Der liebe Gott?

Alle Fragen und Probleme, die man doch lieber anonym diskutieren möchte.
Antworten
Mymla04
Rang0
Rang0
Beiträge: 173
Registriert: 18 Okt 2006 19:05

Beitrag von Mymla04 »

Ja, gut, tu das -

LG

Mymla
rebella67
Rang5
Rang5
Beiträge: 13586
Registriert: 10 Jan 2002 01:00

Beitrag von rebella67 »

Hallo Mymla,

hier bin ich wieder. Erstmal zur italienischen Politik:

Zitat: ?Dass Katholiken und auch katholische PolitikerInnen der Kirchenlinie nicht blind folgen, sieht man ja auch beim Thema gleichgeschlechtliche Partnerschaft in genau dem Gesetzesentwurf, der u. a. von der anscheinend erklärt katholischen Politikerin Rosy Bindi mit erarbeitet wurde. Wenn der Vatikan irgendwelche Dokumente erlässt, sind das nur Aufrufe, die selbstverständlich für die Politiker keine bindende Wirkung haben.?

Ich weiß nichts über die Rolle der Politikerin Rosy Bindi bei dem Gesetzentwurf meine aber, dass die Tatsache ihres Mitwirkens auch so interpretiert werden kann, dass die Kirche da bereits von Anfang an ihre ?Gesandte? hatte, die aufpassen musste, dass der unabwendbare Gesetzentwurf den Homosexuellen nicht allzu viele Zugeständnisse zu macht. Davon mal abgesehen streite ich es aber gar nicht ab, dass Politiker auch mal eine von ihrer Kirche oder Partei abweichende Meinung haben können. Klar, die Aufrufe des Vatikans sind für die Politiker nicht bindend, aber doch sehr richtungsweisend. Wenn meine Mutter mich zu etwas auffordert, ist das für mich auch nicht bindend, aber trotzdem überleg ich es mir 3mal, ob sie nicht vielleicht doch Recht hat und neige eher dazu, dem zu folgen, als wenn die Aufforderung von einem Fremden käme. Und solche Aufrufe des Vatikans gehen eben ganz klar nicht an der Politik vorbei. Und das nicht nur nicht an der italienischen, sondern auch an der anderer Länder, die sich dem Vatikan verbunden fühlen.


Zitat: ?Die Adoption stand sowieso nicht zur Debatte, so steht es auch in dem von dir eingestellten Artikel.?

Doch, die Adoption stand zur Debatte, wurde aber abgebügelt. Das stand in einem anderen Artikel drin.


Zitat: ?Ich weiss nicht, ob sie in D für gleichgeschlechtliche Paare erlaubt ist. Glaube es aber kaum (?).?

Nein, gleichgeschlechtliche Paare können in D nicht adoptieren. Genauso, wie in vielen anderen Ländern. Du meinst doch wohl nicht, Papst und Co. beeinflussen, wenn schon, dann nur die italienische Politik. Klar, das kommt nicht nur von der Meinungsmache des Papstes. Die Ansicht vieler Menschen ist ja christlich geprägt. Selbst dann, wenn sie sich gar nicht als Christen begreifen.


Zitat: ?Du gibst also der Kirche die Schuld, dass bei euch im Osten Deutschlands, wo ja wie du auch sagst die Erziehung nicht gerade kirchenlastig oder christlich gewesen sein soll, ihr Teenies über Schwule gespöttelt habt ?!?

Fakt ist, dass unsere Werte und Ansichten nicht aus dem luftleeren Raum kommen und auch nicht im vollen Umfang schon in unseren Genen verankert sind. Vielmehr sind die ein komplexes Produkt aus allen unsere Erfahrungen und dem, was wir so gehört oder gelesen haben. Vieles nehmen wir recht unbewusst auf. Vieles ist über Generationen an uns überliefert worden. Das sieht man schon an unserer Sprache. Nachdem mir das alles bewusster wurde, musste ich sogar selbst an meiner Sprache arbeiten. Zum Beispiel sagte ich gelegentlich ?gottzeidank? für ?zum Glück?. Ich hatte noch nicht mal wahr genommen, dass dieses ?gottzeidank? von ?Gott sei Dank? abgeleitet ist, habe es aber gesagt, weil ich es schon als Kind so gelernt habe. Nie aber haben meine Eltern, die dieses Wort gebrauchten, über den Sinn dieses Begriffes mit mir gesprochen. Auch diese Redewendung: ?Der ist besessen von ?? gebrauchte ich. Selbst ?Vom Teufel besessen.? Das, wo ich nie irgendwas über Christentum gelernt habe. Jetzt, wo ich weiß, was dahinter steht, vermeide ich solche Worte, soweit es mir gelingt. Genauso verstehe ich das Spötteln über Schwule. Zwar haben wir nie was über christliche Lehren mitbekommen, aber die Verunglimpfung von Homosexuellen wurde doch Generationen von unseren Vorfahren eingetrichtert. Das wurde sozusagen mit der Muttermilch weiter gegeben. In meinem Elternhaus wurde im Prinzip nicht über so ein Thema gesprochen, aber es reichten ein paar lästernde Bemerkungen, die ich doch mal irgendwann bei meinen Eltern aufschnappte.

In der Sache hier werden wir wohl weiter aneinander vorbei reden. Zitat: ?Ach so, sind zwar gescheit in allen andern Dingen, nur im Religiösen auf beiden Augen blind ?!?

Da willste mich auch ein bisschen provozieren, nicht? Ich hatte ja bereits gesagt, dass kein Mensch alles wissen und alles verstehen kann. Nach deiner Definition müsste die ganze Menschheit auf beiden Augen blind sein. Vielleicht ist´s ja so. Dann darf man diese Redewendung aber nicht mehr als Beleidigung auffassen.

+++++++++++++++
Da du aber die Kirchendiskussion ad acta legen willst, jetzt noch zu deinem persönlichen Dilemma: ?Mir ist es schon mehr als ausreichend genug schwierig, für mich zu überlegen, zu erspüren und zu entscheiden, wie weit ich die heute möglichen Varianten für mich zu nutzen kann oder will, bzw. mit meinem Mann zusammen diese Entscheide zu finden. ? Solche Entscheidungen sind auch ganz schön schwierig und belastend. Für mich jedenfalls, wo keine eindeutige Diagnose besteht und darum der Weg auch nicht klar vorgegeben ist. - Darum bezweifle ich auch ziemlich, dass es gut wäre, zu viele Entscheidungen den einzelnen Elternpaaren zu überlassen.?

Dass das für dich eine Belastung ist, verstehe ich gut. Gerade dann, wenn die Diagnose nicht eindeutig ist. Nur, wäre dir und den anderen ungewollt kinderlosen Paaren wirklich damit geholfen, wenn es weniger Möglichkeiten gäbe? Angenommen, es gäbe nur zwei Verfahren, die erlaubt sind und es stellt sich heraus, gerade in euerm Fall wäre ein drittes Verfahren angebracht, das aber nicht erlaubt ist. Wo ist da der Nutzen für euch? - Und wo ist der Nutzen für andere Paare mit klarer Diagnose, denen die beiden erlaubten Verfahren auch nichts nützen?

Nein, ich bin der Auffassung, JEDEM Paar, dem nach dem heutigen Stand der Wissenschaft geholfen werden kann, sollte die Behandlungsform erlaubt sein, die in dem jeweiligen Fall angemessen ist. In vielen Fällen sind das mehrere Behandlungsformen. Aber dann ist es doch schön, wenn das Paar anhand seiner eigenen Moral noch eine Wahlmöglichkeit hat. Gleichzeitig bin ich aber auch der Auffassung, dass jedes Paar sehr genau über seine Möglichkeiten, die Vorteile und die Risiken bzw. Nachteile aufgeklärt werden sollte. Denn nur dann ist eine wirklich freie Entscheidung möglich.

Im Prinzip kann ich deine Aussage, dass solche Entscheidungen auch schwierig und belastend sein können, noch mit einem Beispiel untermauern (ein bisschen Wasser in deine Mühle kippen). Wir haben ja unsere Söhne aus Behandlung mit Spendersamen. Damals durften wir in keiner Weise an der Spenderauswahl beteiligt sein. Wir fanden das irgendwie nicht so schön, fügten uns aber, da wir froh waren, überhaupt Hilfe zu erhalten. Blieb uns ja auch wirklich nichts anderes übrig. Heute ist es in einigen Praxen möglich, anhand einer Liste mit bestimmten Merkmalen wie Haarfarbe, Augenfarbe, Beruf, Hobbys, ? zu wählen. Und da haben mir schon Frauen geschrieben, dass das urigst schwer war, sich da zu entscheiden. Denn in den meisten Fällen passte keiner so richtig. Irgendwie bin ich jetzt ganz froh darüber, dass wir damals nicht wählen mussten. Ich habe auch gelernt, dass der Spender im Prinzip völlig Wurscht ist. Das, was am Ende bei raus kommt, das Kind, wird so und so immer geliebt. Trotzdem würde ich jetzt nicht sagen wollen, die Spenderauswahlmöglichkeit muss wieder abgeschafft werden. Es beruhigt die ohnehin schon gebeutelten Paare, dass sie mitentscheiden können und das ist gut so. Wer hat das Recht, sich anzumaßen, anderen etwas zu verbieten, was sie ganz freiwillig tun wollen und wo auch kein Dritter bei zu Schaden kommt? Keiner!

Ich wünsche dir und deinem Mann jedenfalls, dass ihr nicht mehr lange rumorakeln müsst, sondern dass es bald ein Resultat eurer Bemühungen um ein Wunschkind gibt.
Liebe Grüße, Rebella
------------------------------------------
Mymla04
Rang0
Rang0
Beiträge: 173
Registriert: 18 Okt 2006 19:05

Beitrag von Mymla04 »

Hallo Rebella

erst mal: 8) Na klar wollte ich dich ein wenig provozieren! Um dich herauszufordern, um zu versuchen ob ich dich die Sachen auch ein wenig von andern Seiten sehen lassen kann. Nämlich so, dass du nicht ganz ausschliessen würdest, dass auch "religiöse" und sogar "christliche" Ansichten teilweise ihr Gutes haben könnten und durchaus zum Teil sehr vernünftig sein können ... Ob mir das gelungen ist, weiss ich nicht so recht. Jedenfalls find ich es trotz oder gerade wegen unserer verschiedenen Ansichten interessant, mit dir zu diskutieren. Ich muss mir meinen eigenen Standpunkt dabei klarer machen, was gut ist.

Tsja, du meintest
In der Sache hier werden wir wohl weiter aneinander vorbei reden.
So allgemein befürchte ich das auch. Man müsste schon konkreter über einzelne Punkte diskutieren. - Na, wir können ja beide hoffen, dass die andere ihre Irrtümer dann mit der Zeit und Altersweisheit schon noch mal einsehen wird :D

Ich geh trotzdem nochmals auf Sachen ein, die du geschrieben hast. Es juckt mich einfach ...

Z. B.
Ich hatte noch nicht mal wahr genommen, dass dieses ?gottzeidank? von ?Gott sei Dank? abgeleitet ist, habe es aber gesagt, weil ich es schon als Kind so gelernt habe.
Das hattest du im Ernst nicht gewusst? Find ich ja verblüffend.

Nochmals zur "Einmischung" der Kirche in die Politik:
rebella67 hat geschrieben:Klar, die Aufrufe des Vatikans sind für die Politiker nicht bindend, aber doch sehr richtungsweisend. Wenn meine Mutter mich zu etwas auffordert, ist das für mich auch nicht bindend, aber trotzdem überleg ich es mir 3mal, ob sie nicht vielleicht doch Recht hat und neige eher dazu, dem zu folgen, als wenn die Aufforderung von einem Fremden käme.
Das hast du schön gesagt, und da hast du natürlich total Recht. Und ich gebe dir auch darin Recht, dass das sehr belastend sein kann. Gerade wenn man einfach spürt und merkt, dass der eigene Weg nicht dort durchführt, wo diese Autorität (Mutter, Kirche, ...) den Wegweiser aufgestellt hat. Manche solchen Wegweiser sind sicher auch falsch, aber nicht alle.
rebella67 hat geschrieben: Und solche Aufrufe des Vatikans gehen eben ganz klar nicht an der Politik vorbei.
Nein, das ist klar. (Wie gesagt, aus meiner Ansicht ist ihre Absicht, sich ins Leben einmischen zu wollen, auch berechtigt. In was sollten sie sich denn sonst einmischen? Ob man das im Einzelnen gut findet oder nicht, steht wieder auf andern Blättern. Da wäre ich sicher in vielem mit dir einig. Aber nicht in allem.)
Aber ich würde das politische Gewicht der Kirchen nicht überbewerten. Du schätzt die kirchlichen Beiträge ja auch vom Inhalt oder sagen wir vom Vernunftgehalt her anders ein als ich und findest die Versuche von kirchennahen Kreisen, Einfluss zu nehmen, darum auch schlimmer.
rebella67 hat geschrieben:Die Ansicht vieler Menschen ist ja christlich geprägt. Selbst dann, wenn sie sich gar nicht als Christen begreifen.
Ja, da hast du sicher auch Recht. Nur glaube ich auch, dass du hier eben übertreibst, wenn du ALLE reaktionären oder sonstwie von dir aus gesehen verwerflichen menschlichen Eigenschaften und Einstellungen hier im Westen auf die Beeinflussung durchs Christentum zurückführst.
rebella67 hat geschrieben:Fakt ist, dass unsere Werte und Ansichten nicht aus dem luftleeren Raum kommen und auch nicht im vollen Umfang schon in unseren Genen verankert sind. Vielmehr sind die ein komplexes Produkt aus allen unsere Erfahrungen und dem, was wir so gehört oder gelesen haben. Vieles nehmen wir recht unbewusst auf. Vieles ist über Generationen an uns überliefert worden.
Ja, sicher. Aber nicht alle unsere übernommenen Werte und Ansichten kommen aus dem Christentum, und das Christentum ist auch nicht aus dem luftleeren Raum entstanden, sondern es hat viele moralische Überzeugungen, gesellschaftliche Regeln usw. übernommen bzw. teilweise auch verändert, meiner Ansicht nach eher zum Guten im Grossen und Ganzen, aber auch da müsste man genauer hinsehen. Homophobie ist jedenfalls keine christliche "Erfindung". Auch wenn sie heute teilweise von den christlichen Kirchen mit Vorliebe noch gerechtfertigt und geschürt wird, was ich ganz und gar nicht gutheisse. Viele Kirchenmitglieder und auch Pfarrer zum Glück auch nicht mehr.
Und darum finde ich den Ansatz einfach sachlich falsch, wenn du schreibst
rebella67 hat geschrieben:Zwar haben wir nie was über christliche Lehren mitbekommen, aber die Verunglimpfung von Homosexuellen wurde doch Generationen von unseren Vorfahren eingetrichtert. Das wurde sozusagen mit der Muttermilch weiter gegeben. In meinem Elternhaus wurde im Prinzip nicht über so ein Thema gesprochen, aber es reichten ein paar lästernde Bemerkungen, die ich doch mal irgendwann bei meinen Eltern aufschnappte.
und das dann automatisch den christlichen Kirchen anlastest. Natürlich haben diese dabei teilweise mit ins homophobe Horn gestossen. Aber der Hass auf Menschen, die anders sind, ist etwas leider ganz allgemein Menschliches. Der ist bei Atheisten oder Menschen welcher Couleur oder Religion auch immer bestimmt genauso verbreitet. DAS wollte ich nur sagen.

