Schmerz & Rückzug: Wie umkehren?

Hier antwortet Frau Silke Schwekutsch von www.kindeshalb.de

Moderator: Kindeshalb

Benutzeravatar
Kosmee
Rang1
Rang1
Beiträge: 368
Registriert: 06 Dez 2013 10:38

Beitrag von Kosmee »

Guten Morgen,

... im Hier und Jetzt leben ... und aufhören, meine Situation und meine Gefühle zu bewerten. Das spricht mich unheimlich an. Wenn ich so eure Vorschläge lese, dann stelle ich nämlich fest, dass ich es "gar nicht so verkehrt" anpacke, nur eben immer das Gefühl habe, es müsste anders sein, ich sollte mich anders fühlen. Unabhängig davon, was Frau Schwekutsch noch schreibt, werde ich mich auf jeden wieder verstärkt dem "Annehmen" widmen.

Vielen, vielen Dank für euer Einlassen auf meine Gefühlslage und das Teilen eurer Erfahrungen!
Kosmee
gem. KiWu seit 2011: 2 Jahre natürlich + 1x Clomiphen + 2 IUIs + 3 ICSIs in DE + 1 EZS in FI + 1 EZS in CZ = April 2015: endlich schwanger
2. Jan. 2016: Geburt unseres Knödels + unerhörtes Glück: natürliche Schwangerschaft 2018
mein Blog: https://herzwuensche.wordpress.com
Chakalaka
Rang1
Rang1
Beiträge: 336
Registriert: 26 Jul 2012 08:18

Beitrag von Chakalaka »

Liebe Kosmee,

irgendwie juckte es beim Lesen gerade in meinen Fingern und ich habe einen großen Drang, Dir zu schreiben.

Ich darf eigenltich nur halb mitreden, da ich eine Tochter habe. Als ich schwanger war bzw. unser Baby gerade auf der Welt war, habe ich teilweise auch unreflektierte Kommentare abgegeben, meistens im Unwissen um den Kinderwunsch von befreundeten Freunden. Ich habe diese Kommentare im Nachhinein alle bereut. Das habe ich ehrlich gesagt aber erst richtig und aufrichtig erkannt und bereut, seitdem es mit Nr. 2 nicht klappen wollte.
Die meisten Menschen meinen es nicht böse mit ihren Ratschlägen / Kommentaren. Aber Du wirkst so gut reflektiert, dass dies Dir klar ist.

Auch ich bin nach 4 Jahren unerfüllten Wunsch nach Nr. 2 etwas vereinsamt. Ich rede nur mit wenigen Freunden über meine Gefühle bzw. versuche ich, meine Gefühle "auszuschalten".

Was mir aber wirklich sehr geholfen hat, dass sich über dieses Forum eine sehr nette Gruppe Mädels herausgebildet hat, die alle in der gleichen Situation stecken: Der Wunsch nach Nr. 2, den übrigens viele nicht nachvollziehen können ("Warum kannst Du nicht zufrieden sein mit einem Kind?"). Wir treffen uns alle paar Monate und appen sehr viel. Seitdem fühle ich mich viel besser und ich kann auch wieder entspannter mit meinen anderen Freunden umgehen, die ich vorher gemieden habe. Daher kann ich rebella's Empfehlung unterstützen, dass es Dir helfen könnte, Dich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

Nichts desto trotz bin auch ich auf die Meinung der Expertin sehr gespannt. Vielleicht kann ich da auch noch was für mich mitnehmen.

Liebe Grüße,
Chakalaka
Zuletzt geändert von Chakalaka am 23 Mär 2015 13:48, insgesamt 1-mal geändert.
Bj73 / GöGa: Bj71
Spontane Schwangerschaft => Tochter geboren in 2008
Geschwisterwunsch seit 2010
4 ICSIS 5/12 & 7/12 & 3/13 & 6/13 => keine Einnistung => negativ
1. EZS 12/13 => keine Einnistung => negativ
1. KET 4/14 => positiv, aber HCG-Verlauf zu niedrig => nach 2 Hibbelwochen ist der Traum vorbei
2. EZS 8/14 => positiv, aber ELSS => OP mit EL-Entfernung
2. KET 12/14 => keine Einnistung => negativ
Benutzeravatar
ajamue
Rang3
Rang3
Beiträge: 2712
Registriert: 15 Nov 2013 13:52

