Freitag 9. November 2001
Workshop
Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin
Eine Veranstaltung der Gemeinschaftspraxis
J. Happel – M. Thaele – L. Happel, Saarbrücken
in Zusammenarbeit
mit dem Berufsverband der Frauenärzte/ Landesverband Saarland
I. Mönchengladbacher Sterilitätskolloquium
Thema:
Reproduktionsmedizin "quo vadis"
Fortpflanzungsmedizin im Spannungsfeld zwischen Innovation, Recht
und Ethik
Leitung: Dr. med. Georg Döhmen/Dr. med. Thomas Schalk
Veranstaltungsort: Kaiser-Friedrich-Halle, Mönchengladbach
Datum und Uhrzeit: 08.09.01 10.00 Uhr - 14.00 Uhr
Gemeinschaftspraxis
Dres. med. G. Döhmen/Th. Schalk
Von-Groote-Str. 175
41066 Mönchengladbach
Tel: 02161/632888
Fax: 02161/632880
Mail
Grußworte
Referenten:
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Henning M. Beier, Aachen
Thema:
Embryologische und reproduktionsmedizinische Grundlagen als Beitrag für
die gegenwärtige Diskussion um Stammzellen und die Perspektive des
therapeutischen Klonens
Prof. Dr. med. Hans-Wilhelm Michelmann, Göttingen
Thema:
Blastozystentransfer - Braucht Deutschland ein
Reproduktionsmedizingesetz?
Prof. Dr. med. Hans H. van der Ven, Bonn
Thema:
Neue Techniken in der Reproduktionsmedizin - Gegenwart und Zukunft
Diskussion
Kaffeepause
Herr Dirk Niggehoff, Rechtsanwalt (Kanzlei Möller . Hemuth),
Düsseldorf
Thema:
Das Schicksal verwaister Embryonen
Frau Margot von Renesse, MdB (Vors. der Enquetekommission
Recht und Ethik in der modernen Medizin), Berlin
Thema:
Gentechnik, PID, Stammzellenforschung
Diskussion
Schlußwort
Vielleicht sollte man hier mal Herrn Prof. Michelmann anschreiben, ob er hierzu ein abstract hat!
Weiß nicht, ob es sich hiermit erledigt hat, habe hier einen Artikel mit früherem Datum gefunden:
H.W. Michelmann Vortrag vom 08.09.01 1.
M'gladbacher Sterilitätskolloquium
Der Blastozystentransfer
Die Dilemmasituation der deutschen Reproduktionsmedizin
H. W. Michelmann
Die In-vitro-Fertilisation (IVF) und die
intrazytoplasmatische
Spermatozo-eninjektion (ICSI) haben sich als
Substitutionstherapie
bei Kinderlosigkeit durchgesetzt und werden zur Zeit in
Deutschland
in etwa 100 Kliniken bzw. gynäkologischen Praxen
durchgeführt.
Trotz 21468 IVF- und 20658 ICSI-Behandlungen im Jahr
1999 kann
die Tatsache nicht geleugnet werden, dass die
Schwangerschaftsraten
pro Embryotransfer so unbefriedigend sind (IVF = 24,3%;
ICSI = 24,7%),
dass ernsthaft darüber nachgedacht werden muss, ob es
noch zu
verantworten ist, Kinderwunsch-Paare in Deutschland zu
behandeln.
Diese Frage ist gerechtfertigt wenn man erstens die
deutschen
Zahlen mit denen des Auslands vergleicht, wo
Schwangerschaftsraten
von 50% und mehr pro Embryotransfer erreicht werden
und man
sich zweitens vergegenwärtigt, dass auch heute immer
noch,
abhängig von der gewählten Krankenkasse, Paare die
ICSI-Behandlung
aus eigener Tasche bezahlen müssen, ohne dafür eine
optimale
Behandlung zu erhalten.
Die Gründe für die niedrigen Erfolgsraten in Deutschland
sind bekannt. Es sind sicher nicht solche limitierenden
Faktoren wie die schlechte hormonelle Reaktion einer
Patientin
auf die Stimulationsbehandlung oder das mütterli-che
Alter,
die auch außerhalb Deutschlands den Erfolg begrenzen.
Seit 1991 hat Deutschland ein Embryonenschutzgesetz,
das den Umgang mit menschlichen Gameten und
Embryonen im Rahmen der Kinderwunsch-behandlung
regelt.
Es sind die Vorgaben dieses Gesetzes, die die
Dilemma-situation
der deutschen Reproduktionsmedizin hervorrufen und den
Miss-erfolg vorprogrammieren. Es soll im Folgenden der
Versuch
gemacht werden, den Zusammenhang zwischen
Misserfolg und
Embryonenschutzgesetz auf-zuzeigen.
Das Deutsche Embryonenschutzgesetz schreibt detailliert
vor,
welche Tätig-keiten im IVF/ICSI-Labor verboten sind.
Unter anderem dürfen sich nicht mehr als drei Embryonen
entwickeln.
