Der liebe Gott?

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Mymla04
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Beitrag von Mymla04 »

Hallo Rebella

:) Gutgut - hätte heute eh keine Zeit/Lust für lange "Religionsverteidigungen" . (nicht bitterernst gemeint!)

Spannend, deine Christentums- Begegnungs-Geschichte.

Also, das finde ich gut:
rebella67 hat geschrieben:Ja, wie du sagst, ?Für jeden Einzelnen beweist das trotzdem fast nichts?. Darin kann ich dir ja nur zustimmen. Die Menschen sind verschieden und man kann sie nicht alle in eine Schublade stecken.


Dann reizt mich noch etwas grad besonders zum Antworten, gut, dass du dazu nochmals geschrieben hast:
rebella67 hat geschrieben:Derjenige aber, der herausfinden will, wo die Bakterien her kommen, kann das kaum herausfinden, wenn er meint, Gott hätte sie geschickt. Damit wäre ja seine Neugier befriedigt. Nein, er muss zumindest erstmal annehmen, dass es hier einen ganz irdischen Weg gegeben hat.
Wie gesagt, es gibt die Art von Gläubigen, die die Welt seehr reaktionär sehen, z. B. die Schöpfungsgeschichte wörtlich nehmen und anderes. (z.B. Evangelikale im Ami-land). Die wollen dann auch von wissenschaftlichen Gründen und Zusammenhängen tatsächlich nichts wissen. Ich würde aber meinen, dass das eher wenige hier ernsthaft so sehen.

Bei mir schliessen sich jedenfalls die transzendenten Fragen und die wissenschaftlichen, die Neugier auf rationale Erklärungen wo vorhanden, überhaupt nicht aus. Ein naheliegendes Beispiel ist natürlich das Thema Kinderlosigkeit. Da möchte ich nur zu gern herausfinden und wissen, wo die rational erklärbaren Ursachen liegen. Aber ob ich das herausfinden kann oder nicht - trotzdem kann die Frage nach dem "Warum" bleiben. - Oder wenn jemand an einer Krankheit stirbt, kann man vielleicht die genauen Zusammenhänge erforschen. Das beantwortet aber auch nicht alle tieferen (nicht wertend gemeint) Fragen.

Mit andern Worten, worüber wir hier ja schon ein Weilchen schreiben: Für mich sind religiöse Weltanschauung und Vernunft nicht zwangsläufig ein Widerspruch. Theologie und Naturwissenschaften "funktionieren" einfach nicht gleich, man kann sich religiösen Fragen auch nicht ernsthaft mit der Herangehensweise eines Naturwissenschafters nähern.

Liebe Grüsse

Mymla
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo Mymla,

du hast mich ja noch an Länge übertrumpft. Ich versuche es mal, wieder etwas kürzer zu schreiben.


Zitat: ?Für dich ist das aber mehr oder weniger doch ein Beweis, dass dann hinter der religiösen Weltsicht nichts Ernstzunehmendes steckt und die "religiösen" Antworten folglich auch nicht stimmen können. Oder??
Als Beweis würde ich das nicht bezeichnen. Und ich würde auch nicht sagen, dass hinter der religiösen Weltsicht nichts Ernstzunehmendes steckt. Wenn ich schreibe, ?hinter deinem Glauben an ein Leben nach dem Tod steckt die menschliche Sehnsucht danach, dass es so ist?, dann ist das ja kein Beweis, sondern lediglich eine Erklärung. Ich persönlich bin mir sicher, dass diese Sehnsucht da eine große Rolle spielt, aber wir Menschen sind ja sehr verschieden und sehr komplex. Ich habe damit nicht gesagt, dass das die einzige Antwort auf diese Frage ist. Möglicherweise gibt es weitere Ursachen dafür, die wir nicht kennen. Sozusagen alles zusammen ein Ursachenkomplex, der bei verschiedenen Menschen auch verschieden gewichtet sein kann.


Zitat: ?Und wenn du an Gott glaubst, glaubst du dann, dass er eingreifen kann??
Irgendwie interessant diese Frage. Wenn er nicht eingreifen kann, ist er ja kaum noch ein Gott von der Art, die so volkstümlich verbreitet ist. Angenommen, da ist eine intelligente Existenz, die das Leben auf unserer Erde beobachtet, aber nicht eingreifen kann, welchen Nutzen bringt sie uns? Eigentlich doch gar keinen, oder? Das wäre im Prinzip nur eine Existenz mit einem Riesenhirn, die wir aufgrund ihrer unermesslichen Aufnahmefähigkeit bestaunen könnten.


Zitat: ?Ich sehe und empfinde aber die Welt nicht so nur-rational, wie du es hier vertrittst (bzw. manchmal schon, aber nicht nur...), und möchte die Berechtigung dieser Sicht- und Empfindungsweise "verteidigen" ...?
Das möchte ich dir überhaupt nicht absprechen, Mymla. Wir haben ja gesehen, nichts ist bewiesen oder widerlegt. Außerdem ist es dein gutes Recht, so zu empfinden und zu betrachten, wie du es magst.

Zitat: ?Z. B. leuchtet es mir nicht ein, wieso die Menschenrechte mit dem Christentum nicht vereinbar sein sollen.?
Ja? Also diese Sache leuchtet MIR ein. Eben deshalb, da das Christentum sehr viel Unmenschliches beinhaltet. Dass auch ein paar wirklich gute Regeln mit dabei sind, tut dem keinen Abbruch. Bezeichnend ist doch auch, dass der Vatikan heute noch nicht die UNO-Menschenrechtskonvention unterschrieben hat.


Zitat: ?Also Hitler als Vertreter der christlichen Kirche oder Religion geht mir doch zu weit. ? Und was die Fussball-Hooligans mit christlichen Verfehlungen zu tun haben sollen, ist mir auch schleierhaft.?
Ich interpretiere diesen Passus so, dass die genannten Gruppen nicht als Vertreter der Kirche zu betrachten sind, sondern dass hier einfach über Gruppen und ihre inneren Regeln geschrieben wurde. Es geht hier darum, dass jede Gruppe - und seien sie nach außen auch noch so gewaltvoll - nach innen solidarische Regeln haben muss. Sonst kann sie nicht als Gruppe funktionieren.


Zitat: ?Dann führt er z. B. Luthers antisemitische Äusserungen, seine Aufrufe zur Verfolgung von "Hexen" und gegen die Obrigkeit revoltierende Bauern auf. Kein vernünftiger Christ von heute würde dies als "christliche Werte" interpretieren wollen.?
Richtig. Ich finde es aber wichtig, an die antisemitischen Äußerungen, ? Luthers zu erinnern. Gerade deshalb, weil er heute viel zu sehr geehrt wird. Sicher würde das heute kein vernünftiger Christ mehr als innere Werte bezeichnen. Aber es ist eine Verbiegung, so einen Menschen so sehr zu ehren, obwohl er - sicher neben einigen Erfolgen in Richtung Menschlichkeit - so extrem Unmenschliches verbreitet hat. Wir sollten ehrlich mit der Geschichte sein und solche Geschichtsfiguren wie Luther auch in ihrer Zwielichtigkeit betrachten.


Zitat: ?Es gab (und gibt) zwar sicher reaktionäre, gewollt oder ungewollt menschenverachtende Aussagen und Haltungen in der Kirche (wie auch ausserhalb). Mir scheint aber, die Kirchen haben das Recht und die Pflicht, sich heute von solchen Irrtümern zu distanzieren und die Institution Kirche mit neuen und alten ebenfalls christlichen Werten neu zu definieren.?
Ja, dieses Recht und die Pflicht haben sie. Aber sie tun es ja nicht wirklich. Die katholische Seite behauptet immer noch ganz penetrant: ?Alles, was in der Bibel steht, ist wahr und richtig.? Und auch die evangelische Seite distanziert sich nicht öffentlich von dieser schwarzen Seite des Christentums. Wenn sie es denn mal täten ??


Zitat: ?ich kann mir nicht anmaßen, zu meinen, alle meine Wünsche müssten sich erfüllen, oder ich hätte mein Leben "in der Hand". ? Ich bin dankbar für das, was ich habe (versuche es jedenfalls) und versuche nicht nur eine Anspruchshaltung zu haben, vielleicht eher ein Vertrauen, dass es einen Sinn hat, wie es auch kommt.?
Dem kann ich im Großen und Ganzen zustimmen. Wobei ich doch schon dafür bin, das Leben in die Hand zu nehmen und wenigstens das heraus zu holen, was irgendwie doch geht (solange kein anderer dabei zu Schaden kommt). Ja, nicht nur Anspruchshaltung, aber bitte auch nicht alles hinnehmen.