Ich glaube nicht, dass alle Menschen auf beiden Augen blind sind, aber blinde Flecken haben wir wohl so ziemlich alle. Die Einstellungen können sich auch sehr ändern. Ich mag einfach keine pauschalen, schnellen Urteile, und Schubladendenken ist mir unsympathisch, ob es nun von Seiten der Kirchen kommt (wenn Leute dort z. B. finden "Homosexualität ist des Teufels") oder ob es von atheistischer Seite kommt (wenn Leute dort z. B. finden "Die Kirchen sind NUR rückständig und schädlich"). Beide Sichten sind mir viel zu eng. Und mir scheint, dass momentan auf beiden Seiten ziemlich viel polemisiert wird; es gibt zunehmenden Fundamentalismus auf religiöser Seite, es ist aber auch en vogue in manchen Kreisen, gerade in relativ intellektuellen, scheint mir (?), sich abfällig über einerseits religiöse Weltsichten und anderseits über Haltungen zu äussern, die kritisch sind gegenüber gewissen neuen Entwicklungen, z. B. in der Repromedizin, um die es ja hier hauptsächlich geht.

Versteh mich nicht falsch: Ich habe ganz und gar nichts dagegen, wenn man sich engagiert und alte Zöpfe abschneiden und Vorurteile abbauen will! Ich finde es sicher gut und bewundernswert, wenn Leute für ihre Anliegen kämpfen. Man sollte nur massvoll bleiben und genau hinschauen, was eben sinnvoll ist und wo man auch dafür kämpfen sollte, wenn man es kann, und wo es sinnvoller ist, die Energie anders einzusetzen.


+++++++++++++++
Darum jetzt zu meinem persönlichen Dilemma. Dieses haben bestimmt noch sehr viele andere. Und da bin ich eben ziemlich sicher, dass wir nicht die einzigen sind, die in dieser Zwickmühle nicht immer nur glücklich sind über die vielen Optionen:
Was man machen können soll ist das eine, was man davon dann auch nutzen will (bzw. "muss") das andere Problem. Das sind schon Kernfragen bei dem Ganzen. Ich bin da auch nicht für schnelle, einfache Antworten.

Du fragst so:
rebella67 hat geschrieben:Nur, wäre dir und den anderen ungewollt kinderlosen Paaren wirklich damit geholfen, wenn es weniger Möglichkeiten gäbe? Angenommen, es gäbe nur zwei Verfahren, die erlaubt sind und es stellt sich heraus, gerade in euerm Fall wäre ein drittes Verfahren angebracht, das aber nicht erlaubt ist. Wo ist da der Nutzen für euch? - Und wo ist der Nutzen für andere Paare mit klarer Diagnose, denen die beiden erlaubten Verfahren auch nichts nützen?
Da kann ich jetzt nur sagen "es kommt halt drauf an". Wenn ich die unerlaubten Verfahren für ethisch nicht vertretbar hielte, dann möchte ich sie auch nicht erlaubt wissen und würde sie auch nicht nutzen wollen. Das ist natürlich eine heikle Aussage, und sie ist sehr theoretisch.

Der Stand der Wissenschaft, d. h. dass alles theoretisch bzw. praktisch Mögliche, Machbare auch erstrebenswert ist und man es erlauben sollte, nein, das ist das falsche Argument, finde ich. Um es drastisch auszudrücken: Atombomben sind auch eine wissenschaftliche Errungenschaft. Gut, da ist die allgemeine Übereinstimmung, dass sie nicht genutzt werden sollte, sicher grösser und einfacher. Aber man könnte auch sagen "wenn es etwas nützt bzw. Schlimmeres verhütet ..." Ja, ok, das ist jetzt vielleicht etwas daneben, ein sehr drastisches Beispiel. Zudem geht es da um die Auslöschung von Leben, bei der Repromedizin hauptsächlich ums Gegenteil. Es gibt aber schon eindeutig Techniken, die ich nicht nutzen möchte. Zum Teil auch erst, nachdem ich mehr darüber weiss. Z. B. Eizellspende: Spontan fand ich das grenzfällig, ohne mir aber ein gut überlegtes Urteil dazu gemacht zu haben. Wenn es jetzt meine einzige Chance für ein Kind wäre, - wer weiss, wie meine Einstellung dazu wäre? Nachdem ich mich aber etwas informiert habe (seit das Thema aktuell ist, interessiere ich mich - wie du - für alles Mögliche in dem Zusammenhang, nicht nur grade was mich selber betrifft ), finde ich, dass die problematischen Begleiterscheinungen dieses Behandlungsverfahrens überwiegen (das bekannte Argument, wenn Samenspende erlaubt sei, sei es diskriminierend, wenn die Eispende nicht auch erlaubt sei, finde ich absurd. Ich finde das wirklich nicht mit einer Samenspende vergleichbar - daran stirbt z. B. immerhin selten jemand, oder hat gesundheitliche Schäden danach... ) und ich möchte ich das wirklich auf keinen Fall nutzen. So gesehen wäre ich dann durchaus auch froh, wenn mir diese Möglichkeit gar nicht offen stünde.

Wenn also die Eizellspende das dritte Verfahren wäre, das als einziges bei uns "angebracht" wäre, dann, so hart es klingt, müsste ich mich eben damit abfinden, kinderlos zu bleiben, bzw. mich definitiv auf das vierte mögliche "Verfahren" Adoption einstellen.

Das ist jetzt noch eine einigermassen einfache Entscheidung für mich (ok, sie drängt sich auch nicht auf, und mir ist bewusst, dass man einiges in Betracht zieht, wenn es "die letzte Chance" scheint). Bei einigen andern Entscheidungen würde ich es mir weniger leicht machen. - Es ist natürlich so, dass die Paare wählen, was sie machen, nach "ihrer" jeweiligen Moral. Aber in einem Staat müssen zwangsläufig die Leitplanken so gesetzt sein, dass auch alle erlaubten Optionen ethisch vertretbar sind, so weit man das abschätzen kann mit Einfühlung und Studien und gesundem Menschenverstand. Für diese Rahmenbedingungen, sprich Gesetze, braucht es eine gemeinsame Moral. Und da sind die Ansichten halt verschieden und man muss sich einigen.
rebella67 hat geschrieben:Gleichzeitig bin ich aber auch der Auffassung, dass jedes Paar sehr genau über seine Möglichkeiten, die Vorteile und die Risiken bzw. Nachteile aufgeklärt werden sollte. Denn nur dann ist eine wirklich freie Entscheidung möglich.
Ja klar, dieser Auffassung bin ich auch - das wäre der Idealfall. Nur, selbst in diesem Idealfall ist eine wirklich freie Entscheidung sehr schwierig. Man lässt sich doch immer von Wünschen, Vorstellungen, Ängsten leiten und verdrängt bestimmt auch gewisse Risiken und Nachteile, wenn der Kinderwunsch gross ist. Und ich weiss, dass er das sein kann.

Wegen HI bringst du ein schönes Beispiel (mit dem Wasser für meine Mühle, dass viele Wahlmöglichkeiten schwierig sein können (-: ) Also ehrlich gesagt, ich habe auch schon mit dem Gedanken von HI gespielt. Teilweise ist mir diese Vorstellung in meinem verschrobenen Kopf :wink: nämlich fast noch angenehmer als beispielweise eine ICSI. Ich kann mir also auch denken, dass die Wahl zwischen all den Kandidaten schwierig sein kann, wenn man sie denn hat - selber würde ich diese Infos aber im Fall des Falles wohl auch eher sehen wollen. Ich bin aber im Moment auch von dieser Idee HI ziemlich abgekommen - ohne das jetzt andern verbieten zu wollen. Aber ich finde, zu einfach kann man es sich nicht machen (ok, kann mir eigentlich auch nicht vorstellen, dass sich jemand eine solche Entscheidung einfach macht).
rebella67 hat geschrieben:Wer hat das Recht, sich anzumaßen, anderen etwas zu verbieten, was sie ganz freiwillig tun wollen und wo auch kein Dritter bei zu Schaden kommt? Keiner!
Wenn du es so ausdrückst, kann dir niemand widersprechen. Nur: "ganz freiwillig", na ja, ich finde da gibt es schon grosse Zwänge, etwas zu unternehmen, wenn man es schon kann. Nur schon wenn sich beide einig sind - geschweige denn, wenn der eine Teil etwas unternehmen möchte, der andere eher nicht ... da kann sich der eine Teil auch zu etwas nicht ganz "freiwillig" gedrängt fühlen. Und: "wo kein Dritter zu Schaden kommt" - einverstanden (z. B. was Leute in gegenseitigem Einverständnis zu Hause in ihrem Bett machen, da hat sich kein Staat einzumischen). Aber man darf nicht ganz vergessen, dass bei alldem, wenns klappt, immer auch noch jemand "Drittes", nämlich ein Kind, im Spiel ist, das nichts zu seiner Entstehung sagen kann. Bei HI ist auch noch jemand Viertes beteiligt, der schliesslich der biologische Vater wird. Dass der so gaaanz wurst ist - das könnte ich so nicht unterschreiben, ich meine, er ist ein abwesender zusätzlicher "Vater", schon ein bisschen vergleichbar mit dem leiblichen Vater eines Adoptivkinds, jetzt vom Kind aus gesehen. Und auch für die beiden beteiligten Eltern könnte der Spender irgendwann und irgendwie eine Rolle spielen. Ich würde mich jedenfalls bestimmt mal fragen, was der Vater meines Kindes eigentlich für ein Mensch ist. Und für den beteiligten Mann, der mit Hilfe eines andern Mannes Vater wird, stell ich es mir auch nicht in jedem Fall ganz problemlos vor.
rebella67 hat geschrieben:Das, was am Ende bei raus kommt, das Kind, wird so und so immer geliebt.
Ja, das glaub ich dir.

So, es tut mir also wirklich Leid, dass das wieder so ausgeufert ist. Es ist kein Thema, das ich sehr einfach zusammenfassen kann. Jonu.

Liebe Grüsse und vielen Dank für deine guten Wünsche!

Mymla
rebella67
Rang5
Rang5
Beiträge: 13586
Registriert: 10 Jan 2002 01:00

Beitrag von rebella67 »

Hallo Mymla,

so, jetzt habe ich dich wieder so lange warten lassen. Wir sind hier voll am Renovieren und das braucht soooo viel Zeit ?


Diese Frage von dir (es ging hier um den Vatikan) finde ich ja echt putzig: ?? aus meiner Ansicht ist ihre Absicht, sich ins Leben einmischen zu wollen, auch berechtigt. In was sollten sie sich denn sonst einmischen??
Tja, in was sollte man sich sonst einmischen? Am besten nur in die eigenen Angelegenheiten! Was würdest du sagen, wenn sich andere Länder in die innerstaatlichen Angelegenheiten unseres Landes einmischen? Was würdest du sagen, wenn eure Nachbarn kommen und euch vorschreiben wollen, wofür ihr euer Geld ausgeben sollt?


Zitat: ?Aber nicht alle unsere übernommenen Werte und Ansichten kommen aus dem Christentum, und das Christentum ist auch nicht aus dem luftleeren Raum entstanden, sondern es hat viele moralische Überzeugungen, gesellschaftliche Regeln usw. übernommen?

Ja, ist richtig. Es gab auch schon in vorchristlicher Zeit Gewalt und Unterdrückung bestimmter Gruppen. Aber das ist lange her und das Christentum waltet nun schon seit 2.000 Jahren. Maßgebend ist ja, dass bestimmte Formen von Gewalt und Unterdrückung weiter geführt und teils noch verschlimmert wurden. Was offiziell nicht weitergeführt wurde, konnte über so lange Zeit gar nicht vom Volk überliefert werden und die Menschheit wüsste auch gar nichts mehr darüber, wenn es nicht doch irgendwo noch Aufzeichnungen oder Indizien über das Leben der damaligen Menschen gäbe. Also ist Homophobie zwar keine christliche Erfindung, wurde aber vom Christentum weiter geführt und in teils sehr grausamen Formen diesem Ausdruck verliehen. Und bis heute wurde von offizieller Seite dieser Ablehnung kein Ende gesetzt, auch wenn es Kirchenangehörige geben mag, die das ganz persönlich nicht mittragen können. Und das ist, finde ich, entscheidend. Die heute lebenden Menschen können nicht für das Handeln der Menschen in früheren Jahrhunderten verantwortlich gemacht werden. Entscheidend ist die heutige Ansicht und Handlungsweise. Und die ist eben in den christlichen Kirchen immer noch bestimmten Menschengruppen gegenüber diskriminierend.


Zitat: Aber der Hass auf Menschen, die anders sind, ist etwas leider ganz allgemein Menschliches. Der ist bei Atheisten oder Menschen welcher Couleur oder Religion auch immer bestimmt genauso verbreitet. DAS wollte ich nur sagen.

Und das sehe ich nicht so. Warum sollte ich Menschen hassen, nur, weil sie anders sind? Schau mal auf Kinder. Die kennen auch keinen Hass auf welche, die anders sind. Zumindest so lange nicht, bis sie es von den Erwachsenen gelernt haben. Der Hass auf Andersdenkende ist insbesondere festgeschrieben in der Bibel. Gut, diese ist ein Abbild des Denkens der Menschen der damaligen Zeit und es gab auch schon in Zeiten vorher Auseinandersetzungen der Menschen, weil manche anders waren. Aber nirgendwo wird meines Wissens dieser Hass so grausam festgehalten und geschürt, wie in der Bibel. Menschen, die anders sind, hatten es - zugegeben - in vergangenen Jahrhunderten noch schlechter. Und erst jetzt, parallel mit immerhin eingeschränkter christlicher Macht, geht es ihnen zumindest besser.


Zitat: ? Ich mag einfach keine pauschalen, schnellen Urteile, und Schubladendenken ist mir unsympathisch, ?.?
Mir auch. Und ich sehe mich auch nicht als Schubladendenkerin, denn ich weiß ja wohl zwischen den Menschen zu unterscheiden. Die Kirche ist für mich das Eine, die Menschen sind das Andere. Zwischen den Menschen kann ich differenzieren, denn ein großer Teil der in der Kirche wirkenden Menschen stimmt in den persönlichen Ansichten nicht 100% mit der Kirche überein.

Zitat: ?es ist aber auch en vogue in manchen Kreisen, gerade in relativ intellektuellen, scheint mir (?), sich abfällig über einerseits religiöse Weltsichten und anderseits über Haltungen zu äußern, die kritisch sind gegenüber gewissen neuen Entwicklungen, z. B. in der Repromedizin, um die es ja hier hauptsächlich geht.
Warum andererseits? Ich sehe beides auf der gleichen Seite. Religiöse Weltsichten bedingen geradezu kritische Haltungen gegenüber neuen Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin.

Zitat: ?Ich finde es sicher gut und bewundernswert, wenn Leute für ihre Anliegen kämpfen. Man sollte nur massvoll bleiben und genau hinschauen, was eben sinnvoll ist und wo man auch dafür kämpfen sollte, wenn man es kann, und wo es sinnvoller ist, die Energie anders einzusetzen.
Ja, was nun sinnvoller ist, das darf doch jeder ganz individuell sehen. Ich betrachte einen Einsatz für ungewollt Kinderlose durchaus für sinnvoll. Und warum sollte ich maßvoll bleiben? Damit mich nur keiner hört? Erreichen kann man doch eigentlich nur was, wenn man mal über das allgemeine Maß hinausgeht.

+++++++++++++++
Zur persönlicheren Seite:

Zitat: ?Wenn ich die unerlaubten Verfahren für ethisch nicht vertretbar hielte, dann möchte ich sie auch nicht erlaubt wissen und würde sie auch nicht nutzen wollen. Das ist natürlich eine heikle Aussage, und sie ist sehr theoretisch.?

