Neues Stammzellengesetz: Mail an grüne Bundestagsabgeordnete

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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Berti, wir treffen uns hier in 10 Jahren wieder. :-)

Und ich hätte ja gar nichts dagegen, diese Wette zu verlieren.
Liebe Grüße, Rebella
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Gast

Besser sehr spät als überhaupt nie...?

Beitrag von Gast »

:meld: Der Abstimmung ist zwar längst rum, aber heute erreicht mich die Mail einer weiteren grünen MdB, Ulrike Höfken, in deren Namen Laura Weidenbruch geschrieben hat. Ob der Spruch "Besser spät als nie" auch diesem Fall gilt, könnt ihr nach der Lektüre selbst entscheiden:

"Vielen Dank für Ihre Email zum Thema Stammzellforschung.
Ich möchte gerne zu dem Thema Stellung nehmen.
Ich habe gegen eine Änderung des Stammzellgesetzes gestimmt. Eine
Verschiebung des geltenden Stichtages von 2002 wäre ein Dammbruch für
die weitere Begehrlichkeit der Forschung. Bislang sind auch in
Drittländern, die keine gesetzliche Einschränkung der Forschung mit
embryonalen Stammzellen haben, keine Erfolge zu verzeichnen. Viele
Millionen Euro werden seit Jahren für eine ethisch unverantwortbare
Zerstörung von Embryonen verschwendet. Stattdessen müssen die ethisch
unproblematischen Alternativen wie z.B. die adulte Stammzellforschung
stärker gefördert werden: Diese weist u.a. mit Herzinfarktpatienten
greifbare konkrete therapeutische Erfolge auf, ohne dabei gegen die
Menschenwürde zu verstoßen.
Außerdem hätte es keine Änderungen gegeben, die eine Verschiebung
ausreichend begründet hätten:
- Grundlagenforschung mit den in Deutschland zugelassenen embryonalen
Stammzellen findet nicht nur in Deutschland erfolgreich statt, sondern
diese werden auch in anderen Ländern in der Grundlagenforschung genutzt.
Grundlagenforschung und auch die sogenannte "vergleichende Forschung"
ist also auch ohne eine Verschiebung des Stichtages in Deutschland
weiterhin möglich. Die "alten" embryonalen Stammzellen werden
international bei aktuellen Forschungsprojekten genutzt - gerade weil
sie gut charakterisiert und untersucht sind.
- Auch für die vergleichende Forschung zwischen adulten Stammzellen oder
reprogrammierten Zellen mit stammzellähnlichen Eigenschaften ist es –
anders als zum Beispiel Forschungsministerin Annette Schavan immer
wieder hervorhebt - nicht notwendig, über die bereits in Deutschland
zugelassenen embryonalen Stammzellen weitere zuzulassen und deswegen den
Stichtag zu verschieben. Bei den im November 2007 publizierten und
international viel beachteten Erfolgen haben die Wissenschaftler für den
Vergleich, ob ihre reprogrammierten Zellen stammzellähnliche
Eigenschaften haben, genau die embryonalen Stammzellen genutzt, die auch
in Deutschland bereits zugelassen sind. Dies zeigt, dass diese "alten"
embryonalen Stammzellen also alles andere als "Schrott in der
Petrischale" (Spiegel, 9.5.07) sind, sondern sogar in den Ländern
genutzt werden, in denen kein Stammzellgesetz die Forscher daran
hindert, neuere embryonale Stammzellen zu nutzen.
- Die so genannte "Kontamination" der in Deutschland zugelassenen
embryonalen Stammzellen wird nur behauptet, ist aber nie nachgewiesen
worden. Es sind derzeit keine embryonalen Stammzellen weltweit
verfügbar, die "xenogen-frei" entwickelt wurde (ohne tierische
Nährzellen o.ä.). Selbst mit einer einmaligen Verschiebung des
Stichtages würden deutschen Forschern also keine "xenogen-freien"
embryonalen Stammzellen zur Verfügung stehen.
- Ethik des Heilens – dieses Argument wird heute wie 2002 immer wieder
für eine Legitimation der umstrittenen embryonalen Stammzellforschung
vorgebracht. Dabei gibt es keine Aussicht darauf, dass embryonale
Stammzellen zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden können. Im
Gegenteil: Die Zweifel, dass embryonale Stammzellen zur Therapie von
Krankheiten eingesetzt werden können, sind sogar gegenüber 2002
gestiegen. Darum sprechen sich die Abgeordneten, die sich gegen eine
Verschiebung des Stichtages, auch für eine Konzentration auf alternative
