Behandlung in Brüssel

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natti
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Registriert: 12 Jul 2001 02:00

Beitrag von natti »

Frage:

Wir stehen im Moment vor der Entscheidung, nach Brüssel zu gehen. Ich wüsste gerne, wie das dort abläuft, wie Frauen sich dort gefühlt haben, was es kostet, einfach alles rund um die Frage Brüssel.

Antworten:

wir haben mit dem Gedanken gespielt, nach Brüssel zu gehen. Hier unsere Erfahrungen und Einschätzungen:

Das Ganze hat, jedenfalls nach unserem Gefühl, zwei große Vorteile:

1. Man ist beim weltweit führenden ICSI-Institut. Van Steirteghem hat ICSI erfunden und konsequent weitergeführt. Alle Kollegen (in Deutschland und international) sind voll des Lobes von seiner Arbeit und Vorgehensweise. Im Jahr werden etwa 2500 IVF und ICSI Zyklen durchgeführt. Zum Vergleich: An der Uniklinik Bonn sind es 700 ICSI Zyklen pro Jahr.

2. Es ist - wegen des fehlenden Embryonenschutzgesetzes - die Kultivierung und damit Beobachtung aller (!) befruchteten Eizellen bis zum maximal 5. Tag möglich (Blastozytenstadium). Allerdings wird auch in Brüssel in der Regel am 3. Tag bereits transferiert, weil man der Ansicht ist, eine Eizelle entwickele sich im natürlichen Medium besser. Jedenfalls kann am Morgen des Transfers unter allen Eizellen ausgewählt werden, welche sich bis zu diesem Zeitpunkt am besten entwickelt haben. Dies ist der entscheidende Vorteil von einer Behandlung in Brüssel. Die restlichen Eizellen können eingefroren werden.

3. Es besteht - auch wegen des fehlenden Embryonenschutzgesetzes - die Möglichkeit der PID. Diese wird allerdings auch in Brüssel nur SEHR zurückhaltend angewendet.

4. Das fehlende ESchG verleitet einige zu dem Gedanken, daß doch dann auch mehr als drei Eizellen transferiert werden könnten. Dagegen wehren sich die Brüsseler mit Vehemenz. Frauen bis 35 setzen auch sie nur 2 Zellen zurück, erst danach drei.


Die Nachteile dagegen sind ein paar mehr - wie gewichtig sie sind, muß jeder für sich und nach seiner besonderen Lage entscheiden:

1. Das Ganze wird von deutschen KK auf keinen FAll übernommen, d.h. komplette Eigenzahlung. Ausnahme: private KK, und auch da nicht immer.

2. Die Kosten allein der ICSI-Behandlung, d.h. ohne Medikamente, ohne Labor-, Blut- und US-Kosten, liegen bei ca. 8500 DM (mindestens - eine Blutuntersuchung bzw. Labor in Brüssel schlägt sofort mit weiteren 150 Euro zu Buche). Dazu kommen dann noch die Medikamente (selbst im "günstigen" Fall ca. 2000 DM, docmorris bspw. bietet verschiedene Medis gar nicht an) sowie die Untersuchungskosten (also Labor, Blutabnehmen, Ultraschall, Besprechungstermine) in Deutschland (in mindestens ähnlicher Höhe). Dazu kommen Fahrtkosten, Übernachtungskosten (am Morgen der Punktion muß man um 7 Uhr "antreten") und sonstige Kosten (alleine das Erstgespräch mit Vorbereitung dürfte an die 1000 DM kosten, habe ich unten mal aufgelistet).

3. Der Aufwand ist vergleichsweise groß. Man muß zwar nicht zwingend öfter als 3 Mal nach Brüssel fahren (einmal zum Vorgespräch, einmal zu Punktion und Transfer), aber man muß in Deutschland einen Haufen zusätzlichen Aufwands betreiben. Zunächst einmal muß man eine deutsche Klinik/Praxis finden, die begleitend die Betreuung mit US und Blutwerten übernimmt. Dazu ist zwingend erforderlich, daß diese Betreuung auch am Wochenende erfolgen kann - wenn nämlich der Tag eines US oder Blutwertes an einem Sonntag ist, dann muß auch an diesem Tag Blut abgeommen werden. Damit scheiden in aller Regel die normalen Gyns aus, und man muß sich mit einem örtlichen KiWu-Zentrum entsprechend kurzschließen.
Dann muß man die gesamten Ergebnisse nach Brüssel faxen und bekommt nachmittags die "Rückanweisung", was geschehen soll. Dadurch sind Arzt vor Ort und entscheidender Arzt natürlich auch immer getrennt, so daß es keinerlei persönlichen Kontakt / persönliche Betreuung bei Rückfragen gibt - außer telephonisch. Das ist, wenn alles prima läuft, wahrscheinlich gar nicht schlimm - aber im Falle von Überstimulation etc. sieht ds möglicherweise etwas anders aus.
Zudem fehlt es an einer persönlichen Einschätzung des Zustands der Patientin und umgekehrt des Vorgehens des Arztes seitens der Patientin. Nach meiner Erfahrung kann das durchaus die Entscheidung über die weitere Therapie beeinflussen.

4. Die Erfolgsquoten sind nicht so signifikant höher wie gerne herumgereicht wird: In Bonn z.B. sind sie nur ca. 5-7 % niedriger als in Brüssel! Bei ICSI für Patientinnen bis 34 liegt die Baby-Take-Home-Rate bei ca. 35%. Zwar wird in angeblich 90% aller punktierten Fälle eine Schwangerschaft erreicht (was an der Möglichkeit der Selektion der bestmöglichen aller befruchteten Eizellen liegt, siehe dazu oben), aber die Abbruchquote führt dazu, daß eben doch "nur" 35% letztlich erfolgreich sind. In Bonn bspw. liegt die Baby-Take-Home-Rate bei 27-28% bei einer SChwangerschaftsquote von 35% nach Transfer.

