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Abscheulicher Artikel in der ZEIT-"Herstellung des Mens

Verfasst: 07 Okt 2014 08:48
von rebella67
Mal wieder in die Runde,

in der ZEIT erschien am 25.09.2014 neben einem recht realistischen Artikel der Autoren Nadine Ahr und Christiane Hawranek zum Thema Embryonenspende mit dem Titel "Die gespendeten Kinder" - naja, deren Wortwahl in diesem Artikel ist auch nicht in jeder Hinsicht konstruktiv - im Feuilleton ein abscheulicher Artikel des Autotrs Ulrich Greiner mit der Überschrift:

„Die Herstellung des Menschen
Wir gewöhnen uns an sie, aber sie bleibt ein Skandal: Mit der Reproduktionsmedizin handeln wir uns nicht nur ein Züchtungsprojekt ein, sondern verlieren auch eine große kulturelle Errungenschaft, die Genealogie"

Hier einige Auszüge aus diesem Artikel:

„Menschen machen“
„Eugenik“
„Wer Menschen macht, will sie optimal machen“

„Allein in Deutschland entstehen auf künstlichem Weg pro Jahr etwa tausend Kinder unklarer oder verborgener biologischer Herkunft.“
„Die Arbeitsweise der Samenbanken. Natürlich möchte man gute Spermien. Man wählt aus der erstaunlich großen Menge der Spendenwilligen diejenigen, die gut aussehen, groß sind, zumeist ethnisch weiß und die einen reputierlichen womöglich akadeischen Hintergrund haben.“
Den „Geburtenfatalismus“ … „wird in absehbarer Zeit eine Zuchtwahl auf wissenschaftlicher Basis ersetzen.“
„dass die optimierte Menschenherstellung den gebildeten und gut situierten Schichten vorbehalten bleibt, während sich das Volk am Boden auf hergebrachte Weise fortpflanzt.“
„Selbstertüchtigung um jeden Preis“
„Wer es dennoch tut, wie es mit geradezu ritterlicher Tapferkeit die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff getan hat … als sie die Reproduktionstrechniken „abscheulich“ nannte, gibt nicht Anlass für eine ernsthafte Debatte, sondern bloß für allerlei Gekränktheiten und die medienübliche Empörungslust“

Wer starke Nerven hat, bekommt den Artikel zu lesen. Bitte per PN. Bitte schreibt möglichst noch heute einen Protest an die ZEIT: leserbriefe@zeit.de Am Donnerstag werden dort Leserbriefe zu dieser Ausgabe veröffentlicht.

Verfasst: 07 Okt 2014 09:04
von tigerlilian
Hallo,
zumindest den erstgenannten, nicht skandalösen Artikel scheint es auch als Audio zu geben:
Die gespendeten Kinder - Wie deutschen Paaren in Tschechien Kinderwünsche erfüllt werden
Viele Grüße
tigerlilian

Edit: Der Audiobeitrag ist doch nur eine stark gekürzte Fassung des geschriebenen! Der geschriebene ist meiner Meinung nach sehr empfehlenswert.

Verfasst: 07 Okt 2014 09:19
von Funken
....
man kann nur mit dem kopf schütteln...
„dass die optimierte Menschenherstellung den gebildeten und gut situierten Schichten vorbehalten bleibt, während sich das Volk am Boden auf hergebrachte Weise fortpflanzt.“

dieser satz deutet darauf hin, dass wir uns eigentlich auch im schlafzimmer fortpflanzen könnten, aber da wir unbedingt superkinder haben wollen, WÄHLEN wir die reproduktionsmedizin. diesem MANN ist offensichtlich nicht so richtig klar, was eine eine frau, eine partnerschaft auf sich nehmen muss, um auf dieser weise kinder zu bekommen.

diese menschen sind und bleiben für mich arme lichter, versager, die es nur schaffen können und sich stark fühlen in dem sie auf die randgruppen spucken. ich kenne viele, die diese tatsache "ich bin fruchtbar und kann kinder zeugen" als leistung ansehen .... so ähnlich wie, ich bin akademiker.

ich bin ein gläubiger mensch, und ich weiß, warum wir was getan haben!

lieben gruß an alle
funken

Verfasst: 07 Okt 2014 09:33
von rebella67
Mein Leserbrief ist gerade raus:

Sehr geehrte ZEIT-Redaktion,

ich bin erschrocken darüber, dass Sie so einen Artikel wie den von Ulrich Greiner „Die Herstellung des Menschen“ in Ihrer ZEIT veröffentlichen. Mir schlägt dort so viel Hass entgegen, wie ich schon lange nicht mehr wahrnehmen musste.

Wir sind durch Samenspende glückliche Eltern von zwei Kindern und wir sind gut aufgeklärt darüber, wie deutsche – und auch internationale – Samenbanken arbeiten. Schon Andreas Bernard, der von Herrn Greiner zitiert wurde, hat nicht sauber recherchiert. Wenn dann wiederum unsauber abgeschrieben wird, nennt man das das „Stille Post“-Prinzip.

