Vergangenheit häufig dazu, daß mitunter das Risiko einer Drillingsschwangerschaft nach Transfer von drei Embryonen riskiert wurde (dies in vollem Einverständnis, bzw. meistens auf Wunsch der Patienten!).

Durch die neue Entwicklungen in der

1. Kultur und
2. Handhabung der Embryonen ist die Reproduktionsmedizin in der letzten Zeit so
erfolgreich geworden, daß in vielen Fällen der Transfer von einem bis zwei Embryonen
ausreicht, um eine Schwangerschaft zu erzielen.

Im folgenden wird dargelegt, wann diese Methoden eingesetzt werden können, bzw. sollen und unter welchen Bedingungen auch damit nicht Erfolg beschert ist, bzw. wann und bei welchen Patienten diese Methoden an ihre Grenzen stoßen.



II. Kultivierung von Embryonen bis zum Blastozysten - Stadium

Verfahren:

Durch neue Erkenntnisse über die Physiologie der Embryonen sind verbesserte Kulturmedien entwickelt worden, die eine in vitro Kultivierung bis zum Blastozystenstadium erlauben. Diese neuen Medien minimieren das Risiko des Verlustes der Lebensfähigkeit der Embryonen, wie dies früher oft bei verlängerter In vitro Kultur beobachtet wurde.

Diese sequentiellen Medien bestehen aus folgenden Komponenten:

1. Medium: zur Kultivierung bis zum Tag 3 (8-Zell-Stadium): jede Blastomere existiert
wie ein einzelliger Organismus,
2. Medium: für die Embryonen-Kultivierung nach der Kompaktierung:
die ersten Zell-Verbände entstehen im Embryo, eine Kommunikation innerhalb der
Blastomeren baut sich auf.

Der völlig unterschiedliche Stoffwechsel der Embryonen vor und nach dieser Kompaktierung wird durch diese Medien berücksichtigt.

Wünschenswert wäre es, die Embryonen bis zum Tag 5 (Blastozystenstadium) in Kultur zu halten. Damit wären folgende Vorteile verbunden:

1. Bessere Synchronisierung zwischen Uterus und Embryonalentwicklung. Beim Transfer
von Embryonen am Tag 2, bzw. Tag 3 nach der Follikelpunktion ist dies mindestens 2
Tage zu früh im Vergleich zur in vivo Situation.

2. Auswahl der besten Embryonen: mit dieser Kulturtechnik können jene Embryonen zum
Transfer verwendet werden, welche ein optimales Entwicklungspotential zeigen.

In vielen Embryonen wird das embryonale Genom nicht aktiviert, diese bleiben auf dem Stadium des 4-8 Zellers stehen und konnten bisher mit den herkömmlichen Kulturmedien deshalb nicht als pathologisch identifiziert werden.

Ein Stop der Entwicklung auf diesem Stadium kann genetisch bedingt, durch Apoptosis oder durch das mütterliche Alter und die väterlichen Einflüsse verursacht sein.

Patienten mit gewissen chromosomalen Translokationen können ebenfalls von der Technik des Blastozystentransfers profitieren: da Embryonen, die mit einer speziellen Translokation befallen sind, in den ersten Entwicklungsstufen bei verlängerter Kultur sich nicht weiterzuentwickeln (Entwicklungs-Arrest) besteht mit der Kultur zur Blastozyste die Möglichkeit, einen aktiven Embryo auszuwählen und damit die Chance für die Geburt eines gesunden Kindes zu erhöhen.

Unter diesem Aspekt ist auch eine Blastozystenkultur bei Frauen über dem 38. Lebensjahr sinnvoll. Das Risiko einer Aneuplodie (unterschiedliche Chromosomenzahl) nimmt mit dem Alter der Frau zu und Embryonen mit Aneuplodien neigen dazu, in den ersten Tagen sind
nicht weiterzuentwickeln.

Durch den Transfer von einem bis zwei Embryonen im Blastozystenstadium erreicht man eine höhere Implantationsrate.

Dadurch kann eine Mehrlingsschwangerschaft (> 2) vermieden werden, auch die Rate an Eileiterschwangerschaften wird reduziert, da der uteru-tubare Übergang am Tag 5 nach der Follikelpunktion physiologischerweise bereits ein Zurückrutschen in den Eileiter häufiger verhindert.

