Auch wenn dieses Forum mir bis auf die Bussi-Bussi, Tutzi-Tutzi, Daumen-Drück-Threads eher etwas tot erscheint, die Herren der Schöpfung hier wohl unterrepräsentiert sind, und ich auf meine inzwischen gelöschten Fragen, nie eine Antwort erhalten hatte, möchte ich hier kurz meine Erfahrungen unserer Kinderwunschodyssee schildern. Vielleicht hilft es dem einen oder anderen Geschlechtsgenossen bei einer Entscheidungsfindung und dient der Aufmunterung.
Bei mir lag ein Hodenhochstand vor, der erst im Alter von fünf Jahren operativ korrigiert wurde. Dies führte offenbar zu einer Azoospermie, die im Jahre 2005 im Alter von 30 Jahren in der Uni-Klinik Münster bei Prof. Nieschlag diagnostiziert wurde. Aus diesem Grund begaben meine Frau und ich uns ab 2010 in die Kinderwunschbehandlung. Eine Behandlung in der Uniklinik Münster schied wegen meines Eindruckes dort aus. Mir erschien das gesamte Team bis auf eine weibliche Medizinerin, die den Hodenultraschall übernahm, zu sehr von sich überzeugt, wobei ich mit dieser Formulierung den Begriff "hochnäsig" vermeiden will. Diese Medizinerin ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil mir die gesamte Angelegenheit zum damaligen Zeitpunkt noch recht peinlich war und ich zunächst etwas erbost darüber war, von einer Ärztin untersucht zu werden, da ich zu Beginn der Untersuchung darum gebeten hatte, nur von männlichen Medizinern untersucht zu werden. Dies mag spleenig erscheinen, aber immerhin gibt es ja auch Frauen, die prinzipiell nur zu Gynäkolog-Innen gehen.
Auf persönliche Empfehlung hin begaben wir uns dann nach Gelsenkirchen. Die Behandlung dort begann damit, daß wir die typischen Fragebögen geschickt bekamen. Ich hielt das Ausfüllen für überflüssig, da unsere Diagnose schließlich eindeutig war. Dies führte zunächst zu einem Disput mit meiner Frau und dann mit den Arzthelferinnen in Gelsenkirchen, die ich eher als Vorzimmerbürokraten bezeichnen würde. Als ich beim Termin fragte, welchen Sinn es haben solle, zu erklären, wie oft wir Geschlechtsverkehr hätten, und ob und wie viel wir z.B. jeweils rauchten, da der Grund der Kinderlosigkeit doch schließlich feststünde, ließen sie uns spüren, wer am längeren Hebel sitzt. Wir füllten die Formulare dann zur Wiederherstellung der sozialistischen Ordnung aus.
Nach mehreren Spermiogrammen (den Befunden anderer Ärzte traut man ja gerade bei Privatpatienten grundsätzlich nicht) und Gesprächen mit wechselnden Ärztinnen wurden wir gefragt, ob wir schon über eine Fremdsamenspende nachgedacht hätten. Diese Frage führte zu einer emotionalen Krise bei uns und auf Nachfrage wurde uns eröffnet, daß man natürlich auch noch eine TESE mit ICSI versuchen könne. Hierzu sollten wir uns in eine urologische Praxis ebenfalls in Gelsenkirchen begeben. Aufgrund meiner Internetrecherche wollte ich jedoch lieber zu Prof. Schulze nach Hamburg. Meine Frage, ob es möglich sei, die TESE bei Prof. Schulze durchführen zu lassen, bzw. ob man eben mit diesem auch zusammenarbeite, wurde mit den Worten beantwortet, ich solle mal schön zu dem Urologen in Gelsenkirchen gehen. Ohne, daß ich die Qualität dieses Mediziners beurteilen könnte oder dürfte, kam ich mir an diesem Punkt sehr bevormundet vor, was bei mir sofort eine wohl angeborene Abwehrhaltung aktivierte. Damit war die Zusammenarbeit beendet.
