"Spermien aus dem Labor"?

In diesem Ordner sollen Studien zur Reproduktionsmedizin gesammelt werden.
Gast

"Spermien aus dem Labor"?

Beitrag von Gast »

In den Medien ist in den letzten Tagen über Forschungsergebnisse in etwas reißerischer Form berichtet worden, die Forscher aus Newcastle in der Fachzeitschrift "Stem Cells and Development" veröffentlicht hatten. Einerseits wurden die Ergebnisse unter dem Thema "Männer bald überflüssig" abgehandelt (was der sonst nicht so auf den Kopf gefallenen "Wahrheits"-Seite der taz z.B. eine dümmliche "Gurke des Tages" wert war), andererseits echauffierten sich manche über den angeblichen ethischen "Irrwitz" der Forschungen, vor dem ein Mitglied des britischen Ethikrats warnte.
In der Süddeutschen Zeitung ist jetzt ein Artikel erschienen, der die Ergebnisse aus Newcastle etwas realistischer darstellt und wohl, wie mir scheint, ins rechte Licht rückt. Prognosen, dass in vielleicht schon 5 Jahren reproduktionsmedizinische Anwendungen möglich sein könnten, scheinen demnach eher unwahrscheinlich, da z.B. immer noch nicht aufgeklärt werden konnte, warum Mäusenachkommen, die mithilfe von "künstlichen", d.h. aus umprogrammierten Stammzellen gewonnen werden konnten, nur wenige Tage alt wurden. Auch müssten für eine erfolgreiche Anwendung ja entsprechende Techniken mit adulten statt embryonalen Stammzellen gelingen, was offensichtlich schwieriger ist, weswegen zunächst der Weg über die embryonalen Stammzellen gewählt wurde.
Freilich zeigt der Fall auch einmal wieder mehr, wie fragwürdig die Blockadehaltung in Sachen Stammzellenforschung und die Aufteilung zwischen "böser" embryonaler und "guter" adulter Stammzellenforschung ist und bleibt, denn es wäre zweifellos wünschenswert, dass hier ohne die bestehenden, in Großbritannien gegenüber Deutschland immerhin geringeren Hindernisse weitergeforscht werden kann. Der Ansatz erscheint immerhin so vielversprechend - wenn vermutlich auch erst in fernerer Zukunft -, dass eine Weiterführung der Forschungen mir aus Sicht der betroffenen ungewollt Kinderlosen sehr wünschenswert erscheint.
Hier der Link zu dem SZ-Artikel, auch mit einem Link zu einem 3-minütigen Video:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/347/479834/text/
Gast

Spiegel-online-Artikel über "künstliche Spermien-Produk

Beitrag von Gast »

Nun berichtet "Spiegel-online" über eine andere Forschergruppe, die haploide Zellen aus Stammzellen gewonnen hat. Schön, dass hier nun offenbar eifriger geforscht wird, wenngleich es natürlich sicher noch ein weiter Weg bis zu möglichen praktischen Anwendungen ist, sofern diese sich überhaupt als realisierbar erweisen sollten.
Interessant auch der Schluss des Artikels, in dem kurz auf Anzeichen der Wirkung von Umweltgiften eingegangen wird, die die Chemie-Industrie-Lobby ja immer gerne mit Verweis auf Grenzwerte leugnet.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natu ... 84,00.html
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Ja, sehr spannend. Wobei das hier natürlich übertrieben ist:

"10 bis 15 Prozent aller Paare sind unfruchtbar", sagt Reijo-Pera. "In rund der Hälfte dieser Fälle liegt es daran, dass die Leute keine Spermien oder Eizellen produzieren können."

