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Laulau69
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Beitrag von Laulau69 »

rebella: ich bin zwar nicht gefragt worden, schreib aber auch was.
moralische bedenken hatte ich auch nicht. aber ich hätte nie gedacht, dass ich mal so ausdauernd sein kann. vor vier jahren war das alles hier soooooo meilenwert von meinem leben entfernt, dass ich gar nicht darüber nachdachte, wie lange, wie oft und in welchem ausmaß .
ich weiß aber, dass andere moralische bedenken haben (auch einer KB gegenüber) und ich frage mich die ganze zeit, wie ich vorbehalte wohl entkräften könnte.
nach 4 IVF, 7 EMS, 3 SS und 3 FG
gehen wir einen anderen Weg:
Wir sind Pflegeeltern


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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

hallo rebella und laulau,

also moralische bedenken treffen es vielleicht nicht so ganz. wir empfanden die KB eher als extrem unnatürlich und der gedanke daran war uns völlig fremd. ich hate auch sorgen, ob ich ein kind lieben kann, von dem ich weiss, dass es so entstanden ist.
das war jedoch immer eine persönliche bewertung, ich hätte für die entscheidung für die kb auch am anfang keinen anderen verurteilt (im gegensatz zu anderen dingen, die ich tatsächlich allgemein unethisch finde wie den verkauf von rüstungsgütern meinetwegen).

was ich halt schon bedenkenswert fand, war, dass wir ganz am anfang unseres kinderwunsches mal darüber sprachen, was wir machen, wenn es nicht klappt. da waren wir beide der ansicht, dass wir es dann dabei belassen werden. und mit den misserfolgen erweiterten sich unsere vereinbarten grenzen stetig. wir haben in dem zusammenhang viel über die definition dessen, was wir als 'natürlich' empfinden nachgedacht.

laulau hat es schön auf den punkt gebracht, find ich:
ich bin inzwischen sehr vorsichtig mit sätzen wie "würde ich nie machen". andere situationen bewirken auch ein anderes denken.
An welche Prinzipien, die du nicht über Bord werfen würdest, denkst du Mondschaf?
hmm, das hat eigentlich überhaupt nichts mit dem thema hier zu tun. vor allem möchte ich nicht den eindruck erwecken, dass ich KB und die anderen prinzipien, die ich nun auf keinen fall über bord werfen möchte, auch in besonderen notlagen nicht, inhaltlich in irgendeiner hinsicht miteinander vergleiche!!!

es gibt da im gegensatz große unterschiede für mich. weil sich prinzipien, die ich auf gar keinen fall aufgeben möchte, auf handlungen beziehen, durch die ich anderen schade. was bei der KB ja absolut nicht der fall ist. da ist ja nur die frage, ob man selbst diesen weg gehen möchte.

was ich meine ist z.b. einen arbeitsplatz in der rüstungsindustrie annehmen, statt arbeitslos zu sein usw.

ich merke grad, dass das alles sehr pazifistische beispiele sind, was besseres fällt mir gerade nicht ein. :oops: :oops: :oops:

laulau, welche grundsätzlichen moralischen bedenken könnte man denn gegenüebr einer KB haben?

liebe grüße

mondschaf
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Entschuldigung, dass ich dich nicht gefragt habe, Laulau. :-) Ja, so lange es uns nicht betrifft, sind wir meilenweit vom Leid anderer entfernt.

Die moralischen Bedenken unserer Zeitgenossen gegen die assistierte Befruchtung kann man nur in einigen Fällen beseitigen. Je näher uns diese Menschen stehen, desto leichter wird es wohl im Allgemeinen. Darüber reden könnte helfen. Dann kennt man die Vorbehalte und kann Antworten darauf geben. Einige Menschen mit moralischen Bedenken WOLLEN sich aber auch gar nicht von diesen trennen. Das haben wir ja erst bei der Diskussion beim Dialog über Deutschland gesehen.

