Dr. Stoll hat geschrieben:Eine generelle Altersursache ist eher unwahrscheinlich, wenn auch mit dem Alter die Häufigkeit von FG steigt. Zur Weiteren Abklärung folgende Informationen:
HABITUELLE ABORTNEIGUNG – ÜBERSICHT
1. Genetische Faktoren
2. Fehlbildungen und Unregelmäßigkeiten der Gebärmutter
3. Thrombophilie bzw. Gerinnungsstörungen
4. Alloimmunität oder «Partnerähnlichkeitsreaktion»
5. Autoimmunantikörper
6. Erhöhung des Homocysteins im Blut (MTHFR-Mutation)
7. Infektion
8. Hormonstörungen
9. Umweltfaktoren
10. psychische Faktoren
Altersrisiko
Die naturwissenschaftlichen Erklärungen für das häufige Auftreten von Fehlgeburten sind zwar sachlich richtig, für Paare, die sich Kinder wünschen und ihre Schwangerschaft planen, aber kein Trost. Sie fühlen sich vom Schicksal benachteiligt und suchen nach Gründen, die sie kontrollieren oder zumindest verstehen können, um bei einer nächsten Schwangerschaft mit dem möglichen Verlust vielleicht besser umgehen zu können.
Habituelle Abortneigung – Übersicht
Fehlgeburten sind leider häufiger als allgemein gedacht: ungefähr 15% aller Schwangerschaften enden als Fehlgeburt, meist schon sehr früh in der Schwangerschaft, die magischen 12 Wochen... Sozusagen die Hälfte der frühen Fehlgeburten sind nicht korrekt angelegte Schwangerschafen, nicht richtig eingenistet, geteilt, etc (z.B. “Windei”) oder Chromosomenstörungen im Erbgut des Ungeborenen, die beim Teilen der Zellen sehr häufig und rein zufällig vorkommen können. Die Vielzahl der Zellen macht solche Teilungsfehler sehr wahrscheinlich. Bei der Erbgutanalyse nach einem Frühabort findet man z.B. häufig drei anstelle von zwei Chromosomen (Trisomie). Solche Fehlgeburten sind leider als schicksalhaft zu bezeichnen und sind nicht therapierbar – es ist einfach Pech und wird höchst wahrscheinlich bei der nächsten Schwangerschaft nicht wieder passieren. So liegt auch das Wiederholungsrisiko für eine Fehlgeburt nach einer oder zwei Fehlgeburten nicht deutlich über dem “Basisrisiko” von 15%.
Allerdings steigt das Risiko einer FG gleich auf 40–60% an, wenn ein Paar oder die Frau bereits 3 oder mehr FG erlitten hat! Hier heißt es, die wirklichen Ursachen zu finden, mit “Pech” oder Schicksal ist das nicht mehr erklärlich.
Frühe Fehlgeburten können zahlreiche Ursachen haben:
1. Genetische Faktoren
Chromosomenanalysen der Lymphozyten beider Partner ergeben bei ungefähr 3 – 5% Auffälligkeiten, die für Fehlgeburten verantwortlich sein können. Bei der genetischen Untersuchung findet man am Häufigsten eine balancierte Translokation. Diese genetischen «Auffälligkeiten» haben für die Partner an sich oft keinerlei Auswirkung, erst bei einem entstehenden Embryo kann diese Translokation zum Tragen kommen. Man kann davon ausgehen, daß beim Menschen die Fehlgeburt der „natürliche“ Selektionsmechanismus für Embryos mit Chromosom-Schäden ist: Ca. 20 – 40% der Embryonen, die man vor dem Transfer bei einer IVF/ICSI untersucht hat, haben Chromosomenanomalien, aber nur 0,4% der Neugeborenen.
2. Fehlbildungen der Gebärmutter
Ein Uterusseptum (Teilungshaut in der Gebärmutter), Myome in der GM-Höhle, Verwachsungen, Polypen, Endometrioseherde in der GM-Schleimhaut und ähnliches können zu Problemen bei der Einnistung oder im Wachstum des Embryos führen.