Zitat: ?Ich meinte eine Demut, die nichts mit sinnloser Unterwerfung zu tun hat, die Menschen nicht nur klein und damit würdelos macht, sondern eine, die Menschen in Notlagen z. B. hilft, ein Stück Last loszuwerden, weil sie überzeugt sind, dass "jemand" ihnen beisteht, dass ihr Leiden eben einen Sinn hat, ohne dass sie schuld wären oder das Leiden eine "Strafe".
Gut, das hätte ich nicht mit dem Begriff Demut benannt. Ich würde das als eine gesunde Gelassenheit bezeichnen, die sicher hilfreich für einen leidenden Menschen ist.


Zitat: ?Ich meine, man könnte ja den Spieß auch umdrehen und von AtheistInnen verlangen zu beweisen, dass es keine höhere Macht gibt. Das würde wohl als Zumutung empfunden. Ich meine, es gibt keine Beweise, die einen GLAUBEN ja, die andern GLAUBEN nein, die dritten sagen, sie wüssten es nicht, und keine Ansicht ist überlegen aus rationaler Sicht.?
Dazu muss ich ja nichts mehr schreiben, wenn ich sage, ich kann mich dem Buggle da mit seinem neuen religiösen Paradigma anschließen. Ich akzeptiere es einfach, dass eine intelligente übernatürliche Kraft nicht bewiesen und nicht widerlegt ist, möchte mich deshalb aber trotzdem nicht der Gruppe der Agnostiker zuordnen, da ich einfach nicht in dem Sinne daran glaube. :-)
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hatte hier jemand geschrieben, religiöse Menschen wären hilfsbereiter als nichtreligiöse? Mir ist gerade das über den Weg gelaufen: http://www.3sat.de/3sat.php?http://www. ... index.html

"Religiöse Menschen zeigen nicht mehr Mitleid als andere"
Liebe Grüße, Rebella
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Mymla04
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Beitrag von Mymla04 »

Hallo Rebella

Ja, wir sind hier die Vielschreiberinnen vom Dienst ...

Nö, nach mir sind Religiöse weder besser noch schlechter als andere Menschen. Wobei man jetzt "Religiöse" wieder definieren müsste. Da gibt es ja eine riiiiesige Bandbreite :) Es gibt sicher religiöse Heilige und religiöse Verbrecher. Davon abgesehen find ich jetzt dieses Experiment mit 40 Priesterschülern nicht besonders aussagekräftig. Interessanter wäre, ob die Schimpansen, die sich geholfen haben, religiös waren :lol:

Spass beiseite. Ich gebe dir natürlich Recht, dass wir bzw. die Kirche ehrlich sein sollte mit ihrer Geschichte. Luther ist z. B. sicher eine zwielichtige Figur, unbestritten. Dass die Kirchengeschichte viele Grausamkeiten beinhaltet, muss aber trotzdem nicht heissen, dass die Menschenrechte mit einer heutigen christlichen Kirche nicht vereinbar sind, entschuldige. Es würde mich da schon genauer interessieren, was denn da unvereinbar sein soll. ? (Der Vatikan ist abgesehen davon für mich auch nicht massgeblich für das Christentum.) Damit rechtfertige ich wiederum nicht das, was mich selber an den Kirchen stört.

aalso... mir kommt das ein bisschen wie ein Pingpong-Spiel vor, ich könnte jetzt wieder auf einzelne Punkte etwas zurückschreiben (und mache es auch...), weil ich mich bzw. das, was ich ausdrücken wollte, nicht wirklich verstanden fühle. Es kommt mir aber schwierig bis unmöglich vor, einem Gegenüber in noch so vielen Worten etwas mitzuteilen, was das Gegenüber einfach anders sieht und sehen will. Z. B. das mit der Demut - ok, du interpretierst das als "gesunde Gelassenheit" (das war es aber nicht, was ich zu beschreiben versucht habe. Was ich meinte und bewusst mit einem andern Wort bezeichnet habe, ist etwas mehr, bzw. anders) und schreibst
Wobei ich doch schon dafür bin, das Leben in die Hand zu nehmen und wenigstens das heraus zu holen, was irgendwie doch geht (solange kein anderer dabei zu Schaden kommt). Ja, nicht nur Anspruchshaltung, aber bitte auch nicht alles hinnehmen.
Ja, man müsste jetzt im Detail besprechen, was irgendwie noch geht und was nicht, aber es gibt eindeutig Fälle, wo wir Menschen machtlos sind. Dann kommt bei dir die gesunde Gelassenheit ins Spiel und bei mir die Demut. Hm, es ist nicht nur ein anderes Wort, sondern eine andere Grundhaltung. Ich plädiere natürlich auch nicht dafür, einfach dazusitzen und zu warten, was das Schicksal bringt, in völligem Fatalismus.

Du hast geschrieben
Ich akzeptiere es einfach, dass eine intelligente übernatürliche Kraft nicht bewiesen und nicht widerlegt ist, möchte mich deshalb aber trotzdem nicht der Gruppe der Agnostiker zuordnen, da ich einfach nicht in dem Sinne daran glaube.
Also du glaubst nicht nur nicht daran, sondern du glaubst, dass es keine gibt, oder? Und ich glaube, dass es sein kann (-:
Der Grundabstand zwischen uns ist halt wohl einfach in meiner prinzipiellen Offenheit für das Transzendente, "Göttliche", und auch für das Wertvolle am Christentum und andern Religionen (die ich aber schlechter kenne und die je auch ihre Fehler haben, denke ich) zu suchen. Daran bist du eben nicht interessiert, denke ich, und das ist in Ordnung, du darfst auch denken und fühlen, was du willst :) nett, gell?. Mich stört es aber einfach, wenn du Leute mit anderer Weltsicht a priori für nicht gleichwertig hältst. Das ist einfach mein Eindruck, wenn er nicht stimmt, umso besser!

Dir geht es ja, wie du selber sagst, u. a. darum, über die Kirchen und ihre Scheinheiligkeit aufzuklären. Du bist sehr wütend auf die Kirche(n), (ich interpretiere jetzt auch mal psychologisch) und bist damit sicher nicht allein. Damit hast du nicht nur eine kritische Haltung ihnen gegenüber, sondern eine ablehnende, deine Meinung ist da ja ziemlich gemacht, wie es tönt. Und mein Eindruck ist, du hältst Leute, die noch an dieser aus deiner Sicht überholten Kirche festhalten, für aufklärungs- und quasi bekehrungsbedürftig. Aufklärung kann natürlich durchaus nicht schaden, aber trotzdem sind ja nicht alle, die noch in der Kirche sind oder an Religiösem interessiert, beschränkt oder eingebildet. Wahrscheinlich würdest du das so auch nicht sagen, ich wollte es trotzdem nochmals betonen.

- Noch zum von dir erwähnten "neuen religiösen Paradigma" von Buggle: Zitat:
"Aus dem Bewusstsein der Beschränktheit, der nicht ausreichenden Kapazität des menschlichen Gehirns im Hinblick auf die Beantwortung so komplexer Fragestellungen wie etwa der weltanschaulichen müsste sich die Forderung großer Toleranz über die hier angesprochenen Kriterien hinaus ergeben. Es dürften jenseits der hier genannten Kriterien keine unbedingten, absoluten Ansprüche gestellt werden.
Ein solches wirklich neues Paradigma müsste hilfreich für den Lebensvollzug sein, eine Orientierungs-, ?Sinngebungs?-, Stützfunktion erfüllen. "
Also Buggles Ideen für ein neues "Paradigma" fand ich sehr interessant. Ich habe eine Zeitlang wirklich auch darüber nachgedacht, dass ich gern eine ganz neue Art von Kirche hätte, ohne eben alle die von mir genauso wie von dir gesehenen Fehler der alten. Das wäre eine Möglichkeit. Allerdings gibt es viele "neuen Kirchen", die mich ganz und gar nicht mehr überzeugen als die alte. Und um selber eine zu gründen, habe ich weder das Charisma noch das Sendungsbewusstsein ... :) Meine eigene Wut der Kirche gegenüber (die ich schon früher hatte aus andern Gründen als du) ist auch allmählich kleiner geworden, ich habe nach einer langen Zeit, in der mich das Thema Glauben allgemein nicht besonders interessiert hat, eben wieder angefangen, auch Positives für mich zu sehen an meinem "alten" Glauben bzw. der dazugehörigen Kirche.