Nachteil:

Da nur circa 40 % aller Embryonen sich bis zur Blastozyste entwickeln (dies ist abhängig von unterschiedlichsten, häufig noch nicht bekannten Faktoren) und die Entwicklungspotenz zur Blastozyste nicht vorausgesehen werden kann, besteht bei mit weniger als 5 Eizellen
häufig das Risiko, daß trotz einer Befruchtung In vitro kein Transfer erfolgen kann, da sich keine Embryonen bis zum Blastozystenstadium entwickelten.

Je weniger Eizellen bei der Follikenpunktion vorhanden sind, desto geringer ist also die Chance, daß sich zumindest einer oder zwei Embryonen bis zur Blastozyste entwickeln.

Auch ist zu beachten, daß die Entwicklungsgeschwindigkeit der Embryonen innerhalb einer bestimmten Zeit bis zum Blastozystenstadium erfolgen muß (am Tag 5 sollte mindestens eine frühe Blastozyste vorliegen).

– – >
Die bedeutet: diese Technik kommt vorerst vor allem bei Patienten mit mehr als 5 Eizellen in Frage und vor allem bei Patienten mit bisher wiederholt negativen In vitro Fertilisierungs-Versuchen.


Nach Analyse bisheriger Erfahrungen erreicht man bei einem Transfer von im Durchschnitt 1.7 Embryonen im Blastozystenstadium Schwangerschaftsraten von 52.6 % (positiver Schwangerschaftstest), eine weitergehende Schwangerschaftsrate (positive Herzaktion) von 47.4 %. Bezogen auf einen Embryo im Blastozystenstadium könnte damit eine Implantationsrate von 27.4 % pro Embryo erzielt werden!


Literaturhinweis
"Der Blastozystentransfer im Vergleich zum klassischen Embryo-Transfer": H. Zech, N. Zech, P. Vanderzwalmen. In: Fischl: Kinderwunsch: Möglichkeiten, Erfüllbarkeit und Machbarkeit in neuen Jahrtausend. Krause und Pachernegg – Verlag für Medizin 2000.

PS: Durch gesetzliche Vorgaben ist diese Blastozysten-Kultur-Technik in Deutschland und in der Schweiz leider nicht möglich.
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http://wwwferticonsult.de/

Bei Transfer von Embryonen im Blastozystenstadium (nach ca. 5 Tagen) mit hervorragender Qualität resultierte bei Transfer von zwei solcher Embryonen eine
Schwangerschaftsrate von 87% mit einer Zwillingsrate von 61%. Wenn unter den zwei transferierten Embryonen nur ein Embryo mit hervorragender Qualität war, resultierte eine
Schwangerschaftsrate von 70% und eine Zwillingsrate von 50%. Wurden zwei Embryonen im Blastzystenstadium mit minderer Qualität transferiert, so resultierte eine
Schwangerschaftsrate von 44% und eine Zwillingsrate von 28%. Bei 85% aller Patientinnen konnte mindestens ein Blastozystenembryo mit hervorragender Qualität transferiert
werden. Diese Ergebnisse weisen den Weg zum Transfer von nur einem Embryo im Blastozystenstadium mit hervorragender Qualität. Dies sichert zweierlei: eine hohe
Schwangerschaftsrate und eine Einlingsschwangerschaft.

Leider ist es in Deutschland nicht möglich, die Embryonenauswahl so spät durchzuführen, dazu müsste das Embryonenschutzgesetzt müßte geändert werden.

Fertil. Steril. 73: 1155-1158
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http://www.ajog.edu


Blastozystentransfer: Zu gute Erfolge?

Multiple gestations in assisted reproductive technology: Can they be avoided with blastocyst transfers?


Gorrill MJ, Sadler-Fredd K, Patton PE, Burry KA. Division of Reproductive Endocrinology and Infertility, Department of Obstetrics and Gynecology, Oregon Health Sciences
University.

Blastozysten sind Embryonen, welche älter als 3-4 Tage alt sind und besitzen ein hohes Einnistungspotential. Im Ausland (in dieser Studie in den USA) ist die Selektion der
Blastozysten bis zum Transfer erlaubt, eine Möglichkeit, die gesetzlich bedingt, in Deutschland nicht besteht. In der Studie wurden 553 Blastozystentransfers untersucht
insbesondere im Hinblick auf die entstehenden Mehrlinge.

