Hallo Klarabin,
danke auch Dir für Deine Mail!
Bei unserem Sohn muss ich in der Tat etwas weiter ausholen, um zu beschreiben wie er zu uns kam und wie er " zu unserer Familie gehört"

.
Vorab, meinem Mann und mir war schon vor unseren beiden Kindern klar, dass wir nicht nur leibliche Kinder wollten ( da war uns von unserem Dilemma um dieses Thema noch nichts bekannt

), sondern unser Traumwunsch war es, zwei leibliche Kinder zu bekommen und zwei Kindern zu uns zu nehmen. Viele finden dies zwar verrückt, aber bei uns beiden und unserer Lebensplanung und Einstellung passten diese Vorstellungen wenigstens perfekt zusammen; nicht gesucht, aber doch gefunden.

Unsere Tochter war zwei Monate nachdem wir uns zur Familienplanung entschlossen unterwegs, ich denke jetzt wird verständlich was ich mit "kleinem Wunder" meinte, angesichts des aktuellen Standes.
Als unsere Tochter 3 Jahre alt war, entschlossen wir uns ein Kind zu adoptieren, wie naiv, denn als wir bei unserem städtischen Jugendamt aufliefen zeigte uns die wirklich sehr nette Sozialarbeiterin ihren Aktenschrank mit zig Bewerbern. Bei ca. 1-3 Adoptionsvermittlungen pro Jahr in unserer Stadt, auf die ca. 500 Bewerber kommen, waren unsere Chancen derart aussichtslos, dass sie uns null Hoffnungen machen konnte. Zumal wir mit einem eigenen leiblichen Kind ja sowieso hinter allen anderen kinderlosen Paaren standen.
Die nette Dame brachte uns allerdings zur Thematik des Pflegekinderwesens und gab uns drei Adressen. Wir versuchten, sehr spontan einen Informationstermin bei all diesen drei Stellen zu bekommen, was und doch tatsächlich nur bei der zuständigen Sozialarbeiterin unseres Jugendamtes ( PKD, Pflegekinderdienst ) gelang, wir hätten ja eher gedacht, dass konfessionelle oder freie Träger da spontaner und flexibler gewesen wären.
Der erste Gesprächstermin mit dieser Dame war sehr OK und sie bot uns auch sehr seriös ersteinmal an, uns die anderen Vermittlungsstellen vielleicht doch einmal anzuschauen. Wir sind aber so Leute, die wenn sie sich einmal gut aufgehoben fühlen, nicht noch Vergleichsangebote einholen müssen und so blieben wir beim örtlichen Jugendamt.
Jetzt begann die Vorbereitungsphase, zu der diverse Bereiche zählen, ( absolut vergleichbar mit den Anforderungen an Adoptionsbewerber ) wie z.B. :
- mehrere Aufklärungs- und Informationsgespräche ( am liebsten natürlich mit beiden Partnern, aber da dies ja nun nicht immer möglich ist, bin ich auch häufiger alleine dorthin )
- ärztliche Untersuchung, beim eigenen Hausarzt
- Einholung des polizeilichen Führungszeugnisses
- 2 Wochendvorbereitungsseminare vom Jugendamt, mit einem Psychologen, Rollenspielen etc. Mein Mann war begeistert

- als erstes habe ich noch vergessen, schriftliche Bewerbung mit Lebenslauf, dieser nicht tabellarisch ( ich hatte irgendwie zig Seiten geschrieben und dann noch ein paar Familienphotos von uns draufgeklebt, denn Photos gehören doch zu einer Bewerbung