Ich finde Buggles Thesen grossteils ok, sie könnten aber mehr oder weniger auch für eine agnostische Weltsicht stehen. Das ist eigentlich auch weitgehend meine eigene Sicht, obwohl ich gegenwärtig wieder eher zum Glauben hin"schwanke" :) Buggle formuliert Regeln für ein neues Religionssystem, sozusagen das Gefäss. Für eine Religion braucht es aber mehr als diese durchaus guten, aber theoretischen Rahmenbedingungen. Und dazu gehört das Transzendente. Man müsste das neue Gefäss also füllen. Und dabei möglichst keine neuen Fehler machen.

Rebellisch-religiöse Grüsse

Mymla
Zuletzt geändert von Mymla04 am 16 Feb 2007 18:19, insgesamt 1-mal geändert.
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo Mymla,

da bin ich wieder. Meine Süßen liegen im Bett und ich darf wieder philosophieren.


Zitat: ?Dass die Kirchengeschichte viele Grausamkeiten beinhaltet, muss aber trotzdem nicht heißen, dass die Menschenrechte mit einer heutigen christlichen Kirche nicht vereinbar sind, entschuldige. Es würde mich da schon genauer interessieren, was denn da unvereinbar sein soll.?

Nun, fangen wir mal hier mit dem Sinn dieses Forums an. Ein Verstoß gegen die Menschenrechte ist die Einmischung der Kirchen in unsere Fortpflanzungsrechte. Daneben gibt es noch die Diskriminierung von Homosexuellen und Einwirkung auf die Gesetzgebung, damit die nicht gleichberechtigt sind. Eine weitere unzulässige Einmischung der Kirchen entgegen der Menschenrechte haben wir im Bereich der Sterbehilfe.
Dazu kommt, dass eben die Werke, die als umfassend wahr und richtig hingestellt werden, menschenrechtsverletzende Elemente haben. Zwar werden diese nicht gelehrt, sondern schön unter den Tisch gekehrt, aber das macht diese Werke nicht besser. Tut mir leid, ich empfinde schon die Verbreitung einer menschenrechtsverletzenden Ideologie (auch dann, wenn sie nicht in dem Sinne ausgelebt wird) als menschenrechtsverletzend.
Auch allein die Tatsache, dass den Kindern so was in der Schule als umfassend Gutes beigebracht wird, ohne auf die Gefahren und die Gewalt hinzuweisen, ist die Verletzung des Rechtes der Kinder, korrekt informiert zu werden.
Außerdem läuft in einigen Entwicklungsländern nicht alles, was die Kirche tut, menschenrechtskonform ab. Die Verbreitung des christlichen Glaubens an Teufelsbesessenheit führte z.B. im Kongo dazu, dass dort heute noch Kindern der Teufel ausgetrieben wird (per massivster Kindesmisshandlung).



Zitat: ?Also du glaubst nicht nur nicht daran, sondern du glaubst, dass es keine gibt, oder? Und ich glaube, dass es sein kann (-:?

Wenn ?es? mal eines Tages bewiesen ist (solange ich noch lebe), dann glaube ich es auch. :-) Solange das aber nicht der Fall ist, brauche ich mir einfach keine Gedanken darum machen. Für mich ist das relevant, was bewiesen bzw. erforscht ist. Alles andere sind doch so unendlich viele Möglichkeiten. Vielleicht entdeckt mal einer, dass es mit einem Trick doch für den Menschen möglich ist, mittels Ausbreitung der Arme zu fliegen oder sich von einem Ort an den anderen zu beamen. Trotzdem glaub ich nicht dran. Genauso gab es sicher vor 100 Jahren Menschen, die glaubten, man könne ins Weltall fliegen und andere glaubten es nicht. Na und?



Zitat: ?Mich stört es aber einfach, wenn du Leute mit anderer Weltsicht a priori für nicht gleichwertig hältst. Das ist einfach mein Eindruck?

Da täuscht dich dein Eindruck. Der Wert eines Menschen hängt für mich überhaupt nicht von der Weltsicht ab. Ich würde den Wert eines Menschen eher durch sein soziales Verhalten bestimmt sehen.


Zitat: ?du hältst Leute, die noch an dieser aus deiner Sicht überholten Kirche festhalten, für aufklärungs- und quasi bekehrungsbedürftig.?

Ich habe ja nicht gesagt, diese Menschen wären bescheuert. Es ist in unserem von den Kirchen stark bestimmten Staat wohl reichlich schwer, hinter das Geheimnis zu kommen. Ich selbst habe es ja auch nur mehr oder weniger zufällig herausgefunden. Ich denke einfach, dass es wichtig ist, dass alle Menschen über gewisse Dinge im Zusammenhang mit den Kirchen, die heute verschwiegen werden, Bescheid wissen. Bekehren? Nö - für mich hat jeder das Recht, selbst zu entscheiden. Aber Wissen ist wichtig und dann sollte jeder selbst sehen, was er für sich aus diesem Wissen macht. Ich gehe einfach davon aus, dass auch andere Menschen - so, wie ich - nicht gern unter Vorspielung falscher Tatsachen zu einer Sache gedrängt, sprich: betrogen werden wollen. Insofern betrachte ich meine Aufklärung als Dienst am Menschen.


Zitat: ?Ich habe eine Zeitlang wirklich auch darüber nachgedacht, dass ich gern eine ganz neue Art von Kirche hätte, ohne eben alle die von mir genauso wie von dir gesehenen Fehler der alten. Das wäre eine Möglichkeit. Allerdings gibt es viele "neuen Kirchen", die mich ganz und gar nicht mehr überzeugen als die alte. Und um selber eine zu gründen, habe ich weder das Charisma noch das Sendungsbewusstsein?
Ich bin mir nicht sicher, ob wir für dieses neue religiöse Paradigma unbedingt eine neue Kirche bräuchten. Um einen solchen Zustand in der breiten Bevölkerung zu erreichen, müsste erstmal für eine längere Zeit eine umfassende Aufklärung und Diskussion erfolgen. Die Menschen müssten wirklich von ihrem Herzen her dazu bereit sein. Denn sonst wäre es ja wieder eine Diktatur - und das wird hier nicht angestrebt. Das Beste wäre sogar, die Kirchen würden mitziehen (was vielleicht ein bisschen sehr utopisch ist - ich gebe es zu). Und natürlich müsste die Staatspolitik darauf ausgerichtet sein. Das alles wäre ein längerer Prozess über viele Jahre. Ja, und irgendwann, wenn der Zustand erreicht ist, dann wird es verschiedene Gruppen geben, die sich aber alle wunderbar akzeptieren können. Die einen glauben an nichts Übernatürliches, die anderen zweifeln, die nächsten sind sich sicher, es gäbe so was in der Art. Ja, was denn überhaupt? Da gäbe es sicher auch verschiedene Gruppen mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen, was es denn nun gäbe, was wir Menschen noch nicht erfassen können. Die treffen sich dann vielleicht in bestimmten Gruppen, Vereinen, meinetwegen auch in Kirchen oder wo auch immer. Diese Gruppierungen würden sich ganz von allein bilden. Dazu bräuchte man heute keine neue Kirche errichten. - Soweit meine Vorstellungen zu einem Weg dorthin.

Liebe Grüße und einen schönen Sonntag noch.
Liebe Grüße, Rebella
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Mymla04
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Beitrag von Mymla04 »

Hallo Rebella

und wieder einmal ich.

Danke, mein Sonntag war schön - wir hatten Besuch und haben "Siedler" gespielt. Kennst du das Spiel? Macht Spass.

Wieder zu unserm ausgeuferten ReligionsPhilosophieKirchenGlauben...Thema. Wir haben da schon sehr grundsätzlich verschiedene Einstellungen.

