Nicht zu empfehlen: "Spenderkinder" von Oelsner/ L

rebella67
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Nicht zu empfehlen: "Spenderkinder" von Oelsner/ L

Beitrag von rebella67 »

Das o.g. Buch ist letzte Woche herausgekommen und nicht zu empfehlen.

Damit ihr hier einen kleinen Eindruck bekommt, kopiere ich meine Rezension, die ich auch bei Amazoneingestellt habe. Ich freue mich, wenn ihr meine Rezension gut findet und diese sowie die anderen Rezensionen zu diesem Buch bei Amazon bewertet.

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Das Buch wurde geschrieben, um „zum gelingenden Dialog zwischen jenen Eltern und Kindern beizutragen, die dank “künstlicher“ Zeugung bereits Familie wurden. Diesem Ziel wird das Buch in keiner Weise gerecht, da es die Eltern 1.000-fach vor den Kopf stößt. Denn wer als „allgemein farbloser Vater“ oder „Mutter mit obzessivem Kinderwunsch“ betitelt wird, die in einer „vom Fortschrittsglauben besessenen Gesellschaft“ einer „Illusion der Machbarkeit“ unterliegen, „Sperma aus dem Katalog“ kaufen, „gemietete Gebärmütter“ nutzen, um unter „Banalisierung und Kommerzialisierung“ auf dem „Wachstumsmarkt der Reproduktionsmedizin“ „synthetische Babys“ zu zeugen und später ihr „Kind als Objekt“ zu betrachten, kann das Buch einfach nicht ernst nehmen. Das hätten die Autoren, die immerhin Psychotherapeut und Psychologe sind, eigentlich wissen sollen.

Doch ganz abgesehen von solchen Begriffen – es geht einiges durcheinander in diesem Buch, das sich hauptsächlich mit erwachsenen Kindern, die mittels einer Samenspende gezeugt wurden, auseinandersetzt. Zwar wissen die Autoren nicht viel zum Thema Reproduktionsmedizin allgemein, donogener Insemination bei alleinstehenden Frauen, Eizellspende, Embryonenspende und Leihmutterschaft, sie kennen auch weder Eltern noch Kinder, die mithilfe eines dieser Verfahren Familie geworden sind, aber diese Begriffe eigenen sich gut zum Polemisieren. Dafür werden sie auch ausgiebig und immer wieder benutzt. Zahlen aus den verschiedenen Sachgebieten werden durcheinandergeworfen, Quellenangaben teilweise vermieden, Horrorszeniaren entwickelt („Verschwinden des Vaterbildes“), Extrembeispiele werden herangezogen (die 60-jährige Bankerin, Karrierefrau mit Kinderwunsch) und statt Fakten erfährt man etwas über eine „zu vermutende Gefühlslage“.

Nicht belegte Behauptungen werden als Tatsachen hingestellt. So „schadet“ bereits allein die abweichende genetische Abstammung nach Auffassung der Autoren auf Dauer einer Beziehung anstatt dass sie evt. „schaden könnte“ und die sozialen Väter sind eh alles Deppen und impotent. Wohlgemerkt wurden für die Recherchen zu diesem Buch weder Väter noch Mütter interviewt, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, dieses zu tun.

Man stößt auch immer wieder auf Widersprüche. Einerseits wird in den Erfahrungsberichten von Spenderkindern dokumentiert, wie schwierig es werden kann, wenn Eltern und Kinder allzu verschieden sind, andererseits wird vorgeschlagen, anstelle durch eine Samenspende Eltern zu werden, halbwüchsige Flüchtlingskinder zu adoptieren. Dann wiederum wird kritisiert, wenn die zukünftigen Eltern den Spender zur Abstimmung mit ihren eigenen Eigenschaften aus einem „Katalog“ aussuchen. Es wird behauptet, die Paare wollten sich einen „Menschen programmieren“. An anderer Stelle jedoch ist wahrzunehmen, in welcher Weise die Autoren selber Programmoptimierung vorschlagen, nämlich durch eine optimale Steuerung vorgeburtlicher Entwicklungseinflüsse, die sie bereits dadurch gestört sehen, dass die Eltern um die Austragung eines Spenderkindes wissen.

Herr Oelsner und Herr Lehmkuhl, anscheinend selbst etwas von gestern, da sie noch nicht wahrgenommen haben, dass zumindest ein Teil unserer Ärzte und Samenbanken bereits sehr im Sinne der zukünftigen Kinder agieren und dass auch ein großer Teil der Eltern heute offener geworden ist, werfen Eltern und Ärzten ganz pauschalisierend vor, in Überzeugungen der 70-er Jahre zu verharren und schwärmen ganz nebenbei von Kriegs- und Krisenzeiten, in denen ungewollt kinderlose Paare noch „ein Heer von verwaisten Kindern versorgt“ haben oder von den Zeiten als konfessionsübergreifende Partnerschaften noch „Mischehen“ genannt wurden und Homosexualität unter Strafe stand.