Es gab irgendwann mal Umfragen dazu. Ist schon lange her und ich finde es nicht mehr. Ich glaube, da ging es vor Jahren schon um die PID. Diese wurde da schon von der Mehrheit der Bevölkerung befürwortet. Nur eben nicht von der Politik. Daraus lässt sich ableiten, dass die weniger invasive assistierte Befruchtung heute - ein paar Jahre später - noch viel mehr Zustimmung in der Bevölkerung haben wird. Es sind nur noch ein paar Unverbesserliche, die moralische Bedenken haben. Diese sind meist religiös behaftet.
Liebe Grüße, Rebella
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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

liebe rebella,

einige bedenken kamen ja auch aus der feministischen ecke (wobei ich es schwer als feminismus bezeichnen kann, wenn meine geschlechtsgenossinen mir meine freie entscheidung für die KB als resultat von unterdrückung etc. uminterpretieren wollen und mich somit für blöd erklären).

ich denke da an die frauen von reprokult.

liebe grüße

mondschaf
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rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Mondschaf hat geschrieben:also moralische bedenken treffen es vielleicht nicht so ganz. wir empfanden die KB eher als extrem unnatürlich und der gedanke daran war uns völlig fremd.

...
was ich halt schon bedenkenswert fand, war, dass wir ganz am anfang unseres kinderwunsches mal darüber sprachen, was wir machen, wenn es nicht klappt. da waren wir beide der ansicht, dass wir es dann dabei belassen werden. und mit den misserfolgen erweiterten sich unsere vereinbarten grenzen stetig. wir haben in dem zusammenhang viel über die definition dessen, was wir als 'natürlich' empfinden nachgedacht.
Danke für diese Erklärung. Du hast das schön beschrieben, dass ihr die Grenzen immer weiter gesetzt habt. Das finde ich im Fall von Kinderwunschbehandlungen völlig normal. Aber ihr hattet doch auch irgendwann eure wirkliche Grenze, an der ihr euch dann für ein Pflegekind entschieden habt. Von daher ging es ja nicht endlos weiter. Die eigenen Grenzen sind da. Man unterschätzt sie nur vorher.

Ich hatte nie die Gelegenheit, eine assistierte Befruchtung als "extrem unnatürlich" zu empfinden. Weil, in dem Moment, in dem ich etwas darüber erfahren habe, saß ich auch schon mittendrin. Ich empfand nur gerade bei den ersten Versuchen diese Einnahme von Hormonen als etwas, was ich eigentlich ablehne. Ich hätte all dieses Zeug nie eingenommen, wenn nicht so viel für mich davon abgehangen hätte. Ich erinnere mich an den Moment, an dem der Doc mir die Funktionsweise von Synarela Nasenspray erklärte. "Da wird dann im Gehirn was abgeschaltet, ..." - Na, danke! Ich hätte unter normalen Umständen nie mein "Gehirn abschalten" lassen. :-) Und ich bekam dann solche Gedanken, dass ich noch viel mehr tun würde. Wenn es geholfen hätte, für ein Kind ein Ohr oder ein Bein zu amputieren, dann wäre ich sofort einverstanden gewesen.

Vielleicht hat man ein ähnliches Gefühl, wenn man kurz vor dem Verhungern ist. Dann würde man auch so Zeugs in sich reinstopfen, was man sonst nie essen würde. ...


Mondschaf hat geschrieben:was ich meine ist z.b. einen arbeitsplatz in der rüstungsindustrie annehmen, statt arbeitslos zu sein usw.
Das ist etwas, was ich für mich beschlossen habe. Gebe ch bei jedem Vermittlungsgespräch an. Ich nehme keinen Job in der Rüstungsindustrie, in der Zigarettenindustrie oder in der Kirche.