Du hältst das doch aber insbesondere für dich nicht vertretbar. Warum sollen dann auch alle anderen Menschen das für nicht vertretbar halten? Warum sollen nur deshalb, weil du z.B. die Eizellspende für nicht vertretbar hältst, Paare auf ihr Wunschkind verzichten und z.B. Spenderinnen, die ganz aufgeklärt sind und ganz freiwillig spenden möchten, daran gehindert werden?

Nun, ich finde die Eizellspende auch grenzfällig und ich würde für mich selber lieber die Embryonenspende nutzen. Aber der Mann hat ja auch seine Gefühle dabei. Und wenn der fortpflanzungsfähig ist, finde ich es legitim, dass er sich eher die Eizellspende wünscht. Und wenn dann auch eine ganz freiwillige Spenderin da ist. Ja, warum nicht? Nein, die Begleiterscheinungen dieses Verfahrens sind nicht so hoch, dass man Eizellspende unbedingt verbieten muss. Sie sind es vielleicht in einigen ärmeren Ländern, in denen die Reprokliniken unsauber arbeiten und den Frauen wenig Geld geben (was für die viel und oft existenzbedeutend ist) und die Frauen auch nicht über das Verfahren ausreichend aufklären. Aber gerade diese bedenkliche Abschiebung in ärmere Länder könnte verhindert werden, wenn es in Deutschland legal wäre. Ich habe gerade Studien über Amerika gelesen. Danach bekommt nur ein geringer Prozentsatz der dortigen Spenderinnen viel Kohle dafür. Die meisten erhalten nur eine sehr geringe Aufwandsentschädigung. Größtenteils stammen die Spenderinnen aus dem persönlichen Umfeld der Betroffenen. Hast du dir schon mal überlegt, dass es vielleicht Frauen gibt, die zwar keine Kinder groß ziehen möchten, aber es trotzdem ganz gut finden, sich reproduziert zu wissen. Ja, welche Gewissensbisse sollte ich solchen Frauen gegenüber haben? Das ist doch dann eine Sache, die sich für alle Beteiligten lohnt.


Zitat: ?So gesehen wäre ich dann durchaus auch froh, wenn mir diese Möglichkeit gar nicht offen stünde.?
Aber welcher Egoismus steht dahinter? Nur, damit du nicht zweifeln musst und gründlich überlegen, welches Verfahren das Beste ist, sollen andere Menschen an ihrer Fortpflanzung gehindert werden?


Zitat: ?Nur, selbst in diesem Idealfall ist eine wirklich freie Entscheidung sehr schwierig. Man lässt sich doch immer von Wünschen, Vorstellungen, Ängsten leiten und verdrängt bestimmt auch gewisse Risiken und Nachteile, wenn der Kinderwunsch groß ist.?
Ja, das ist richtig. Aber es ist trotzdem die freie Entscheidung. Ich hätte zum Beispiel nie im Leben Hormone genommen, habe es aber dann doch für das Wunschkind. Und ich war bereit dazu, auch wenn ich mit großer Wahrscheinlichkeit daraus folgend dauerhaft eine körperliche Einschränkung hätte hinnehmen müssen. Ich hatte z.B. eine Riesenangst vor der OP und sagte mir dann, selbst, wenn ich wüsste, mir fällt dabei ein Bein ab, würde ich das tun. Klingt drastisch, aber die Lebensqualität mit Kind und ohne Bein war für mich höher als die mit Bein und ohne Kind. Meine selbst bestimmte Entscheidung. Warum müssen mich andere mit Verboten davor bewahren?



Zitat: ?Aber man darf nicht ganz vergessen, dass bei alldem, wenn´s klappt, immer auch noch jemand "Drittes", nämlich ein Kind, im Spiel ist, das nichts zu seiner Entstehung sagen kann. Bei HI ist auch noch jemand Viertes beteiligt, der schliesslich der biologische Vater wird.?
Ja, o.k., von der Seite des Kindes ist zu sagen, dass es ohne die HI gar nicht da wäre. Und ob das so in seinem Sinne sein kann? Und von der Seite des Spenders ist zu sagen, dass der auch ganz freiwillig gespendet hat. Ich würde auch großen Wert drauf legen, dass da wirklich Freiwilligkeit hinter steht und nicht etwa Spermien von einem Mann eingesetzt würden, der nur mal was für eine Untersuchung abgeliefert hat. Aber das ist ja auch nicht der Fall. Also, wen soll ich jetzt als Opfer bemitleiden?


Zitat: ?Ich würde mich jedenfalls bestimmt mal fragen, was der Vater meines Kindes eigentlich für ein Mensch ist. Und für den beteiligten Mann, der mit Hilfe eines andern Mannes Vater wird, stell ich es mir auch nicht in jedem Fall ganz problemlos vor.?
Nun, das Wort Vater halte ich in dem Zusammenhang für unangebracht. Aber du meinst sicher den Erzeuger. Tja, fragen kann ich mich das ja. Ein bisschen spannend wäre es wohl auch. Aber ich kann sehr gut ohne dieses Wissen leben. Im Prinzip ist es auch besser so, es nicht zu wissen.
Für sie sozialen Väter gilt das Gleiche, wie oben schon gesagt. Sie waren ganz freiwillig einverstanden damit. Sie haben sogar in den meisten Fällen einen Notarvertrag unterschrieben, der sie auch in alle Pflichten eines Vaters bringt. Unsere Männer haben meist eine Phase, in der sie sich nicht sicher, teilweise auch ablehnend sind und mit der Frage auseinander setzen müssen. Ich kenne auch einige, die sich wirklich schwer getan haben. Aber fast immer stehen sie dann irgendwann voll dahinter. Und die Frauen schreiben im Forum immer wieder ganz richtig: ?Wenn der Mann nicht 100% hinter der HI steht, sollte man es lassen.? Ich hätte es auch nicht ohne den Willen meines Mannes getan. Ist also nicht der Fall und ebenfalls kein Grund für ein Verbot.

Liebe Grüße, Rebella
Liebe Grüße, Rebella
------------------------------------------
Mymla04
Rang0
Rang0
Beiträge: 173
Registriert: 18 Okt 2006 19:05

Beitrag von Mymla04 »

Hallo Rebella
Renoviert ihr euer Haus? oder eure Wohnung? Ja, das braucht Zeit. Macht aber bestimmt auch Spass, oder?

Ich finde es interessant, wie wir jetzt von diesen grundlegenden religiösen Fragen am Anfang dieses Ordners bei den grundlegenden Repromedizin-Fragen gelandet sind. Die können wir hier nicht erschöpfend diskutieren, aber ich finde, es gibt schon Zusammenhänge, es ist kein Zufall, dass wir hier gelandet sind.

Nochmals kurz zur HI:
rebella67 hat geschrieben:Nun, das Wort Vater halte ich in dem Zusammenhang für unangebracht. Aber du meinst sicher den Erzeuger.
Ja, das ist in dem Fall sicher die bessere Bezeichnung. Und: "Wenn der Mann nicht 100% hinter der HI steht, sollte man es lassen." Ja, das ist garantiert so. Nur denke ich eben, dass der Leidensdruck auch dazu führen könnte, Sachen zuzustimmen, die man nicht wirklich will. Trotz alldem wäre ich auch nicht dafür, die Samenspende wieder zu verbieten! Und ich missbillige auch nicht, wenn jemand dies macht (spenden oder annehmen), wie ihr. Ich habe ja selber schon mit dem Gedanken gespielt.
Aber das ist ja wohl kein Argument:
rebella67 hat geschrieben:Ja, o.k., von der Seite des Kindes ist zu sagen, dass es ohne die HI gar nicht da wäre. Und ob das so in seinem Sinne sein kann?
Das hiesse dann ja Existenz um jeden Preis ist besser als keine. Es täte dem Kind ja nicht direkt weh, wenn es nicht gezeugt worden wäre. Aber das finde ich eine absurde Diskussion. Die Frage ist doch, wie es dem lebendigen Kind geht. Und ich finde es besser, wenn das weiss, dass da noch ein Erzeuger ist.

Zu Toleranz/Intoleranz: Ich hatte oben geschrieben:
Der Hass auf Menschen, die anders sind, ist etwas leider ganz allgemein Menschliches.
Und du hast drauf geantwortet:
Und das sehe ich nicht so. Warum sollte ich Menschen hassen, nur, weil sie anders sind? Schau mal auf Kinder. Die kennen auch keinen Hass auf welche, die anders sind. Zumindest so lange nicht, bis sie es von den Erwachsenen gelernt haben.
Hm. Ich bin nicht sicher, was zuerst da war, die Menschen oder der Hass. Ich kenne auch die Idee der unverdorbenen Kinder, bin aber schon nicht so sicher, ob das nicht etwas eine Idealisierung ist. Zum Teil hast du sicher Recht, dass Kinder Intoleranz von Erwachsenen abschauen. Ich glaube aber, Kinder sind manchmal auch ganz von sich aus sehr grausam, und ich meine, sie müssen auch Rücksicht und Anteilnahme lernen, die ist nicht automatisch da. - Es ist aber schwierig zu sagen, welches grausame Verhalten wo seinen Ursprung hat. Mir ist der Gedanke, den du anscheinend etwas hast, aber zu simpel, dass alles Böse ohne das Christentum nicht da wäre.
Warum solltest du jemanden hassen? Finde ich auch eine putzige Frage (-: Du solltest natürlich nicht, und wenn du alle liebst, sogar auch deine Feinde, lebst du sehr nach christlichen Prinzipien. Aber dann bist du wohl eine Heilige. - Ich glaube hingegen ganz einfach, dass es leider menschlich ist, andere klein zu machen, um sich selber grösser zu fühlen. Das ist ganz religionsunabhängig so.
Und dass es uns allen, auch Minderheiten inbegriffen, immer besser geht, je weniger christlichen - oder überhaupt religiösen - Einfluss wir in der Gesellschaft spüren, da würde ich mal daran zweifeln. Aber das ist wohl Glaubenssache (-:
rebella67 hat geschrieben: Diese Frage von dir (es ging hier um den Vatikan) finde ich ja echt putzig: ?? aus meiner Ansicht ist ihre Absicht, sich ins Leben einmischen zu wollen, auch berechtigt. In was sollten sie sich denn sonst einmischen??
Tja, in was sollte man sich sonst einmischen? Am besten nur in die eigenen Angelegenheiten!
Also unsere Nachbarn werden uns kaum vorschreiben wollen, wofür wir unser Geld ausgeben sollen. Solange wir es nicht für illegale Dinge ausgeben. Wenn wir das allerdings täten, fände ich es ein Zeichen von Zivilcourage, wenn sie sich einmischen würden.
Zu dieser Meinung von mir kann ich auch noch sagen, dass das alte feministische Motto für mich immer noch stimmt, dass das Persönliche politisch ist und umgekehrt.

Deine Haltung so allgemein geht wohl in die Richtung: Alle Einzelnen sollen machen, was sie für richtig halten. Solange sie sonst niemandem schaden. Tsja, das klingt einfach. Etwas zu einfach für meinen Geschmack. Ich versuche noch etwas zu erklären, warum.

Du setzt dich ja selber auch für deine Überzeugungen ein und versuchst politisch Einfluss zu nehmen. Also mischst du dich ja im Prinzip auch in fremde Angelegenheiten ein. Aus deiner Sicht natürlich nur positiv, aber das ist bei andern Sichten auch so. Es kommt eben auf den Standpunkt an.

Ich habe grade das Buch von Martin Spiewak gelesen "Wie weit gehen wir für ein Kind?" Ich weiss nicht, ob du es kennst. Ich lasse hier einen kleinen Werbespot dafür ab. Er kann einiges klar ausdrücken, was ich nicht so schnell könnte. Das Buch ist sehr differenziert und objektiv geschrieben, Spiewak verteufelt die Repromedizin nicht pauschal, ist aber auch kritisch. Ich kann es jedenfalls allen sehr empfehlen!

Mir scheint, die Amis haben in Sachen Freiheit zur eigenen Entscheidung hier eine ähnliche Haltung wie du: Bei der Fortpflanzung soll sich niemand in fremde Angelegenheiten einmischen. Es gibt das Prinzip von "reproductive freedom", also Fortpflanzungs-Freiheit. Martin Spiewak beschreibt das so:
Während amerikanische Fertilitätsforscher kaum Beschränkungen kennen,
regulieren zum Glück Gesetze und Vorschriften die Arbeit in hiesigen Laboren. Das Konzept der so genannten reproduktiven Freiheit (s.oben) ist in Deutschland nicht verbreitet.
Und in CH und A auch (noch) nicht, zum Glück. Weiter Spiewak:
Dieses quasi Grundrecht eines Menschen, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu vermehren, rechtfertigt in den USA den Einsatz jeder neuen Technik, um zu Nachwuchs zu kommen. Einer der Cheftheoretiker des Konzepts, der Bioethiker und Jurist John A. Robertson, umreisst sein Credo so: "Der beste Weg, mit den neuen reprogenetischen Methoden umzugehen, ist eine Politik, die Ärzten und Patienten die Hauptkontrolle verleiht, ohne direkte legale oder gesellschaftliche Beschränkungen." Selbst gegen die Zeugung eines Kindes als bezahlte Auftragsproduktion für ein anderes Paar hat Robertson nichts einzuwenden, vorausgesetzt die Abmachungen sind rechtlich klar und verbindlich. Dabei ist der Professor aus Texas nicht irgendwer, sondern immerhin Vorsitzender des Ethikkomitees der Amerikanischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (ASRM), der wichtigsten Standesorganisation amerikanischer Fertilitätsspezialisten.
In Amerika wird z. B. in die Richtung geforscht (und schon Versprechungen abgegeben), dass zwei Frauen oder zwei Männer zusammen ein Kind aus ihren gemeinsamen Chromosomensätzen in Auftrag geben können sollen. Das schadet ja niemandem, könnte man sagen, oder? Es ist auch heute schon geschehen, dass gehörlose Eltern auch gewollt gehörlose Kinder bekommen haben (da war noch etwas "Glück" dabei - und ob das jetzt schadet, darüber kann man sich streiten). Auch einen geklonten Zweit-Embryo für ein Wunschkind als Ersatzteillager für später könnte man so womöglich rechtfertigen. Schadet ja niemandem (?).

M. Spiewak zeigt in seinem Buch Gefahren und Risiken auf, für die einzelnen Paare, die die KB-Möglichkeiten heute nutzen, aber auch für die weitere Entwicklung in Zukunft. Gerade auch was z. B. PID- Perspektiven betrifft. Da schreibt er z. B. (S. 239):
Warum sollten wir gerade das, was uns am wichtigsten ist, dem Zufall überlassen: unsere Kinder? Niemandem würde mit der vorgeburtlichen Vervollkommnung geschadet:
(Das wäre ja dein Argument dann, oder? - und man kann ihm nicht so leicht widersprechen.)Aber Spiewak schreibt beispielsweise zu diesen Fall weiter:
Die Eltern wären zufrieden, alles in ihrer Macht Stehende getan zu haben, die Kinder würden sich über einen Startvorteil freuen, die Ärzte über ein gutes Geschäft.
Pech hätten diejenigen, die ihrem Nachwuchs aus finanziellen Gründen keine "guten" Gene in die Wiege legen können. Lee Silver sieht für die Zukunft eine gespaltene Gesellschaft voraus: Eine Aristokratie aus so genannten Gen-Reichen herrscht über eine Masse von naturbelassenen Habenichtsen.
Gleich darauf erwähnt Spiewak das Buch von Aldous Huxley von 1932(!) "Schöne neue Welt", Das Buch kenne ich schon länger, in dem wird (als eine Art Science Fiction) ein solches Szenario gezeichnet, und es ist leider gar nicht soo unrealistisch, sich vor so etwas nicht nur zu gruseln, sondern auch zu fürchten, dass es womöglich Realität werden könnte, wenn wir uns nicht per Gesetze freiwillig und strikt beschränken. Denn erfahrungsgemäss wird sonst Schrittchen für Schrittchen alles medizinisch Machbare auch gemacht. Und ich halte das eben ganz und gar nicht für erstrebenswert.