Das setzt den Embryologen im Labor in die Zwangslage,
von allen befruchteten Eizellen die drei auszuwählen,
die sich seiner Meinung nach am besten entwickeln
werden.
Es steht heute zweifelsfrei fest, dass der entscheidende
Faktor für den Erfolg einer IVF/ICSI-Behandlung die
Qualität
der transferierten Embryonen ist. Dies wird durch alle
Analysen
der Daten von Schwangeren und Nicht-Schwangeren
bestätigt.
Dabei scheint die Qualität der Embryonen von der
Qualität, d.h.
von der Befruchtungsfähigkeit der Oozyten abzuhängen.
Eine Metaanalyse von 44.236 IVF-Zyklen, die Templeton
und Morris (1998) durchgeführt haben macht deutlich,
dass die Schwangerschaftswahrschein-lichkeit einer
Patientin mit der Zahl ihrer befruchteten Oozyten
ansteigt.
Eine Beurteilung der Embryoqualität ist nur über die
Entwicklungsge-schwindigkeit und die Morphologie der
einzelnen Embryonalstadien möglich. Das im Ausland
deshalb routinemäßig praktizierte Verfahren ist die
Embryonenselektion. Das bedeutet, dass aus der
Gesamtheit
aller über 5 Tage kultivierten Embryonen die am
weitesten
entwickelten und morphologisch am unauffälligsten
aussehenden
selektiert und transferiert werden. Das be-vorzugte
Stadium
ist die nach einer Kulturdauer von 5 entstandene
expandierte Blastozyste.
Auch die Bedeutung der Schnelligkeit in der
Embryonalentwicklung
ist von verschiedenen Arbeitsgruppen bestätigt worden.
Zygoten,
die bereits 25 bis 27 Stunden nach Insemination das
2-Zellen-Stadium erreichen,
führen zu signifikant mehr Schwangerschaften als sich
langsamer
entwickelnde Embryonen.
In Deutschland ist jede Art der Selektion verboten.
Nur maximal drei ausge-wählte Vorkernstadien dürfen sich
zu Embryonen entwickeln und müssen übertragen
werden,
egal wie gut oder schlecht diese Entwicklung abgelaufen
ist.
Eine Kultur über länger als 2 Tage ist sinnlos, da eine
Selektion
zu keinem Zeitpunkt stattfinden darf.
Nur etwa 40% aller befruchteten Eizellen erreichen
das Stadium der expandierten Blastozyste. Werden durch
eine Kultur von 5 Tagen in sequentiellen Medien diese
Stadien
erreicht und dann transferiert, lassen sich
Schwangerschaftsraten
von über 50% erreichen, auch dann, wenn nur 2
Embryonen übertragen
werden. Das hat weiterhin zur Folge, dass die
normalerweise hohen
Mehrlingsraten nach IVF/ICSI signifikant reduziert werden
können.
Den IVF/ICSI-Gruppen in Deutschland ist dieses nicht
möglich.
Sie können lediglich auf die Selektion von befruchteten
Eizellen (Vorkernstadien) zurückgreifen. Dies wurde in der
Vergangenheit als unmöglich angesehen. Neueste
Untersuchungen
haben jedoch ergeben, dass es auch im Stadium der
Zygote Beurteilungskriterien gibt, die auf eine gute
Entwicklungspotenz hinweisen. So sollten die beiden
Vorkerne von
gleicher Größe sein und sich berühren. Weiterhin sollten
die Nukleoli
bzw. die pränukleolären Körper in den Vorkernen in einer
ganz bestimmten
Weise verteilt sein.
Eine noch frühere Qulitätsklassifikation, die auch in
Deutschland
möglich ist, ist die Beurteilung der Eizellqualität. Unter
den
Begriff "Eizellqualität" fallen so viele Einzelfaktoren, dass
es unmöglich ist,
alle aufzuführen und zu bewerten. An erster Stelle steht
sicher
der Reifezustand der Zelle, der aber wieder in
chromosomale und
zytoplasmatische Reife unterteilt werden muß. Die
genetische
Kompetenz sowie die Zahl und Verteilung der
Bindungsrezeptoren
auf der Oberfläche der Zona pellucida spielen ebenfalls
eine große Rolle.
Es bleibt im IVF-Verfahren nur die mikroskopische
Kontrolle
der Morphologie des Eizell-Kumuluskomplexes, deren
Aussagekraft aber äußerst gering ist.
Die ICSI-Technik erlaubt eine etwas genauere
Analyse der Eizell-qualität. Die chromosomale
Reife (Metaphase-II) wird durch das Vorhandensein
des ersten Polkörpers sichtbar, und die Struktur des
Zytoplasmas gibt Hinweise auf die zytoplasmatische
Reife.
Die Größe der Eizelle und die Dicke der Zona pellucida sind
keine Qualitätskriterien und für eine
Befruchtungs-prognose ungeeignet.