Allerdings geht es uns trotz Arbeitslosigkeit ja immer noch verhältnismäßig gut. Wir müssen nicht hungern oder frieren. Wie würden wir entscheiden, wenn wirklich unsere Existenz davon abhängen würde? Ich kann diese Frage ehrlich nicht beantworten.
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Danke für die Erinnerung an die Frauen von Reprokult. Ja, du hast Recht. Wobei es ja auch interessant wäre, wie die zu ihrer Meinungsbildung gekommen sind.
Liebe Grüße, Rebella
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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

hi rebella,
Ich hatte nie die Gelegenheit, eine assistierte Befruchtung als "extrem unnatürlich" zu empfinden. Weil, in dem Moment, in dem ich etwas darüber erfahren habe, saß ich auch schon mittendrin.
das kann ich nachvollziehen. bei uns war es anders, weil ich ja erst mit der KK streiten musste. allerdings brauchte ich diese zeit auch, um mich mit der KB abzufinden.

du hast recht, auch wir haben grenzen gehabt, die dann auch nicht umgestoßen wurden. (wobei ich auch hier unsere grenzen nicht als allgemeingültig betrachte. denn gerade mit einer embryonenspende gibt man ja einem embryo eine chance zum leben, die er sonst nicht hätte. da habe ich objektv gesehen keinerlei probleme mit, ganz im gegenteil)

die website von reprokult scheint es nicht mehr zu geben. :?: wie ich es in erinnerung habe, war die herleitung, dass frauen sich den vorstellungen und erwartungen der männer und der frauenfeindlichen gesellschaft unterwerfen, wenn sie nicht ggf. die ungewollte kinderlosigkeit akzeptieren können. :?:
wenn ich es richtig in erinnerung hätte, so ielte ich das - sorry - für absoluten quatsch. weil ich hier immer wieder erlebe, dass die männer sich oft viel leichter mit der kinderlosigkeit abfinden könnten als die frauen. in vielen fällen sind die frauen die treibende kraft. naja, wahrscheinlich würden die frauen von reprokult dann argumentieren, dass die frauen eben die männlichen werte und rollenvorstellungen so verinnerlicht haben, dass sie sie schon ohne männlichen druck umsetzen oder so. :?:
Ich nehme keinen Job in der Rüstungsindustrie, in der Zigarettenindustrie oder in der Kirche.
find ich gut. wobei mich die zigarettenindustrie dabei am wenigsten stören würde. toll fänd ich es nicht, würde ja lieber etwas sinnvolleres machen. aber das erörtern wir per mail ;-) :knuddel: .
Allerdings geht es uns trotz Arbeitslosigkeit ja immer noch verhältnismäßig gut. Wir müssen nicht hungern oder frieren. Wie würden wir entscheiden, wenn wirklich unsere Existenz davon abhängen würde? Ich kann diese Frage ehrlich nicht beantworten.
genau so etwas geht mir auch durch den kopf. :knuddel: :?:

liebe grüße

mondschaf
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Nauka
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Beitrag von Nauka »

Also was die Arbeit angeht und auch einiges andere, denke ich an Brecht:

"Erst kommt das Fressen..."

Das wir dieses Problem hier nicht unbedingt haben, ist klar. Aber andere Länder ja durchaus.
Und da sind wir dann z. B. auch beim Thema Eizellspende. In welcher Situation befinden sich die Eizellspenderinnen? Wie geht es Ihnen damit?
Ich persönlich könnte mir das nämlich nicht vorstellen. Andrerseits bin ich froh, dass es diese Möglichkeit gibt und ich würde es begrüßen, wenn es in Deutschland erlaubt werden würde. Auch damit der Gesetzgeber ganz genau drauf schaut wie das Ganze abläuft.

Ich habe keine Ahnung, wie wird denn eigentlich ein Samenspender entlohnt in D.?

Und generell ist da für mich das Thema offene Spende. Das war aufgrund meiner eigenen Herkunftsgeschichte auch das einzige, was ich mir vorstellen konnte. Leider gibt es das soweit ich weiß nur in England und Finnland.


