du hast den Text sehr systematisch auseinander genommen und hast mit deiner Kritik recht.
Als "Jammerlappen" würde ich das Paar aber nun wirklich nicht bezeichnen, und ich habe auch durchaus Verständnis für die Kritik, die seitens des Paares an der Art, wie reproduktionsmedizinische Behandlungen durchgeführt werden, geübt wird.
Wie sehr z.B. eine Frau von der hormonellen Stimulierung belastet wird, ist sehr unterschiedlich, wie ich aus Erfahrungsberichten in meiner Selbsthilfegruppe weiß. Es ist also schon nötig, dass man die Paare auf mögliche psychische Zusatzbelastungen, die zusätzlich zu der möglichen Enttäuschung dazu kommen, vorbereitet.
Auch befremdlicher Umgang von Reproduktionsmedizinern mit ihren Patienten ist wirklich nicht selten - da könnte ich aus eigener Erfahrung wie auch wieder aus meiner SHG berichten. Freilich ist das wohl generell ein Problem in der Ärzteschaft, dass in der Berufsausbildung die psychologische Seite ihrer Arbeit wenig berücksichtigt wird und viele Ärzte sich mehr als "Techniker" verstehen. In der Reproduktionsmedizin kann das natürlich besonders heikel werden, denn da haben es die Ärzte immer auch mit starken Gefühlen zu tun.
Von daher ist das Interview auch nicht völlig verfehlt in seiner Darstellung, aber das Gesamtbild ist einseitig. Es ist sicher richtig, auch die Belastungen zu thematisieren, die mit reproduktionsmedizinischen Behandlungen einhergehen. Wenn sich dann ein Paar entscheidet, von vornherein oder nach erfolglosen Versuchen darauf zu verzichten und lieber eine Pflegeeltern werden zu wollen, ist das völlig in Ordnung. Aber das sollte nicht als die allgemeingültige Lösung des Problems der ungewollten Kinderlosigkeit dargestellt werden.

wünscht
B.