Dich überzeugt wohl einfach nur das, was beweisbar ist.
rebella67 hat geschrieben:Wenn ?es? mal eines Tages bewiesen ist (solange ich noch lebe), dann glaube ich es auch. :-) Solange das aber nicht der Fall ist, brauche ich mir einfach keine Gedanken darum machen. Für mich ist das relevant, was bewiesen bzw. erforscht ist.
Mit dieser Sichtweise kannst du ja die Kirchen fast nur für einen einerseits völlig überflüssigen und irrationalen Club mit andererseits schädlichen Begleiterscheinungen ansehen. Mit Mitgliedern, die halb böswillig und zur andern Hälfte unaufgeklärt, naiv und irregeführt sind. Da hab ich einfach ein anderes Weltbild. Ich denke, dass es naive und schwarz-weiss denkende Menschen unter "Gläubigen" und "Ungläubigen" gibt, wie immer man das definiert.

Was du über deine Vorstellung einer neuen Toleranz zwischen Religiösen und Nichtreligiösen geschrieben hast, find ich jedenfalls sehr gut:
rebella67 hat geschrieben:Ja, und irgendwann, wenn der Zustand erreicht ist, dann wird es verschiedene Gruppen geben, die sich aber alle wunderbar akzeptieren können.

Hm, na, wir könnten ja mangels neuer Paradigma mal mit der Toleranz anfangen. Und das seh ich schlussendlich absolut auch so, das ist unser gemeinsamer Nenner (-: :
rebella67 hat geschrieben:Der Wert eines Menschen hängt für mich überhaupt nicht von der Weltsicht ab. Ich würde den Wert eines Menschen eher durch sein soziales Verhalten bestimmt sehen.
Ich habe aber nur abgesehen vom Handeln der Menschen (ok, am wichtigsten.) an dich appelliert, auch andere, in diesem Fall religiöse, Weltsichten nicht einfach geringzuschätzen.
rebella67 hat geschrieben:Ich habe ja nicht gesagt, diese Menschen wären bescheuert. Es ist in unserem von den Kirchen stark bestimmten Staat wohl reichlich schwer, hinter das Geheimnis zu kommen. Ich selbst habe es ja auch nur mehr oder weniger zufällig herausgefunden.
Aaalso... die Menschen sind also nicht bescheuert, nur dumm und unaufgeklärt? oder so. So kommt das bei mir an, entschuldige, und diese Beurteilung find ich einfach kurzsichtig, und sie wirkt ziemlich herablassend. Dass ich die Kirchen also nicht pauschal verurteile, liegt also nur an meinem Unwissen? Na na na. (Ok, ich gebe schon sofort zu, ich weiss auch nicht ganz alles :D )

Also über das, was nicht gut ist an der Kirche, bzw. an der Einstellung/ Dogmen/Bestrebungen gewisser Teile /Machtträger in den Kirchen, brauchen wir uns gar nicht zu streiten. Ich heisse das selbstverständlich auch nicht alles gut. Das ist für mich aber wie gesagt kein Grund, nichts mehr an den Kirchen positiv sehen zu können.

Nochmals zur Vereinbarkeit/Unvereinbarkeit der christlichen Kirchen mit den Menschenrechten:
rebella67 hat geschrieben:usw... läuft in einigen Entwicklungsländern nicht alles, was die Kirche tut, menschenrechtskonform ab.
Natürlich nicht, und das ist bedauerlich. Allerdings läuft auch nicht alles, was unsere jeweiligen Staaten oder ihre VertreterInnen tun, menschenrechtskonform ab. Das ist ja dann auch nicht unbedingt ein Grund, total anarchistisch zu werden. Und wenn der Staat die Menschenrechte nicht hochhält, würdest du wohl doch nicht sagen, dass er dann unvereinbar damit sei, oder? Nein, meine Haltung wäre dann eher, dann das ändern zu wollen, was ich nicht gut finde. Dass eine Institution Fehler macht, heisst nicht, dass sie nicht besser werden kann. Aber man muss natürlich daran arbeiten. Und Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man grundsätzlich die guten Seiten an der Institution auch sehen kann. Und das kann ich sowohl beim Staat wie bei den Kirchen. (Die aber schon lieber getrennt sein müssen, und so ist es ja Gottseidank (-: sowohl in CH als auch in D.)
rebella67 hat geschrieben:Nun, fangen wir mal hier mit dem Sinn dieses Forums an. Ein Verstoß gegen die Menschenrechte ist die Einmischung der Kirchen in unsere Fortpflanzungsrechte. Daneben gibt es noch die Diskriminierung von Homosexuellen und Einwirkung auf die Gesetzgebung, damit die nicht gleichberechtigt sind. Eine weitere unzulässige Einmischung der Kirchen entgegen der Menschenrechte haben wir im Bereich der Sterbehilfe.


Hm. Dieses Forum hat ja verschiedene Zwecke/"Sinne" (geht gar nicht richtig in Mehrzahl). Ich interpretiere jetzt mal - korrigiere mich, wenn ich falsch liege: Für dich ist ein wichtiger Sinn die Aufklärung und das Wecken von Toleranz für medizinische Hilfe beim Kinderkriegen in weiteren Bevölkerungskreisen, so dass niemandem in dem Bereich Steine in den Weg gelegt werden sollen? Man könnte sagen, der Kampf für unsere "Fortpflanzungsrechte". - Mein Schwergewicht liegt zumindest momentan an andern Orten. Ich möchte mich gern austauschen, meine Probleme teilen und auch meine Zweifel, Lösungsansätze, Hilfreiches und was eben alles dazugehört. Für mich ist das nicht nur ein reines "Zusammen-während-den-Behandlungen-hypern-Forum", sondern ich möchte mich auch drumherum gern austauschen.

Ich habe den Eindruck, dass DAShier: Einmischung der Kirchen in unsere Fortpflanzungsrechte wohl eigentlich einer der allerspringendsten Punkte in dieser Religions-Diskussion ist. Es ist wahrscheinlich der Hauptgrund oder jedenfalls der Auslöser, warum du mit den Kirchen so Mühe hast. Dass die Kirchen politisch nicht neutral sein können, d. h. sich nicht immer aus dem praktischen Leben der Menschen heraushalten können und wollen, finde ich persönlich trotzdem richtig so. In den von dir verlinkten Thesen von Dr. Salomon
„Weltanschaulich neutral“ kann und darf sich der Staat nur dort verhalten, wo (keine) die humanistischen, auf den Menschenrechten beruhenden ethischen Prinzipien des Grundgesetzes (...) auf dem Spiel stehen.
schreibt er Ähnliches über den Staat. Und die Weltanschauung einzelner Politiker prägt natürlich ihre Handlungen, das ist ganz klar. Sie soll sie auch prägen, meine ich. Ob man im Einzelnen dann einverstanden ist oder nicht, ist dann ganz individuell.

Ich habe mich jetzt nicht speziell damit befasst, wo die Kirchen in Bezug auf Repromedizin /künstliche Befruchtung im Einzelnen Grenzen ziehen möchten bzw. "Verbote" aufstellen. Gewisse Fragen und Bedenken sind aber bestimmt nicht unvernünftig oder unberechtigt, und auch nicht-kirchliche bzw. nichtreligiöse Menschen (Ethiker, Philosophen, Betroffene und Unbetroffene ...) stellen sie. (Z. B. Was passiert mit den überflüssigen Embryonen? Wo fängt das Leben an? Was hat es psychologisch für Auswirkungen auf die Kinder, wenn sie durch KB entstanden sind ? ev. andere biologische Elternteile haben als ihre offiziellen Eltern? Ganz zu schweigen von Handel und Missbrauch in diesem Geschäft ... )

Im Detail müssten wir hier wohl ausführlich diskutieren, wo unsere Grenzen jeweils wären. Und die sind sicher von Mensch zu Mensch verschieden. Das muss dann auch nicht direkt mit der "Religiosität" zusammenhängen.
Du hast auch die Sterbehilfe erwähnt. Auch da gibt es durchaus heikle Bereiche, wo der Staat Richtlinien aufstellen sollte. In der Schweiz gibt/ gab es vor kurzem eine Debatte um den sog. Sterbetourismus. Da ging es darum z. B. zu verhindern, dass jemand, der isoliert und in einer verzweifelten Situation ist, aus einer Kurzschlusshandlung heraus z. B. in die Schweiz einreist und sich ohne Weiteres und mehr oder weniger anonym eine solche Dienstleistung in Anspruch nehmen kann und am gleichen Tag noch stirbt. Ich habe dabei nicht gehört, dass die Kirche pauschal gegen die Sterbehilfe wäre, nur gegen Auswüchse. Aber Teile der Kirche vertreten natürlich immer extremere Positionen, das ist ja überall in der Gesellschaft auch so.