Du schreibst:
rebella67 hat geschrieben:Und warum sollte ich maßvoll bleiben? Damit mich nur keiner hört? Erreichen kann man doch eigentlich nur was, wenn man mal über das allgemeine Maß hinausgeht.
In diesem speziellen Fall, KB (oder "assistierte Fortpflanzung", wem das lieber ist), glaube ich darum nicht mal, dass das, was du zu deinem politischen bzw. "öffentlichkeitsaktivierenden" Engagement schreibst, so sehr zutrifft. Auf alle möglichen andern politischen Anliegen angewandt (Feministische, antirassistische, anti-homophobe ... usw.) würde ich dir Recht geben. Manchmal braucht es durchaus ein bisschen extreme Positionen, damit sich etwas bewegt. Nur hier, scheint mir, wird sich schon wie von selbst etwas bewegen, die Lawine ist schon losgetreten und man braucht nicht noch zu schubsen, eher braucht es einige Verbauungen an den gefährdetsten Stellen. Mir scheint das Ziel "gleiche Rechte" oder "mehr Rechte", "mehr Selbstbestimmung", "Recht auf alle möglichen Versuche zur Verwirklichung des Kinderwunsches" , "reproductive freedom" oder wie man das formulieren will, eine sehr zweischneidige Sache. Erstens, weil die Fortpflanzungsmedizin zwar einige Probleme löst, aber eben auch neue schafft. Und zweitens, weil ich eben denke, dass der Druck, schrittweise alles Machbare auch umzusetzen, von selber so gross ist, dass es nicht nötig ist, besonders dafür zu kämpfen. Eher wäre wohl besonnene, skeptische Zurückhaltung nötig. - Das sieht auch Spiewak so, am Ende seines Buches schreibt er:
Mag sein, dass wir die Folgen dieser Weichenstellung, - die Veränderung der menschlichen Natur -
(er spielt hier u. a. auf die mit der Zeit möglicherweise stark ausgeweiteten Einsätze der PID an)
- erst in zehn oder dreissig Jahren spüren werden. Ihre Bedeutung jedoch verlangt schon heute Weitsicht und Prinzipienstrenge, Skepsis und Zurückhaltung. Die Biomedizin lehrt uns eine neue Lektion: im Zweifelsfall gegen den Fortschritt.
Ich hatte oben noch geschrieben
Es ist en vogue, sich abfällig über religiöse Weltsichten einerseits und kritische Haltungen andererseits gegenüber der Repromedizin zu äussern.
Dazu meintest du, dass du beides auf einer Seite siehst. Ja genau, das meinte ich in diesem Fall auch. Mit "einerseits und andererseits" meinte ich genau wie du den Fall, wo das "auf der gleichen Seite" liegt, also bei den gleichen Menschen beides kombiniert vorliegt. Damit meinte ich, dass die kritische Haltung der Fortpflanzungstechnik gegenüber denunziert und für unsinnig erklärt wird, weil sie von Menschen mit einer aus Sicht der die Kritik Kritisierenden (d. h. z. B. aus deiner Sicht) rückständigen oder sonstwie als unvernünftig eingestuften Weltanschauung vertreten wird. Die Kritik wird darum auch grad automatisch (eben weil sie von den Religiösen mit ihren sonstigen doofen Ideen kommt) als rückständig und fortschritts- und freiheitsfeindlich eingestuft, ohne dass man sich überlegt, ob ev. auch etwas dran sein könnte.
Aber Religion und Kritik / Skepsis müssen nicht "auf der gleichen Seite " liegen. Es sind ja nicht "nur" die religiösen Kräfte, die hier Kritik äussern. Ich habe z. B. bei M. Spiewak keine Ahnung, wo er diesbezüglich steht. In einigen Fällen werden Kirchen u. a. auch aus andern Gründen zurückhaltend sein mit der Gutbefindung von KB. Wenn religiöse Kräfte aber zu den vorsichtigen und kritischen Stimmen gehören in diesem Zusammenhang, finde ich das gar nicht verwerflich, eher im Gegenteil.

Und ich glaube, meine Kritik bzw. Vorsicht und Skepsis wurzeln nicht nur in "Egoismus" wegen einer Entscheidungsschwäche meinerseits. (Nein, ich bin sicher.)

Dazu meintest du ausserdem:
rebella67 hat geschrieben:Du hältst das doch aber insbesondere für dich nicht vertretbar. Warum sollen dann auch alle anderen Menschen das für nicht vertretbar halten? Warum sollen nur deshalb, weil du z.B. die Eizellspende für nicht vertretbar hältst, Paare auf ihr Wunschkind verzichten und z.B. Spenderinnen, die ganz aufgeklärt sind und ganz freiwillig spenden möchten, daran gehindert werden?
Nun ja, ich habe ja, glaube ich, nicht gesagt, dass ich jetzt z. B. die Eizellspende für absolut nicht vertretbar halte. Aber die Rahmenbedingungen müssten äusserst eng sein, so eng, dass ich nicht weiss, ob das überhaupt realisierbar wäre. So wie die Situation jetzt ist, halt ich es tatsächlich nicht für vertretbar, zumindest für mich wäre das keine Option. Z. B. weil ich nicht für gut halte, wenn 20-jährige Spanierinnen ihre Eizellen spenden für unbekannte Deutsche, mit unabsehbaren psychischen Folgen z. B. Manche Spenderinnen haben auch gesundheitliche Probleme bekommen, ganz "freiwillig". Du meintest, dass
Aber gerade diese bedenkliche Abschiebung in ärmere Länder könnte verhindert werden, wenn es in Deutschland legal wäre.
Jaja, das hat natürlich etwas. Ob allerdings die Bedingungen in D soo viel besser wären als die in Spanien, das schliesslich ein vergleichbares westliches Land ist, bezweifle ich. - Dass der Mann dabei auch seine Gefühle hat, ist natürlich ein Argument, da hast du mich noch ins Überlegen gebracht. Allerdings ist unterdessen mein starker Eindruck, dass im Allgemeinen Männer nicht so weit gehen würden in ihrem Wunsch nach einem genetisch eigenen Kind, wie wir Frauen; öfter ist wohl auch zu einem Versuch mit Eizellspende eher die Frau die "treibende Kraft", weil sie gern Mutter und schwanger würde.
Aber die Eizellspende war auch nur ein Beispiel, sie ist ehrlich gesagt nicht meine grösste Sorge. Es gibt anderes, was ich (noch) bedenklicher finde. - Ich habe auch das Gefühl, dass die Chancen bei der EZ-Spende medizinisch naturgemäss nicht so toll sind, dass es dafür einen riesigen Markt geben könnte. - Du findest sie ja auch grenzfällig, sagst du.
Hingegen
rebella67 hat geschrieben:Hast du dir schon mal überlegt, dass es vielleicht Frauen gibt, die zwar keine Kinder groß ziehen möchten, aber es trotzdem ganz gut finden, sich reproduziert zu wissen.
Hä? Wie bitte? Also das ist mir jetzt zu hoch. Ziemlich haarsträubende Idee. Nun ja, so ist es unter Männern ja gang und gäbe. Ob sie das allerdings direkt bezwecken, bezweifle ich doch sehr. Kopfschüttel.


M. Spiewak hat schon so gut formuliert, was ich zu den ganzen Dilemmata zwischen Persönlichem und Politischem genau so unterschreiben möchte:
In der Auseinandersetzung zwischen den persönlichen Bedürfnissen und dem Wertekanon der Allgemeinheit, der individuellen Sehnsucht nach einem (gesunden) Kind und der übergeordneten Moral wiegt das Interesse der Gesellschaft schwerer, ein bestimmtes Verständnis von Menschenwürde aufrechtzuerhalten. Gemeinschaftsethik schlägt Betroffenenethik, auch wenn das selten so formuliert wird. ... Es gibt Wünsche, deren Erfüllung langfristig so hohe Kosten hat, dass man sie besser unerfüllt lässt.
Das Buch ist übrigens überhaupt nicht nur theoretisch-philosophisch. Ich kann dazu nur nicht alle Details abtippen. Er bringt auch konkrete Beispiele, die das untermauern. Ich kann nur empfehlen, das Buch selber zu lesen.

Nicht dass er mir meine persönlichen Fragen abnehmen könnte und uns sagen, was wir machen sollen. Aber das war auch nicht das Ziel des Buches.

Ich weiss übrigens ziemlich gut, was du mit dem Bild mit dem Bein, das abfallen würde, meinst - wir würden sehr vieles in Kauf nehmen. Nur, ich weiss nicht - "mit Kind und ohne Bein" geht ja ev. noch. Aber viele bleiben auch ohne Kind. (Zum Glück verlieren sie nicht auch noch ein Bein, aber sonst einiges. Geld, Zeit, Hoffnungen.) Trotzdem, ich versteh, was du meinst.
rebella67 hat geschrieben:Ich hatte z.B. eine Riesenangst vor der OP und sagte mir dann, selbst, wenn ich wüsste, mir fällt dabei ein Bein ab, würde ich das tun. Klingt drastisch, aber die Lebensqualität mit Kind und ohne Bein war für mich höher als die mit Bein und ohne Kind.
Meine selbst bestimmte Entscheidung. Warum müssen mich andere mit Verboten davor bewahren?
Warum? Siehe oben.


So, mal sehen, ob dieser ellenlange Beitrag es durchs Kabel schafft.
Liebe Grüsse für dieses Mal

Mymla
rebella67
Rang5
Rang5
Beiträge: 13586
Registriert: 10 Jan 2002 01:00

Beitrag von rebella67 »

Hallo Mymla,

jetzt war dein Beitrag so lang, dass ich mich gar nicht dran getraut habe. Ist aber keine Kritik. Ich finde es ja toll, dass auch du dir so viele Gedanken machst. Ich habe mir schon wieder viele Passagen fett angemarkert. Nun, ich fange mal an.

Zitat: „Nur denke ich eben, dass der Leidensdruck auch dazu führen könnte, Sachen zuzustimmen, die man nicht wirklich will.“
Gut, aber wer weiß so genau und absolut, was einer wirklich will? Wahrscheinlich doch eher derjenige selbst als andere. Ich denke, da gibt es viele Situationen, auf die das zutrifft. Mal abgesehen von unerfülltem Kinderwunsch. Meine neue Bekanntschaft mit einer transsexuellen Frau zeigt mir das gerade mal wieder auf. Ich denke einfach, Menschen mit Leidensdruck sollten einen Anspruch auf gesellschaftliche Hilfe haben. Diese darf aber nicht so aussehen, dass der Mensch nach dem Bild der Gesellschaft hingebogen wird, sondern so, dass dem Menschen geholfen wird, seinen eigenen Weg zu finden. Also nur eine Unterstützung mit einem hohen Anteil an Aufklärung.


Zitat: „Das hiesse dann ja Existenz um jeden Preis ist besser als keine. Es täte dem Kind ja nicht direkt weh, wenn es nicht gezeugt worden wäre. Aber das finde ich eine absurde Diskussion. Die Frage ist doch, wie es dem lebendigen Kind geht. Und ich finde es besser, wenn das weiss, dass da noch ein Erzeuger ist.“

Nun, es täte dem Kind nicht weh, wenn es nicht gezeugt worden wäre. Stimmt. Man kann dann ja nicht mal von „dem Kind“ sprechen. Aber du schreibst ja auch, es geht dir um das lebende Kind. Mir auch. Das Kind ist jetzt also da und hat nun mal eine besondere Entstehungsgeschichte. Es wird diese im Allgemeinen akzeptieren, wenn es daran denkt, dass es ja sonst nicht da wäre. Besser so? - Ja, es ist für viele Menschen beruhigend, zu wissen, wer der Erzeuger ist. Und daher bin ich auch für die Aufbewahrung von Spenderdaten. Das Kind selbst soll es in der Hand haben, ob es den Spender kennen lernt. Allerdings gibt es auch „Kinder“, die das gar nicht wissen wollen. Auch gut.

Zitat: „Hm. Ich bin nicht sicher, was zuerst da war, die Menschen oder der Hass. Ich kenne auch die Idee der unverdorbenen Kinder, bin aber schon nicht so sicher, ob das nicht etwas eine Idealisierung ist. Zum Teil hast du sicher Recht, dass Kinder Intoleranz von Erwachsenen abschauen. Ich glaube aber, Kinder sind manchmal auch ganz von sich aus sehr grausam, und ich meine, sie müssen auch Rücksicht und Anteilnahme lernen, die ist nicht automatisch da.“
Da bin ich mit dir ganz konform. Kinder müssen auch Anteilnahme lernen. Sie müssen lernen, dass sie mit ihren Bedürfnissen nicht allein da sind. Das ist aber was anderes und hat nichts mit Hass zu tun. Ich habe das an meinen Kindern erlebt. Gerade, wenn sie noch sehr klein sind, machen sie oft was, was denen, die sich um sie kümmern, körperlich weh tut. Beißen, in den Bauch strampeln oder was auch immer. Sie schreien auch oft, wenn Mama und Papa gerade beim Frühstück sitzen. Babys kann man das noch nicht beibringen. Etwas älteren Kindern kann man sagen: „Ich esse jetzt erstmal auf und dann spiele ich mit dir.“ Da lernen sie dann Rücksicht. Aber sie lernen nicht Hass abstreifen. Hass ist etwas, was erst geschürt werden muss. Kinder behandeln auch die Menschen gleich. Die würden auch nicht von selber ein Kind vom Spiel ausschließen, weil es eine bestimmte Hautfarbe hat. Sie würden allenfalls eins nicht mitspielen lassen, weil es beim letzten Mal andere Vorstellungen von diesem Spiel hatte und weil sie selber keine Lust haben, sich wieder das Spiel versauen zu lassen. Nicht mitspielen lassen, heißt aber auch nicht Hass, sondern allenfalls Desinteresse.
Zitat: „dass alles Böse ohne das Christentum nicht da wäre.“ Habe ich so nicht gesagt. Ich könnte allenfalls so interpretiert werden, dass ich gesagt habe, dass ziemlich viel Böses vom Christentum überliefert wurde. Ja, es gibt noch andere Ursachen für „Böses“.
Zitat: „wenn du alle liebst, sogar auch deine Feinde, lebst du sehr nach christlichen Prinzipien.“ - Nein ich liebe nicht alle und schon gar nicht meine „Feinde“. Aber ich hasse sie auch nicht. Nicht lieben heißt nicht automatisch: Hassen.
Zitat: „dass es leider menschlich ist, andere klein zu machen, um sich selber größer zu fühlen.“ Ich kann das nicht unterschreiben. Ich selber muss nicht andere klein machen, um mich größer zu fühlen. Ich fühle mich groß, wenn ich etwas in meinen Augen Gutes geschafft habe. Wer sich auf Kosten anderer erhebt, ist nach meiner Beurteilung niederträchtig und macht sich damit nur selber klein.

Zitat: „Also unsere Nachbarn werden uns kaum vorschreiben wollen, wofür wir unser Geld ausgeben sollen. Solange wir es nicht für illegale Dinge ausgeben. Wenn wir das allerdings täten, fände ich es ein Zeichen von Zivilcourage, wenn sie sich einmischen würden.“
Da wäre der Begriff „illegal“, der auch wieder sehr moralabhängig ist. Solltet ihr euer Geld dafür ausgeben, damit Kinder gequält werden, wäre es sicher Zivilcourage, wenn eure Nachbarn sich einmischen. Solltet ihr es für PID ausgeben, würde ich eine Einmischung der Nachbarn nicht als Zivilcourage bezeichnen, sondern als ein unzulässiges Einmischen in eure Angelegenheiten.

