Zur Historie des Fortpflanzungsmedizingesetzes

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rebella67
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Zur Historie des Fortpflanzungsmedizingesetzes

Beitrag von rebella67 »

Ich habe diese Historie anhand des Regelungsbedarfs bei heterologen Inseminationen aufgezeichnet, der auch in dem geplanten Fortpflanzungsmedizingesetz bedacht werden soll. Ich möchte das jetzt hier nicht allgemeingültig umschreiben. Aber dass weitere Änderungen notwendig sind und dass die Verantwortlichen das auch wissen, wurde in verschiedenen Dokumenten festgehalten.

Weil ich es als so unheimlich nachlässig empfinde, dass jetzt bald 10 Jahre nur darüber herumgelabert wird, ohne dass sich etwas ändert, möchte ich Euch das hier nicht vorenthalten (Tschuldigung bitte, dass ich die nicht richtig angekommenen Formatierungen hier nicht überarbeite):



Das politische Desinteresse

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der Heterologen Befruchtung ist den verantwortlichen Politikern - wie verschiedene Dokumente belegen – mindestens seit Ende der 90-er Jahre bekannt.
Seit 1994 ist die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes um die assistierte Befruchtung beim Menschen (Artikel 74 Abs. 1 Nr.26 GG) erweitert worden, so dass seitdem diesbezüglich eine umfassende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes besteht. Daraufhin berief das Bundesministerium für Gesundheit eine Bund/ Länder-Arbeitsgruppe ein, die von 1996 bis Anfang 1998 in mehreren Sitzungen ein mögliches Fortpflanzungsmedizingesetz vorbereitet hat. Hierzu gibt es im Bundesministerium für Gesundheit lediglich einen hausinternen Diskussionsentwurf. (Quelle: Drucksache 14 / 577, Frage 53, Hubert Hüppe )
Die 72. Gesundheitsministerkonferenz am 9./10. Juni 1999 hat in einem Beschluss das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gebeten, den Entwurf eines Fortpflanzungsmedizingesetzes vorzulegen. Im Oktober 2000 hat das BMG ein Eckpunktepapier zum geplanten Fortpflanzungsmedizingesetz vorgelegt, das Vorhaben jedoch nicht weiter verfolgt.
Ulrike Riedel (wer war sie? In bezug auf Andrea Fischer?) sagte 2001 dazu in einem Interview mit der ZEIT :
„Der Gesetzentwurf enthielt viel mehr als nur Verbote. Es gibt ja auch dringenden Regelungsbedarf jenseits der umstrittenen Themen der Präimplantationsdiagnostik (PID) und des therapeutischen Klonens, über das jetzt alle reden. Nur einige Beispiele: die Sicherstellung des Kindeswohls und die kniffligen familienrechtlichen Fragen, zum Beispiel hinsichtlich der Samenspende. Hier ist nichts geregelt, es wird zunehmend Prozesse geben.

Der dringende Gesetzgebungsbedarf war zu Anfang der Legislaturperiode Konsens in der Koalition. Damals hatte die SPD−Fraktion abgelehnt, eine Enquetekommission Recht und Ethik der modernen Medizin einzusetzen, und zwar mit dem Argument, deren Entscheidungsprozess sei angesichts des dringenden Gesetzgebungsbedarfs zu langfristig angelegt. Als es dann einen Tag nach dem Ministerinnenwechsel plötzlich hieß, es gebe keinen Gesetzgebungsbedarf, haben sich viele die Augen gerieben.“

In ihrem Kommentar zu den „Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion“ schreibt die Bundesärztekammer 1998:

„4. Darüber hinaus wirft die Durchführung von Methoden der assistierten Reproduktion mit Spendersamen Dritter ebenso wie die artifizielle heterologe Insemination besondere Probleme auf, wenn diese Methoden im heterologen System zur Anwendung gelangen. Diese Probleme bestehen in dem Auseinanderfallen der sozialen und genetischen Vaterschaft. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Novellierung des Kindschaftsrechtsreformgesetzes zwar die Frage diskutiert (vgl. Bundestags-Drs. 13/4899, S. 146, S. 166 sowie Bundesrats-Drs. 710/1/97), ob durch einen Ausschluss des Anfechtungsrechtes dieses Problem gelöst werden könne, eine gesetzliche Regelung jedoch nicht getroffen, da die Gesamtproblematik der heterologen Insemination nach Auffassung des Gesetzgebers nicht einer isolierten Teilregelung zugeführt werden sollte, sondern in einem gesonderten Gesetz insgesamt zu regeln sei.“

