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Unantastbare Menschenwürde und christliche Kirchen

Verfasst: 25 Jan 2006 09:35
von rebella67
Unantastbare Menschenwürde und christliche Kirchen

Ich habe zum o.g. Thema eine sehr schöne Kernaussage in dem Buch "Denn sie wissen nicht, was sie glauben" (Franz Buggle) gefunden. Ich werde zu diesem hervorragenden Buch hier wohl demnächst noch etwas mehr schreiben, weil es so klar die tiefen Gründe dafür aufzeigt, die (mit)verantwortlich sind für das Dilemma, in dem auch wir Paare, die unsere Kinder nur durch medizinische Hilfe bekommen können, uns befinden.

Das Buch zitiert im ersten Teil eine größere Auswahl aus wohl mehreren hundert Bibelstellen, die extrem grausam und gewaltauffordernd sind. Der Autor, u.a. Psychologe, Philosoph und Pädagoge, betrachtet diese Dinge auch besonders von der psychologischen Seite. Er setzt sich mit den Interpretations- und Verdrehungstechniken gegenwärtig anerkannter Theologen auseinander, die es schaffen, all diese gewaltbeladenen Aussagen zu harmonisieren. Er schreibt über die Folge der "verbreiteten gesellschaftlichen Unredlichkeit und Heuchelei und oberflächlich-undeutliche Religiosität" und vieles mehr. Am Ende des Buches zeigt er einen möglichen Weg in ein "wirklich neues religiöses Paradigma" auf, in dem es den Menschen gern weiterhin möglich ist, an übernatürliche Kräfte, Götter, zu glauben (DIES ist wissenschaftlich weder beweisbar noch widerlegbar), in dem man sich aber ehrlich eingesteht, dass es einen alle Menschen unendlich liebenden Gott, der allmächtig ist, aber gleichzeitig zu grausamer Gewalt auffordert und eben all diese Verbrechen und Unglücke, an die sich die Menschheit erinnern kann, zugelassen oder gar selbst verursacht hat (so, wie er von der christlichen Bibel beschrieben wird), nicht geben KANN.

Ich zitiere hier mal den wesentlichen Abschnitt zum Thema "Unantastbarkeit der Menschenwürde", den der Autor hier mit dem Beispiel Sterbehilfe unterlegt hat. Er wäre auf den Tatbestand, dass befruchteten Eizellen eine überaus hohe Menschenwürde zugeteilt wird, während bereits geborene Menschen dadurch in ihrer Menschenwürde verletzt werden, übertragbar.

"Eine weitere Folge der teilweise verdrängten, aber tatsächlich längst unhaltbar gewordenen religiösweltanschaulichen Grundsituation ist die weitverbreitete Unehrlichkeit in der Auseinandersetzung um zentrale, durch religiöse Wertungen (mit)bestimmte ethische Fragen, wie etwa eine humane Sterbehilfe. Man spricht sich etwa gegen (auch aktive) Sterbehilfe aus, weil man gelernt hat, dass Gott dies verbietet, dass er sich das alleinige Recht auf die Beendigung des menschlichen Lebens vorbehalten hat" ... "dass er den mit schweren Strafen bedroht, der diesen Monopolanspruch verletzt. Dies sagt man in den meisten Fällen natürlich nicht, man schämt sich offenbar und ist zu feige, sondern man sagt, mit pathetischem Ernst, dass es einem - ganz selbstlos - um die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, gar dessen ?Würde? usw. gehe. Und man gibt nicht zu oder merkt es nicht einmal mehr selbst, dass man sich aus religiösem Heilsegoismus gegen eine angesichts der oft grausamen Schmerzen und des hier immer vorausgesetzten eindeutigen Sterbewillens der Betroffenen doch eigentlich als selbstverständlich zu fordernde Haltung der Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit, auch der hier wirklich ins Spiel kommenden Menschenwürde und Selbstbestimmung entschieden hat.
Hier liegt, eine entsprechende psychologische Analyse könnte das zeigen, nicht selten der letzte und eigentliche psychologische Kern entsprechender Proteste der meisten (offen erkennbar oder versteckt, aber noch tatsächlich) kirchlich "gebundenen" Kritiker, mit welch schön klingenden Scheinbegründungen man dies auch vor anderen und nicht selten auch vor sich selbst zu verschleiern sucht. Das Entsprechende gilt auch für Einwände und Proteste kirchlich gebundener Zeitgenossen auf anderen kirchlich normierten Gebieten." ("Denn sie wissen nicht, was sie glauben", S. 417)