Zitat: „Du setzt dich ja selber auch für deine Überzeugungen ein und versuchst politisch Einfluss zu nehmen. Also mischst du dich ja im Prinzip auch in fremde Angelegenheiten ein. Aus deiner Sicht natürlich nur positiv, aber das ist bei andern Sichten auch so. Es kommt eben auf den Standpunkt an.“
Ja, auf die Moral kommt es eben an. Dass ich mich in fremde Angelegenheiten einmische, kann ich aber nur so weit stehen lassen, dass ich mich auch für die Kostenübernahmen von Kinderwunschbehandlungen einsetze. Wenn ich mich für die Zulassung von Eizellspende und PID einsetze, mische ich mich nicht in fremde Angelegenheiten ein. Zumindest insoweit nicht, dass ich ja sage, die Menschen, die das tun wollen, sollen es tun dürfen. Ich beschränke also diese Menschen nicht in ihrem auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit gerichteten Handeln. Wer aber etwas verbietet, ohne dass es anderen Schaden zufügen würde, der beschränkt die Menschen in ihrem Handeln. Und genau das tut die Kirche. Da sich die Moral der Kirche eben nicht nur darauf aufbaut, den Menschen Gutes zu tun, sondern insbesondere darauf, Macht auszuüben, betrachte ich die Moral der Kirche als minderwertig. Mein Einsatz für Kostenübernahmen bei reproduktionsmedizinischen Behandlungen mag zwar von Nichtbetroffenen als Einmischung in ihre finanziellen Angelegenheiten betrachtet werden. Ich halte es dennoch für legitim, da meine Moral nur eine soziale Gesellschaft akzeptieren kann. Fortpflanzungsbehinderten Menschen nicht auch finanziell zu helfen, halte ich für unsozial. Und in einer Gesellschaft, die sich als Sozialgesellschaft betitelt, halte ich es für unaufrichtig, sich so zu nennen, wenn man eben Menschen in solchen Notsituationen nicht hilft. Wenn die gleichen Menschen, die nicht bereit sind, unschuldig fortpflanzungsbehinderten Menschen zu helfen, von der Gesellschaft auch finanzielle Hilfe erwarten, wenn sie nur mal ´nen Schnupfen haben oder auch ´nen Sportunfall oder Raucherkrebs, dann bezeichne ich das als unmoralisch. Ich bezeichne das auch als unmoralisch, wenn Autofahrer dem fortpflanzungsbehinderten Tankwart nicht helfen, weil der durch das Einatmen ihrer Abgase jetzt ´ne ICSI braucht.
Ich habe gerade einen Artikel von Dieter Birnbacher „Das Dilemma der christlichen Ethik“ gelesen. U.a. steht dort: „Warum funktioniert eine theologische Begründung moralischer Normen nicht? Moralische Normen müssen sich im Prinzip jedem Verständigen einsichtig machen lassen, wenn sie begründet beanspruchen wollen, diesem vorzuschreiben, wie er sich zu verhalten und wie er sich nicht zu verhalten hat. …Wenn aber die Idee einer körperlosen überweltlichen und womöglich überzeitlichen göttlichen Person schon unter kognitiven Gesichtspunkten kaum zu akzeptieren ist, ist ausgeschlossen, dass eine moralische Norm dadurch akzeptabler wird, dass sie ihre Geltung aus dem vermeintlichen Willen eines solchen Gottes herleitet.“ Und: „Religiöse Argumente berufen sich in der Regel auf Autoritäten … Moralische Richtigkeit lässt sich aber - unabhängig davon, ob es sich dabei um religiöse oder weltliche Autoritäten handelt - grundsätzlich nicht aus Autoritäten begründen. Die Berufung auf einen göttlichen Gesetzgeber ersetzt die Angabe von Vernunfts- und Erfahrungsgründen ebenso wenig wie die Berufung auf eine bestimmte kulturelle Tradition.“

Das Buch von Martin Spiewak habe ich vor reichlich langer Zeit mal gelesen. Sicher konnte ich zu einem großen Teil zustimmen. Zu einem anderen Teil geht das Buch aber nicht konform mit mir. Auch gefallen mir einige Formulierungen nicht.
Zitat (von dir aus dem Buch): „Während amerikanische Fertilitätsforscher kaum Beschränkungen kennen, regulieren zum Glück Gesetze und Vorschriften die Arbeit in hiesigen Laboren. Das Konzept der so genannten reproduktiven Freiheit (s.oben) ist in Deutschland nicht verbreitet.“
Diese Aussage z.B. ist von der Aussage, dass man nicht ALLES Mögliche auch realisieren sollte und dass das aber in Amerika versucht wird, sicher richtig. Bei dem flüchtigen Leser, der sich nicht tiefer damit beschäftigt, wird diese Aussage aber meist so ankommen: Sieh an, es ist richtig, dass es in Deutschland so viele Beschränkungen gibt. In Amerika wird gerade geklont oder das Kind außerhalb des Mutterleibes herangezogen (oder was auch immer so in der Phantasie des Lesers umherschwirrt) und ohne das Embryonenschutzgesetz würde man das in Deutschland auch tun. Daher muss das ESchG bleiben.
Die obige Aussage von Spiewak bezieht sich auch auf das, was Forscher / Mediziner tun (würden). Sie zeigt nicht auf, dass das ESchG in Deutschland nicht nur die Mediziner einschränkt, sondern im Wesentlichen die betroffenen Paare.
Ich könnte diese Aussage nur in dem Kontext mittragen: Ganz ohne Gesetze geht es auf dem Gebiet nicht. Es sollte schon jeweils abgewogen werden, welche Chancen und Risiken ein neues Verfahren mit sich bringt. Mit unserem Verstand sollten wir sinnvolle Grenzen ziehen, die aber weit über der Grenze des in Deutschland bestehenden ESchG liegen. Forschungsarbeiten oder neue medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft verdienen nur dann eine Zulassung, wenn sie im Sinne der betroffenen Paare sind, nicht aber, wenn rein finanzielle Interessen der Mediziner im Vordergrund stehen.

Zitat (von dir aus dem Buch): „Selbst gegen die Zeugung eines Kindes als bezahlte Auftragsproduktion für ein anderes Paar hat Robertson nichts einzuwenden, vorausgesetzt die Abmachungen sind rechtlich klar und verbindlich.“
Da gehe ich ganz mit Robertson. Nur macht hier wieder der kalte Ton die Musik (bezahlte Auftragsproduktion). Spiewak meint hier den Fall, wenn eine Frau für ein ungewollt kinderloses Paar ein Kind austrägt und dafür Geld bekommt. Vorher wird alles rechtlich abgesichert. ICH finde das o.k. Die austragende Frau ist damit einverstanden. Mag sein, sie verdient sich damit Geld, weil sie welches braucht. So eine Schwangerschaft ist ja auch nicht ohne und im Gegensatz zu „nur“ einer Eizellspende sehr viel mehr. Da kann ich nur sagen, hoffentlich bekommt die austragende Frau eine angemessene Entlohnung und hoffentlich bleibt nicht der größte Teil des Geldes bei den Vermittlern hängen! Der austragenden Frau bringt´s also was. Dem ungewollt kinderlosen Paar bringt´s was. Dem Kind bringt´s was. Vielleicht sind die Beteiligten noch so nett zueinander, dass der Kontakt nicht ganz abreißt. Das Kind sieht mal die Frau, die es ausgetragen hat, die Frau sieht gelegentlich mal das Kind. Was wollte man mehr? Aber nee, „bezahlte Auftragsproduktion“ wollen wir natürlich nicht zulassen. …

Zitat: „In Amerika wird z. B. in die Richtung geforscht (und schon Versprechungen abgegeben), dass zwei Frauen oder zwei Männer zusammen ein Kind aus ihren gemeinsamen Chromosomensätzen in Auftrag geben können sollen.“
Von der Sache her fände ich so was total schön. Wäre da nicht das berechtigte große Risiko, dass kranke Kinder daraus hervor gehen. Klonschaf Dolly hat ja leider auch nicht so lange gelebt. So was fände ich dann traurig, wenn man sich vorstellt, dass vielleicht die Wunschkinder dieser Eltern dann alle früh sterben. Tja, ich bin mir sicher, man wird es eines Tages tun. Und wir hier in Deutschland werden das beobachten. Und wenn es sich erweist, dass das alles gut über die Bühne läuft, völlig gesunde Kinder, dann werde ich meine Ansicht dazu ändern. Dann sollen doch lesbische Paare endlich ihren Wunsch erfüllt bekommen, ein Kind aus ihren gemeinsamen Genen zu bekommen. Die IVF war ja anfangs auch nur ein Versuch und ist jetzt ein Glück für so viele Paare geworden.


Zitat: „dass gehörlose Eltern auch gewollt gehörlose Kinder bekommen haben“.
- Ja, ich habe auch von dem Fall gelesen, der ja völlig hochgespielt wird. Man bedenke, es geht um eine einzige Familie und nicht um eine Epidemie unter Gehörlosen. Also, da hat sich mal ein gehörloses Paar so entschieden, weil sie selber völlig glücklich damit sind, gehörlos zu sein. Diese Menschen empfanden das als ein Glück, das sie gern an ihr Kind weiter geben wollten. Bestimmt ist das Kind auch damit glücklich geworden. Wir Außenweltler können uns so was natürlich nicht vorstellen, da wir uns ja selber als den Nabel der Welt betrachten und meinen, nur alles, was wir selber als Glück bzw. Pech empfinden, müssten auch andere als Glück bzw. Pech empfinden. Wer gibt uns nur das Recht, immer so über andere zu bestimmen? Der Fall dieser Familie wird geradezu so dargeboten, als hätten sie ein Kind „in Auftrag gegeben“, das unter ständigen Schmerzen leidet.

Zitat: „Auch einen geklonten Zweit-Embryo für ein Wunschkind als Ersatzteillager für später könnte man so womöglich rechtfertigen. Schadet ja niemandem.“
- Warum ich die Sache mit dem Klonen (noch) ablehne, habe ich ja oben geschrieben. Ich habe aber nichts gegen eine PID, damit nur solche Embryonen ausgewählt werden, die z.B. dieselbe Blutgruppe wie das kranke Kind haben. Damit das daraus resultierende Kind dem Geschwister hilft (Vielleicht reicht ja sogar schon das Nabelschnurblut). Und ich betrachte das nicht als Ersatzteillager, sondern als ein ebenso geliebtes Kind seiner Eltern. Meine Zustimmung geht so weit, wie es dem neuen Kind wirklich nicht schadet. Blut spenden z.B. schadet nicht. Sollte das Kind ein Organ abgeben müssen, wäre ich dagegen.



Zitat (von dir aus dem Buch): „Niemandem würde mit der vorgeburtlichen Vervollkommnung geschadet: Die Eltern wären zufrieden, alles in ihrer Macht Stehende getan zu haben, die Kinder würden sich über einen Startvorteil freuen, die Ärzte über ein gutes Geschäft. Pech hätten diejenigen, die ihrem Nachwuchs aus finanziellen Gründen keine "guten" Gene in die Wiege legen können. Lee Silver sieht für die Zukunft eine gespaltene Gesellschaft voraus: Eine Aristokratie aus so genannten Gen-Reichen herrscht über eine Masse von naturbelassenen Habenichtsen.“
- Das ist doch nichts weiter als Science Fiktion. Spiewak vergisst dabei, dass es für die Paare normalerweise gar nicht erstrebenswert ist, ein Kind nach tief greifenden reproduktionsmedizinischen Maßnahmen zu bekommen, wenn es auch auf dem natürlich Weg geht. Es gäbe vielleicht ein paar Spinner, denen man nicht helfen kann. Was soll´s? Nein, da kann ich noch ganz ruhig schlafen. Ich finde es nur sehr schade, dass mit solchen daher geholten Phantasiegeschichten z.B. Paaren mit einer schweren Erbkrankheit der PID verbaut wird.


Zitat: „weil ich eben denke, dass der Druck, schrittweise alles Machbare auch umzusetzen, von selber so groß ist, dass es nicht nötig ist, besonders dafür zu kämpfen.“
- Du hast mein Ziel nicht so genau erkannt. Mir geht es nicht rein darum, dass alles Machbare gemacht werden darf. Ich engagiere mich nur soweit, wie ungewollt kinderlosen Paaren wirklich geholfen werden kann. Und wenn ich wohl auch zuversichtlich sein kann, dass das ESchG irgendwann sowieso gekippt wird, dann ist es schon ein Erfolg, wenn wir es schaffen, die Sache etwas zu beschleunigen. 2010 wäre mir wirklich lieber als erst 2020. Inzwischen gibt es doch so viele Betroffene, die davon profitieren.

Zitat (von dir aus dem Buch): „Ihre Bedeutung jedoch verlangt schon heute Weitsicht und Prinzipienstrenge, Skepsis und Zurückhaltung. Die Biomedizin lehrt uns eine neue Lektion: im Zweifelsfall gegen den Fortschritt.“
Klingt gut und wird zumindest größtenteils von mir getragen. Trotzdem habe ich was zu mäkeln. Weitsicht, Skepsis und Zurückhaltung finde ich gut. Prinzipienstrenge nicht so. Wenn wir merken, ein Prinzip zweigt sich als nicht so gut, sollten wir es prüfen und ggf. über Bord werfen. Aus Prinzipienstrenge das ESchG gar nicht erst überprüfen halte ich für verbohrt. Und der Zweifelsfall wird von mir auch bemeckert. Denn Zweifel gibt es immer. Irgendeiner wird immer zweifeln. Wir bräuchten also schon einen bestimmten Grad an Zweifeln, um uns gegen den Fortschritt zu wenden. Sonst gäbe es NIE Fortschritt. Als konkretes Beispiel reicht mir z.B. für die Ablehnung der Eizellspende nicht der Zweifel aus, der meint, es könne sein, ein Kind, das nicht von seiner genetischen Mutter ausgetragen wurde, wird unglücklich sein.
Zitat: „Damit meinte ich, dass die kritische Haltung der Fortpflanzungstechnik gegenüber denunziert und für unsinnig erklärt wird, weil sie von Menschen mit einer aus Sicht der die Kritik Kritisierenden (d. h. z. B. aus deiner Sicht) rückständigen oder sonstwie als unvernünftig eingestuften Weltanschauung vertreten wird. Die Kritik wird darum auch grad automatisch (eben weil sie von den Religiösen mit ihren sonstigen doofen Ideen kommt) als rückständig und fortschritts- und freiheitsfeindlich eingestuft, ohne dass man sich überlegt, ob ev. auch etwas dran sein könnte.“
Da kann ich dich, was mich betrifft, beruhigen. Ich richte mich bei meiner Meinungsbildung nicht danach, wer welche Ansichten bereits vertritt und suche mir dann die Ansichten aus, die denen der Menschen, die ich am meisten liebe, am nächsten sind. Da habe ich ein ganz ruhiges Gewissen. Ich kann auch noch ganz gut selber denken. Und ich kann auch mal damit leben, wenn zufällig mal in einem Punkt die Kirche eine Ansicht mit mir teilt. Schließlich hat die Kirche kein Patent darauf, dass ich erst für meine Ansicht bezahlen muss.

Zitat: „Dass der Mann dabei auch seine Gefühle hat, ist natürlich ein Argument, da hast du mich noch ins Überlegen gebracht. Allerdings ist unterdessen mein starker Eindruck, dass im Allgemeinen Männer nicht so weit gehen würden in ihrem Wunsch nach einem genetisch eigenen Kind,“
- Naja, „im Allgemeinen“. Was ist mit den Männern, die nicht der Allgemeinheit entsprechen? Sollen die auch keine Chance haben?