Diese Störungen kann man meist im Ultraschall sehen und im Rahmen einer Gebärmutterspiegelung oder Bauchspiegelung entfernen. Nicht jedoch die Endometrioseherde IN der GM-Schleimhaut. Diese werden ggf. durch eine Wechseljahrestherapie (lange Downregulierung) eingetrocknet.
Die Zervixinsuffizienz, eine Schwäche des Gebärmuttermundes, kann zu Fehlgeburten nach der 16.SSW führen. Hier kann versucht werden, den Muttermund mit Hilfe einer Cerclage vorbeugend zu verschließen.
3. Gerinnungsstörungen (sog. Thrombophilien)
Während jeder Schwangerschaft neigt das Blut der Schwangeren leichter zu gerinnen, wie auch bei “Pillen”-Einnahme oder Hormonsubstitution in den Wechseljahren. Wenn bei der Mutter zusätzlich eine Gerinnungsstörung, das heißt eine Neigung zu Thrombosen vorliegt, kann die leichte Durchblutungsstörung der Plazenta (anfangs der GM-Schleimhaut) dazu führen, dass das Kind (der Embryo) nicht ausreichend mit Nährstoffen aus dem Blut der Mutter versorgt wird. Für die Ausbildung von so genannten „Mikrothrombosen“ um die Frucht werden Störungen des Faktors V und II, des Proteins S und C sowie des Antithrombins III verantwortlich gemacht. Siehe hierzu das Kapitel «Gerinnungsstörungen” im Wiki!
Je nach Ausprägung wird versucht, die hohe Gerinnungsneigung mit Hilfe von Heparin und Aspirin zu normalisieren.
4. Immunität oder auch «Partnerähnlichkeitsreaktion»
Wenn der menschliche Organismus mit körperfremden Stoffen, wie z.B. Bakterien oder Viren in Verbindung kommt, bildet er zum eigenen Schutz Antikörper, die die vermeintlichen Eindringlinge beseitigen sollen. Das ist in diesem Falle auch sinnvoll. Diese Antikörperbildung wird eigentlich auch erwartet, wenn sich der weibliche Körper mit dem Embryo auseinandersetzt. Grund hierfür ist, dass der Embryo neben den mütterlichen Genen auch die Gene des Vaters trägt, die dem Immunsystem der Mutter fremd sind. Der Körper sollte erkennen: da ist was Fremdes, ein Eindringling. Den muss ich bekämpfen. Deshalb wird auch dabei von einer Antikörperbildung ausgegangen. Im Gegensatz zu einer Infektion, wird jedoch bei einer Schwangerschaft angenommen, dass die Antikörperbildung zu einer schützenden Immunreaktion führt. Das hört sich paradox an, ist aber so: eine schützende Immunreaktion macht das Überleben des Embryos erst möglich.
Wenn man Zellen von Paaren mit habitueller Abortneigung untersucht, fällt auf, dass die Oberflächenmarker der mütterlichen und väterlichen Zellen zu einem Teil ähnlich sind (HLA-sharing). Der mütterliche Körper erkennt also die väterlichen Anteile des Embryos nicht gut genug als Fremd... deshalb bleibt die Antikörperbildung im mütterlichen Körper gegen die embryonalen Zellen aus, wodurch das Risiko einer Fehlgeburt erhöht werden kann.
Als möglicher therapeutischer Ansatz kann man versuchen, die Ausbildung von Antikörpern gegen väterliche Gene im weiblichen Organismus zu provozieren, indem man der Frau gefilterte Lymphozyten des Partners unter die Haut spritzt (aktive Immunisierung, in Stuttgart und Kiel sowie früher auch in Dresden erfolgt). Wichtig ist natürlich dabei, dass der Partner an keiner Infektionskrankheit leidet – die hätte die Mutter danach nämlich auch! Auch die Infusion von Antikörperpräparaten kann versucht werden (passive Immunisierung mit z. B. Leukonorm). Hierbei wird ein Leukozytenfiltrat i.m. gespritzt. Es ruft die gleiche Wirkung hervor wie die aktive Immunisierung, allerdings ist es sehr viel reiner als das Filtrat des Partners. Dafür ist es aber auch teurer...