Das mit der Diskriminierung der Homosexualität ist für mich auch eine dunkle Seite der Kirche. Auch hier ist die Haltung innerhalb der Kirche nicht einheitlich. Aber der Staat und die Öffentlichkeit waren und sind da auch nicht gerade tolerant. Zudem wissen viele nicht, dass in Europa über eine lange Zeit die Kirche diesbezüglich sogar viel toleranter war und weltliche Gerichte dieses "Vergehen" viel härter bestraft haben als die Kirchen. Kein Witz. Wen es interessiert: Jean-Claude Guillebaud: "Die Tyrannei der Lust".

Verlagskommentar: "Der Autor untersucht historisch und soziologisch das Phänomen Sexualität in unterschiedlichen Gesellschaften. Er analysiert den Wechsel zwischen repressiven und freizügigen Phasen in der Geschichte, das Verhältnis von Sexualität zu Krankheit, Tod und Fortpflanzung. Er zeigt den Einfluss von Religion, der Psychologie und sozialer Revolutionen auf das Verhältnis von gesellschaftlicher Toleranz bezeichungsweise Intoleranz gegenüber dem sexuellen Verhalten von Minderheiten. Im Brennpunkt steht jedoch die Diskrepanz zwischen der totalen Emanzipation, welche die moderne Gesellschaft vom Individuum verlangt, und dem konformistischen Verhalten, das die vermeintliche Befreiung des Individuums mit sich bringt."

In diesem Buch stehen noch andere interessante Sachen über die Haltung der christlichen Kirchen in früheren Zeiten. Z. B. ein lustiges Detail: Lange wusste die Medizin nicht so genau, wie das mit der Fortpflanzung so funktioniert, und was genau vom Mann kommt und was von der Frau. Ein griechischer Arzt, Galenos, ca. 100-200n. Chr., der bis in die Renaissance sehr angesehen war, hat die Theorie aufgestellt, dass Mann und Frau je einen Saft produzieren würden, der sich dann mischt und so ein Kind entstehen könne. Dazu mussten aber BEIDE, Mann+Frau, einen Orgasmus haben. - Diese Theorie wurde später von der Kirche aufgenommen, und die Kirche empfahl im Einklang mit dieser Theorie den Männern, sich gut ums Vergnügen ihrer Frauen zu kümmern, wenn sie Kinder zeugen wollten (-:

Find ich eine sehr sympathische Theorie :D Man muss der Kirche auch einmal etwas einfach glauben ... :D

So, wieder einmal ein Beitrag in Rekord-Länge ... :oops: Vielleicht wird der nächste ja kürzer ?

Liebe Grüsse

Mymla
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo Mymla,

auwei - ich wage es zu bezweifeln, dass ich dich heute hinsichtlich der Textlänge unterbieten kann. Zu viele Punkte hast du angesprochen. Nein, das Spiel „Siedler“ kenne ich nicht. Es gibt ja mittlerweile so viele verschiedene Spiele auf dem Markt …

So, jetzt fange ich wieder an, dich zu zitieren:

Zitat 1:“kannst du ja die Kirchen fast nur für einen einerseits völlig überflüssigen und irrationalen Club mit andererseits schädlichen Begleiterscheinungen ansehen. Mit Mitgliedern, die halb böswillig und zur andern Hälfte unaufgeklärt, naiv und irregeführt sind.“

Dass man das nicht ganz so pauschal sagen kann, müsste aus meinen Äußerungen schon hervor gegangen sein. Überflüssig: Irgendwie schon. Die vielen sozialen Aufgaben, die die Kirchen (aus guten Gründen) heute übernommen haben, müssten dann allerdings von anderen Organen ausgeführt werden. Das allerdings ist realistisch, da die sozialen Leistungen ja eh nicht von den Kirchen, sondern von der Allgemeinheit bezahlt werden. / Irrational schon in vielerlei Hinsicht und in ihren Grundthesen. Dass es auch rationale Elemente gibt, möchte ich aber nicht abstreiten. / Schädliche Begleiterscheinungen: Ja. / Halb böswillig: Nun, ich würde die überwiegende Zahl der Mitglieder nicht als böswillig betiteln wollen. / Unaufgeklärt, naiv und irregeführt: Ja, aber jeder nur in einem speziellen Grad. Manche Leute sind mehr aufgeklärt, andere weniger. Es gibt auch Mitglieder, die sehr wohl aufgeklärt und bestimmt nicht naiv sind. Die sind aber eher deshalb Mitglied, weil es ihnen persönliche Vorteile bringt (z.B. Menschen in sozialen Berufen in Bayern wären ohne Kirchenmitgliedschaft arbeitslos). Das „unaufgeklärt“ oder „nicht vollständig aufgeklärt“ bezieht sich hier auch nur auf das Kirchenthema. Mir ist wohl bewusst, dass es auch gläubige Mitglieder in den Kirchen gibt, die ein größeres Wissen in anderen Fachgebieten haben. Und alles wissen - das kann ja keiner. Insofern ist Unaufgeklärtheit nicht unbedingt als Makel zu sehen. Ich weiß auch nicht alles. ;-)


Zitat: „Dass ich die Kirchen also nicht pauschal verurteile, liegt also nur an meinem Unwissen?“
„Pauschal“ verurteilen solltest du ja gar nicht. Ich finde es auch besser, differenziert vorzugehen. Ich meine, ich tue das auch. Nur, auch bei den Seiten, die andere an den Kirchen noch gut finden, kann ich aus bestimmten Gründen meist nicht so viel Gutes finden. Nenne mir etwas, was du an den Kirchen gut findest und ich sage dir, was ich daran nicht gut finde. Das ist doch kein Pauschalisieren. - Im Übrigen habe ich ja schon mitbekommen, dass du recht gut Bescheid weißt.


Zitat: „Allerdings läuft auch nicht alles, was unsere jeweiligen Staaten oder ihre VertreterInnen tun, menschenrechtskonform ab. Das ist ja dann auch nicht unbedingt ein Grund, total anarchistisch zu werden.“
Allerdings. Daher bin ich auch nicht so besonders verliebt in unseren Staat. Nur, diesem gehöre ich zwangsläufig an. Immerhin gibt es an unserem Staat doch noch eine ganze Reihe von Dingen, mit denen ich zufrieden bin. Eben auch eine Reihe von ganz fundamentalen Rechten in unserem Grundgesetz. Und in Bezug auf den Staat habe ich, genau wie du, die Haltung, das ändern zu wollen, was ich nicht gut finde. Bei den Kirchen glaube ich nicht, dass man die so verändern kann, dass sie von Grund auf gut sind, da eben schon ihr Fundament so grauenhaft ist. Würden sie sich von all ihren grausamen Lehren trennen, würde ja nicht mehr viel von ihnen übrig bleiben. Daher bin ich hier in Bezug auf Veränderungen sehr pessimistisch.


Zitat: „Ich habe den Eindruck, Einmischung der Kirchen in unsere Fortpflanzungsrechte dass DAS hier wohl eigentlich einer der allerspringendsten Punkte in dieser Diskussion ist.“
Ja, der Eindruck ist ja ganz richtig. Das war bei mir der Auslöser. Aber dies allein wäre ja ohne all die anderen Menschenrechtsverletzungen noch längst nicht so schockierend, wie es eben ist. Für mich war das der Anlass, mich für mehr zu interessieren. Aber dass es SO finster aussieht, habe ich in meinen kühnsten Träumen nicht zu träumen gewagt.


Zitat: „Dass die Kirchen politisch nicht neutral sein können, d. h. sich nicht immer aus dem praktischen Leben der Menschen heraushalten können und wollen, finde ich persönlich trotzdem richtig so. … Und die Weltanschauung einzelner Politiker prägt natürlich ihre Handlungen, das ist ganz klar.“

Und das sehe ich eben nicht so. Schau mal hier z.B.: http://www.die-tagespost.de/Archiv/tite ... p?ID=29913 Was mich das wieder aufgeregt hat! Ich empfinde diese Einmischung als eine Anmaßung! Der Vatikan soll meinetwegen Gesetze für sein eigenes Kirchenvolk machen. Aber er hat sich aus den Staatsangelegenheiten heraus zu halten. Erreicht wurde jetzt wieder, dass Homosexuelle weiterhin keine Kinder adoptieren dürfen. Mit welchem Recht bestimmen Papst und Co. in dem Maße über das Leben von Menschen, die gar nicht in ihrer Kirche drin sind?