Für mich sieht das allerdings so aus, dass es noch seeeehr lange dauert, bis so eine Methode mal wirklich auch beim Menschen angewendet werden kann. Weil, es ist ja erstmal nicht absehbar, wie sich so entstandene Individuen entwickeln würden.
Liebe Grüße, Rebella
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Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Rebella,
es müsste wohl heißen: ca. 15 % aller Paare müssen sich mit Fruchtbarkeitsstörungen auseinander setzen, was natürlich nicht heißt, dass irreversible Infertilität vorliegt. Bei wie vielen das dann am Ende der Fall ist, weiß ich nicht, aber ich habe auch mal so als Pi-mal-Daumen-Wert gehört, dass ca. bei der Hälfte aller Paare mit Fruchtbarkeitsstörungen mit Hilfe reproduktionsmedizinischer oder alternativer Behandlung dennoch ein gemeinsames Kind zur Welt kommen kann. Aber sicher weisst du als Expertin da genauere Zahlen, bei wie vielen Paaren letztendlich einer der Partner irreversibel unfruchtbar ist oder sich trotz grundsätzlich gegebener oder zumindest nur eingeschränkter Fertilität aus anderen ungeklärten medizinischen Gründen sich dennoch dauerhaft keine Schwangerschaft einstellt.
Was die Prognosen angeht, ist es wohl besser, pessimistisch zu sein, wenngleich die Reproduktionsmedizin z.B. in den 90er Jahren bei der Entwicklung des ICSI-Verfahren ja erstaunliche Sprünge schon gemacht hat. Wenn jetzt eingewandt wird, dass die gewonnenen Zellen keine Spermien seien, spricht das nicht grundsätzlich gegen das Verfahren, weil bei einer ICSI ja auch Erfolge mit haploiden Zellen, die noch keine ausgereiften Spermien sind, erzielt werden können. Mir ist nicht bekannt, inwieweit im Tiermodell bereits überprüft worden ist, ob eine Befruchtung so funktionieren kann und ob gesunder Nachwuchs bei so behandelten Tieren entsteht. Ist dir da was bekannt?
Einen schönen Gruß
von
B.
:hallo:
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Ja, Prof. Engel hat das mit Mäusen versucht. Da habe ich vor zwei Jahren von ihm einen Vortrag drüber gehört. Die Mäuse starben allerdings relativ schnell.

Genaue Zahlen habe ich nicht, aber es ist völlig unmöglich, anzunehmen, 7% aller Paare kämen für so ein Verfahren infrage, wenn es denn ausgereift wäre. Von den 15%, die irgendwann mal ein Problem mit Fruchtbarkeitsstörungen haben, begeben sich nicht alle in ärztliche Behandlung. Bei einigen klappt es ja tatsächlich auch noch so. Von denen, die sich in ärztliche Behandlung begeben, machen ein Teil Inseminationen, ein Teil stimulieren nur mit Hormonen, ein anderer Teil macht ICSI / IVF mit allen bekannten Variationen. Es gab mal vor ein paar Jahren (vor der Gesundheitsreform) eine Zahl, jedes Jahr würden 40.000 Kinder in Deutschland nach ärztlicher Hilfe geboren werden, 500 - 1.000 davon nach Befruchtung mit Spendersamen. Nimmt man eine etwa gleich hohe Zahl für Eizellspenden, sind das zusammen maximal 2.000 Kinder von 40.000, also 5% von denen, die sich in Behandlung begeben bzw. unter 1% aller Paare. Nun muss man aber nicht glauben, dass bei Verfügbarkeit eines Verfahrens, wo man sich die Spermien oder Eizellen selbst züchten kann, alle diese Paare dieses Verfahren auch nutzen würden. Billig wäre es gewiss auch nicht. Daher meine ich, die Nachfrage wäre eher gering.
Liebe Grüße, Rebella
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Gast

Beitrag von Gast »

Rebella, du rechnest da aber etwas eigenwillig, finde ich...
In Frage kommen wohl grundsätzlich alle Paare mit Kinderwunsch, von denen einer der Partner definitiv unfruchtbar ist, und das war meine Frage mit den Zahlen, wie viele von den ca. 15 % der Paare, die zunächst mit Fruchtbarkeitsstörungen zu tun haben, das wohl sind.
Das sich das bei diesen Paaren mit einem definitiv unfruchtbaren Partner momentan verläuft in verschiedene Möglichkeiten (HI, Ado, Pflegeelternschaft, keine Kinder), ist ja klar, aber deswegen kann man wohl nicht sagen, es gebe offensichtlich kein Bedarf für so ein Verfahren, wenn es einmal funktionieren sollte. Natürlich würden sich auch nicht automatisch alle Paare, denen ein solchen Verfahren helfen könnte, dafür entscheiden. Es gibt ja auch jetzt schon Betroffene, die sich bewusst gegen die Reproduktionsmedizin entscheiden, und dann käme es sicher auch darauf an, wie teuer das ganze würde und welche Erfolgsaussichten bestünden.
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Berti, ich habe ja nur diese Aussage aus dem Artikel kommentiert: ""In rund der Hälfte dieser Fälle liegt es daran, dass die Leute keine Spermien oder Eizellen produzieren können." - Das stimmt einfach nicht. Wer Insemination oder nur Stimulation macht, kann Spermien bzw. Eizellen produzieren. Wer IVF macht, kann das auch. Wer ICSI macht, kann das nur dann nicht vollständig, wenn es eine TESE ICSI ist, wobei das, was da verwendet wird, letztlich ja auch Spermien sind und in jedem Fall zu bevorzugen wären. Unter denen, die HI machen, gibts auch nicht wenige, die Spermien produzieren können, allerdings die ICSI ablehnen oder nicht mehr wollen. Wie also kann man "Rund die Häfte" behaupten?