Ich glaube, so Knallis wie uns hatten die selten
Wir hatten diese Vorbereitungen zeitlich sehr forciert, uns eng aneinander liegende Termine geben lassen etc. Das ging alles recht fix. Zumal ich in diesem Bereich fast "vom Fach" bin, da ich Erziehungswissenschaften studiert habe, Diplom-Pädagogin bin, und uns die Sozialarbeiterin so gesehen keine absoluten Neuigkeiten über vernachlässigte und mißhandelte Kinder erzählen mußte, es handelte sich oftmals um Diskussionsgespräche. Wir haben ganz klar gemacht, dass für uns einzig und alleine nur ein Kind in Frage kommt, das auch bei uns bleiben wird, da wir diesen Schritt ganz klar als Familienerweiterung sehen und nicht als eine Art Job oder so. Eine Garantie darauf hat man rechtlich gesehen allerdings nicht, man ist als Pflegefamilie "nur Hilfe zur Erziehung", eingesetzt vom Jugendamt etc. Auf der sichereren Seite steht man erst, wenn es aus emotionaler Hinsicht nicht mehr möglich ist, ein Kind aus der Pflegefamilie herauszunehmen, ohne dass es großen Schaden, mehr als es ohnehin schon der Fall war, erleiden würde, weil die Pflegeeltern Mama und Papa für das Kind geworden sind. Der Schritt der Inpflegenahme, auch wenn es sich um eine sogenannte Dauerpflege handelt, ist immer mit einem Restrisiko verbunden, vor allem in der ersten Zeit, dessen muss man sich bewusst sein.
- Junge oder Mädchen war uns egal, es musste auch kein Säugling sein, aber vor allem ein gesundes Kind, das auch noch Bindungen zu uns aufbauen konnte, also nicht zuu alt.
Wir hatten so ein Glück, das ist echt unglaublich. Insgesamt betrug unsere Vorbereitungs- incl. Wartezeit 5 Monate ( alleine die durchschnittliche Wartezeit liegt bei ca. einem Jahr ). Dann kam unser Sohn mit 1,5 Jahren zu uns. Es war Liebe auf den ersten Blick. Wir vergleichen diesen Prozess immer gerne mit einer Patnerwahl, entweder der Funke, das Gefühl springt oder man kann es zumeist nicht mehr nachträglich aktivieren wollen.
Das Gefühl "das ist unser Kind, das wir bedingungslos lieben" war sofort da. Dazu muss ich sagen, dass wir wahrscheinlich ein ganz, ganz seltener Fall im Pflegekinderwesen sind. Wir haben keine Besuchskontakte zu der leiblichen Mutter mehr ( es gab anfangs einen Kontakt, was ja auch monatlich in der Regel üblich ist , auf den unser Sohn so extrem über Wochen reagierte, so dass wir uns sehr dagegen eingesetzt haben, was nicht ganz so einfach war, denn die Rechte der leiblichen Eltern sind, und das ist ja generell auch richtig so, so extrem unumstößlich, dass wirklich schon sehr Schlimmes in den Familien vorgefallen sein muß, damit diese Rechte eingegrenzt werden können. Zum Wohl unseres Sohnes haben wir dieses mit dem Jugendamt gütlich erwirkt und geregelt. Wir arbeiten jetzt sogar mit dem Sozialarbeiter der leiblichen Mutter an einer Adoptionsfreigabe, die in unserem speziellen Fall einfach nur Sinn macht. Es ist von Behördenseite klar, dass die leibliche Mutter ihre Kinder nie mehr wiederbekommen wird, in unserem Fall ist klar, dass sie auch unseren Sohn nicht mehr sehen wird ( später wenn er größer ist und das möchte, keine Frage ; er weiß auch dass er nicht in meinem Bauch war etc. alles sehr transparent und liebevoll altersgemäß vermittelt ) und vor allem, er hatte nie eine Bindung zur leiblichen Mutter, umgekehrt wohl auch nicht, und wir sind zu seinen "faktischen, emotionalen Eltern" geworden. Wir sind seine Mama und sein Papa. Das ist es was für uns zählt und wichtig ist.
Aber abgesehen davon wäre die Adoption unser größter Wunsch, wir arbeiten daran und die Voraussetzungen sind einfach gut. Optimistisch sein.

Für mich ist der Kleine unser Sohn mit einer ganz spezifischen Geschichte und deshalb ist er für mich/uns auch zu keiner Zeit eine Art Pflegekind gewesen ( außer rechtlich, behördlich etc. natürlich ), er ist Teil unserer Familie und alleine der Begriff Pflegekind räumt mir schon den Magen um, berührt mich einfach nur negativ ( wer zahlt schon mit Freude seine Pflegeversicherungsbeiträge, wer will gerne ein Pflegefall sein und alles muss schön pflegeleicht sein - gräßlich!! ).
Hach, ich glaube jetzt habe ich Dir schon mehr geschrieben als Du - bzw. Ihr - wissen wolltest/wolltet. Sorry!
Ich melde mich nach Montag mal, auch Dir ein schönes Wochenende und
liebe Grüße,
Tanja