Zitat: „Ich habe mich jetzt nicht speziell damit befasst, wo die Kirchen in Bezug auf Repromedizin /künstliche Befruchtung im Einzelnen Grenzen ziehen möchten bzw. "Verbote" aufstellen. Gewisse Fragen und Bedenken sind aber bestimmt nicht unvernünftig oder unberechtigt, und auch nicht-kirchliche bzw. nichtreligiöse Menschen (Ethiker, Philosophen, Betroffene und Unbetroffene ... stellen sie. (Z. B. Was passiert mit den überflüssigen Embryonen? Wo fängt das Leben an? Was hat es psychologisch für Auswirkungen auf die Kinder, wenn sie durch KB entstanden sind ? ev. andere biologische Elternteile haben als ihre offiziellen Eltern? Ganz zu schweigen von Handel und Missbrauch in diesem Geschäft ... )“
Wenn du über das Portal dieses Forums auf die Infoseiten gehst, findest du etwas dazu: http://www.klein-putz.net/forum/info.ph ... 6dac65d1d2 . Dort unter „Politik“ schauen.
Ich möchte meine Antwort hier nicht ausufern lassen. Unter dem o.g. Link habe ich sehr viel dazu geschrieben. Dass Menschen sich solche Fragen stellen, finde ich schon sehr o.k. Und wenn man sich redlich damit auseinander setzt, ist das auch vernünftig. Nur das ist ja nicht der Fall. Die Antworten der Politik, warum man dies und jenes verbietet, sind teilweise auch recht verbogen. Ich nehme zur Veranschaulichung mal deine Frage zu den psychologischen Auswirkungen auf die Kinder raus. Man weiß z.B. aus verschiedenen seriösen Studien, dass es Kindern von homosexuellen Paaren gut geht. Sie haben auch eine normale Entwicklung. Trotzdem ist es lesbischen Frauen in Deutschland nur schwer möglich, medizinische Hilfe bzw. assistierte Befruchtung zu erhalten, um ihr Wunschkind zu realisieren. Die Eizellspende verbietet man wegen der „gespaltenen Mutterschaft“, die angeblich für das Kind psychologisch nicht zu verkraften sei. Untersucht hat das aber nie einer.
Ja, es gibt auch nichtreligiöse Menschen, die in diesem Bereich einige Dinge ablehnen. Aber wir alle sind ja irgendwie religiös geprägt. Ich z.B. habe in meiner Jugendzeit auch über Schwule gespöttelt, weil es In war. Dabei war bei uns noch nicht mal jemand in der Kirche. Woher diese Verunglimpfungen kommen, weiß ich ja jetzt sehr genau.


Zitat: „Im Detail müssten wir hier wohl ausführlich diskutieren, wo unsere Grenzen jeweils wären. Und die sind sicher von Mensch zu Mensch verschieden. Das muss dann auch nicht direkt mit der "Religiosität" zusammenhängen.“
Korrekt. Und genau deshalb denke ich, dass eine vernünftige Regelung den verschiedenen Menschen gerecht werden sollte. In Bezug auf die Festlegung des Beginns des menschlichen Lebens z. B. sollten wir in einer gewissen Grauzone verschiedene Ansichten respektieren. Praktisch bedeutet das für mich, dass ein Kinderwunschpaar ausgehend von seinem eigenen Glauben, wann das menschliche Leben beginnt, entscheiden darf, wie mit den Embryonen verfahren wird, die von ihnen kommen. Da in dieser Frage offensichtlich kein Beweis möglich ist, halte ich das für legitim. Das eine Paar wünscht Weiterkultivierung aller Embryonen bis Tag 5 und hat kein Problem damit, die „restlichen“ zu verwerfen oder einzufrieren. Ein anderes Paar lässt vielleicht nur maximal 3 Eizellen mit Spermien zusammenbringen. Jedem Paar sollte der entsprechende Respekt gebühren.


Zitat: „Du hast auch die Sterbehilfe erwähnt. Auch da gibt es durchaus heikle Bereiche, wo der Staat Richtlinien aufstellen sollte. … Ich habe dabei nicht gehört, dass die Kirche pauschal gegen die Sterbehilfe wäre, nur gegen Auswüchse.“

Selbstverständlich sollte der Staat Richtlinien aufstellen, so dass gewährleistet ist, dass auch wirklich im Sinne des jeweiligen Menschen gehandelt wird. Anders geht´s ja auch gar nicht. Aber die Kirchen arbeiten wirklich sehr massiv dagegen. www.hpd-online.de hat dazu in letzter Zeit auf viele verschiedene Berichte verwiesen, falls es dich näher interessiert.


Zitat: „Das mit der Diskriminierung der Homosexualität war für mich auch eine dunkle Seite der Kirche. Aber der Staat und die Öffentlichkeit waren da auch nicht gerade tolerant. Zudem wissen viele nicht, dass in Europa über eine lange Zeit die Kirche diesbezüglich sogar viel toleranter war und weltliche Gerichte dieses "Vergehen" viel härter bestraft haben als die Kirchen. Kein Witz. Wen es interessiert: Jean-Claude Guillebaud: "Die Tyrannei der Lust".“
Ohne jetzt sofort das Buch lesen zu müssen (das zugegeben recht interessant klingt), würde mich das schon interessieren. Allerdings vermute ich, das können höchstens kürzere Zeitabschnitte in bestimmten Gegenden, vielleicht unter der Herrschaft von mal einer etwas liberaler denkenden Person, gewesen sein. Da sich Staat und Kirche schon immer wechselseitig bedingten und die Verflechtung ja früher noch schlimmer war als heute, war es wohl auch nur konsequent, dass die Staatsgesetze in noch viel höherem Maße als heute die Kirchenmoral widerspiegelten. Man kann das ja nicht voneinander los gelöst betrachten. Da du „lustige Details“ erwähntest, ich habe bei der Lektüre des Buches: „Das Kreuz mit der Kirche - Die Sexualgeschichte des Christentums“ auch sehr viel gelacht, obwohl Vieles im Grunde sehr traurig für die Menschen war. Es gab zudem sehr abstruse Vorstellungen. In Bezug auf das Thema Homosexualität: „Sendet doch um dieser furchtbaren Sünde willen unser Herr Gott, da wo man ihn frönt, Hunger und Pest auf die Erde herab und Erdbeben und eine Menge anderer Übel, die kein Mensch aufzählen könnte.“

Was ich in Bezug auf die Fortpflanzungsvorstellung auch irgendwie lustig finde, ist das hier: http://www.klein-putz.net/forum/viewtopic.php?t=31590 - Die Taufe im Mutterleib.
Liebe Grüße, Rebella
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Mymla04
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Beitrag von Mymla04 »

Hallo Rebella

Ich glaube, wir haben jetzt beide auf dieser "Plattform" recht deutlich gemacht, wie unsere Einstellungen gegenüber den Kirchen sind. Ich bin, wie auch schon gesagt, ja durchaus nicht kritiklos kirchengläubig, im Gegenteil. Über solche Sachen wie die Versuche des Vatikans und der katholischen Kirche in Italien, über katholische Politiker auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen, kann ich mich nicht dermassen aufregen. Wobei ich gewisse Haltungen des Papstes, die jetzt aber mit dem Thema künstliche - oder wenn du willst assistierte - Befruchtung nichts zu tun haben, auch absolut daneben finde. Realitätsfremd und menschenverachtend finde ich seine bzw. schon die seines Vorgängers Ächtung des Kondoms ( Folgen: Aids, verunmöglichte Familienplanung ...). Die zentralistische Struktur der katholischen Kirche ist mir als reformierter Schweizerin sowieso ziemlich fremd.