Beitrag von ajamue »

Hallo Kosmee

ich stimme dem Tip mit den Gleichgesinnten zu.
Ich habe einen Stammtisch mit Kinderwunschlerinnen, wo mittlerweile auch schon Kinder da sind und mit denen umzugehen habe ich NULL Probleme, weil ich einfach weiß dass sie das Gleiche mitgemacht haben wie ich.
Ich war auch anfangs sehr offen was ich mittlerweile sehr bereue, nur leider kann man das nicht mehr rückgängig machen. CIh habe mittlerweile wie du den Wunsch, das nur noch mit meinem Mann auszumachen, alles andere bringt mir nichts. Von unserem nächsten Versuch weiß absolut niemand etwas.
Liebe Grüße von Ajamue

Versuch Nr. 5 - 16. Oktober - wir sehen einen Herzschlag
18.Januar 20+2 - Baby hat 17,7 cm Kopfumfang, ist ca. 24 cm lang und wiegt ca. 325 Gramm
3.Februar 22+4 - Baby hat 20 cm Kopfumfang und wiegt 513gramm. und... ist ein Mädchen!!!
24. Februar 25×4 Babygirl hat 23cm KU und 730gramm
16. März 26,4 cm KU und 1100gramm
11. April 44cm lang und 1879gramm schwer ist die Mini Maus jetzt
22. April 2440gramm
4. Mai 2450gramm seltsam aber würde passen
19. Mai 2860gramm und alles gut
27. Mai ca. 3000gramm 32cm Kopfumfang und macht keine Anstalten, den Aufenthalt bald zu beenden
15.Juni 0:55 babygirl wird bei 41+4 geboren: 4120g, 54cm und alles dran

Bild
Bild
Bild
Benutzeravatar
Kosmee
Rang1
Rang1
Beiträge: 368
Registriert: 06 Dez 2013 10:38

Beitrag von Kosmee »

Liebe Antwortenden und liebe Mitleser,

gestern war ich bei meinem langersehnten Termin bei Pro Familia und sprach auch dort über meine Schwierigkeiten im Umgang mit Ratschlägen, Sprüchen, Schwangerschaften etc. Dritter. Die Beraterin spiegelte mir - und das konnte ich gut annehmen -, dass mich selbst Schuldgefühle quälen, weil ich allein der Grund für unsere bisherige Kinderlosigkeit bin. Es trägt sich für mich (und sie meinte vielen anderen ginge es ebenso) schwer, selbst der Grund zu sein, aber mir (und anderen) das "Warum?" nicht beantworten zu können.

Und wenn dann zu dieser ohnehin schon bestehenden inneren Verunsicherung noch Ratschläge und Interpretationen von außen kommen, dann lösen die immer wieder bei mir das Gefühl aus, "wieder etwas falsch gemacht zu haben": ich bin nicht entspannt genug, mache nicht genügend Urlaub, konzentriere mich zu sehr auf meinen Kinderwunsch, meine Seele ist noch nicht bereit für ein Kind, ich müsste loslassen etc. All diese Vorschläge suggerieren mir, was ich eh schon selbst befürchte: Dass mit mir und meiner Einstellung etwas nicht stimmt. Es haut also in eine bereits bestehende innere Wunde.

Die Beraterin ermutigte mich darin, dass ich okay bin, auch wenn ich nicht perfekt bin. Und sie ermutigte mich, davon auszugehen, dass solche Sprüche durchaus aus dem "gut gemeintem Hintergrund, helfen zu wollen" entstünden, dass ich mich aber natürlich dagegen abgrenzen darf (sofern ich dazu Kraft und Willen habe). Auch unterstützte sie mich in der Vermutung, dass mit dem Ende des Weges (selbst ohne Kind) die Karten neu gemischt werden würden und der Umgang mit Freunden dann nochmal eine Veränderung erfahren könnte, einfach weil dann wieder klarer ist, wolang es geht.

Vieles dessen, was gestern besprochen wurde, war nicht neu für mich, doch das Bewusstsein, dass besonders die eigenen Selbstzweifel (die wohl für viele mit einer längeren Kinderlosigkeit einhergehen) der Grund dafür sind, dass mich solche Sprüche so treffen und ich innerlich nicht "cooler" darauf reagieren kann, war eine wichtige Erkenntnis.