Die Auswahl der Interviewten ist sehr einseitig. Es wurden ausschließlich Mitglieder des Vereins „Spenderkinder“ befragt, dem etwa nur 1 Tausendstel aller in Deutschland lebenden Menschen angehören, die durch donogene Insemination gezeugt wurden. Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich gerade dann, wenn man sich besonders betroffen fühlt, auch besonders engagiert. So geben die gezeichneten Elternfiguren mit ihrer hohen Trennungsrate vielleicht kein Bild über die 100.000 anderen Elternpaare ab.

Eine vertane Chance. Ein gut recherchiertes Buch zum Thema Samenspende wäre nämlich überfällig. Auch haben zukünftige Eltern durchaus ein Interesse daran, Geschichten erwachsener „Spenderkinder“ zu lesen und daraus Vorlagen für ihre eigenen Entscheidungen abzuleiten. Nur – welche Eltern, die sich durch die ersten 70 Seiten dieses Buches gequält haben, können noch zwischen konstruktiven Hinweisen und Manipulierungen unterscheiden?
Zuletzt geändert von rebella67 am 05 Mär 2016 16:37, insgesamt 2-mal geändert.
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hier noch der Link zu Amazon. Bisher sehe ich meine gerade eingestellte Rezension noch nicht. Es sollte aber gleich soweit sein.

Liebe Grüße, Rebella
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Sonneninsel
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Beitrag von Sonneninsel »

Bin gerade sprachlos ,werde mich aber ein lesen . Unglaublich !!!!!
Nicht müde werden sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.
free
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Beitrag von free »

vielen dank rebella für deine rezension.die ist gut.in der tat grenzwertig homophob und der kinderwunsch wird durchgängig mit negativen merkmalen belegt,das was ich lesen konnte.nicht nachzuvollziehen in der heutigen zeit.mehr möchte ich wirklich nicht,im wahrsten sinne des wortes,von diesem unsinn lesen. die wortwahl in diesem buch erinnert mich etwas an "radio vatikan" lg free
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bani1976
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Beitrag von bani1976 »

Rebella, gut ist deine schlechte Bewertung, auch wenn ich das Buch nicht gelesen habe. Jetzt werde ich das auch nicht mehr tun. Gerade wenn mit so altbackenen Ansichten einseitig berichtet wird, möchte ich das auch gar nicht mehr tun.

Im Zuge dessen bin ich aber auf ein anderes Buch gestoßen und wollte fragen, ob das jemand von euch gelesen hat und wenn, wie ihr es fandet: Das Geheimnis des ehrenwerten Hauses
Ich bin nämlich auf der Suche nach einem Buch für unsere Kinder, um sie noch mal mehr für unsere Familiengeschichte zu sensibilisieren.

LG von der bani1976
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Liebe Bani, ja, ich kenne das "Ehrenwerte Haus". Habe bei diesem Buch Korrektur gelesen. Es ist eine nette Geschichte.
Liebe Grüße, Rebella
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Meine Rezension ist leider erst heute Vormittag freigeschaltet worden. Zudem steht nun auch die Rezension von Stina da, der Gründerin des Vereins Spenderkinder. Natürlich mit 5 Punkten. Sie findet das Buch wie erwartet "hervorragend und anrührend". ...

Inzwischen ist wohl auch der Verein Spenderkinder in die Startlöcher zum Bewerten gekommen. Man sieht das an dem heute Hinzugekommenen. Deshalb freue ich mich, wenn ihr hier auch noch mit bewertet.

Ich empfinde es als so bedauerlich, dass der Verein Spenderkinder und wir immer verhärtetere Positionen einnehmen. Das liegt aber leider an der Radikalisierung der dort führenden Mitglieder. Sie mischen sich auch in Dinge ein, die sie gar nicht betreffen und spielen sich als Experten auf. Zudem befürworten sie jeden die Reproduktionsmedizin - auch im Allgemeinen - diskreditierenden Sprachgebrauch. - Auf diese Weise geht es natürlich nicht. ... :-(
Liebe Grüße, Rebella
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free
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Beitrag von free »

rebella67 hat geschrieben:Ich empfinde es als so bedauerlich, dass der Verein Spenderkinder und wir immer verhärtetere Positionen einnehmen. Das liegt aber leider an der Radikalisierung der dort führenden Mitglieder.
hast du das gefühl oder ist es tatsächlich so?sind ja zwei verschiedene schuhe.ich habe die rezension von "stine" auch gelesen.bei mir kommt ihre erleichterung an,endlich auch als spenderkind ein gehör zu finden in diesem buch und keine wunscheltern vorzufinden.
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Liebe free,