5. Die Sprachbarriere. Zwar gibt es mindestens einen sehr gut deutsch sprechenden Arzt (Dr. Platteau), und auch die anderen Ärzte sprechen zumindest in der Regel recht gut englisch - aber beim sonstigen Personal hapert es bereits beim englischen, zum Teil massiv, jedenfalls nach unserer Erfahrung. Bei der Anmeldung mußte man sich bereits auf Englisch verständigen; Laborauskünfte und Rücksprachen mit dem Biologen etwa erfolgen auch nicht auf deutsch und nicht immer in bestem Englisch. Für jemanden, der selber nicht so sehr sicher im Englischen ist, kann das ein Erschwernis sein, das man nicht unterschätzen sollte: Vertrauen und die Möglichkeit zu Rückfragen werden so möglicherweise beeinträchtigt.

6. Nicht zu unterschätzen ist m.E. auch der fehlende persönliche Kontakt noch aus einem anderen Grund: Hier im Forum wird verschiedentlich und sehr konstant bemängelt, daß Zuspruch und Umgehen der Ärzte mit der besonderen Situation oftmals zu kurz kommen. In Brüssel muß das zwangsläufig so sein - man bekommt ja den behandelnden Arzt nicht zu Gesicht und ist wirklich bloß eine Tel-Nr. in Deutschland, die man für 5 Minuten (höchstens) spricht. Wer also das Gefühl braucht, auch ein Gespräch über seine Befindlichkeiten in seiner KiWu-Praxis führen zu können, der sollte diesen Punkt in Bezug auf Brüssel nicht ganz unterschätzen.

Wie läuft das nun konkret ab, wenn man sich in Brüssel informieren will? Unten sind Adresse und Tel-Nr. angegeben. Dort ruft man an und bekommt dann für in ca. 6-8 Wochen einen Termin, in der Regel mit dem deutschsprachigen Dr. Platteau. Innerhalb der nächsten 2 Wochen erhält man einen umfangreichen Katalog mit schönen Bildern und vor allem einem Zettel, welche Untersuchungsergebnisse man alle mitbringen muß (Hormonwerte Mann + Frau, diverse Blutwerte, Impfstoffe, etc. etc.) (Dafür ist man übrigens schon mal die ersten 500 -700 DM los, mindestens - es sei denn, man hat diese Unterlagen bereits durch die Vorbehandlungen). Bis man die zusammenhat, dauert es ca. 6 Wochen (da bestimmte Tage im Zyklus herangezogen werden).

Am Termin selbst meldet man sich unten an, bekommt eine Plastikkarte und einen Wegweiser, fährt in den 5. Stock hoch, wo die Repro-Medizin untergebracht ist, spricht dann etwa 1/2 - 3/4 Stunde mit Dr. Platteau die persönliche Problematik durch, der verschreibt gleich die Medis, die er für richtig hält, dann führt einen eine Krankenschwester (die in unserem Fall kein deutsch und nur mittelprächtig englisch sprach) in ca. 1 Stunde durch die einzelnen Phasen von Down-Regulierung und Stimulation. Nach ca. 2 Stunden fährt man dann wieder nach Hause. Fertig. Ach ja, nach ca. 3 Monaten kommt dann noch die Rechnung über ca. 160 DM für die Erstberatung.

Wenn man sich dann entscheidet, in Brüssel tätig zu werden, telephoniert man dorthin und sagt Bescheid. Alles weitere ist dann auf einem ziemlich wilden Behandlungsbogen festgehalten.


Die Adresse: Academisch Ziekenhuis
Vrije Universiteit Brussel
Laarbeeklaan 101
B- 1090 Brussel

Ansprechpartner: Dr. Platteau oder Prof. Liebaers

Telefonnummer: 00-32 2 47 76 690
00-32 2 47 76 500
Faxnummer: 00-32 2 47 76 692
E-Mail: fertility@az.vub.ac.be


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Ich würde mich jederzeit wieder dafür entscheiden. Allerdings fiel uns die Entscheidung leichter, da wir nicht verheiratet sind und somit auch in Deutschland alle Kosten hätten zahlen müssen. Wir haben ca. 12.000 DM für alles bezahlt, d.h. Behandlung in Brüssel, Medikamente in D, Fahrtkosten + Übernachtung, Laborkosten und Ultraschalluntersuchungen in D.

Wir haben damals unsere ganzen Unterlagen von meiner 1.ICSI in D mitgenommen, es waren keine weiteren Untersuchungen notwendig. Auch gab es keine Verständigungsprobleme, auch einige Krankenschwestern konnten Deutsch. Die Leute sind dort wirklich sehr zuvorkommend. Vieles wurde telefonisch besprochen, aber man bekommt stets genaue Anweisungen. Die Ultraschalluntersuchungen hat mein Frauenarzt gemacht und wegen der Laborwerte habe ich mir ein Labor in meiner Umgebung gesucht.

Ich hatte nach meiner Punktion auch eine leichte Überstimulation und bin dann einfach in meine alte KIWU-praxis gefahren. Dort
habe ich dann von der Behandlung in Brüssel erzählt und so wurden die Blutwerte ermittelt und letztendlich festgestellt, das eine Infusion nicht notwendig war. Die Abrechnung dieser Untersuchung erfolgte über die KK-Karte.



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