Vielleicht hilft das auch jemand anderem, der das hier liest. Für den Fall teile ich es.

In der Hoffnung, dass eine zunehmende innere Annahme meinerselbst (und das ist kein Klacks ...) mir auch im Umgang mit "wohlgemeinten" Sprüchen und fremden Schwangerschaften helfen mag, sende ich euch herzliche Grüße!

Kosmee
gem. KiWu seit 2011: 2 Jahre natürlich + 1x Clomiphen + 2 IUIs + 3 ICSIs in DE + 1 EZS in FI + 1 EZS in CZ = April 2015: endlich schwanger
2. Jan. 2016: Geburt unseres Knödels + unerhörtes Glück: natürliche Schwangerschaft 2018
mein Blog: https://herzwuensche.wordpress.com
theia
Rang1
Rang1
Beiträge: 766
Registriert: 30 Dez 2013 19:39

Beitrag von theia »

Hallo Kosmee,

vielen Dank, dass du das mit uns teilst.
Das sind ja nun sehr persönliche und tiefgreifende Erkenntnisse und ich finde es
großartig, dass du dies alles zur Verfügung stellst, damit andere profitieren können.

Die besten Wünsche für dich bzw. euch!

LG
theia
<a href="https://lilypie.com/"><img src="https://lb5f.lilypie.com/ee8tp1.png" width="400" height="80" border="0" alt="Lilypie Fifth Birthday tickers" /></a>

Wenn du Gott zum lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen! (Lebensweisheit)
Mein Fazit: Pläne sind was für Komiker. Bin ich nicht.
Benutzeravatar
Stahlriese
Rang1
Rang1
Beiträge: 583
Registriert: 23 Aug 2010 18:28

Beitrag von Stahlriese »

Ich denke, das sind Gefühle, die wir alle hier im Forum kennen. Die - teilweise gewollt - kinderlosen Paare im Bekanntenkreis werden immer weniger und einem selbst bleiben immer weniger Rückzugsmöglichkeiten. Alle naselang fragt wer: "na? Wann isses bei euch soweit?" und man möchte am liebsten heulen oder demjenigen eine knallen, obwohl man selbst weiß, dass es keine böse gemeinte Frage ist. Aber es tut so verdammt weh!

Dann werden nach und nach die Freundinnen schwanger, die nie nie, nein nein wirklich nicht, oh jeee, ich könnt mir das nie vorstellen, usw. Kinder wollten. Und bei mir selbst blieb Trauer, Neid und so viel Bitterkeit zurück. Da passieren Verhütungspannen und die Frau wird schwanger und ich? Ich kämpfe, stimuliere, gebe Geld aus, versuche Arbeit, Alltag und Restleben am Laufen zu halten und ich bekomme nicht mal einen Trostpreis? Es gibt ja kein Anstands-Positiv, so nach dem Motto: "Ey, die Stahlriese hat alles richtig gemacht, nu lassemer se mal schwanger werden." Ne, Kinderwunsch ist immer hop oder top. Es kann vorher alles super laufen, Stimulation, Ausbeute an Eizellen, Fertilitätsrate, Embryonenentwicklung. Wenn sich nix einnistet, nistet sich nix ein und das Ergebnis am Ende bleibt negativ, auch wenn es biochemisch anfängt mit "ja, der Wert ist positiv, aber.....".

Ich habe im Laufe der Zeit gelernt, diese "positivs aber" zu hassen. Ein Negativ ist ein Negativ ist ein Negativ. Das ist zwar nicht das, was man will, aber man kann den Versuch abhaken und damit abschliessen.

Allerdings muss ich auch sagen, dass wir ab da, wo wir offen mit der Kinderwunschsache umgegangen sind auf unheimlich viel Verständnis gestossen sind. Zwei Freundinnen haben diesbezüglich unheimlich Rücksicht auf mich genommen und mir unter vier Augen von ihrer Schwangerschaft erzählt und mir unheimlich viel Verständnis entgegengebracht.

Geblieben ist trotz allem die Bitterkeit. "Warum sie und nicht ich? Sie ist doch noch so jung/Sie wollte doch gar keine Kinder/usw.".