Unsere Kinder sind in großer Liebe entstanden und keinesfalls „hergestellt“, „optimal gemacht“ oder „selbstertüchtigt“. Wir gehören auch nicht zu den „gut situierten Schichten“. Der Mann, der freundlicher Weise seinen Samen dazu gegeben hat, wurde nicht danach ausgesucht, dass er „gut aussieht“ und ist unseres Wissens auch kein Akademiker. Wir wissen, dass deutsche Samenbanken Hände ringend Spender suchen, die nicht „ethnisch weiß“ sind, weil nämlich auch der Bedarf für Spender anderer ethnischer Herkunft besteht. Ich weiß von einer Frau, die mit einem Afrikaner verheiratet ist und große Schwierigkeiten hatte, einen passenden afrikanischen Spender zu finden. Nicht, weil die Samenbanken keinen solchen engagiert hätten, sondern weil es keinen bereitwilligen gab.

Wenn Ulrich Greiner von „Eugenik“ schreibt, dann soll er mal bitte vorsichtig sein. Er kritisiert „transnationale Verwandtschaftsverhältnisse“ und eine Nichtkonstruierbarkeit der Ahnengalerie. Das hatten wir schon mal. …

Eine ernsthafte Debatte zum Thema Reproduktionsmedizin tut Not, jedoch nicht im Stil von Greiner oder Lewitscharoff. Mit Schlägen unter die Gürtellinie kommen wir nicht weiter. Wir brauchen eine konstruktive Debatte, die zu einer vernünftigen Regelung der Samenspende, aber auch der Eizell- und Embryonenspende in Deutschland führt.


Ich freue mich sehr, wenn Sie meinen Leserbrief mit dem Namen [Abkürzung] veröffentlichen. Schließlich möchte ich nicht in meinem Umfeld als "selbstertüchtigte Eugenikerin" betitelt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Verfasst: 07 Okt 2014 09:55
von bani1976
Rebella, spitze dein Leserbrief! Eine Frechheit. Übrigens hab ich die Nerven, den Artikel zu lesen, wenn du mir den schicken würdest, vielen Dank.

Verfasst: 07 Okt 2014 10:05
von kleine-hexe44
Rebella, ich finde Deinen Leserbrief so was von genial, hoffentlich erscheint er!!!!

Verfasst: 07 Okt 2014 10:30
von rebella67
Ich habe dir den Artikel geschickt, liebe Bani.

Verfasst: 07 Okt 2014 11:51
von Florine77
Liebe Rebella,
herzlichen Dank für Deinen gelungenen Leserbrief. Mich erstaunt es aber immer wieder, was für merkwürde Vorstellungen viele Menschen bzgl. Reproduktionsmedizin haben und wie verzehrt die Berichterstattung ist. Auch bei dem vermeintlich freundlichen Bericht (Danke Tigerlilian für den Link), dominiert doch die die Information, dass sich die Eltern ein Kind "designen". Das ist doch wieder einmal die Message, die rüber kommt. Kein Satz darüber, welchen schweren Weg diese Eltern hinter sich haben, um zu diesem Wunschkind zu kommen. Das macht mich immer wieder wütend. Deshalb nochmals herzlichen dank Rebella! Ich würde mich trotzdem sehr freuen, wenn Du mir den anderen Artikel schicken könntest.
LG
Florine

Verfasst: 07 Okt 2014 12:22
von rebella67
Ich sehe jetzt gerade, dass der Link von Tigerlilian eine 3 Minuten lange Audiodatei ist. Also noch wieder was anderes.

Es gibt noch einen Artikel von Nadine Ahr und Christiane Hawranek, der ganz dolle lang ist. Darin werden auch 3 persönliche Geschichten erzählt. Ich finde den sehr vielseitig und informativ. - Einige Male haben sie sich tatsächlich im Ton vergriffen, aber angesichts des sonst sehr guten Artikels würde ich denen das noch nicht einmal verübeln. Ich glaube auch, das ist eine Sprache, die Journalisten in ihrer Recherche aufschnappen und gelegentlich ohne böse Absicht weiter transportieren. Jedenfalls merkt man bei denen die Ernsthaftigkeit.

Der Audiodatei entnehme ich in erster Linie die Tatsache, dass die Spenderdaten in Tschechien anonym sind und dass das ein Problem ist, dass viele Eltern, die ihr Kind per Gametenspende bekommen haben, sich noch mehr Gedanken um die Aufklärung des Kindes machen müssten und dass ein offener Spender besser wäre. Das sind alles Sachen, die thematisiert werden müssen. - Auch, dass sich gesetzlich noch etwas tun muss in Deutschland, ist eine wichtige Botschaft. - "Designen" ist im Zusammenhang mit der Reproduktionsmedizin ein blöder Begriff, der oft leider tatsächlich mutwillig benutzt wird.