Zitat (auf meine Bemerkung: Hast du dir schon mal überlegt, dass es vielleicht Frauen gibt, die zwar keine Kinder groß ziehen möchten, aber es trotzdem ganz gut finden, sich reproduziert zu wissen.): „Also das ist mir jetzt zu hoch. Ziemlich haarsträubende Idee. Nun ja, so ist es unter Männern ja gang und gäbe. Ob sie das allerdings direkt bezwecken, bezweifle ich doch sehr.“

Ich interessiere mich z.B. für Gründe, warum Männer Samen spenden. Und ich habe das schon mehrfach gelesen, dass eben einige von ihnen es auch deshalb tun, um ihre Gene weiter zu geben. Warum also sollte das nicht auf einige Frauen auch zutreffen? Ich weiß von mir selber noch, wie wichtig es für mich war, meine Gene weiter zu geben. Nun stelle ich mir einfach mal vor, mein Leben wäre in eine Situation geraten, wo Kinder einfach keinen Platz hätten. Vielleicht hätte ich einen Unfall gehabt und im Rollstuhl gesessen, keine soziale Hilfe, die ein Kind versorgen könnte. Vielleicht wäre ich dann gern Eizellspenderin geworden. Warum soll ich das für eine haarsträubende Idee halten?


Zitat (von dir aus dem Buch von M. Spiewak): „wiegt das Interesse der Gesellschaft schwerer, ein bestimmtes Verständnis von Menschenwürde aufrechtzuerhalten. Gemeinschaftsethik schlägt Betroffenenethik“
- „Ein bestimmtes Verständnis von Menschenwürde“ - ich finde das so schwammig. Mit den Worten von Dieter Birnbacher: „Mit emphatischen Leerformeln wie „Verantwortung“, „Humanität“, „Menschenwürde“ oder „Gerechtigkeit“ werden rhetorische Erfolge eingeheimst, ohne dass ernstlich darangegangen würde, diese Begriffe inhaltlich zu differenzieren und zu konkretisieren.“

Liebe Grüße und ein fröhliches Ostereiersuchen, Rebella
Liebe Grüße, Rebella
------------------------------------------
Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Rebella

Weisst du, ich finde es durchaus legitim, sich für die eigenen Interessen und diejenige von "Leidensgenossen" auch politisch einzusetzen. Dafür kann und will ich dich hier gar nicht kritisieren. Wie käme ich auch dazu? besonders nicht, weil ich das von dir kritisierte deutsche Embryonenschutzgesetz nicht so genau kenne und mir darüber noch nicht sehr viele Gedanken gemacht habe, beispielsweise, wie viele Embryonen gezüchtet werden dürfen sollten und bis zu welchem Tag. Das scheint mir ein zentraler Kritikpunkt bei vielen zu sein, und ich denke, vielleicht wär ich auch dafür, das lockerer zu gestalten. Ich kenne die genaueren Gründe für diese Strenge nicht, bin auch nicht ganz überzeugt, dass ein späteres Einsetzen z. B. die Chancen erhöht. Wie auch immer, dazu kann ich keine Stellung nehmen. Was sonst noch genau von dir an dem Gesetz kritisiert wird, weiss ich auch nicht.

Jedenfalls sind meine Zweifel daran, dass die Eizellspende z. B. etwas Sinnvolles und Förderungswürdiges ist, ganz bestimmt nicht begründet in irgendwelchen "theologisch begründeten moralischen Normen", die ich darum glauben und vertreten würde, weil mir jemand sagen würde, ich dürfe nicht fragen warum das so sei, aber das sei eben gottgewollt. Und ich glaube, in den Kirchen der westlichen Welt würden dir sehr wenige Mitglieder so argumentieren. Die Aussage des von dir zitierten Autors finde ich auch darum recht blöd, weil es für mich "religiöse Argumente" gar nicht gibt.
Religiöse Argumente berufen sich in der Regel auf Autoritäten
Wenn es z. B. mit Gottes Willen begründet wird, dass man niemanden umbringen soll, ist das kein Argument. Man kann aber für diese Regel auch durchaus vernünftige, gedanklich stichhaltige Argumente finden. Und dasselbe würde ich natürlich für alle andern Gebote und Verbote, die religiöse Menschen (u. a.) befürworten, auch fordern.
Beim Beispiel Eizellspende gibts verschiedene solche Argumente (beteiligte Frauen und Kinder, dazu hatte ich glaub ich schon etwas geschrieben, wiederhole mich u.. Übrigens hab ich in einem andern Forum gerade von einer Frau gelesen, die aus solchen Gründen auf eine Eizellspende verzichtet hat. Sie schrieb "man könnte u. a. vielleicht sagen, aus Rücksicht auf das nicht existierende Kind"). Es gibt da auch interessante Diskussionen um Bezeichnungen, die ich recht aufschlussreich finde. Z. B. wird der Ausdruck "genetische Mutter" teilweise sehr ungern gehört, lieber "Spenderin". Das erinnert natürlich weniger daran, dass eine Eizelle eben nicht dasselbe ist wie ein anderes gespendetes Organ.
Im Übrigen habe ich (jetzt auch was HI-Kinder angeht) natürlich nicht gesagt, dass man ein Kind zwingen sollte, seinen Erzeuger kennen zu lernen. Ich finde nur, man muss sich genau überlegen, wie man dazu steht, und meiner Meinung nach muss man es dem Kind unbedingt sagen, wenn noch jemand Drittes beteiligt ist, und zwar möglichst früh. Genau wie bei adoptierten Kindern eben. Und das scheinen nicht alle zu machen, die diese Behandlungsarten wählen. Und das finde ich unfair den Kindern gegenüber. Es geht dann eben primär darum, den Eltern bzw. den Frauen ihren Kinderwunsch zu erfüllen, das Kind ist zweitrangig.
rebella67 hat geschrieben:Ich bezeichne das auch als unmoralisch, wenn Autofahrer dem fortpflanzungsbehinderten Tankwart nicht helfen, weil der durch das Einatmen ihrer Abgase jetzt ´ne ICSI braucht.
Das find ich echt ein gutes Beispiel, interessantes Gedankenspiel ... Allerdings hat es einen Haken: man kann oft die Unfruchtbarkeit nicht so einfach erklären, sonst könnte ja das Verursacherprinzip gelten. Ausserdem: ich fände es dann sinnvoller und sozialer von den Autofahrern, wenn sie mit dem Autofahren stark runterschrauben oder aufhören würden, statt weitere Opfer hervorzurufen und dafür netterweise zu zahlen. Echt lustige Überlegung.
rebella67 hat geschrieben:Wer sich auf Kosten anderer erhebt, ist nach meiner Beurteilung niederträchtig und macht sich damit nur selber klein.
Ja, da hast du natürlich komplett Recht, und es ist ja schön, wenn du dieses Bedürfnis nicht hast! Gott sei Dank haben es nicht alle Menschen und nicht dauernd. Aber Menschen sind nun einmal teilweise leider niederträchtig (homophob im Beispiel), oder auch lieblos und gleichgültig ganz ohne direkt zu hassen, und diese Niedertracht kommt nicht primär aus der christlichen Kirche. Meine Meinung.
rebella67 hat geschrieben:Ich kann auch noch ganz gut selber denken. Und ich kann auch mal damit leben, wenn zufällig mal in einem Punkt die Kirche eine Ansicht mit mir teilt. Schließlich hat die Kirche kein Patent darauf, dass ich erst für meine Ansicht bezahlen muss.
Schön, wenn du damit leben kannst, mal gleich wie die Kirche zu denken (-: Den letzten Satz kapier ich nicht. Wieso sollte sie dich schröpfen, weil du eine Meinung mit ihr teilst?Da ist sie doch froh, die Mutter Kirche.
rebella67 hat geschrieben:Wenn ich mich für die Zulassung von Eizellspende und PID einsetze, mische ich mich nicht in fremde Angelegenheiten ein.
Doch, das finde ich durchaus. Natürlich nicht unmittelbar. Aber, ich verweise halt wieder auf Spiewak, gerade die PID könnte unsere Gesellschaft sehr stark beeinflussen in Richtung "Kind nach Mass", und das scheint mir leider keine abseitige Science Fiction. Du sagst, dass "deine Moral nur eine soziale Gesellschaft akzeptieren kann". Nun ja, Spiewak warnt u. a. genau davor, dass sich manche Eltern die PIDs, ev. auch den Kauf von "guten Genen" in Zukunft, wenn die Möglichkeiten da voll ausgeschöpft werden, nicht leisten können und eine Art von neuer Kastengesellschaft entstehen könnte. Die "Oberschicht" könnte sich den Nachwuchs nach Wunsch und Geldbeutel verbessern, was die Unterschicht sich nicht leisten könnte. Für mich ist das leider nicht nur Science Fiction. Oder man kann es auch so ansehen: Vor 40 Jahren noch war die Idee, dass so viele Kinder aus Reagenzglaszeugung entstehen könnten, auch noch Science Fiction. Wenn nur genügend Leute ein Interesse an etwas haben und die Interessen an gescheiteren, schöneren usw. Kindern wären durchaus da, wird der Druck sehr gross sein, in diese Richtung zu gehen.
Und bei der ES: manche Betroffene würden dir wohl danke sagen, wenn sie erlaubt wird, manche betroffene Spenderinnen mit gesundheitlichen oder psychischen Problemen unter Umständen aber eher nicht. Natürlich kannst du jetzt sagen, aber die haben es dann ja so gewollt, freiwillig, nach vollständiger Aufklärung. Das ist für mich aber kein ausreichendes Argument.

Du fürchtest, unbedarfte, unaufgeklärte Lesende könnten bei Spiewaks kritischen Äusserungen denken
rebella67 hat geschrieben:In Amerika wird gerade geklont oder das Kind außerhalb des Mutterleibes herangezogen (oder was auch immer so in der Phantasie des Lesers umherschwirrt)
Tsja, gewisse Vorstellungen sind wohl übertrieben, aber leider sind eben nicht alle Horrorvorstellungen nur Phantasie.

Dazu kann ich nicht nicht reagieren:
rebella67 hat geschrieben:Zitat (von dir aus dem Buch): „Selbst gegen die Zeugung eines Kindes als bezahlte Auftragsproduktion für ein anderes Paar hat Robertson nichts einzuwenden, vorausgesetzt die Abmachungen sind rechtlich klar und verbindlich.“
Da gehe ich ganz mit Robertson. Nur macht hier wieder der kalte Ton die Musik (bezahlte Auftragsproduktion). Spiewak meint hier den Fall, wenn eine Frau für ein ungewollt kinderloses Paar ein Kind austrägt und dafür Geld bekommt. Vorher wird alles rechtlich abgesichert. ICH finde das o.k. Die austragende Frau ist damit einverstanden. Mag sein, sie verdient sich damit Geld, weil sie welches braucht. So eine Schwangerschaft ist ja auch nicht ohne und im Gegensatz zu „nur“ einer Eizellspende sehr viel mehr. Da kann ich nur sagen, hoffentlich bekommt die austragende Frau eine angemessene Entlohnung und hoffentlich bleibt nicht der größte Teil des Geldes bei den Vermittlern hängen! Der austragenden Frau bringt´s also was. Dem ungewollt kinderlosen Paar bringt´s was. Dem Kind bringt´s was. Vielleicht sind die Beteiligten noch so nett zueinander, dass der Kontakt nicht ganz abreißt. Das Kind sieht mal die Frau, die es ausgetragen hat, die Frau sieht gelegentlich mal das Kind. Was wollte man mehr? Aber nee, „bezahlte Auftragsproduktion“ wollen wir natürlich nicht zulassen. …
Boaaah. Was ist denn das anderes als eine bezahlte Auftragsproduktion? Eine selbstlose kreative Handlung bestimmt nicht. Und wie wird das beim Kind später wohl so ankommen: "Also, weisst du, wir wollten dich soo gern haben, da haben wir einer Frau Geld bezahlt, sie hat dich dann bekommen und uns gegeben, nett nicht?"(naheliegende Frage: "warum wollte die nette Frau, die mich im Bauch hatte, mich dann nicht selber behalten?"Hm, nicht so leicht zu beantworten ... In dem Beispiel ging es nicht mal um Leihmutterschaft mit Samen und/oder EZ des Auftragspaars. Ich finde es so oder so nicht vertretbar, sich auf diese Art ein Kind zu kaufen. Denn das ist es, auch wenn dieser Ton noch etwas kälter sein mag als "Auftragsproduktion".

Wenn es genug "sicher" wäre, würdest du also auch eine Bastelei mit zwei EZ bzw. zwei Spermien befürworten, damit lesbische oder schwule Paare ihr genetisches Mix-Wunschkind kriegen könnten. Total schön. Naja. Ich muss sagen, die IDEE find ich auch ganz nett. Solange ganz und gar klar ist, dass es eine Idee bleiben wird. Das umsetzen zu wollen ist bei mir definitiv ein Überschreiten sämtlicher Grenzen, die uns gesetzt sind (Gottes Wille, würde ich da durchaus sagen). Wenn du das für möglich und ganz ok. hältst und sagst, "die IVF war ja anfangs auch nur ein Versuch ..."und solche Techniken unter Vorbehalt der genügenden Etabliertheit und Sicherheit befürworten würdest, dann kann ich nur sagen, eine Zweiklassengesellschaft aus Gen-Reichen und Gen-Armen ist dann auch keine Science Fiction.

Und das Beispiel mit dem gewollt gehörlosen Kind, da schreibst du: Wer gibt uns nur das Recht, immer so über andere zu bestimmen? Hm, niemand. Nur meine ich, genau das haben die beiden gehörlosen Frauen in diesem Fall auch getan. Ob das Kind unglücklich ist, weiss ich nicht, wahrscheinlich nicht, weil es eben ist, wie es ist. Ich meine nur, das ist ein Beispiel für ein Kind "nach Mass", und ich finde das sehr problematisch. Verbieten kann man es aber in diesem Fall kaum.
rebella67 hat geschrieben:Warum ich die Sache mit dem Klonen (noch) ablehne, habe ich ja oben geschrieben.
Wegen des Risikos also, und wegen der Verluste vielleicht noch während der Experimentierzeit. - Da unterscheidet sich meine Einstellung ganz grundlegend von deiner.

Nach deinen Stellungnahmen zu meinen Beispielen befürchte ich, dass du womöglich das von mir zitierte Credo von Robertson auch unterschreiben würdest:
"Der beste Weg, mit den neuen reprogenetischen Methoden umzugehen, ist eine Politik, die Ärzten und Patienten die Hauptkontrolle verleiht, ohne direkte legale oder gesellschaftliche Beschränkungen."
Was sagst du denn dazu? - Na, du hattest ja doch zum Glück geschrieben
Ganz ohne Gesetze geht es auf dem Gebiet nicht. Es sollte schon jeweils abgewogen werden, welche Chancen und Risiken ein neues Verfahren mit sich bringt. Mit unserem Verstand sollten wir sinnvolle Grenzen ziehen, die aber weit über der Grenze des in Deutschland bestehenden ESchG liegen.
Du hast mein Ziel nicht so genau erkannt. Mir geht es nicht rein darum, dass alles Machbare gemacht werden darf. Ich engagiere mich nur soweit, wie ungewollt kinderlosen Paaren wirklich geholfen werden kann.
Tsja, ich glaube dir schon im Prinzip, dass du nicht rein drum kämpfst, dass alles Machbare gemacht werden kann. Aber nach deinen Aussagen zu meinen Beispielen finde ich schon, dass es in die Richtung geht. Schliesslich gibt es für all diese Beispiele auch das Argument des jeweiligen kinderlosen Paars, dem geholfen wird.