Im Oktober 2003 erhielt Rene Röspel, Vorsitzender der Enquete Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ eine Bitte von Betroffenen um Herbeiführung eines Fortpflanzungsmedizingesetzes mit verbesserten Bedingungen für Kinderwunschpaare. Insbesondere ging es in dem Schreiben um Herbeiführung einer gesetzlichen Regelung für Paare, die eine heterologe Befruchtung durchführen lassen, und deren Kinder.
Mit seinem Antwortschreiben beweist Herr Röspel, dass die Situation bereits im Jahr 2001 richtig erkannt wurde:

„Mir ist bekannt, dass es im Bereich der heterologen Spermaspende Regelungsbedarf gibt. Dies hat auch das vom BMG im Jahr 2001 initiierte Symposium zur Fortpflanzungsmedizin ergeben. In erster Linie betrifft dies den Widerspruch zum Anspruch der Kinder auf Kenntnis ihrer Abstammung und der Praxis, die Spenderdaten nach zehn Jahren vernichten. Es gibt meines Wissens keine Dokumentationspflicht nach diesem Zeitraum. Dieser Aspekt wäre meines Erachtens nach regelungsbedürftig.“

„Die Enquete Kommission hat sich in der letzten Legislaturperiode ausführlich zum Thema Fortpflanzungsmedizin geäußert. In der jetzigen Sitzungsplanung ist beschlossen worden das Thema dann wieder aufzunehmen, sollte es auch auf der Agenda des Gesetzgebers stehen.“ …

Im Januar 2002 erhielt ich diese Antwort auf meine Petition, die auf die Abschaffung der Ungleichbehandlung von homologen und heterologen Befruchtungen, sowie auf Änderungen im Embryonenschutzgesetz gerichtet war:

„ ... Aus der Begründung des Gesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Beschränkung des Leistungsanspruchs auf Ehepaare und deren Erbgut als durch die Pflicht des Staates zur Förderung der Ehe und Familie aus Art. 6 Grundgesetz gerechtfertigt angesehen hat. Diese Beschränkung wurde bereits höchstrichterlich bestätigt. Der Ausschuss erkennt diese besondere grundgesetzliche Verpflichtung an und hält die bestehenden Regelungen derzeit nicht für änderungsbedürftig.
Die Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Biomedizin erfordern schwierige ethische Entscheidungen. Der Bundestag hat die Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ eingesetzt. Sie ist der Ort, einen fraktionsübergreifenden Diskussionsprozess in der Fortpflanzungsmedizin zu führen, an dessen Ende sich herausstellen wird, ob neue gesetzliche Regelungen erforderlich sind. Auch wurde ein nationaler Ethik-Rat berufen. Dieser wird ebenfalls einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion leisten. Die Diskussion über Fragen der Fortpflanzungs- und Biomedizin muss offen sein und sollte nicht unter Zeitdruck erfolgen. Der Ausschuss wird diesbezüglich daher keine Stellungnahme abgeben.“

Mit Schreiben vom 10. Januar 2002 erhielt die Enquete Kommission meine Bitte, sich für die Kostenübernahme bei heterologen Befruchtungen einzusetzen. Der Brief wurde am 22. Februar 2002 von Herrn Dr. Wodarg so beantwortet:

„Die heterologe Insemination wirft allerdings rechtliche, soziale und psychologische Fragen auf, die über diejenigen bei einer standardmäßigen IVF hinausgehen und die noch nicht abschließend geklärt sind.“

„Die genannten Bedenken sind auch der Grund, warum die zuständigen Stellen sich gegen die Finanzierung der heterologen Insemination durch die Kassen entschieden haben.“

Darauf fragte ich Herrn Dr. Wodarg in meinem Antwortschreiben: „Wann werden diese Fragen abschließend geklärt sein? Welche Fragen betrifft das aus Ihrer Sicht und welche Maßnahmen sollen eingeleitet werden, um speziell die rechtliche Position zu verbessern? Können wir betroffenen Kinderwunschpaare an der Definition und Klärung dieser Fragen teilnehmen und in welcher Form?“
Immer, wenn die Argumente ausgehen, pflegen Politiker nicht mehr zu antworten. So auch in diesem Fall.

Der Antrag des Abgeordneten Herbert Moser u.a. (SPD) beim Landtag von Baden-Württemberg (Drucksache 13/1223) vom 23.07.2002 zum Thema „Ungleichbehandlung Verheirateter und Unverheirateter bei künstlichen Befruchtungen (IVF)“ zeigt, dass es durchaus kritische und auf positive Veränderungen ausgerichtete Stimmen gibt. Hier heißt es u.a.:

„Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten

1. ob es zutrifft, dass Verheiratete und Unverheiratete, die ihren Kinderwunsch durch künstliche Befruchtung erfüllen möchten, ideell wie finanziell eklatant ungleich behandelt werden, worin diese Ungleichbehandlung besteht und welche Rechtsgrundlagen dieser Ungleichbehandlung zugrunde liegen.“
….
„4. welche Kosten bei einer künstlichen Befruchtung entstehen, und wer die Kosten bei Verheirateten und Unverheirateten jeweils trägt.“

Da als Unverheiratete in dem Sinne auch verheiratete Paare gelten, die eine heterologe Befruchtung anstreben, gilt diese Anfrage auch für diese Gruppe. Der Antrag wurde abschließend für erledigt erklärt, da es hier auf Landesebene keine Gesetzgebungsbefugnis gab.

