Embryonenschutzgesetz - aktuelle Diskussion

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Chrischn
Gründer von klein-putz
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Embryonenschutzgesetz - aktuelle Diskussion

Beitrag von Chrischn »

Die IvF hat nicht nur eine erfolgreiche Seite. Experten verweisen auf Mehrlingsgeburten, häufigere Hirnschäden und ethische Probleme der Reproduktionsmedizin.

Der Wunsch nach einem Kind wird in Deutschland zunehmend häufig mit Hilfe reproduktionsmedizinischer Verfahren erfüllt. Diese gehen mit einer ganzen Reihe ethischer Fragen einher, über die zur Zeit kein Konsens in der Gesellschaft herrscht. Schätzungsweise zwei Prozent der Neugeborenen kommen inzwischen in Deutschland durch künstliche Befruchtung zur Welt. Im vergangenen Vierteljahrhundert sind weltweit bereits mehr als eine Million Kinder durch In-vitro-Fertilisation (IvF) gezeugt worden. Verdrängt werde bei dieser Erfolgsbilanz jedoch die "schreckliche Seite der IvF", sagte der Nürnberger Kinderarzt Professor Helfried Gröbe bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing zu Fragen der Reproduktionsmedizin.

Mehrlingsgeburten bergen ein erhöhtes Risiko. Dazu gehören nach Gröbes Ansicht die Mehrlingsgeburten, die mit einer erhöhten Sterblichkeit der Kinder und mit einem erhöhten Risiko für Hirnschäden verbunden sind, und die bei der In-vitro-Fertilisation überdurchschnittlich häufig sind. Unter den 1998 in Deutschland registrierten IvF-Kindern gab es außer den rund 4600 Einzelkindern auch mehr als 2300 Zwillinge und 589 Drillinge, berichtete Gröbe. "Warum werden von den Reproduktionsmedizinern noch immer so viele Mehrlings-Schwangerschaften akzeptiert", fragte der Kinderarzt.

Der Kinderwunsch ist nur ein Aspekt der IvF. Das sei aber nur ein Aspekt. Tatsächlich sei die In-vitro Fertilisation nicht nur eine Methode zur Erfüllung des unerfüllten Kinderwunsches, sondern auch eine "Einstiegstechnik" für eine ganze Reihe weiterer Entwicklungen in der Medizin gewesen, erinnerte der Münchner Gynäkologe Professor Hermann Hepp. Die Verfeinerung der vorgeburtlichen Diagnostik, die Forschung an embryonalen Stammzellen und in jüngster Zeit die Präimplantationsdiagnostik (PID) aber auch Themen wie "Schwangerschaft auf Probe" seien eng mit der In-vitro-Fertilisation verknüpft.

Mit der aktuellen Diskussion um die Zulässigkeit der PID würden deshalb auch keine grundsätzlich neuen Probleme aufgeworfen, meinte Hepp. Die Warnung vor einem "Dammbruch", wenn die PID in Deutschland zugelassen würde, komme daher zu spät. Die Weichen seien schon früher gestellt
worden. "Tatsächlich kommen jetzt die ganzen ungelösten Probleme mit dem Ebryonenschutzgesetz auf den Tisch", ergänzte die Tübinger Medizinethikerin Dr. Hille Haker.

Bei den meisten ethischen Problemen der Reproduktionsmedizin gebe es keinen gesellschaftlichen Konsens, erklärte denn auch Hepp. Schon die Frage, ob ungewollte Kinderlosigkeit eine Krankheit ist, sei umstritten. Viele seien bereit, dies unter der Überschrift "Luxusmedizin" einzuordnen.
Auf der anderen Seite würden Themen wie der unselektierte Foetizid bei Mehrlings-Schwangerschaften un der öffentlichen Wahrnehmung ausgeblendet. Auch zur Frage, wann Leben beginnt oder welchen Status embryonales Leben habe, gebe es keinen Konsens, "weder bei uns noch anderswo", sagte Hepp.

Dem hielt allerdings die Kieler Juristin Professor Monika Frommel entgegen, viele Fragen aus dem Bereich der Reproduktionsmedizin seien durch die gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch und andere Bestimmungen längst entschieden.

Zudem bestehe Einigkeit, daß verbrauchende Embryonenforschung oder eine positive Eugenik verboten sein soll, sagte Frommel. Im übrigen habe heute das Entscheidungsrecht der Frau im Sinne eines "bioethischen Selbstbestimmungsrechts" in den meisten Fragen der Reproduktionsmedizin den Vorrang, betonte die Kieler Juristin.

Dem Berliner Gynäkologen und früheren Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Professor Heribert Kentenich, ist das noch nicht genug. Er sprach sich für eine weitere Stärkung der Patientenautonomie sowie für die Zulassung der heterologen Insemination aus. Gerade in der Reproduktionsmedizin gehe es darum, den Patientenauftrag ernst zu nehmen. Das beinhalte aber auch eine umfassende Information und Beratung der betroffenen Paare.

Um die Rate der Mehrlings-Schwangerschaften zu senken, sprach sich Kentenich zugleich für ein "abgestuftes Konzept des Lebensschutzes" aus. Wie in den skandinavischen Ländern sollte es auch bei uns möglich sein, bis zu sechs Eizellen zu befruchten, dann aber nur ein oder zwei der besten zu implantieren und den Rest zu verwerfen.

Parlamentarier stehen vor schwierigen Entscheidungen. Das wiederum wirft aber die Frage auf, wie künftig mit überzähligen Embryonen gegangen werden soll. Für die Bundestagsabgeordneten werde dies eine der schwierigsten Entscheidungen sein, meinte Dr. Volker Grigutsch vom Bundesgesundheitsministerium mit Blick auf die bevorstehenden gesetzlichen Regelungen zur PID und zur Forschung an embryonalen Stammzellen. Die Bundesregierung will vor einer Gesetzesinitiative ein Votum des Nationalen Ethikrats abwarten.
Viele Grüße
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** 11.07.2021 - klein-putz ist schon 20 Jahre alt! **
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