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Neuauslegung des deutschen ESchG

Verfasst: 05 Nov 2007 22:57
von rebella67
Wir haben ja hier seit 2 Jahren berichtet, dass es eine Neuauslegung des ESchG gibt, nach der in bestimmten Fällen, wo die Erfolgsaussichten nicht so besonders groß sind, mehr als 3 Embryonen kultiviert werden können. http://www.klein-putz.net/forum/viewtop ... cea7a24605 Diese Neuauslegung ist zwar nicht vom BGH bestätigt worden, aber sie wird tatsächlich praktiziert. Und zwar, wie ich jetzt aus informierten Kreisen erfahren konnte, soll diese Neuauslegung im Prinzip in allen Praxen in Bayern und in Baden-Würtemberg genutzt werden.


Prof. Geisthövel, Reproduktionsmediziner und beschäftigt in Sachen Neuauslegung des ESchG, hat die Bedingungen in einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet und stellte die Kriterien am letzten Donnerstag auf einem Kongreß vor. Es sollten danach 4-6 Embryonen weiter kultiviert werden bei einem Alter >37 Jahre, bei Low Respondern …. Und es gab noch mehr Kriterien, die ich nicht so schnell mitschreiben konnte.

Er sprach vom Mannheimer DVR Workshop concept, nach dem u.a. double ET nach vorsichtiger individueller Auswahl am Tag 1 nach der Befruchtung stattfinden solle. Leider habe ich hier wieder ´ne Lücke.
Prof. Geisthövel verwies noch auf die Seiten www.kinderwunsch-hormone.de und www.gyn-endo-handbuch und nannte auch seine e-mail-Adresse.
Die neue Auslegung des ESchG ist nach wie vor ein Wagnis. Aber ca. 30 Praxen in Bayern und Baden Würtemberg arbeiten danach!

Im anschließenden Gespräch erklärte mir Prof. Geisthövel, die vorbildliche Umsetzung fast ausschließlich in diesen beiden Bundesländern läge daran, dass in der Region auch die Verbände der Reproduktiosmediziner angesiedelt sind. Die haben da ganz klare Vorgaben und stärken sich gegenseitig den Rücken. Weil es alle machen, sind sie schwerer angreifbar. Sie haben sich gemeinsam dafür entschlossen. Prof. Geisthövel hofft aber, dass auch andere Bundesländer nach und nach nachziehen. Auf meine Frage, was wir gegen die Verbote der Ärztekammern z.B. in Berlin tun können, antwortete er, wir müssten uns dort scharenweise als Betroffene beschweren. Also wäre vielleicht mal eine Ärztekammeraktion drin?

Auf meine Aussage, ich fände diese Praktizierung mutig, weil die Ärzte ja Gefahr laufen, verklagt zu werden, reagierte Prof Geisthövel ganz erstaunt. Er meinte, die Reproduktionsmediziner würden sowieso immer Gefaht laufen, verklagt zu werden. Das mache für ihn keinen Unterschied. (Hut ab!) Außerdem sehe er in seiner Praxis in keiner Weise ein ethisches Problem!
Er sagte auch, einige Ärztekammern der Länder würden inzwischen schon vorschreiben, dass bei unter 38-jährigen nur noch 2 Embryonen kultiviert werden dürfen. Das ist natürlich ein Schuß nach hinten.

Ich werde hier in den nächsten Tagen, wenn ich die mail erhalten habe, genauere Informationen zum Mannheimer DVR Workshop concept einstellen.

Gleichzeitig apelliere ich an die Patienten in den anderen Bundesländern, sich für die Übernahme der Neuauslegung einzusetzen. In Berlin könnten das Proteste bei der Ärztekammer sein, in anderen Bundesländern müßte erstmal heraus gefunden werden, warum man nicht danach arbeiten will.

Verfasst: 28 Sep 2008 01:32
von rebella67
Ich möchte diesen Thread mal updaten.

In den letzten Monaten habe ich einige wenige mails von Betroffenen erhalten, die eine Weiterkultivierung von 6 Embryonen erhalten haben. Es wird also wirklich so praktiziert.

Ein Rechtsanwalt, der ca. 15 - 20 Kinderwunschpraxen in Deutschland berät, meinte: "Die machen das doch alle so." Ich kann dem nicht ganz folgen, wenn ich mir die D.I.R. Statistik anschaue. Ich vermute eher, dass es nur einige Praxen gibt, die das so machen.

Über Berlin habe ich inzwischen erfahren, dass es wohl nicht die Ärztekammer war, die der Weiterkultivierung von mehr als dreien nach der Neuauslegung des ESchG einen Riegel vorgeschoben hat, sondern ein Drohbrief der christlich determinierten CDU. In diesem wurde den Praxen angedroht, dass derjenige, der das zuerst so durchführt, verklagt wird. Übrigens mal wieder ein deutliches Beispiel der von den Kirchen und christlich orientierten Parteien ausgeübten Erpressung zur Durchsetzung christlicher Dogmen!

Ich kann jedem, der die Weiterkultivierung von mehr als dreien wünscht, nur dazu raten, in der Praxis seiner Wahl direkt danach zu fragen, ob das denn auf Wunsch so gemacht wird.