Ich sage dir nicht: "Halte weiter durch". Ich sage dir: "Kämpfe!" Kämpfe um deinen Traum oder um die Rückkehr der Normalität. Mein Traum hat sich am Ende erfüllt. Aber wieviele andere bleiben auf der Strecke, die sich hier aus dem Forum mal still, mal weniger still verabschieden.
<a href="http://alterna-tickers.com"><img src="http://alterna-tickers.com/tickers/gene ... 7n9fil.png" border="0" alt="AlternaTickers - Cool, free Web tickers"></a>
Benutzeravatar
Kindeshalb
Rang0
Rang0
Beiträge: 85
Registriert: 06 Feb 2015 08:46

Beitrag von Kindeshalb »

Liebe Kosmee, liebe Mädels,

entschuldigt bitte mein langes Schweigen.

Ich habe mich auf die Benachrichtigungen per Mail verlassen, die ich bisher bekommen habe, wenn hier eine Nachricht einging, aber aus irgendeinem Grund bekomme ich diese nicht mehr und ich habe das erst heute bemerkt.

Ich will niemanden lange warten lassen und werde nun regelmäßig hier reinschauen. Entschuldigt bitte!


Danke Dir Kosmee für Deine Nachricht und danke Euch allen für Eure Beiträge und Euer Teilen.

Mir wurde beim Lesen ganz warm ums Herz.

Es wurde schon so viel gesagt und geschrieben, was Dir Kosmee, aber vielleicht auch der ein oder anderen, die hier reinschaut, weiterhelfen kann.

Ich finde, es tut gut zu teilen und die Gemeinschaft zu Menschen zu suchen, die in einer ähnlichen Situation sind oder waren. Nicht zuletzt deshalb, weil es außerhalb oft nur wenige Menschen gibt, die die eigenen Situation gut nachvollziehen können und den langen Weg der Kindersehnsucht begleiten können oder wollen.

Ich habe einige Jahre lang Trauergruppen geleitet und neben den Anregungen und Tipps, von denen Ihr schon viele zusammengetragen habt, war es immer wesentlich als kleine Gruppe zusammen zu sein, zu teilen und gemeinsam auszuhalten.

Gerade das gemeinsame Aushalten ist wichtig. Unerfüllter Kinderwunsch und die Sehnsucht nach dem eigenen Kind lässt sich nicht rational fassen und erklären. Das "warum" und "warum gerade wir" findet keine Antwort. In den Trauergruppen hatte ich oft die Situation, dass man schweigend zusammen war - ohne dass es ein "peinliches oder belastendes Schweigen" war. Vielmehr gab es nichts zu sagen und trotzdem war das Zusammensein wichtig und tröstend.

Die Trauer ist eine Langstrecke, die sehr viel Kraft und Durchhaltevermögen abverlangt.

Bei der Trauer um das nicht geborene Kind kommt erschwerend hinzu, dass es noch keine Erfahrungen mit dem geliebten Kind gibt und dass es bei einem Abschied vom Kinderwunsch nichts zu begraben gibt. Die Trauer entsteht durch die unerfüllte Sehnsucht nach Deinem Kind.

Desweiteren kommen die endlos belastenden Versuche hinzu, das Auf und Ab, ... aber Ihr kennt das ja alle.

Und leider gibt es nicht den ultimativen Tipp, liebe Kosmee, der hilft.

So gerne ich diesen teilen würde!

Die Trauer ist leider auch so wenig beeinflussbar. Es gibt gute und schlechte Tage, schlimme Situationen und Begegnungen, dann wieder Tage und Phasen, in denen es besser geht. Dann kommt die Trauer zurück und ist schlimmer als zuvor oder sie zeigt ein Gesicht, das man noch so noch nicht kannte.

Unerfüllter Kinderwunsch und die Trauer und Sehnsucht um das eigene Kind verändert. Selbstzweifel und Verunsicherung entstehen und nicht zuletzt wird das eigene Lebenskonzept in Frage gestellt.

Eigentlich ist nichts mehr wie vorher und bisher bewährte Bewältigungsstrategien greifen nicht mehr. Oft braucht es sehr lange Zeit, um sich innerlich neu aufzustellen und auf dieser Basis die Kontakte zum Umfeld wieder neu aufzubauen.