Stammzellforschungsansätze - im Interesse heutiger und zukünftiger
Patienten – aus. Diese Form der Stammzellforschung sei nicht nur ethisch
unbedenklich, sondern auch im Sinne einer "Ethik des Heilens" wesentlich
erfolgreicher als die embryonale Stammzellforschung.
Auch in der Öffentlichkeit gibt es weiterhin eine sehr große
Sensibilität, dass embryonale Stammzellen aus ethischer Sicht nicht wie
"normales chemisches Forschungsmaterial" einzuschätzen sind. So ist laut
einer Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts Infratest
(Anfang 2008) eine Mehrheit von über 60% der Auffassung, dass nur an
adulten Stammzellen geforscht werden sollte. Und über 66%halten es für
richtig, dass in Deutschland keine menschlichen Embryonen zu
Forschungszwecken erzeugt oder zerstört werden. Im übrigen sind Frauen
hinsichtlich der embryonalen Stammzellforschung wesentlich kritischer
eingestellt als Männer.
Aus gutem Grund: Die embryonale Stammzellforschung war und ist wird auch
zukünftig immer eng mit der Fortpflanzungsmedizin verknüpft sein. Ohne
die künstliche Befruchtung würde es keine "überzähligen" Embryonen
außerhalb des Körpers einer Frau geben – und auch keine embryonalen
Stammzellen für die Forschung. Inzwischen werden in Großbritannien oder
Spanien Frauen bereits finanziell entschädigt, wenn sie Eizellen oder
Embryonen für die Forschung spenden. Dabei geht es nicht nur um
tiefgefrorene "überzählige" Embryonen, sondern zunehmend auch um
"frische" Embryonen, denn diese sind für die Stammzellforschung besser
geeignet.
Schon zu den Anfängen der Fortpflanzungstechnologien wurde davor
gewarnt, dass Embryonen außerhalb des Körpers einer Frau die Interessen
Dritter wecken könnten. Schon damals wurde vor dem Missbrauchspotenzial
gewarnt – davor, dass Forscher Interesse sowohl an den Eizellen als auch
an den Embryonen außerhalb des Körpers der Frau haben könnten. Davor,
dass Frauen mit gesundheitsgefährdenden Hormonen behandelt werden, nur
damit die Eizellausbeute groß genug ist, damit die Eizellen für beide
Zwecke genutzt werden können – sowohl für die Fortpflanzung als auch für
die Forschung. Auch darum ist im Embryonenschutzgesetz in Deutschland
nicht nur die Herstellung von Embryonen für Forschungszwecke verboten,
sondern auch die Eizellspende. Bei einer Verschiebung oder gar
Streichung des Stichtages im Stammzellgesetz kann nicht ausgeschlossen
werden, dass zukünftig auch embryonale Stammzell-Linien nach Deutschland
importiert werden können, die nicht aus tiefgefrorenen, sondern aus
"frischen" und bezahlten Embryonen entwickelt wurden.
Der Wunsch der Menschen nach Gesundheit sowie körperlicher und
seelischer Integrität hat für Bündnis90/Die Grünen einen hohen
Stellenwert. Es ist verständlich, dass viele Menschen – vor allem wenn
sie selbst von einer schweren Krankheit wie Parkinson oder Mukoviszidose
betroffen sind - eine hohe Erwartung an die biomedizinische Forschung
haben. Darum müssen die realistischen Chancen biomedizinischer Ansätze
auf eine Therapie oder eine verbesserte Diagnostik genutzt und die
Forschung darf nicht unnötig behindert werden.
Diese verständlichen Anspruchsrechte von PatientInnen und Forschenden
dürfen aber nicht den Lebensinteressen Dritter oder elementaren
Grundwerten wie dem Schutz der Menschenwürde und der Menschenrechte
entgegenstehen.
Es gibt immer wieder Forschungsvorhaben, die zu risikoreich sind bzw.
Bereiche betreffen, die ethisch oder moralisch nicht vertretbar sind.
Daher muss der Ruf nach Forschungsfreiheit immer gegen den
gesellschaftlichen Nutzen und ethische Grenzen abgewogen werden. In der
embryonalen Stammzellforschung wird ein hochsensibles Thema berührt, das
dem Schutz der Menschenwürde gerecht werden muss. Wettbewerbsfähigkeit
ist ein legitimes Ziel der Forschung; sie ist jedoch nur innerhalb der
Grenzen ethischen Handelns zu rechtfertigen. Eine Freigabe der Forschung
ohne ethische Grenzen rein aus wettbewerblichen und ökonomischen Gründen
ist für Bündnis 90/Die Grünen nicht akzeptabel.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Höfken"