Noch etwas Theorie-Futter für Immu-Freaks
Die ungestört verlaufende Schwangerschaft ist das Ergebnis einer aktiven immunologischen Auseinandersetzung zwischen der Mutter und dem sich entwickelnden Feten. Bei ungestörtem Schwangerschaftsverlauf ist das Gleichgewicht zwischen TH1- und TH2-Immunantwort zu Gunsten
der Th2-Immunantwort verschoben, was durch eine vermehrte Sekretion der TH2- Zytokine wie z.B. IL-4, -5, -6, -10 und TFG-Beta dokumentiert werden kann. Die Sekretion abortiver TH1-Zytokine wie IL-2, TNF-alpha und -beta und Interferongamma wird hingegen unterdrückt. Bei gestörtem Schwangerschaftsverlauf, wie z.B. habituellen Aborten, ist das immunologische Gleichgewicht zu Gunsten einer
TH1-Immunantwort verschoben, was sich u.a. in einer gesteigerten NKZellaktivität bei habituell abortierenden Frauen dokumentieren läßt. Obwohl in einer Reihe von Studien ein Zusammenhang zwischen immunologischen Parametern wie NK-Zell-Aktivität, Anteil CD-56 positiver Zellen, lymphozytotoxischen Antikörpern und anderen Parametern gefunden wurde, steht derzeit noch keine valides Verfahren zur Verfügung, mit dem die Diagnose „Immunologisch bedingter Abort“ eindeutig gestellt werden kann. Diese Diagnose ist somit nur durch Ausschluß anderer Abortursachen möglich.
5. Autoimmunantikörper
Wie bereits oben erwähnt, bildet der menschliche Organismus gegen Eindringlinge Antikörper, z. B. bei Infekten oder bei einem schmutzigen Splitter im Finger. Jeder Mensch hat aber auch zu einem gewissen Anteil Antikörper, die gegen körpereigene Strukturen gerichtet sind. Als Ursache für habituelle Aborte ist eine Erhöhung dieser Antikörper bekannt. Diese Antikörper sollte man durch eine Blutuntersuchung feststellen lassen. Die ausführlichsten Blutuntersuchungen werden diesbezüglich in Stuttgart, bei Berlin und in Kiel gemacht. Kiel dabei nur Immunologie, Gerinnungswerte können aber auch Kliniklabors ermitteln. Insbesondere das so genannte Lupusantikoagulans sowie die Antiphospholipid-Antikörper (Gerinnungsparameter) und deren Untergruppe, die Anticardiolipin-Antikörper, gelten als mögliche Verursacher. Diese Antikörper sind gegen die Blutplättchen, die Thrombozyten, und gegen die Innenhaut der Blutgefäße gerichtet. Es kommt zu einer Verengung der Gefäße und zu einer Ausbildung von kleinen Blutgerinnseln, Mikrothrombosen in der Gebärmutter (die die Durchblutung und damit die Ernährung des Embryos/Kindes erschweren), die zu einer Unterversorgung und Absterben der Frucht führen können.
Auch hier wird versucht, die Gerinnungsfähigkeit des Blutes mit Hilfe von Heparin oder Aspirin zu reduzieren.
6. Erhöhung des Homocysteins im Blut (MTHFR-Mutation)
Eine Erhöhung des Homocysteinspiegels im Blut ist meist auf eine Veränderung im „Methylen-Tetrahydrofolsäure-Reduktase-Gen“ zurückzuführen. Diese führt zu einem Mangel an Folsäure, da die MTHFR-Mutation den Folsäure-Stoffwechsel erheblich stört – nur ein Bruchteil der aufgenommen Folsäure wird überhaupt für den Körper verwendbar gemacht – welcher neben Fehlbildungen (Neuralrohrdefekte wie offenre Rücken, Anenzephalien) auch für Fehlgeburten verantwortlich gemacht wird. Zudem werden durch eine Erhöhung des Homocysteins im Blut die Gefäßinnenwände verletzt, die darauf wieder mit einer Verengung und einer Thromboseneigung in der Gebärmutter reagieren. Es kann wieder zu einer Unterversorgung und zum Absterben der Frucht kommen. Da es sich um eine lebenslange Störung handelt, ist zu überlegen, dass auch Herzinfarkt, Schlaganfall oder Embolien häufiger auftreten und eine lebenslange Behandlung (Folsäure einnehmen) sinnvoll ist!! Es empfiehlt sich die vorsorgliche Gabe von Folsäure in höherer Dosierung (5 mg / Tag) als in der normalen Schwangerschaft sowie die Gabe von Vitamin B6 und Vitamin B12. Vor allem bei einer Kinderwunschbehandlung ist rechtzeitig die Einnahme von hochdosierter Folsäure zu empfehlen, nämlich VOR der Schwangerschaft.