Das mit den Frauen, die Eizellen spenden könnten aus dem Beweggrund, sich genetisch verewigt zu wissen, leuchtet mir immer noch hinten und vorn nicht ein, sorry. Aber wer weiss, vielleicht gibts so vier, fünf Frauen in Amiland, die so denken. ... (Sorry , ironisch.)
Und die Männer, die ihre Gene weitergeben möchten - würden sie das wohl auch noch gratis wollen?

Mit diesem Zitat von dir kann ich jetzt auch nicht viel anfangen:
„Mit emphatischen Leerformeln wie „Verantwortung“, „Humanität“, „Menschenwürde“ oder „Gerechtigkeit“ werden rhetorische Erfolge eingeheimst, ohne dass ernstlich darangegangen würde, diese Begriffe inhaltlich zu differenzieren und zu konkretisieren.“
Ich weiss nicht, auf was konkret du dich da jetzt beziehst, aber ich finde, dass weder Spiewak noch ich selber jetzt besonders mit inhaltlich leeren Begriffen um uns geworfen haben.

Du merkst vielleicht, dass ich etwas gereizt töne. Ich habe das Gefühl, ich habe meine Gedanken und Ansichten vorläufig so gut dargestellt, wie ich es mit einigermassen vernünftigem Aufwand konnte, und ich habe das Gefühl, wir haben teilweise wirklich sehr weit entfernte Ansichten, und ich mag im Moment nicht mehr über Dinge allgemein philosophieren, die nicht meine nächsten Sorgen sind. Ich glaube, wir beide haben unsere Standpunkte hier einigermassen klarmachen können. Ich finde, wir werden auch beide etwas extrem, und das zerrt im Moment eher an meinen Nerven.
Man könnte wohl noch sehr lange weiterdiskutieren. Wenn, dann fände ich es nett, wenn sich auch andere noch zu Wort melden könnten. Aber das Thema ist etwas aus dem Ruder gelaufen, und es traut sich sicher keine bei unsern ellenlangen Beiträgen ... Ausserdem haben wir das Ursprungsthema ja ziemlich verlassen. Und ich habe das Gefühl, dass ich anfange, mich zu wiederholen.

Wir müssten über alle einzelnen Punkte ausführlich diskutieren, um nicht "schwammig" zu sein, und das ist im Moment nicht meine Priorität. Ich kann es nur allgemein so formulieren: Der Leidensdruck ist im Einzelnen gross, trotzdem kann der Wunsch der Einzelnen nicht allein entscheidend sein. Man darf die grösseren Zusammenhänge nicht aus den Augen verlieren. Hoffentlich findest du das nicht allzu schwammig. Ich kanns nicht besser sagen.

Ich möchte jetzt nicht kommunikationsverweigernd sein, aber ich möchte die Diskussion im Grossen Ganzen langsam mal abschliessen. Ok? Dann hast du auch wieder mehr Zeit für deine übrigen Threads (-:

Gute Nacht oder schönen Tag

Mymla
Mymla04
Rang0
Rang0
Beiträge: 173
Registriert: 18 Okt 2006 19:05

Beitrag von Mymla04 »

Ups, war nicht eingeloggt.
Gast

Beitrag von Gast »

der (geforderte) Kommentar einer Dritten:

Ihr seid inzwischen beim unlösbaren und nur immer wieder aufs neue gestaltbare politische Problem des Verhältnisses von
Gesinnungsethik zu Verantwortungsethik

angelangt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Gesinnungsethik
http://de.wikipedia.org/wiki/Verantwortungsethik

Darauf keine exakte Lösung zu haben ist sicher nicht weiter schlimm, sondern das, was auch die Leute in Politik und Ethikkommissionen NUR gestalten können,
wobei religiös/politisch eher konservative Akteure gern aufgrund der Gesinnungsethik absolut-dogmatische Schlusspunkte setzen wollen, aber in vielen Bereichen wegen unserer pluralistischen Gesellschaft dann langfristig nicht durchsetzen können, weil die Realität sich verändert.

Über das Thema hat ähnlich der nationale Ethikrat debattiert:

"Moralischer Pluralismus - Referate mit anschließender Diskussion"

wer also Interesse hat, könnte auch hier weiterlesen
http://www.ethikrat.org/sitzungen/pdf/W ... -03-23.pdf

eine ähnliche Unterscheidung existiert als
Fürsorgeethik ( feministisch) gegenüber Gerechtigkeitsethik ( Rechts-Prinzipien)
besonders bei den Antirepro-Vertretern beliebt, die sich als fürsorgliche und verteidigende Beschützer von ihnen definierter Schutzloser/ besonders zu Schützenden ( oder Angegriffene) sehen.
Anhand sehr spezieller Risikobewertungstrategien ( Dammbruch,.. Nazigeschichte) und der Haltung wer keine Risiken eingehe, wäre immer auf der sicheren automatisch der besseren Seite.. der "Guten".


Grundfrage bleibt immer und auch in Zukunft, inwieweit darf die Obrigkeit (unsere Entscheider)dem Einzelnen und der Gesellschaft als ganzes Vorschriften machen, wenn wir an die Rechte denken, die uns allen in der Verfassung einzeln gewährt werden, also auch tatsächlich zustehen sollen ?

Volker Gerhardt gibt darauf diese Antwort:
" das Prinzip der Gerechtigkeit ist bereits in den elementaren Rechtsgrundsätzen angelegt. Sie fordern kreative soziale Lösungen heraus, sobald und solange es Menschen gibt, die Politik machen wollen. Das ist auch für die neuen ethischen Fragen von Bedeutung, denn unsere Verfassung enthält mehr elementare politische Ansprüche als wir landläufig meinen. So verbietet allein der Vorrang der individuellen Freiheit die obrigkeitsstaatlichen Lösungen, zu denen die Bundesrepublik mit dem Embryonenschutz- und dem Stammzellimportgesetz Zuflucht genommen hat."
http://www.frankfurter-hefte.de/gesprae ... _07_4.html
rebella67
Rang5
Rang5
Beiträge: 13586
Registriert: 10 Jan 2002 01:00

Beitrag von rebella67 »

Hallo Mymla,

Ja, man darf die größeren Zusammenhänge nicht aus den Augen verlieren. Ich kann das gern unterstreichen, wobei wir ja gemerkt haben, dass wir die größeren Zusammenhänge jeweils anders betrachten. Ich hatte in der letzten Zeit einen interessanten Gedankenaustausch mit dem Dr. der Philosophie, Edgar Dahl. Der könnte die Sache mit den größeren Zusammenhängen bestimmt philosophisch auseinander nehmen.

Ich verstehe, dass du das Gespräch hier beenden möchtest. Und ich betrachte das auch nicht als Kommunikationsverweigerung. Wir haben ja Vieles gesagt und kennen unsere Positionen nun. Auch wiederholen wir uns. Du wirst mir aber bestimmt die Freude lassen, noch mal deinen Text zu kommentieren.


Zitat: „weil ich das von dir kritisierte deutsche Embryonenschutzgesetz nicht so genau kenne“
Das allerdings ist schade. Man kann eigentlich keine hinreichende Diskussion über das ESchG führen, wenn man es nicht so genau kennt. Ich hatte dir ja vor ein paar Seiten den Link dazu gegeben. Hier noch einmal ganz kurz, was von mir am ESchG kritisiert wird:
- Die Nichtzulassung der Kultivierung von mehr als 3 Embryonen, insbesondere auch in solchen Fällen, wenn das Paar bereits eine sehr niedrige Erfolgschance hat.
- Die Nichtzulassung der Auswahl der augenscheinlich Erfolg versprechendsten Embryonen mit anschließendem Single- oder Doubble-Embryotransfer zur Vermeidung von höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften.
- Die Nichtzulassung der Eizellspende.
- Die Nichterwähnung einer Zulassung der Embryonenspende.
- Die Nichtzulassung der PID bei genetisch vorbelasteten Paaren (schwere Erbkrankheiten).

Zitat: „bin auch nicht ganz überzeugt, dass ein späteres Einsetzen z. B. die Chancen erhöht.“
Das tut es für sich genommen auch in der Tat nicht. Die Auswahl des augenscheinlich besten Embryos am dritten Tag ist jedoch wesentlich zielgenauer als eine solche Auswahl am 2. Tag. Zum Blastozystentrasfer (am 5. Tag) gibt es verschiedene Standpunkte. Meines Erachtens ist das einzig Gute daran, dass man wartet, welche Embryonen sich von selbst verabschieden und meistens nicht mehr nach den augenscheinlich besten Embryonen auswählen muss. Bei wenigen Paaren mit bestimmten Voraussetzungen soll Blastozystentransfer durchaus Sinn machen.


Zitat: „Und ich glaube, in den Kirchen der westlichen Welt würden dir sehr wenige Mitglieder so argumentieren. Die Aussage des von dir zitierten Autors („Religiöse Argumente berufen sich in der Regel auf Autoritäten“) finde ich auch darum recht blöd, weil es für mich "religiöse Argumente" gar nicht gibt.“
Klar, die wenigsten würden heute noch mit kirchlichen Dogmen argumentieren. Das heißt aber nicht, dass die heute vorgebrachten Argumentation keine Ursache in christlichen Dogmen hat. Ich hatte weiter oben versucht, dir das am Beispiel meiner Einstellung gegenüber Homosexuellen zu erklären. Diese Einstellungen sind überliefert und werden oft nur als die eigenen angenommen. Außerdem verfügen die christlichen Kirchen mittels ihrer Theologen über beste Verdrehungskünste. Die können z.B. auch die blutrünstigsten Stellen aus der Bibel als liebevolles Verhalten deklarieren. Ähnlich geschieht das u.a. auch mit der Einstellung zur assistierten Befruchtung. Da gibt man vor, man tue das zum Wohle des Embryos und dergleichen mehr, obwohl ganz handfeste Dogmen dahinter stehen. Die meisten Menschen übernehmen das so. Du kannst doch nicht abstreiten, dass in diesem Land ganz massiv von oben Meinungsmanipulation betrieben wird. Es ist so gewollt, dass die Menschen bestimmte Dinge ablehnen und bestimmte Dinge gut finden. Deshalb wird mittels Medien, Kampagnen, … Meinungsmanipulation betrieben, die bei den allermeisten Menschen auch bestens klappt.
Ja, man kann ohne Zweifel für einige Dogmen der Kirche auch stichhaltige Argumente finden. Habe ich nicht abgestritten. Ich beziehe mich eben auch nur auf diese stichhaltigen Argumente. Zum Thema Eizellspende, das du dir als Beispiel gewählt hast, gibt es eine Reihe von stichhaltigen Argumenten dafür und auch dagegen. Letzten Endes kann man nur abwägen, ob die Vorteile oder die Nachteile überwiegen. Verschiedene Menschen werden da zu verschiedenen Ergebnissen kommen. Für mich heißt es: Im Zweifel sollte sich die Gesellschaft nicht in die Entscheidungen des Einzelnen einmischen. Die Beweislast liegt bei dem, der verbietet.

Zitat: „Z. B. wird der Ausdruck "genetische Mutter" teilweise sehr ungern gehört, lieber "Spenderin".“
Ja, auch lieber „Spender“ als „genetischer Vater“. Ganz einfach deshalb, weil jemand, der oder die ein Kind nicht aufzieht, von uns nicht als Mutter oder Vater betrachtet werden kann. Mutter oder Vater sind die Menschen, die das Kind lieben und aufziehen. Außerdem stiftet das Wort Mutter oder Vater reichlich Verwirrung beim Kind, weil die Begriffe ja schon mit der sozialen Mutter- bzw. Vaterschaft verbunden sind und vom Kind auch so assoziiert werden. Ich würde meinen Kindern gegenüber auch nie von einem genetischen Vater sprechen, sondern nur von einem Erzeuger oder von „dem Mann, der die Samen für dich gegeben hat“. Das Wort „Vater“ könnte in ihnen völlig falsche Vorstellungen und vielleicht Hoffnungen wecken.

Zitat: „und meiner Meinung nach muss man es dem Kind unbedingt sagen, wenn noch jemand Drittes beteiligt ist, und zwar möglichst früh. Genau wie bei adoptierten Kindern eben. Und das scheinen nicht alle zu machen, die diese Behandlungsarten wählen. Und das finde ich unfair den Kindern gegenüber. Es geht dann eben primär darum, den Eltern bzw. den Frauen ihren Kinderwunsch zu erfüllen, das Kind ist zweitrangig.“
Auch das mag ich nicht unkommentiert stehen lassen. Im Prinzip hast du Recht. Das Verschweigen der Eltern geschieht aber meist nicht aus bewusster Unfairness, sondern aus fehlender Information und aus Angst vor Repressalien der Gesellschaft. Ich habe ja eine Sammlung von Aussagen dazu. Hier mal ein paar Kostproben:
1. „… deshalb, weil leider die Akzeptanz in der Gesellschaft größtenteils nicht gegeben ist.
Männer, die nicht zeugungsfähig sind, werden halt leider doch von einigen Mitmenschen als keine richtigen Männer angesehen. Oder was genauso schlimm ist, sie werden von anderen bemitleidet.
Es gibt auch Zeitgenossen, die der Frau nahe legen, sie soll sich doch einen „richtigen“ Mann nehmen.“

2. „Da dieses Thema tot geschwiegen wird und in unserer Gesellschaft nicht anerkannt ist, haben wir Bedenken, dass es zu dummen Kommentaren, Lästereien, Unverständnis und Abweisung kommt, worunter unsere Tochter vielleicht mal leiden muss. Wir wollen und können nicht darauf hoffen, verstanden zu werden. Das Risiko ist uns zu groß.“

3. „Ich habe mal bei einer sehr guten Freundin, die auch über unsere ICSI-Versuche Bescheid weiß, anklingen lassen, dass es sowas wie HI gibt, nicht einmal, dass wir mit dem Gedanken spielen. Aber die Reaktion war völliges Unverständnis und totale Ablehnung („Wer macht denn SOWAS ?).“

Wenn das Verfahren gesellschaftlich anerkannt wäre und wenn die Spenderdaten ausreichend lange aufgehoben werden würden, wäre es den Eltern leichter, offen damit umzugehen. Wir haben zudem festgestellt, dass informierte Paare häufiger aufklären. So ist es uns auch selber gegangen. Ursprünglich wollten wir unsere Kinder nicht darüber aufklären. Nach Sichtung der Fakten und Anhäufung von Wissen rund um das Thema ist es uns jetzt nicht mehr möglich, unseren Kindern gegenüber zu schweigen. Ich würde mal laps sagen: Dumm konnte ich mich damit noch rechtfertigen, aufgeklärt nicht mehr.

Zitat: „man kann oft die Unfruchtbarkeit nicht so einfach erklären, sonst könnte ja das Verursacherprinzip gelten. Ausserdem: ich fände es dann sinnvoller und sozialer von den Autofahrern, wenn sie mit dem Autofahren stark runterschrauben oder aufhören würden“
Ja, man kann viele Krankheiten nicht so einfach erklären. Das Gleiche gilt z.B. auch für Raucherkrankheiten. Deshalb wäre ich für eine teilweise Bezahlung der Krankenkassenbeiträge aus gesundheitsgefährdenden Quellen, z.B. aus Tabaksteuer oder Mineralölsteuer (es gäbe noch mehr gesundheitsgefährdende Quellen). So könnte man das Verursacherprinzip einigermaßen gerecht wahren. Dass Autofahren DESHALB (wegen der Rücksicht gegenüber dem Tankwart) freiwillig vom Einzelnen eingeschränkt werden würde, ist völlig unrealistisch. Sowas funktioniert allenfalls über den Kostenfaktor.