Da in Deutschland eine Embryonenselektion nicht möglich
ist,
wird seit Jahren daran gearbeitet, diejenigen Faktoren zu
optimieren,
die nach dem Entstehen der maximal drei Embryonen den
Ausgang
der Behandlung be-einflussen können. Hierunter fallen der
Embryotransfer
und alle Möglichkeiten der Implantationsverbesserung.
Techniken wie der doppelte, zweizeitige Embryotransfer,
der Transfer unter Vollnarkose oder der tubare Transfer
(transvaginal oder per Laparoskopie) haben sich als nicht
vorteilhaft erwiesen. Auch der Einsatz verschiedener
Kathetertypen ist ohne große Bedeutung. Ein
Katheterwechsel
während des Transfers beeinträchtigt ebensowenig die
Schwangerschaftsrate wie die Ma-nipulation an der
Cervix
(Dilatation; Anhaken der äußeren Muttermundslippe),
die Länge und Lage des Uterus sowie der Ort im Uterus,
wo die Embryo-nen abgesetzt werden.
In seinem Ablauf setzt der Transfer ein
Zusammenarbeiten
zwischen Arzt und Embryologe voraus. Dieses
Zusammenarbeiten
enthält viele Kompo-nenten, die zum Erfolg oder Mißerfolg
der
Behandlung führen können. Das Erkennen der Schritte,
die letztendlich zum Mißerfolg führen, ist jedoch
ausgesprochen schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
Eine über Jahre durchgeführte Analyse der
Schwangerschaftsraten die aus der Zusammenarbeit
bestimmter Arzt/Embryologe-Kombinationen beim
Embryotransfer resultieren macht deutlich,
dass bestimmte Kombinationen zu höheren Raten
führen als andere.
Es ist unbekannt, wie sich ein Embryo nach dem
Transfer im Uterus verhält. Bekannt ist nur, dass
er großen Wanderungsbewegungen unterworfen ist,
was das gehäufte Auftreten von Tubargraviditäten
nach IVF/ICSI erklärt. Am 5 - 6 Tag nach Befruchtung
findet normalerweise die Implantation statt.
Voraussetzung
dafür ist, dass die expandierte Blastozyste aus
der Zona pellucida schlüpft (Hatching). Einige
Untersucher
glauben, dass durch eine In-vitro-Kultur die
Zona pellucida aushärten kann und daher nicht
mehr zum Hatchen aufbricht. Seit Jahren wird
deshalb versucht, mit Enzymen, Säuren oder dem
Mikroskoplaser die Zona entweder auszudünnen
(Zona thinning) oder ihr eine Sollbruchstelle
zuzufügen (Zona drilling). Die in der Literatur
vorliegenden Ergebnisse über den Erfolg solch
einer Behandlung sind extrem kontrovers,
so dass eine abschließende Bewertung
des 'Assisted Hatchings', auch nach Einsatz
an Oozyten älterer Frauen, nicht gegeben
werden kann. Es hat ebenfalls Versuche gegeben,
die Implantationsbedingungen am Endometrium in
vivo zu verbessern. Alle bisher eingesetzten Verfahren
haben jedoch nicht zu einer Erhöhung der
Schwangerschaftsrate geführt. Das gilt auch für die
tägliche Gabe von Aspirin zur Erhöhung der Durchblutung
des Endometriumstromas.
Schlussfolgerung
Die in den letzten Jahren auseinanderdriftenden
Schwangerschaftsraten zwischen Deutschland und
vielen anderen Ländern sind auf die im Ausland
praktizierten verlängerten Kulturzeiten mit
sequentiellen Medien und anschließender
Embryoselektion zurückzuführen. Damit die
Auswahl von expandierten Blastozysten
aus einem Pool sich entwickelnder Embryonen
auch in Deutschland in Zukunft möglich wird,
ist eine Änderung oder eine Neufassung des
bestehenden Embryonenschutzgesetzes notwendig.
Diese Änderung darf aber nicht die Schutzwürdigkeit
des einzelnen Embryos herabsetzen.
Die Embryonenspende, die Forschung an
Embryonen oder die anderweitige Verwendung
von Embryonen (Stammzellforschung) sollten
auch in Zukunft in Deutschland nicht erlaubt werden.
Entstehen sog. "überzählige" Embryonen,
so muss es erlaubt sein, diese im kryokonservierten
Zustand zu lagern. Werden diese von den
genetischen Eltern nicht mehr gewünscht,
so muss es möglich sein, sie für eine pränatale Adoption
freizugeben.
Literatur
Templeton A, Morris JK (1998) Reducing
the risk of multiple births by transfer of
two embryos after in vitro fertilization. N Engl J Med,
573-577
H. W. Michelmann
Univ. Frauenklinik Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
D-37075 Göttingen
17.09.2001
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Lieber Gruß Silvia
<font size=-1>[ Diese Nachricht wurde geändert von: Silvia am 2002-03-21 12:51 ]</font>
<font size=-1>[ Diese Nachricht wurde geändert von: Silvia am 2002-03-21 12:53 ]</font>