Und Berti, was ist "definitiv unfruchtbar"? Auch der Mann, bei dem man bei der TESE noch ein Schwimmerchen verwenden konnte? Auch der, dessen Chancen unter 5% liegen? Man könnte das ganz verschieden interpretieren.

Ich sagte nicht, dass es keine Nachfrage gäbe. Ich meine nur, die Nachfrage müsste relativ gering sein.
Liebe Grüße, Rebella
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Gast

Exakte Zahlen?

Beitrag von Gast »

Guten Morgen Rebella,
"definitiv unfruchtbar" meint ganz pragmatisch diejenigen, denen mit den herkömmlichen gängigen reproduktionsmedizinischen Verfahren derzeit nicht mehr weiterzuhelfen ist, während "eingeschränkt fruchtbar" ich all diejenigen (in unterschiedlichen Graden) bezeichnen würde, die ohne therapeutische Hilfe (ob nun von Ärzten oder alternativen Therapeuten welcher Art auch immer oder ggf. auch mit Hilfe von Medikationen) zwar keinen eigenen Nachwuchs bekommen können, aber denen dies nach Anwendung der gängigen Verfahren noch gelingen kann. Nun hätte mich einfach interessiert, in wie vielen Fällen der Paare, die wegen Fruchtbarkeitsstörungen eine Behandlung in Anspruch nehmen, sich letztlich "definitive" (d.h. nach jetzigen Stand nicht abzuhelfende) Unfruchtbarkeit herausstellt. Hier hatte ich nun schon irgend wann einmal die Zahl von ca. der Hälfte gehört: Dass also ca. der Hälfte derjenigen Paare, die derzeit wegen Fruchtbarkeitsstörungen sich in Behandlung begeben, letztlich nicht zum eigenen Kind verholfen werden könne. Ist das deiner Kenntnis nach eine übertriebene Zahl? Und falls ja, auf wie groß schätzen denn die Fachleute diese Zahl - vermutlich müsste es doch in den Registern der deutsche IVF-Praxen dazu Erkenntnisse geben.
Nochmals grüßt
B.
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo Berti,

man liest gelegentlich, dass etwa zwei Drittel oder 70% der Paare durch die Hilfe der Reproduktionsmedizin ihr Wunschkind bekommen. Ich weiß gar nicht, wo ich das zuletzt gelesen habe, aber ich habe das auch gerade erst wieder gelesen. Das ist natürlich eine pi mal Daumen Zahl. Gerade, wenn die deutsche Statistik solche Aussagen trifft und die Paare dann hinterher ins Ausland gehen und doch in vielen Fällen dann dort zu ihrem Glück kommen.

Die Paare, die trotz aller Bemühungen nicht irgendwann ihr Wunschkind im Arm halten, bei denen gibt es ja ganz unterschiedliche Ursachen. Oft weiß man es auch schlicht nicht, warum es nicht geklappt hat. Es muss jedenfalls nicht an den Spermien oder Eizellen liegen. Es kann auch Probleme der Frau geben, dass sie den Embryo einfach nicht austragen kann. Wie wir das hier im Forum mitbekommen, haben solche Frauen, die dann aufgeben, häufig schon viele Behandlungen hinter sich. Da gehört dann schon noch eine Extra-Portion Optimusmus dazu, um dann eben diesen Weg auch noch zu gehen, falls der eines Tages ausführungsreif sein sollte.

Eher wäre diese Methode dann etwas für homosexuelle Paare.
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hier ein Hinweis auf eine neue Erfolg versprechende Studie zum Thema "Spermien aus dem Labor": http://www.wunschkinder.net/aktuell/wis ... eren-4578/
Liebe Grüße, Rebella
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