2,2 Blastozysten wurden im Schnitt transferiert, die Schwangerschaftsrate betrug 45,1%. Es traten dabei in 40, 9% der Fälle Mehrlingsschwangerschaften auf, 36,5% Zwillinge
und 4,3% Drillinge.


Mehrlingsschwangerschaften traten signifikant häufiger auf, wenn der Transfer erst am 5. Tag erfolgte, wenn mehr als eine Blastozyste transferiert wurde oder das Alter der
Patientin < 34 Jahre betrug.


Die Gefahr von Mehrlingsschwangerschaften ist bei einem Transfer von slektionierten Blastozysten sehr hoch, im Umkehrschluß heißt das aber auch, daß man bei einem
Transfer in diesem Stadium nur einen Embryo benötigt, um eine gute Schwangerschaftsrate zu erreichen. Dies führt zu der Überlegung, daß, entsprechende
Gesetzesänderungen in Deutschland vorausgesetzt, in Zukunft nur wenige gute Eizellen und Embryonen vonnöten sind, um ein Paar erfolgreich therapieren zu können und die
Stimulation entsprechend niedrig dosiert werden könnte. Damit würden geringere stimulationsbedingte Risiken einhergehen und letztlich auch eine geringere Mehrlingsrate,
wenn man sich in günstigen Fällen (Alter der Frau <34) auf den Transfer von einem Embryo beschränken kann.


Am J Obstet Gynecol 2001 Jun;184(7):1471-7
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http://www.ncbi.nlm.nih.gov

Blastozysten: Alternative zur PID?
In vitro fertilization and blastocyst transfer for carriers of chromosomal translocation
Menezo Y, Chouteau J, Veiga A.

Übersetzung:

Paare, deren Kinderlosigkeit bedingt ist durch wiederholte Fehlgeburten aufgrund
genetischer Veränderungen im Sinne einer sogenannten Translokation könnten neben
einer Präimplantationsdiagnostik (PID), bei der die Gene eines Embryos vor der Rückgabe in die Gebärmutter untersucht werden (in Deutschland verboten) auch von
einem Transfer im Blastozystenstadium profitieren.
Neben gehäuften Fehlgeburten kommt es bei diesen Paaren durch genetisch veränderte Embryonen auch zu einer erschwerten Einnistung. Allerdings besteht bei solchen
Konstellationen die Chance (rechnerisch 25%), daß sich beim Austausch der männlichen und weiblichen Chromosomen auch genetisch normale Embryonen oder solche mit
einer balancierten
Translokation (=überlebensfähig) entwickeln. Diese herauszufinden wäre eine klassische Indikation für die PID, welche aber technisch schwierig ist und auch von den Paaren
nicht immer gewünscht, mal abgesehen von der Tatsache, daß sie in einigen Ländern, wie auch Deutschland, verboten ist. Eine alternative Methode wurde von einer
französischen Arbeitsgruppe untersucht. Hier wurde bei einer solchen genetischen Diagnose ein Transfer erst im Blastozystenstadium durchgeführt. Durch die im Vergleich zur
Situation im Körper der Frau eher ungünstigen äußeren Bedingungen für die Embryonen im Reagenzglas, kommt es zu einem zusätzlichen Selektionsdruck. Man geht davon
aus, daß genetisch gesunde Embryonen diesem Druck eher gewachsen sind und daher also die Wahrscheinlichkeit, bei einem Blastozystentransfer gesunde Embryonen
zurückzugeben, größer ist.
In der vorliegenden Studie wurden bei 11 Paaren 16 Behandlungszyklen durchgeführt. Wenn Embryonen das Blastozystenstadium erreichten (11 der 16 Zyklen), dann war die
Schwangerschaftsrate sehr hoch (7/11Transfers endeten in einer Schwangerschaft, 8 gesunde Kinder wurden geboren).
Allerdings ist die Zahl der Embryonen, die unter diesen Voraussetzungen das Blastozystenstadium erreichen, sehr gering (= 20%) und daher endeten 5 Zyklen ohne einen
Transfer.
Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2001 Jun;96(2):193-5
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Alles Gute , Chris
Viele Grüße
Bild
** 11.07.2021 - klein-putz ist schon 20 Jahre alt! **
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