Verfasst: 28 Sep 2008 11:09
von cruzeiro
rebella67 hat geschrieben:Über Berlin habe ich inzwischen erfahren, dass es wohl nicht die Ärztekammer war, die der Weiterkultivierung von mehr als dreien nach der Neuauslegung des ESchG einen Riegel vorgeschoben hat, sondern ein Drohbrief der christlich determinierten CDU. In diesem wurde den Praxen angedroht, dass derjenige, der das zuerst so durchführt, verklagt wird. Übrigens mal wieder ein deutliches Beispiel der von den Kirchen und christlich orientierten Parteien ausgeübten Erpressung zur Durchsetzung christlicher Dogmen!
Schuld daran hat in erster Linie Konrad Hüppe. Ein einfacher Funktionär und Hinterbänkler.

Schade, dass Frau Merkel diese Sache wohl komplett an die Bundesfamilienministerin wegdelegiert hat, ob gewollt oder nicht, Frau von der Leyen und Herr Hüppe sorgen so dafür, dass die CDU eine strategische Option beim Versuch, der Eroberung der Mitte nicht wahrnimmt.

Frau Bundeskanzlerin, wo bleibt denn hier einmal ihr Machtwort? Ein so wichtiges Thema überlässt man doch nicht einem Konrad Hüppe :argh: .

Cruzeiro

Verfasst: 28 Sep 2008 22:09
von rebella67
Du meinst wohl eher Hubert Hüppe, u.a.


- stellvertretender Bundesvorsitzender der Christdemokraten für das Leben

- Ordentliches Mitglied des Ausschusses für Gesundheit

- Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales

- Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

- Beauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Belange der Menschen mit Behinderungen

- Mitglied im Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

- Kooptiertes Mitglied im Bundesvorstand der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e. V.

- Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam Leben - Gemeinsam Lernen e.V.

- Mitglied in Katholischer Arbeitnehmerbewegung (KAB), CDA und Deutscher Beamtenbund (DBB - KOMBA)

Verfasst: 30 Sep 2008 14:01
von cruzeiro
rebella67 hat geschrieben:Du meinst wohl eher Hubert Hüppe
Ja genau den meine ich. Mag ihn überhaupt nicht. Politisch korrekter und moralinsaurer als bei ihm geht es kaum. Der hat einen ähnlich fiesen und selbstgerechten Argumentationsstil wie Oskar Lafontaine.

LG cruzeiro

Verfasst: 11 Mär 2009 12:31
von tinili
sehr interessant :-) bin in der praxis und geisthövel hat den TF gemahct *rotfl*
bin sogar selber christ und finde es selber auch schlimm was teilweise da gesgat wird und verzapft wird :-(( mein mann und ich musste die shclimmsten anschuldigungen erdulden wie z.b. dass IVF abtreibung wäre... mein vatre war auch ganz schlimm dagegen und wir habens dann letzendlich verheimlicht vor ihm.
problem ist, denke ich dass viele aus christlichen kreisen meinen man verwirft halbe kinder... wir z.b. haben ja nur im vorkernstadium kryokonserviert aber betreffende personen setzen sich nicht mit auseinander und wie shclimm es ist betroffen zu sein und dass man den kiwu nicht einfahc so weg stecken kann wissen die meisten auch nicht :argh: *mecker* da könnte ich mich ehct *mecker*

Verfasst: 28 Jul 2009 00:40
von cruzeiro
ich darf hier mal aktualisieren:

http://library.fes.de/pdf-files/stabsab ... /05642.pdf

Im letzten Abschnitt verteidigt Frau Ulrike Riedel ihre Auslegung der §§ 1 und 2 EmbSchG der "heiligen Dreierregel". Bis aufs Brechen wehrt sie sich gegen die Notwendigkeit, die Dinge endlich realitätsnäher zu sehen, in Fußnote 171. Ein Meisterwerk juristischer Spitzfindigkeit. Lesenswert!

Es wird also spannend, was wohl in Deutschland mehr zählt: das Leben, oder der Zellhaufen, der noch nicht einmal richtig von seinen eigenen Genen gesteuert wird.

Und im juristischen Sinne: die teleologische Auslegung, oder die Auslegung nach dem Wortsinn, wobei letztere Vokabel bereits ein Zirkelschlussargument ist, denn ein Wort hat immer nur den Sinn, den man ihm - durch Auslegung - beimisst.

Wie wird das Kammergericht hier entscheiden? (Abgesehen davon, dass es ja im Fall selbst gar nicht um das Pro- oder Contra Dreierregel geht).

Möge das Kammergericht hier bei klein-putz.net ausgiebig recherchieren!

Cruzeiro

Verfasst: 28 Jul 2009 13:46
von tessie
cruzeiro,
vielen Danbk für den Link zu dieser interessanten Studie der Friederich Ebert Stiftung! Die Studie befürwortet ein modernes Forpflanzungsmedizingesetz und spricht sich für die Zulassung des eSet aus (Seite 113).

Liebe Grüße,
Tessie

Verfasst: 18 Aug 2009 00:46
von rebella67
Du gehörst zu denen, cruzero, die mir bisher die interessantesten Links geliefert haben. Ich werde mir das Dokument mal zur Brust nehmen. :-)