Ich schicke jetzt allen, denen ich heute schon die PDF geschickt habe, noch den anderen Artikel.

Verfasst: 07 Okt 2014 13:18
von Kakoli
das ist mein Leserbrief-leider nicht so gut geworden, weil nur auf die schnelle


Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bin Mutter eines Sohnes, der durch Icsi-also eine künstliche Befruchtung- entstanden ist und werde im November nach Tschechien reisen, um dort eine Eizellspende durchzuführen.

Warum?

Leider war mir in der Konsequenz wirklich nicht bewusst, dass es ab einem gewissen Alter so schwierig ist, Mutter zu werden. Natürlich könnte man sagen, dass weiss doch jeder und 37 ist nunmal kein optimales Alter. Das habe ich nun leider auch erfahren müssen und gehe daher sehr offen sowohl mit meiner künstlichen Befruchtung als auch mit der Eizellspende um, um andere vor dem gleichen Fehler zu schützen. Mein Vorgehen ist aber nicht sehr verbreitet. Ungewollte Kinderlosigkeit ist ein Tabu. Anscheinend klappt es bei allen und wenn nicht, dann wollte man offiziell eben keine Kinder. Wirklich ehrlich ist kaum einer. Und so ahnt man nicht, wie verbreitet die künstliche Befruchtung ist. Und was sie wirklich bedeutet.

Es ist eben nicht so, dass man sich eine normale Zeugung „erspart", weil es auch künstlichem Wege gelingt, ein „besseres“ Kind zu bekommen. Tatsächlich kann man froh sein, wenn es überhaupt klappt. Die Chancen sind vielleicht genauso hoch wie bei der normalen Zeugung unter Aufhebung des jeweiligen Problems z.b unbewegliche Spermien oder verschlossene Eileiter. Für unseren Sohn haben wir fünf Versuche gebraucht. Ich war mit dem Nerven am Ende, Freundschaften, unsere Ehe und ein normaler Alltag haben gelitten, mir kamen die Tränen, wenn ich andere Schwangere oder andere Kinder sah und habe gehadert, warum ich denn nicht Mutter sein darf. Mein „Vergehen“ bestand lediglich darin, finanziell erstmal eine gewisse Absicherung schaffen zu wollen, weil wir nicht zu den glücklichen gehören, deren Eltern helfen oder uns finanziell unterstützen.

Glücklicherweise hat es dann nach dem 5. Versuch geklappt, unser Sohn kam gesund zur Welt.

Bei diesem Versuch hatten wir die Polkörperdiagnostik angewandt. Eine Untersuchung der Eizelle vor Teilung auf Chromosomenfehler. Das Ergebnis war niederschmetternd. Über 70 % meiner Eizellen waren auffällig- mit Trisomie 16, 18, 21, usw.

Deshalb haben wir bereits nach 6 Monaten die nächste Runde gestartet.

Um es kurz zu machen: Keine einzige Eizelle hat es geschafft als 100 % intakt bewertet zu werden. Von drei Icsi-versuchen, in denen 29 Eizellen entnommen und 24 befruchtet wurden-auch für junge Frauen ein gutes Ergebnis.

Mit knapp 39 war mein Weg hier zu Ende.

Ich habe sehr getrauert, als mir klar war, dass ich kein eigenes Kind mehr bekommen kann. Wir haben uns dann für die Eizellspende entschieden. Eine andere Möglichkeit, noch einmal Mutter zu werden, sehe ich nicht.

Unsere Kosten belaufen sich mittlerweile auf 32.000, -Euro, eine Summe, die wir durchaus für andere Dinge hätte verwenden können (trotz Beteiligung der Krankenkasse; davon haben sich nur 7000,- „rentiert“)

Der Spenderin bin ich unglaublich dankbar. Sie ermöglicht mir und auch anderenFrauen Kinder zu bekommen, Kinder sie sonst nie gelebt hätten, ein Leben, mit Eltern, die bereit sind, alle Hürden auf sich zu nehmen. Sei es Zeit, Geld, logistische Schwierigkeiten (die Kliniken sind alle im Ausland),
Anfeindungen, solche unglaublich hetzerischen Kommentare, wie solche, zu denen ich diesen Leserbrief schreibe, von Leuten, die nicht mal annäherungsweise wissen, was man bereits durchgemacht hat.

Mir ist kein Fall bekannt, dass ein Kind aus solch einer Behandlung lieber nicht geboren worden wäre.

Kinder zu diskriminieren, die auf solche Art gezeugt werden, spricht nicht gerade für eine gesunde Einstellung.

Ich fühle mich an die Zeiten zurückerinnert, wenn ich solche Artikel lese, in denen man seinen Stammbaum vorlegen musste, ob denn die letzen drei Generationen auch bloß „arisch“ waren. Dass Gene immer noch so eine entscheidende Bedeutung für gesellschaftliche Anerkennung haben, ist sehr traurig.