Ich habe keine Angst, dass die Italiener sich politisch alles von der Kirche vorschreiben lassen. Hitzige Debatten gibt es da allerdings schon, dies finde ich aber gar nicht schlecht. Dass Katholiken und auch katholische PolitikerInnen der Kirchenlinie nicht blind folgen, sieht man ja auch beim Thema gleichgeschlechtliche Partnerschaft in genau dem Gesetzesentwurf, der u. a. von der anscheinend erklärt katholischen Politikerin Rosy Bindi mit erarbeitet wurde. Wenn der Vatikan irgendwelche Dokumente erlässt, sind das nur Aufrufe, die selbstverständlich für die Politiker keine bindende Wirkung haben. Falls die Kirche tatsächlich so weit gehen sollte, "rebellische" PolitikerInnen zu exkommunizieren, glaube ich kaum, dass sie die Leute damit auf ihre Linie zurückholen könnte.

Hier ging es ja eben um die Partnerschaft zwischen Schwulen und Lesben (jeweils (-: ). Und da bin ich ganz deiner Meinung, diese sollte möglich sein, von mir aus gesehen auch Heirat und Adoption.
rebella67 hat geschrieben:Erreicht wurde jetzt wieder, dass Homosexuelle weiterhin keine Kinder adoptieren dürfen. Mit welchem Recht bestimmen Papst und Co. in dem Maße über das Leben von Menschen, die gar nicht in ihrer Kirche drin sind? (Der Vatikan) ...hat sich aus den Staatsangelegenheiten heraus zu halten.
Naja, was du da schreibst, stimmt nicht ganz. Die Adoption stand sowieso nicht zur Debatte, so steht es auch in dem von dir eingestellten Artikel. Es ging um den Entwurf zum Partnerschaftsgesetz, und die offizielle katholische Kirche begehrt dagegen auf und versucht auf dem Weg über die katholischen Politiker Einfluss zu nehmen. Das ist durchaus legitim. (Ich finde eben nicht, dass die Kirche sich aus der Politik heraushalten soll. Sie soll Partei nehmen und Stellung beziehen. Dies hat ein Teil der Kirche in Deutschland im Dritten Reich z. B. auch gemacht - Bonhoeffer u. a. Und es gibt auch heute noch Priester und Laien, die z. B. in Ländern des Südens, Partei für Benachteiligte nehmen. Befreiungstheologie als Stichwort. Das nur am Rand.) Entschieden ist aber noch nichts, und wie eben auch die ital. Gesundheitsministerin dazu gesagt hat, wird über die Gesetze im Parlament abgestimmt, nicht in der Kirche.
Die Adoption (die in dem Gesetz nicht enthalten sein wird, wenn es durchkommt) ist erfahrungsgemäss eine Forderung, die politisch schwer durchzubringen ist. In der Schweiz gibt es z. B. seit kurzem ein ähnliches "Verpartnerungsgesetz", d. h. eine eingeschränkte Ziviltrauung für Lesben und Schwule. Adoption ist dabei nicht erlaubt, und diese wurde bei uns in den Gesetzesentwurf gar nicht aufgenommen, um nicht das ganze Gesetz zu gefährden. Ich weiss nicht, ob sie in D für gleichgeschlechtliche Paare erlaubt ist. Glaube es aber kaum (?).

Ausserdem, nochmals zu Italien - man muss sehen, dass das momentan im europaweiten Vergleich strenge Fortpflanzungsmedizin-Gesetz in Italien (dieses Jahr soll es darüber ein Volksreferendum geben) wohl auch eine Gegenreaktion auf frühere lasche Regelungen war. Severino Antinori, eine italienische Repromedizingrösse (und Klonungsbefürworter) hatte z. B. in der 1990er-Jahren mehr als eine über 60Jährige Frau zur Mutter gemacht. Den Sinn solcher Behandlungen kann man ja berechtigt bezweifeln.

Ethische Fragen zur KB, die teilweise von den Kirchen aufgegriffen werden, was ich naheliegend finde:
rebella67 hat geschrieben:Wenn du über das Portal dieses Forums auf die Infoseiten gehst, findest du etwas dazu: http://www.klein-putz.net/forum/info.ph ... 6dac65d1d2 . Dort unter „Politik“ schauen.
Weisst du, im Moment ist es für mich kein grosses Anliegen, mich mit den gesetzlichen Leitplanken auseinanderzusetzen und mich dafür einzusetzen, die Möglichkeiten mehr auszuweiten. Mir ist es schon mehr als ausreichend genug schwierig, für mich zu überlegen, zu erspüren und zu entscheiden, wie weit ich die heute möglichen Varianten für mich zu nutzen kann oder will, bzw. mit meinem Mann zusammen diese Entscheide zu finden. Bei mir, nur als Beispiel, käme im Moment theoretisch IUI, IVF, ICSI, HIUI, HIVF/ICSI in Frage, in ein paar Jahren dann auch noch Eizellspende (da bin ich jedenfalls sicher, dass ich das definitiv nicht will) ..., und ich bin gar nicht sicher, ob bei mehr Möglichkeiten auch die Chancen überwiegen. Solche Entscheidungen sind auch ganz schön schwierig und belastend. Für mich jedenfalls, wo keine eindeutige Diagnose besteht und darum der Weg auch nicht klar vorgegeben ist. - Darum bezweifle ich auch ziemlich, dass es gut wäre, zu viele Entscheidungen den einzelnen Elternpaaren zu überlassen. -

Über Religion und Kirche möchte ich mit dir im Moment nicht mehr weiter diskutieren. Ich finde es sehr aufwendig und ich habe weder Zeit noch Lust, Sachen hier zu verteidigen, die ich auch nicht gut finde. Darum geht es nämlich nicht; das Wichtige ist die Religion bzw. der Glauben, und die Ausgangsfragen haben sich auch darum gedreht. Und der widerspricht dem Wissen überhaupt nicht, ergänzt es eher.
Darum gehen deine Bemerkungen zu den Kirchenmitgliedern auch am Kern vorbei, wo sie nicht einfach herablassend und, entschuldige, intolerant sind.
rebella67 hat geschrieben:Bei den Kirchen glaube ich nicht, dass man die so verändern kann, dass sie von Grund auf gut sind, da eben schon ihr Fundament so grauenhaft ist. Würden sie sich von all ihren grausamen Lehren trennen, würde ja nicht mehr viel von ihnen übrig bleiben.
... keine sehr qualifizierte Aussage ...
rebella67 hat geschrieben: Dass es auch rationale Elemente gibt, möchte ich aber nicht abstreiten. / Unaufgeklärt, naiv und irregeführt: Ja, aber jeder nur in einem speziellen Grad. Manche Leute sind mehr aufgeklärt, andere weniger. Es gibt auch Mitglieder, die sehr wohl aufgeklärt und bestimmt nicht naiv sind. Die sind aber eher deshalb Mitglied, weil es ihnen persönliche Vorteile bringt (z.B. Menschen in sozialen Berufen in Bayern wären ohne Kirchenmitgliedschaft arbeitslos). Das „unaufgeklärt“ oder „nicht vollständig aufgeklärt“ bezieht sich hier auch nur auf das Kirchenthema. Mir ist wohl bewusst, dass es auch gläubige Mitglieder in den Kirchen gibt, die ein größeres Wissen in anderen Fachgebieten haben.
Ach so, sind zwar gescheit in allen andern Dingen, nur im Religiösen auf beiden Augen blind ?!
Oder dann schreibst du:
rebella67 hat geschrieben:Ja, es gibt auch nichtreligiöse Menschen, die in diesem Bereich einige Dinge ablehnen. Aber wir alle sind ja irgendwie religiös geprägt. Ich z.B. habe in meiner Jugendzeit auch über Schwule gespöttelt, weil es In war. Dabei war bei uns noch nicht mal jemand in der Kirche. Woher diese Verunglimpfungen kommen, weiß ich ja jetzt sehr genau.
Also das ist ja schon auch eine etwas seltsame Interpretation! Du gibst also der Kirche die Schuld, dass bei euch im Osten Deutschlands, wo ja wie du auch sagst die Erziehung nicht gerade kirchenlastig oder christlich gewesen sein soll, ihr Teenies über Schwule gespöttelt habt ?! Dicke Post. *liebernicht* Für mich ist die Erklärung da einfacher: Schwule sind eine Randgruppe (von Lesben ganz zu schweigen), über die man als Heti sehr gut herziehen kann, (umso mehr als JugendlicheR, wenn man sich der eigenen Orientierung vielleicht noch nicht so sicher ist, aber leider tun das auch noch Erwachsene ). Und wie gesagt, das ist keine Erfindung der christlichen Kirche, Homophobie gibt und gab es in unsern Breiten schon bei den Heiden (Germanen &Co. hatten drakonische Strafen dafür).