ich kenne Stina nun schon seit Januar 2008. Wir haben damals sehr intensiv gemailt und auch in der Zwischenzeit immer mal wieder. Ich habe sie auch schon 4mal getroffen. Einmal beim Erlanger Kongress Samenspende, zu dem sie von Ärzten eigeladen und anerkannt wurde, gegen die sie trotzdem weiterhin zu Felde zieht, dann bei einer Gerichtsverhandlung zum Thema evt. Verletzung des ESchG durch einen deutschen Arzt (da trafen wir uns zufällig), zuletzt 2mal im Deutschen Bundestag (Oktober 2015). Auch die beiden Vereine DI-Netz e.V. und Spenderkinder kommunizieren. Ich lese auch häufiger auf ihrer Seite. Und ich verfolge die Medienberichte, die ich greifen kann. Die Mitglieder des Vereins Spenderkinder hatten in den gesamten letzten Jahren eine mediale Aufmerksamkeit, von der wir nur träumen könnten. Eine Erleichterung wegen "endlich auch" müsste sie schon lange gespürt haben. Es gab auch eine ganze Reihe von Zeitungsberichten, in denen keine Wunscheltern vorkamen.

Stina geht es aber nicht nur um die Aufmerksamkeit zu ihrer Geschichte. Es geht ihr mindestens genauso darum, Wunscheltern zu disqualifizieren. Daher ihr Applaus zu dem Buch von Bachinger und jetzt auch zu diesem. Beides sind Bücher, die Hetze gegen Wunscheltern, Ärzte und Reproduktionsmedizin ganz allgemein betreiben. Stina ist ja auch sehr vehement im Bundestag zu dem Thema einer evt. Kostenübernahme der DI aufgetreten und hat sich in ihrer vollen Breite dagegen gestemmt. Obwohl das deutlich über ihre Kompetenz hinausgeht. - Ich schätze ihre Arbeit für Spenderkinder zum großen Teil. Aber in den genannten Punkten bin ich der Auffassung, dass sie Grenzen überschreitet, die ihr nicht zustehen.

Psychologisch erkläre ich mir das so: Stina ist ein spät aufgeklärtes Spenderkind. Sie hat den Vertrauensbruch ihrer Eltern erlebt. Da kommt sie auch nach einer inzwischen fast 10 Jahre dauernden Verarbeitungsphase nicht raus. Indem sie uns immer wieder versucht zu diskreditieren, reagiert sie ihre Wut ab, die sie eigentlich gegen ihre eigenen Eltern hegt. - Und es ist ein Dilemma: Denn ihre Eltern wollten ihr gewiss nichts Böses. Ihre Eltern wurden so beraten. Sie dachten, sie tun für ihr Kind das Beste. Außerdem haben ihre Eltern ein gesellschaftliches Stigma gespürt, dem sie ihr Kind nicht aussetzen wollten. - Die allgemeine Ablehnung der donogenen Insemination auch schon in den 70-ern und 80-ern schlägt über die Eltern auf das Kind zurück. Das Kind wehrt sich heute dagegen und schürt damit weitere Stigmatisierungen anstatt sie zu beenden. Das wiederum kann zur Folge haben, dass auch heutige aufgeklärte Eltern sich das noch dreimal überlegen, ob sie ihr Kind darüber aufklären. Und vielleicht zieht genau dadurch irgendwo ein Elternpaar eine zweite Stina heran, die dann in 20 Jahren dasselbe tut.

Das Einzige, was Eltern evt. doch zu einer frühen Aufklärung bewegen könnte, ist ihr abschreckendes Beispiel. Bloß nicht ein Kind heranziehen, das mal einen solchen Feldzug gegen die Familiengründung mit Samenspende führt und die eigene Herzensentscheidung in so einer Weise verletzt. ...
Zuletzt geändert von rebella67 am 26 Apr 2016 21:06, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße, Rebella
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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

rebella67 hat geschrieben:Stina ist ja auch sehr vehement im Bundestag zu dem Thema einer evt. Kostenübernahme der DI aufgetreten und hat sich in ihrer vollen Breite dagegen gestemmt. Obwohl das deutlich über ihre Kompetenz hinausgeht. - Ich schätze ihre Arbeit für Spenderkinder zum großen Teil. Aber in den genannten Punkten bin ich der Auffassung, dass sie Grenzen überschreitet, die ihr nicht zustehen.
liebe rebella,

hmm, das klingt für mich jetzt etwas ... undemokratisch. sie mag ja verdrehte ansichten haben, aber es hat doch jeder das recht darauf, seine meinung zu äußern.

ich kann ja verstehen, dass dich solche leute stören, weil sie kontraproduktiv sind und eben leider vor allem vergleichsweise viel medienresonanz kriegen, da ihre ansichten die vorurteile vieler bestätigen.

liebe grüße

mondschaf
Mit zwei Jungs geboren 2004 und 2007

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