Abschließend vielleicht nochmal eine kurze, stichwortartige Zusammenstellung von Anregungen:

- Die Aufmerksamkeit ins Hier und Jetzt richten, verschiedene Sichtweisen der Situation ausprobieren, Wünsche und Pläne beruflicher oder privater Natur nicht verschieben.

- Nach Ressourcen und Kraftquellen zu suchen, sowohl auf körperlicher als auch auf geistiger und seelischer Ebene.

- Die Beziehung des Paares stärken und stabil halten. Gegenseitige Stütze und Intimität fördern.

- Die emotionale Stabilität (wieder) erhalten. Einen Weg finden, um mit den eigenen Gefühlen umzugehen, hierzu auch innere Bilder anwenden.

- Auf mehrere Wege setzen! Gibt es Plan B oder C?

- Den Kinderwunsch begrenzen und nicht alle Lebensbereiche umfassend bestimmen lassen.

- Und nicht zuletzt: Die Hoffnung, eines Tages "guter Hoffnung zu sein" zulassen. Echte Vorfreude aufs Kind (wieder) wagen oder wiederentdecken.

Kannst Du, liebe Kosmee und Du, die Du mitliest, Dir vorstellen mit einem wunderschönen dicken Bauch durch Dein Leben zu gehen, in dem Dein Kind wohnt?

Es war jetzt sehr viel die Rede von der Trauer, dem Schmerz, der Isolation, ...

... aber wo ist die Sehnsucht und die Vorfreude auf Dein Kind geblieben?

Herzliche Grüße

Silke
4 x ICSI, 2 Kryo, 4 x schwanger
Mutter von 2 tollen Jungs!
Kindeshalb ist mein Blog für Frauen mit Kinderwunsch
www.kindeshalb.de
Benutzeravatar
Katharinchen
Rang4
Rang4
Beiträge: 6304
Registriert: 31 Jul 2006 00:24

Beitrag von Katharinchen »

Hallo Silke,

Das hast Du sehr schön und treffend formuliert.

Und ich erinnere mich, dass ich mich damals mit jedem erneuten negativen Ausgang
immer weniger getraut habe, mir mich mit dickem Bauch vorzustellen. Ich habe es
mir fast verboten, den Gedanken zuzulassen, dass eines Tages ein Baby in meinem
Bauch heran wächst. Ich dachte, der Wunsch danach muss irgendwie mit der Zeit
schrumpfen, damit ich irgendwann damit leben lernen kann, mein weiteres Leben
ohne Kind zu verbringen. Das verhindert gerade, dass man die innere Vorstellung
hat, dass man schwanger ist. Ich habe es mir sozusagen verboten, mich auf eine
SS einzustellen. Mein ganzes Denken hat sich eher um den negativen Ausgang
gedreht und den Plan nach dem nächsten negativen Ausgang. Nach dem Transfer
habe ich gleich schon wieder Pläne für die nächste Behandlung geschmiedet, ohne
den Ausgang des Behandlungszyklus abzuwarten.

In einer Sitzung bei meiner Psychotherapeutin sagte sie auf einmal:
Jetzt konzentrieren Sie sich erst mal auf das Schwangerwerden und Kinderkriegen,
was anderes können sie später immer noch machen. Ich war ganz verwundert, denn
ich dachte zu der Zeit, dass der Kinderwunsch mein ganzes Denken und Handeln
bestimmt, aber tatsächlich hatte sie Recht. Ich habe mich so sehr abgelenkt, dass
der Wunsch und die Vorstellung gar keinen Raum mehr hatten vor lauter Aktivitäten
abseits vom Kinderwunsch und Nicht-Zulassen von inneren Bildern einer SS, um den
Weg in ein kinderloses Leben finden und schaffen zu können. Ich habe mir nicht
zugestanden, den Kinderwunsch so stark zu spüren und zuzulassen, wie er immer noch
war.