Bei KB kann zum Beispiel das Verwerfen von Embryonen ein moralisch / ethisches Thema sein (wir sind nicht in die Situation gekommen). Kryos dürfen in Deutschland offiziell nicht frei gegeben werden (ich weiß das es Paare gibt, die das trotzdem versuchen). Wenn man also sicher ist, keine weiteren Kinder zu wollen und auch nicht bereit ist, die Kryos "ewig" auf dem Eis zu lassen und dafür zu zahlen, entscheidet man sich ggfs. dafür, sie zu verwerfen.
Für viele (auch Kiwupaare) sind das schon potentielle Kinder. Ich selber hätte da glaube ich nicht so ein Problem gehabt, für mich sind es nur Zellhaufen mit dem Potential...

Na und meine alten Vorurteile gegenüber KB sind auch fast.. nun ja.. esoterischer Natur. Ich wusste wohl auch einfach zu wenig. Und hatte glaube ich vor meinem inneren Auge das Bild eines Fötus, der in einer künstlichen Umgebung entsteht und nicht einen Achtzeller.

Als es dann klar war, dass KB für uns der einzige Weg ist, war ganz schnell klar: das machen wir.
Und das, obwohl ich früher noch nicht mal die Pille nehmen wollte, weil ich meinen Körper nicht mit Hormonen belasten wollte.

Lieber Gruß

Nauka
6. IVF
Stimustart 1.10.2011
Punktion 12.10.2011
Transfer 14.10.2011
SST 27.10.2011 - positiv HCG 331!

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Laulau69
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Beitrag von Laulau69 »

Mondschaf hat geschrieben:und mit den misserfolgen erweiterten sich unsere vereinbarten grenzen stetig. wir haben in dem zusammenhang viel über die definition dessen, was wir als 'natürlich' empfinden nachgedacht.
schön gesagt: das trifft genau das, wie es bei uns war. wir haben im bekanntenkreis ein paar, das 2004 nach KB ein kind bekam. 2005 wagten sie sich an das zweite kind - und die frau wurde mit zwillingen schwanger. die kleinen wurden in der 26. SSW geboren, es war nicht klar, ob sie durchkommen oder blind oder geistig behindert sein würden.
wir haben damals gesagt: sollten wir je in diese situation kommen, würden wir es bei einem kind belassen. man sollte das schicksal nicht weiter herausfordern (vermutlich hab ich das sogar so gesagt). heute seh ich das ganz anders - und ich schließe selbst eine eizellspende nicht aus.
nauka: bist du dir sicher, dass du bei deiner positon geblieben wärst, wenn das die einzige möglichkeit gewesen wäre?
aber ich kann mir vorstellen, dass viele denken: wenn es nicht sein soll (auf natürlichem weg), dann wird das schon seinen grund haben. das muss man das akzeptieren.
und mir fällt immer so wenig ein, was ich dem entgegenhalten kann - ohne dass ich egoistisch und selbstgerecht und kindergierig klinge. :cry:
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gehen wir einen anderen Weg:
Wir sind Pflegeeltern


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JBB
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Beitrag von JBB »

Prinzipien muss man sich leisten können. Bei zunehmendem existentiellen Druck wird wohl jeder auch seine Prinzipien über Borg werfen (müssen).

Zum Thema "unnatürlich", dieses anti KB Argument geht mir sowas von auf den Keks...
Wir haben uns mit unserer Lebensweise derart vom "Natürlichen" entfernt, dass es schon fast albern ist, das plötzlich in einem Punkt als Maßstab anzusetzen.

Vielleicht sollten wir unsere Handlungen eher auf das Kriterium "Nachhaltigkeit" überprüfen als auf "Natürlichkeit".
Liebe Grüße
Bea

mit zwei erwachsenen ICSI Kindern
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