Zitat: „Aber Menschen sind nun einmal teilweise leider niederträchtig (homophob im Beispiel), oder auch lieblos und gleichgültig ganz ohne direkt zu hassen, und diese Niedertracht kommt nicht primär aus der christlichen Kirche. Meine Meinung.“
Richtig, meine Meinung auch. Aber die Kirche und ihre Lehre verstärken so was. Das ist für mich hinreichend für eine Kritik an der Kirche.

Zitat: „Aber, ich verweise halt wieder auf Spiewak, gerade die PID könnte unsere Gesellschaft sehr stark beeinflussen in Richtung "Kind nach Maß" … „Für mich ist das leider nicht nur Science Fiction.“
Dazu hatte ich mich schon geäußert. Ich finde es traurig, dass dieser Wahn, diese Angst vor einer zukünftigen Gesellschaft, wo ein Großteil der Menschen auf natürliche Zeugung verzichtet, um blauäuigige und intelligente Kinder zu bekommen, den heute auf PID angewiesenen Paaren, nämlich denen mit schweren Erbkrankheiten, den Weg zum Wunschkind versperrt. Und ich stelle hier deiner These drei andere Thesen gegenüber: 1. Das Kind nach Maß ist ein vorgeschobenes Argument der Kirchen, das publikumswirksam und erfolgreich verbreitet wurde, um wenigstens in diesem Bereich „Das Eingreifen in Gottes Schöpfung“ zu verhindern. 2. Es wird nicht zu dem von dir geschilderten Szenario kommen, weil es einfach ein menschliches Bedürfnis ist, sich natürlich fortzupflanzen. Nur in Notsituationen greift man gewöhnlich auf Hilfe von außen zurück. 3. Wenn du sagst, unsere heutigen Moralvorstellungen wären unabhängig von den (christlich dominierten) Moralvorstellungen der Menschen in vergangenen Zeiten - warum bist du dann der Meinung, wir könnten heute mit Verboten und Meinungsmanipulation das Handeln der Menschen von morgen beeinflussen?

Zitat: „Vor 40 Jahren noch war die Idee, dass so viele Kinder aus Reagenzglaszeugung entstehen könnten, auch noch Science Fiction.“
Ja! Und: Ist das, was sich jetzt daraus entwickelt hat, verkehrt?


Zitat: “Und bei der ES: manche Betroffene würden dir wohl danke sagen, wenn sie erlaubt wird, manche betroffene Spenderinnen mit gesundheitlichen oder psychischen Problemen unter Umständen aber eher nicht. Natürlich kannst du jetzt sagen, aber die haben es dann ja so gewollt, freiwillig, nach vollständiger Aufklärung. Das ist für mich aber kein ausreichendes Argument.“
Kennst du Studien darüber, wie viele Spenderinnen (mal die ärmeren Länder, wo in der Tat eine Ausbeutung der Spenderinnen vorkommt, ausgenommen) in hoch entwickelten Ländern aufgrund ihrer Eizellspende gesundheitliche und psychische Probleme bekommen? Beste medizinische Betreuung und Aufklärung vorausgesetzt halte ich das weiterhin für legitim. Wir Menschen tun so Vieles freiwillig und nach ausreichender Aufklärung. Und oft ist das auch gesundheitsschädlich. Trotzdem werden nicht all diese Handlungen verboten. So ist es nicht verboten, dem Nachbarn dabei zu helfen, einen Schrank in den Keller zu tragen, obwohl es durchaus möglich ist, dabei Rückenschäden davon zu tragen. Es ist auch nicht verboten, selbstlos beim Nachbarn auf dem Dach einen Ziegel zurecht zu rücken, obwohl es durchaus möglich ist, dabei vom Dach zu stürzen. Es ist nicht verboten, unter Einsatz des eigenen Lebens jemanden aus dem Feuer zu retten. Es ist nicht verboten, andere Menschen mit dem Auto ganz selbstlos irgendwo hin zu kutschieren, obwohl es ja möglich ist, unterwegs einen schweren Unfall zu haben. … Ich könnte die Liste hier fortsetzen.

Zitat: „Boaaah. Was ist denn das anderes als eine bezahlte Auftragsproduktion? Eine selbstlose kreative Handlung bestimmt nicht. Und wie wird das beim Kind später wohl so ankommen: "Also, weisst du, wir wollten dich soo gern haben, da haben wir einer Frau Geld bezahlt, sie hat dich dann bekommen und uns gegeben, nett nicht?"(naheliegende Frage: "warum wollte die nette Frau, die mich im Bauch hatte, mich dann nicht selber behalten?"
Ich sagte ja, im Ausdruck liegt die Stärke des Niederschreibenden. „Bezahlte Auftragsproduktion“ ist ein liebloser Ausdruck für das Austragen eines Kindes. Ohne eine gewisse Liebe zum Menschen wird eine Frau kein fremdes Kind austragen können. Auch nicht für Geld. Wenn es auch bei Bezahlung nicht ganz selbstlos sein kann (welche unserer Handlungen ist schon so völlig selbstlos???), so handelt es sich dann doch immer noch um eine Paarung von einem gewissen Maß an Selbstlosigkeit und einem gewissen Maß an Egoismus. Hier ausgedrückt in Geld. Bei der austragenden genetischen Mutter, die ihr Kind auch aufzieht, ist das ja ebenfalls eine Paarung von Selbstlosigkeit und Egoismus. Selbstlosigkeit, da sie das für ihr Kind tut. Egoismus, da sie auch gern ein Kind haben möchte. Egoismus aber (in einem geringeren Grad) auch oft dann, wenn sie dieses Kind nicht haben möchte. Vielleicht tut sie es zur Beruhigung des eigenen Gewissens? Völlig selbstlos wohl nur dann, wenn sie das unerwünschte Kind wirklich ausschließlich um des Kindes Willens austrägt. …
Und so, wie von dir formuliert, wird das wohl kein Kind aus Eizellspende gesagt bekommen. Ich würde das in etwa so sagen. „Du bist unser allergrößtes Glück! Leider war es bei uns so, dass Mama dich nicht austragen konnte. Deshalb haben wir nach sehr langer Suche eine andere Frau (schön, wenn ich die Frau dann auch noch mit Namen benennen könnte) gefunden, in deren Bauch du heranwachsen konntest. Diese Frau hat das getan, um uns zu helfen. Ohne diese Frau wärst du heute nicht da und deshalb danken wir ihr aus tiefstem Herzen. Ja, wir haben dieser Frau dafür Geld gegeben. Aber so eine Schwangerschaft ist auch mit vielen Unannehmlichkeiten verbunden und wir dürfen nicht erwarten, dass jemand diese Unannehmlichkeiten für uns so völlig selbstlos in Kauf nimmt.“ Daran anschließend kann man vielleicht was Persönliches sagen, was diese Frau in der Schwangerschaft für Nachteile hatte. Vielleicht musste sie längere Zeit im Krankenhaus liegen und konnte ihre eigenen Kinder nicht versorgen? Vielleicht brauchte sie eine Haushaltshilfe, die ja auch bezahlt werden musste? Vielleicht hatte sie Verdienstausfall an ihrem Arbeitsplatz? Wenn sie nicht berufstätig war, dann hatte sie aber bestimmt irgendetwas, was sie sonst so gemacht hat und aufgrund der Schwangerschaft nicht tun konnte. „Aber, sie hat das ja alles gern für uns und für dich getan. Und es ist ihr sehr schwer gefallen, dich her zu geben. Schließlich warst du 9 Monate in ihrem Bauch. Aber du trägst ja die Gene von Mama und Papa und bist ihr Wunschkind. Und deshalb hat sie dich dann auch schweren Herzens in unsere Arme gelegt.“ Schön, wenn es dann noch einen losen Kontakt zu der Leihmutter gibt und das Kind spüren kann, dass da irgendwas an Liebe ist. Ich denke, bei den meisten Leihmüttern müsste das wirklich so sein, dass sie sich freuen, dieses Kind immer mal wieder zu sehen. …

Zitat: „Wenn es genug "sicher" wäre, würdest du also auch eine Bastelei mit zwei EZ bzw. zwei Spermien befürworten, damit lesbische oder schwule Paare ihr genetisches Mix-Wunschkind kriegen könnten. Total schön. Naja. Ich muss sagen, die IDEE find ich auch ganz nett. Solange ganz und gar klar ist, dass es eine Idee bleiben wird. Das umsetzen zu wollen ist bei mir definitiv ein Überschreiten sämtlicher Grenzen, die uns gesetzt sind (Gottes Wille, würde ich da durchaus sagen).“
Kannst du deine Ablehnung wegen Überschreitung sämtlicher Grenzen auch rational erklären? Ich würde sagen, uns wurde da keine Grenze gesetzt, wenn es denn tatsächlich machbar ist. Unter der Annahme, es gäbe einen allmächtigen Gott, hat er uns da definitiv keine Grenze gesetzt, wenn es denn geht. Unter der Annahme, es gibt diesen Gott nicht, sondern irgendwen anders (z.B. Natur), hat uns auch die Natur nicht diese Grenze gesetzt, wenn es geht. Grenzen können nur da bestehen, wo etwas wirklich nicht geht. Oder aber, wir Menschen selber haben uns diese Grenze gesetzt.


Zitat: „befürchte ich, dass du womöglich das von mir zitierte Credo von Robertson auch unterschreiben würdest: "Der beste Weg, mit den neuen reprogenetischen Methoden umzugehen, ist eine Politik, die Ärzten und Patienten die Hauptkontrolle verleiht, ohne direkte legale oder gesellschaftliche Beschränkungen."
Ich würde die Hauptrolle eher bei den Patienten sehen, die von den Ärzten nur nach bestem Wissen und Gewissen unterstützt werden. Ganz ohne Beschränkungen, wie gesagt, auch nicht. Denn - wie gesagt - wir dürfen den globalen Zusammenhang nicht vergessen. Jedoch - wie gesagt - mit weitaus weniger Beschränkungen als bisher. Beschränkungen würde ich z.B. dort ansetzen, wo es Ärzten möglich wird, auf Kosten der Patienten und / oder der zukünftigen Kinder einen unverhältnismäßig hohen Gewinn zu erwirtschaften.


Zitat: „Das mit den Frauen, die Eizellen spenden könnten aus dem Beweggrund, sich genetisch verewigt zu wissen, leuchtet mir immer noch hinten und vorn nicht ein, sorry. Aber wer weiss, vielleicht gibts so vier, fünf Frauen in Amiland, die so denken. ... (Sorry , ironisch.)
Und die Männer, die ihre Gene weitergeben möchten - würden sie das wohl auch noch gratis wollen?“
Hier mal ein aktueller Link zu den Beweggründen zumindest einer einzelnen Spenderin: http://www.swr.de/report/-/id=233454/ni ... index.html Deine Annahme mit den vier, fünf Frauen ist wieder nur eine Hypothese. Du bräuchtest schon aussagekräftige Studien zu den Beweggründen dieser Frauen, um dagegen zu argumentieren.
Zu den Beweggründen der Männer kann ich dir direkt was liefern. Der Australier Ken Daniels, der seit 28 Jahren im Bereich der Reproduktionsmedizin vor allem zu den psychosozialen und ethischen Fragen der Spendersamenbehandlung forscht, hat in seinen Studien herausgefunden, dass die große Mehrheit der Spender wissen möchte, was bei ihrer Spende heraus gekommen ist und dass sie ihren Nachkommen Glück wünschen. Jüngere Spender haben häufiger finanzielle Interessen, ältere Spender wollen eher helfen. Diese Aussagen hier habe ich in einem deutschen Internetforum gefunden, wo sich Spender privat anbieten (www.sperma.kol.li):
„Ich bin in einer langen intakten Beziehung, in der leider kein gemeinsamer Kinderwunsch besteht. Ich bin jetzt aber in dem Alter, in dem ich schon gerne ein Kind hätte, oder wenigstens das Gefühl/Gewissheit, dass ich ein Kind gezeugt habe und so nicht umsonst gelebt habe.
Ich möchte auch etwas mehr über den Empfänger erfahren. Beim Zusammenkommen einer Übereinkunft würde ich mich sehr freuen, wenn ich jährlich ein Foto von seinem Geburtstag zugeschickt bekommen könnte, damit ich seine Entwicklung anonym verfolgen kann. Ich möchte aber rechtlich abgesichert haben, dass ich keine weiteren Rechte und Pflichten habe!“ (35-jähriger)

„Leider kann meine Frau keine Kinder bekommen.“ … „Wenn es möglich wäre, hätte ich gerne das Kind später gesehen.“ (36-jähriger Akademiker)

„Meine Partnerin ist leider ohne Kinderwunsch.“ … „ Ich würde (nur auf Wunsch) gelegentlich dem Kind Vater sein.“ (37-jähriger Architekt)

„Ich suche schon seit längerem eine Möglichkeit, mein Erbgut vollkommen anonym weiter zu geben.“

„Ich hätte zwar gerne ein Kind, aber ich habe keine Zeit, um dafür die Verantwortung zu übernehmen.“

„Zum Samenspenden kam ich, weil ich es als Kinderloser kaum ertragen konnte, Kinder spielen zu sehen. Der Neid war einfach furchtbar. Nun, heute muss ich nicht mehr neidisch sein. Da Kinder etwas Wunderbares sind, würde ich gern noch der einen oder anderen Frau dazu verhelfen, dass auch sie nicht mehr unter einem unerfüllten Kinderwunsch leiden muss. Ich habe und erwarte keinerlei finanzielle Interessen.“ (Akademiker, Ende 30)


Zitat: „aber ich finde, dass weder Spiewak noch ich selber jetzt besonders mit inhaltlich leeren Begriffen um uns geworfen haben.“
In dem Fall ging es um die Leerformel des Begriffs Menschenwürde. Es lässt sich eben sehr leicht mit dem Begriff Menschenwürde hausieren gehen. Aber was ist Menschenwürde genau? Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Gibt es eine Übergangsphase, eine abgestufte Menschenwürde? Was ist dem Menschen würdig oder nicht? Das alles sind Inhalte, die durchaus nicht jeder, der den Begriff in den Mund nimmt, gleich definiert. Unser Gesetz definiert Menschenwürde vom Beginn der kernverschmolzenen Eizelle bis über den Tod hinaus. Es erkennt keine abgestufte Menschenwürde an. Unser Gesetz betrachtet es z.B. auch als Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn jemand einem leidenden, unheilbar kranken Menschen, der sterben möchte, zum Tod verhilft. ICH sehe eine abgestufte Menschenwürde, gern ab Beginn der Kernverschmelzung und mindestens bis zum Vorliegen des menschlichen Gehirns. Erst danach - und evt. auch noch etwas später - erkenne ich die vollständige Menschenwürde an. Das heißt, dass dieses Leben mit jedem uns zur Verfügung stehenden Mittel zu schützen ist. Im Bereich der abgestuften Menschenwürde gestehe ich dem sich entwickelnden menschlichen Keim einen gewissen Respekt zu, der mit seiner Chance, wirklich zum Menschen zu werden, zunimmt. Das Inkaufnehmen seines Ablebens (mit Zustimmung der Mutter) zum Zweck der Erhöhung der Schwangerschaftschancen bei der Mutter oder der Prävention von höhergradigen Mehrlingen betrachte ich nicht als Verstoß gegen die Menschenwürde. Aber ich betrachte es als Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn man einem stark leidenden, nach Tod flehenden kranken Menschen nach Vergewisserung, dass derjenige sich das wirklich aus vollem Herzen wünscht, nicht in den Tod hilft.
Ich hoffe, ich konnte mich deutlich ausdrücken und hier doch noch mal das Eine oder Andere rüber bringen, was bisher nicht so verständlich war.
Liebe Grüße, Rebella
------------------------------------------
Antworten

Zurück zu „Total anonym“