7. Infektion
Bakterielle Infektionen der Mutter können eine FG hervorrufen, allerdings sind die Aussagen hierzu recht unterschiedlich. Infektionen spielen aber eine Große Rolle bei späteren Fehlgeburten. Hier können zur Abklärung Muttermundsabstriche entnommen und eine vorsorgliche Therapie eingeleitet werden. Wichtig: Infektionen in der Schwangerschaft von Anfang an vermeiden! Und vor allem: mögliche Infektionen rechtzeitig erkennen mit PH-Testhandschuhen – man testet den PH-Wert der Scheide, der im allgemeinen erhöht ist bei Infektionen!
8. Hormonstörungen
Fehlfunktion der Schilddrüse, der Hypophyse und der Eierstöcke führen zu Hormonstörungen, die zu Fehlgeburten führen können.
Auch eine ungenügend eingestellte Zuckererkrankung (Diabetes mellitus) kann eine Fehlgeburt hervorrufen!
Bei übergewichtigen Frauen empfiehlt sich eine Untersuchung, ob ein latenter Diabetes vorliegt (eine sog. “Insulinresistenz”). Durchgeführt wird dies mit Hilfe der Zuckerbelastungstests (oralen Glucosetoleranztest). Ggf. wird anschließend mit einem banalen Zuckermittel (z. B. Metformin) behandelt.
9. Genussgifte

Nein, Schokolade nicht....
Nikotinkonsum und Alkohol werden mit einem erhöhten Fehlgeburtsrisiko in Verbindung gebracht. Eine direkte Beziehung zu „normalem“ Kaffeekonsum gibt es wahrscheinlich nicht. Wenn eine Belastung durch Chemikalien z.B. am Arbeitsplatz besteht, musste diese im Einzelfall geklärt werden. Das Arbeiten an “belasteten” Arbeitsplätzen ist gesetzmäßig während der Schwangerschaft durch die Mutterschutzgesetze verboten!
10. psychische Faktoren
Ein einfühlsamer Arzt/Kiwu-Arzt wirkt wahre Wunder!
Aufgrund der außergewöhnlichen seelischen Belastung, die insbesondere von mehreren Fehlgeburten ausgehen, ist eine engmaschige, einfühlsame und persönliche Betreuung der Paare in der kommenden Schwangerschaft wichtig. Dabei empfiehlt sich im Vorfeld einer erneuten Schwangerschaft ein psychotherapeutisches Beratungsgespräch, in dem insbesondere auf diese Ängste und Sorgen der Paare eingegangen wird.
Das Altersrisiko...............................
«Darüber hinaus ist das Risiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, abhängig vom Alter der Schwangeren». Tja, viele von uns wären ja gerne schon eher schwanger geworden, und mit einem Mal ist man dann alt darüber geworden... Das sprunghafte Ansteigen mit dem 40. Lebensjahr ist auf das „genetische Altersrisiko» zurückzuführen. Da mit dem Alter der Frau auch das Risiko von Chromosomenfehlverteilungen steigt, kommt es nicht nur zu einem häufigeren Auftreten von Trisomien bei den Neugeborenen, sondern auch zu mehr Fehlgeburten aufgrund von spontanen Chromosomenanomalien (Pech-Faktor). Die landläufige Begründung ist dann: Die Eizellen sind so alt wie sie... die sind nicht mehr ok. Aber Achtung: man kann auch über 40 noch gesund schwanger werden und gesunde Kinder bekommen – wenn man schon mal die anderen Faktoren wie Gerinnungsstörungen, Immunitäts-Problem und ähnliches beseitigt!
Generell sollte man bei einer Fehlgeburt, so es möglich ist, Zellen des Kindes zur Untersuchung geben. So lassen sich viele Ursachen erkennen.
MFG
Dr. Stoll