Ende Oktober 2003 hielt die Justizministerin Zypries eine Rede, in deren letztem Teil sie „Vom Recht des Kindes auf Wissen seiner Herkunft“ sprach. Hier die wichtigsten Auszüge dieser Rede, die sich gegen die Anonymität von Samenspenden, aber nicht gegen diese selbst, richtet:

„Natürlich ist zunächst niemandem die Verwirklichung eines Kinderwunsches abzusprechen. Dieser Wunsch ist Ausdruck der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Die allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG schützt die Freiheit der fortpflanzungswilligen Frau, sich auf jede tatsächlich mögliche Weise fortzupflanzen.“
….
„Besonders brisant ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob dieser „dritte Mann“ auch anonym bleiben darf - mit der Folge, dass das Kind seinen biologischen Vater niemals wird identifizieren können.“
….
„Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem grundlegenden Urteil aus 1989 herausgestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung umfasst.“
….
„Wie lässt sich nun die Schutzpflicht für das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung mit der Handlungsfreiheit der fortpflanzungswilligen Frau und des potentiellen Samenspenders sowie der Berufsfreiheit möglicher Betreiber von „Internet-Samenbanken“ und von Ärzten in Einklang bringen?
Meines Erachtens führt eine Abwägung der betroffenen Grundrechte zu der Verpflichtung des Staates, die Zeugung von Kindern mittels anonymer Samenspenden möglichst zu unterbinden.“

Anschließend führt die Ministerin Lösungsmöglichkeiten an.
Leider blieb es auch hier bei dem bloßen Hinweis auf das Problem. In dem Antwortschreiben des Justizministerium vom 08. Dezember 2003 hieß es u.a.:
„Vor der Entscheidung über eine gesetzliche Neuregelung in diesem Bereich einschließlich der Problematik der heterologen Insemination sollte nach Auffassung der Bundesregierung die Debatte im Bundestag intensiv geführt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Diskussionsprozess interdisziplinär und fraktionsübergreifend erfolgt und angesichts der grundlegenden Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für verschiedene Grundrechtspositionen der Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, eine sorgfältige und eingehende Diskussion unter Einbeziehung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ geboten ist. Die Bundesregierung will den Ergebnissen dieser Diskussion nicht vorgreifen.“


Wir schreiben das Jahr 2005. Zwischenzeitlich ist weder beim Justizministerium, noch bei der Bundesregierung noch bei irgendeiner Partei noch bei der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ irgendein weiteres Wort zum Thema verloren worden!
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Die Geschichte des FMG reicht noch weiter zurück, wie ich der Begründung zum ?Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Embryonen (ESchGÄndG)? der DGGG entnehmen konnte:

?Nach dem vorbereitenden Benda-Bericht (1985) erarbeitete eine Bund-Länder Arbeitsgruppe ?Fortpflanzungsmedizin? 1986 - 1988 ein solches gesetzgeberisches Gesamtkonzept. Da der Bund damals noch nicht über eine ausreichende Gesetzgebungskompetenz hierfür verfügte, legte die Arbeitsgruppe zwei Entwürfe eines FMG vor: einen für ein strafrechtliches Gesetz des Bundes und einen für Ländergesetze. Das dann 1990 verabschiedete Bundesgesetz nannte sich zwar ?Embryonenschutzgesetz?, war der Sache nach aber im wesentlichen (§§ 1 - 4 und 8 - 10) ein (strafrechtlich ausgerichtetes) FMG. Als solches zeigt es jedoch wesentliche Lücken; vor allem fehlen der Komplex der Samenspende, die Berücksichtigung der bereits damals bekannten PID und eine Regelung des Schicksals sogenannter überzähliger Embryonen. Auch nachdem der Bund Ende 1994 endlich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur ?künstlichen Befruchtung beim Menschen? (Art. 74 Abs. 1 Nr. 26GG) erhalten hatte, kam es - obwohl es bereits seit 1988/89 ausghearbeitete Entwürfe des zuständigen Fachressorts gab - bis heute nicht zur Vorlage des Gesetzentwurfs für eine Gesamtregelung. Trotz wiederholter Vorschläge wissenschaftlicher Fachgesellschaften für ein FMG wie vor allem der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) im Jahr 2001 hat sich daran nichts geändert.?
Liebe Grüße, Rebella
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