Und dann erst habe ich mir selbst erlaubt, mich wieder auf den Kinderwunsch zu konzentrieren
und die Vorstellung, ein Kind im Bauch zu haben, zuzulassen. Ich hatte vorher oft ein
schlechtes Gewissen, weil ich mich so sehr auf den Kinderwunsch versteift habe, aber
nach dieser Sitzung war das schlechte Gewissen weg, weil ich mir endlich eingestanden
habe, dass ich die Möglichkeit eines positiven Ausgangs schon ganz ausgeblendet hatte
und mich quasi dafür entschuldigen wollte, dass ich immer noch nach so vielen Jahren
und so vielen Behandlungen einen Kinderwunsch verspürte, sogar stärker als je zuvor.

Liebe Kosmee,

Vielleicht hilft Dir meine Erfahrung ein bißchen, Dir Deine derzeitige Situation zu betrachten
und eine andere Sichtweise auszuprobieren, um einen Weg aus dem Schmerz zu finden.
Du denkst vielleicht, ich kann Deine Situation nicht wirklich verstehen, weil ich ja ein Kind
habe, aber meine Schilderung bezieht sich auf die Zeit, bevor ich mit meinem Kind schwanger
wurde, da war mein Kinderwunsch schon 12 Jahre alt, und wir waren schon insgesamt
fast sieben Jahre lang in Kinderwunschbehandlung mit all den Tiefschlägen, die wir irgendwie
verarbeiten mussten. Zu der Zeit war ich an dem Punkt angekommen, meine Kinderlosigkeit
akzeptieren lernen zu müssen. Mir ist aber klar geworden, dass mein Kinderwunsch immer
noch groß und stark geblieben wäre, auch wenn ich kinderlos geblieben wäre, er wäre eben
für alle Zeiten unerfüllt geblieben. Den Wunsch kann man nicht kleiner machen, schon alleine
der Versuch, das zu tun, kostet viel zu viel Lebensenergie.
Zuletzt geändert von Katharinchen am 05 Apr 2015 22:49, insgesamt 7-mal geändert.
Viele liebe Grüße von
Katharinchen
---------------------------------------

Kinderwunsch seit 1999
1. Behandlung Juli ´07: negativ
.
.
.
.
.
.
8. Behandlung November ´09: positiv, MA bei 8+2 :cry:
.
10. Behandlung August ´10: negativ
1. Kryo-Behandlung Oktober ´10: P O S I T I V
Geburt bei 38+3
2. Kryo-Behandlung Oktober ´12: negativ
11. Behandlung März ´13: negativ
Abschied vom Wunsch nach einem Geschwisterchen.
Es ist gut so, wie es ist.


Bild


Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. (Václav Havel, * 05.10.1936; † 18.12.2011)
Benutzeravatar
Mondschaf
Rang4
Rang4
Beiträge: 8344
Registriert: 08 Dez 2002 18:05

Beitrag von Mondschaf »

liebe katharinchen,

das hast du sehr treffend beschrieben. :knuddel:

bei mir war es ähnlich. ich denke, es war hauptsächlich selbstschutz, ich hätte gedacht, dass ich bei zuviel positiven vorstellungen nachher um so trauriger bin.

liebe grüße

mondschaf
Mit zwei Jungs geboren 2004 und 2007

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ – J. W. von Goethe

„Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es (zu) dir - für immer.“ - Konfuzius

*** Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. ***
Benutzeravatar
Katharinchen
Rang4
Rang4
Beiträge: 6304
Registriert: 31 Jul 2006 00:24

Beitrag von Katharinchen »

Danke, Mondschaf.
Ich habe noch jede Menge an meinem Beitrag geändert, nachdem ich ihn abgeschickt hatte.
Er ist noch ausführlicher geworden, nachdem Du schon geantwortest hattest.
Viele liebe Grüße von
Katharinchen
---------------------------------------

Kinderwunsch seit 1999
1. Behandlung Juli ´07: negativ
.
.
.
.
.
.
8. Behandlung November ´09: positiv, MA bei 8+2 :cry:
.
10. Behandlung August ´10: negativ
1. Kryo-Behandlung Oktober ´10: P O S I T I V
Geburt bei 38+3
2. Kryo-Behandlung Oktober ´12: negativ
11. Behandlung März ´13: negativ
Abschied vom Wunsch nach einem Geschwisterchen.
Es ist gut so, wie es ist.


Bild


Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. (Václav Havel, * 05.10.1936; † 18.12.2011)
Antworten

Zurück zu „Fragen an die Pädagogin“