Ich möchte meine Antwort hier auch nicht ausufern lassen. Wir können uns sicher drauf einigen, was du geschrieben hast:
rebella67 hat geschrieben:Dass Menschen sich solche Fragen stellen, finde ich schon sehr o.k. Und wenn man sich redlich damit auseinander setzt, ist das auch vernünftig. Selbstverständlich sollte der Staat Richtlinien aufstellen, so dass gewährleistet ist, dass auch wirklich im Sinne des jeweiligen Menschen gehandelt wird. Anders geht´s ja auch gar nicht.
.

Es war aber eine spannende Diskussion, und ich habe plötzlich überall Dinge gesehen und gehört, die mit Religion, Glauben und Wissen und all den Zusammenhängen zu tun hatten.
Ich habe auch letzthin eine Theaterregisseurin etwas sagen hören, was auch auf Glauben passt, fand ich. Sie sagte, manchmal gehe es nicht so sehr darum, Gefühle zu begreifen, sondern mehr darum, sich ergreifen zu lassen. :klugscheiss: Stimmt aber, finde ich.

Liebe Grüsse

Mymla
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Beitrag von Mymla04 »

Hallo, nochmals ich -

Rebella, hab grade noch ein bisschen in dem einen von dir eingestellten Link gestöbert, das hier fand ich sehr interessant: http://hpd-online.de/node/1213 Interessant auch diese neue Humanismus-Bewegung. Hier könnten sich bei genügend Toleranz Christen und Atheisten durchaus finden. Fundamentalistische Ideen passen natürlich nicht hinein. So ähnlich wie dieser Christian Modehn würde ich das Verhältnis von Glauben und Denken auch sehen, ich finde das sehr gut ausgedrückt in dem Interview hier:
hpd: Was halten Sie von dem Motto: "Glaubst du noch oder denkst du schon"?
Modehn: Hinter dieser etwas saloppen Formulierung verbirgt sich ein wichtiges Problem. Ich hätte fast Lust, mit Gegenfragen zu antworten: "Kann man vom Denken her zu einer vernünftigen Form des Glaubens kommen?" "Wer nichts glaubt, denkt der das oder glaubt er das?" "Wie weit und wie tief will das Denken selbst verstanden werden, damit nicht schon der technische Verstand als Höchstform des Denkens gedacht wird?"
Aber zurück zu Ihrer Frage - Sofern diese Frage unterstellt: Religiöser Glaube ist etwas Magisches, Irrationales, Spinöses, Wundersames, Bigottes, Hinterweltlerisches, Autoritäres (z.B. Frauen und Homosexuelle Ausgrenzendes) und gar Gewalttätiges usw., dann hat dieses Motto recht: Dieser "Glaube" muss angesichts des kritischen Denkens überwunden werden. Er hat menschlich und philosophisch gesehen keinen Wert, so sehr sich ein einzelner darin subjektiv wohlfühlen mag. Aber objektiv verdient ein solcher "Glaube" alle Religionskritik!
So halte ich dieses Motto auf den ersten Blick für vernünftig, weil sich ja tatsächlich alles Tun der Menschen vor dem Denken (und damit vor dem Argument) rechtfertigen muss. Wir haben kein anderes Maß für ein vernünftiges Miteinander in einer pluralen Gesellschaft als die Vernunft - eben das Denken - die in Gesprächen immer mehr geklärt wird.
Dennoch meine ich: Das Denken selbst weist immer wieder in Bereiche, die mit naturwissenschaftlichem Verstand nicht erreicht werden. Im Denken selbst (!) zeigt sich, dass wir Menschen mehr sind als „Denken": Wir haben Emotionen, Triebe, Gefühle usw., die vom Denken gesteuert werden (können, sollten). Aber diese Emotionen, z. B. Vertrauen, haben eben auch einen eigenen Stellenwert. Darauf wollen und sollen wir nicht verzichten.
Wir "glauben" dem anderen Menschen, dass er sein Wort hält. Wir glauben dem Partner, der Partnerin, dass wir gemeinsam durchs Leben gehen wollen usw. Wir können innerlich bewegt sein von Musik, Natur, Kunst und glauben dann: Da wurde in mir eine neue Stimmung wachgerufen.
In einer solchen Erfahrung, die ich bereits Glauben nenne, wird Tiefes berührt. Manche sagen, da werden Erfahrungen gemacht, die über das Alltägliche hinausgehen. Manche sprechen vom Erstaunlichen, vom Erhabenen. Manche nennen es Göttliches, manche nennen es Gott. In diesen Erfahrungen, über die man selbstverständlich reden und deswegen auch bedenken muss, sehe ich die eigentliche und wahre Basis all dessen, was ich Glauben nennen würde. Die Konfessionen und Religionen haben der Pflege dieser individuell je verschiedenen Erfahrung des Erstaunlichen und meinetwegen Göttlichen zu dienen.
Ich sehe den Begriff Glauben in dem beschriebenen Sinne also sehr tief verbunden mit den Vollzügen menschlichen, geistigen Lebens. Ich könnte also begründet sozusagen als Alternative sagen: "Ich glaube, weil ich denke. Aber ich lasse meinen Glauben immer vom Denken kritisieren".
Weiter unten hat er dann noch etwas dazu gesagt, dass er manchmal denkt, dass so gesehen auf eine Art vielleicht auch erklärte AtheistInnen "glauben". Das meine ich auch, ohne jetzt irgend jemandem, der sich ausdrücklich als ungläubig definiert, wieder einen "Glauben" aufdrängen zu wollen :) Allgemein wird in diesem Interview um Vernunft und Toleranz geworben, was ich sehr gut finde.

Ich fand auch Modehns Antwort auf die Frage, ob er denn Christ sei, interessant. Er hat auch einige Richtungen und Personen im Christentum erwähnt, die mich auch besonders ansprechen, und über die ich auch in letzter Zeit wieder "gestolpert" bin, wie Meister Eckhart oder die Befreiungstheologen in Lateinamerika. (neben Buddismus und Islam - die Aleviten sind eine muslimische Strömung, über die ich auch schon länger gern mehr erfahren möchte.)

Da gäbe es natürlich noch viele, wie z. B. Franz von Assisi oder Teresa von Avila, die sich, wie ich gestern in einer Radiosendung zufällig gehört habe, sehr mit dem Begriff "Demut" befasst hat, im Sinn einer zentralen christlichen Grundhaltung, die nicht heisst, dass man sich klein macht, nicht vor den Herausforderungen des Lebens drückt, sondern im Gegenteil dass sich ein Mensch in Würde und Freiheit an etwas Grösseres hingeben kann. Dazu gehört Reife, Stärke und Selbstgewissheit, aber auch Dankbarkeit, Gelassenheit und Humor - T. v. Avila redet von "Wandeln in Wahrhaftigkeit", d. h. man legt Illusionen über die eigenen Möglichkeiten und Grenzen ab, was befreiend sein kann und hilft, das Leben, das man hat, gut zu leben, auch mit Lebensfreude. Diese widerspricht der Demut in diesem Sinn dann nicht. - Davon hatten wir es ja in diesem Ordner auch schon.

Und wenn wir schon bei interessanten Links sind, hier ist noch ein ziemlich theoretischer, aber ich fand doch spannender Artikel zum Thema Wissen / Glauben vom Philosophen Jürgen Habermas. Voilà:http://www.nzz.ch/2007/02/10/li/articleEVB7X.html

So, meine Predigt ist soweit abgeschlossen :wink:

Mystisch - humanistische versöhnliche Grüsse

Mymla
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo Mymla, ja, ich finde die Seite vom HPD auch sehr hilfreich und lese dort jetzt regelmäßig. Mit dem oben zitierten Artikel kann ich auch konform gehen.

Ich melde mich die Tage noch mal (auch, wenn du ja gar nicht so viel weiter diskutieren willst, weil es ja auch wirklich viel Zeit beansprucht und wir bereits viel gesagt haben). Mir fehlte auch die Zeit. Habe gerade das Kinderzimmer renoviert und verfolge gerade anderswo eine interessante Diskussion.

Bis bald!
Liebe Grüße, Rebella
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