Ich habe auch auf eine Antwort nicht verzichtet und Folgendes zurückgeschrieben:
"Sehr geehrte Frau Weidenbruch,
vielen Dank für Ihr Antwortschreiben im Namen von Frau Hoefken, das leider mich erst recht spät erreicht. Dennoch habe ich auch diesen Text der Vollständigkeit halber heute in den inzwischen, nach Verabschiedung des neuen Gesetzes, nicht mehr so lebendigen Stammzellen-Debatten-Blog des „klein-putz“-Forums eingestellt habe (http://www.klein-putz.net/forum/viewtop ... 43#2242643).
Es hat mich nichtsdestotrotz gefreut zu sehen, dass Sie sich in Ihrer ausführlicher Antwort bemüht haben, auf mein E-Mail vom 13.2. detailliert einzugehen. Dennoch bin ich nicht mit Ihrer Einschätzung zu den Chancen der embryonalen Stammzellenforschung einverstanden.
Es ist zwar richtig, dass es inzwischen Forscher gibt, die daran zweifeln, ob therapeutische Ansätze möglich sein werden, aber das ist keineswegs die Mehrheitsmeinung in diesem Forschungsgebiet. Auch liegt es in der Natur der Sache, dass letztlich klinische Anwendungen v.a. im Bereich der adulten Stammzellen liegen werden, da ja eine große Hoffnung darin besteht, dass aus eigenen Zellen der Patienten gut verträgliche neue Organe (oder eben im Falle von Unfruchtbarkeit möglicherweise auch Spermien oder Eizellen) gewonnen werden können. Hier wird jedoch von vielen beteiligten Forschern immer wieder der Zusammenhang zwischen Grundlagenforschung und klinischen Anwendungen betont. Sie verweisen nun auf Forschungserfolge, bei denen mit älteren embryonalen Stammzellenlinien gearbeitet wurde. Dies ist zwar ein Beleg dafür, dass auch mit diesen inzwischen z.T. verunreinigten Zelllinien noch gearbeitet werden kann, aber es steht dennoch außer Frage, dass das Festhalten am Importstichjahr 2002 durchaus eine gravierende Behinderung für die Stammzellenforscher dargestellt hätte. Auch wenn diese Behinderung weitere Forschungen nicht völlig lahmlegt, halte ich es aufgrund der großen Heilungsaussichten, die die Stammzellenforschung bietet, für ethisch nicht vertretbar, diese Hindernisse aufrecht zu erhalten.
In Ihrer weiteren Argumentation äußern Sie sich auch kritisch zu den bestehenden Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin, wie mir als Betroffener dieser Problematik aufgefallen ist. Sicher ist es richtig und wichtig, sich über die Risiken von Forschungsoptionen Gedanken zu machen. Auch sollte der Gesetzgeber Grenzen setzen, um Missbräuche zu verhindern. In Ihrer Argumentation vermisse ich jedoch ein gerechtes und verantwortungsvolles Abwägen – vielmehr gerät ein Forschungszweig aus Ihrer Perspektive wegen Möglichkeiten des Missbrauchs offenbar gleich völlig ins Zwielicht. Beispielsweise wäre es mit klaren Regelungen durchaus möglich, die Nutzung von „überzähligen“ Frühembryonen für die Stammzellenforschung zu erlauben und zugleich zu verhindern, dass Frühembryonen allein zu diesem Zweck gewonnen werden.
Mit freundlichen Grüßen"
und Grüßen an euch alle
von
B.
P.S.: Weil ich nicht so regelmäßig durch das ganze Forum surfe, habe ich gerade erst jetzt von der "Aktion Kinderwunsch" gehört. Deren Forderungskatalog (http://www.aktionkinderwunsch.de/Forderungskatalog.pdf)
finde ich sehr unterstützenswert. Leider wird man, wie aus den letzten Absätzen bei Frau Weidenbruch/Frau Höfken zu lesen ist, auch hier wieder von den grünen MdBs :klugscheiss: :räusper: :würg: ähnlich viel Unterstützung kriegen wie vom Papst :verneig: :argh:
Phrank
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Registriert: 02 Aug 2007 01:28

Beitrag von Phrank »

Tja, die Grünen und der Papst -
Ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft! 8)

In Deutschland gibt es Demokratie und Meinungsfreiheit - in anderen Ländern Fortschritt und Freiheit der Wissenschaften. Es ist wohl immer so, dass man nicht alles haben kann.

:gutsnächtle:

Frank
Gast

Beitrag von Gast »

Na, na, das ist jetzt aber doch etwas zu weit rundumgeschlagen, nur weil die Grünen sich hier so starrsinnig gebärden.
Aber ich lasse mir meinen Optimismus und den Glauben an die positiven Wirkungen einer demokratischen offenen Gesellschaft nicht nehmen - gerade das neue Stammzellengesetz deute ich als ein Beispiel dafür: Der Diskurs in der Öffentlichkeit hatte sich gewandelt, und schließlich kippte auch die Mehrheit im Parlament, wenngleich auch "nur" für den Kompromiss einer Stichtagsverschiebung.
Apropos Wandel des Gesamtklimas: Ist nicht auch der "Spiegel" von letzter Woche dafür ein Beispiel? Immerhin ist da ein Interview mit dem Repro-Mediziner Kentenich gekommen, der sehr klare Aussagen macht, untermauert dazu mit einigen Fakten:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 95,00.html
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