Ich vereinbarte danach für August 2011 einen Termin bei Prof. Schulze und fragte ihn dabei, mit welchen Kinderwunschpraxen in unserer Umgebung er zusammenarbeite. Er schlug Essen oder Göttingen vor. Essen wäre etwas näher gewesen, aber da die Straßenverkehrspolitik im Ruhrgebiet schon seit den 70-er-Jahren konsequent daneben liegt, hätte man hier jeweils für Termine einen Tag früher anreisen müssen. Das wollten wir nicht und deshalb entschieden wir uns für Göttingen. Wir haben es nicht bereut und waren gegenüber unseren vorherigen Erfahrungen bei Dr. Moltrecht und Team zunächst einmal in Bezug auf die Freundlichkeit angenehm überrascht.
Der Eingriff in Hamburg fand dann Ende 2011 statt. Am Tag vor der OP nahmen wir die "Kühlbox" in Göttingen in Empfang. Zumindest jeder Mann wird nachfühlen können, daß man sich vor dem Eingriff "vor Angst in die Hosen macht". Diese Angst ist völlig unbegründet. Ich habe mich bei Herrn Prof. Schulze und seinem Team äußerst gut aufgehoben gefühlt. Da ich keinen Vergleich habe, kann ich keinen solchen ziehen. Ich hatte aber immer das Gefühl, dort in professionellsten Händen zu sein. Darunter litt auch keinesfalls die persönliche Seite. Bei einem Professor der Medizin im Alter von Prof. Schulze, der gelegentlich als Deutschlands "Hodenpapst" bezeichnet wird, würde man einen möglicherweise sogar berechtigten Standesdünkel erwarten - was überhaupt nicht der Fall war. Im Gegenteil. Wir haben Herrn Prof. Schulze als sehr freundlichen und herzlichen Menschen erlebt. Ebenfalls anders als ich zuvor gedacht hatte, herrscht dort keinesfalls Massenbetrieb. Auch die Mitarbeiterinnen sind extrem, aber nicht gekünstelt freundlich und nehmen sich viel Zeit, um auf alle Fragen einzugehen und einem alles zu zeigen (deswegen kann es beim Anrufen dort auch schon einmal länger dauern, was ich aber letztlich als äußerst positiv beurteile).
Der Eingriff selbst ist wirklich nicht schlimm. Auch in der Anästhesie-Praxis, die räumlich direkt angeschlossen ist, und dem OP-Bereich sind alle (bis auf eine Dame (ich glaube aus Neufünfland) im Aufwachbereich) überaus freundlich. Man schlummert selig während des Eingriffs und kurze Zeit danach ist man bereits wieder fit. 24 Stunden lang nach der OP hatte ich annähernd überhaupt keine Schmerzen. Lediglich ein leichter Druck, der sich bis in die Leistengegend zieht, ist zu verspüren. Als "Schmerzen" würde ich das aber nicht bezeichnen. Mit den erhaltenen Schmerzmitteln, die ich aus verschiedenen Gründen nicht nahm, dürfte sich das aber auch ganz verhindern lassen.
So nun zum Wichtigsten, dem Ergebnis. Trotz totaler Azoospermie und der Tatsache, daß Prof. Schulze in einem Hoden gar nicht fündig wurde, konnten wir etwa 3 Stunden nach der Biopsie immerhin 5 verwertbare Proben in die KiWu-Praxis nach Göttingen verbringen.
Nach einem erfolglosen ICSI-Versuch im Januar 2012 bei dem sogar zuvor noch einzelne Spermien aus einer "Frischprobe" gewonnen und verwendet werden konnten und bei der zwei Embryonen eingesetzt wurden, klappte es beim zweiten Versuch im August 2012 mit reinem TESE-Material. Aus zwei wieder eingesetzten Embryonen wurde unser kleines Wunder, das nunmehr 3 Monte alt ist.

Er hat übrigens keinen Hodenhochstand, so daß die Aussage von Prof. Schulze, ein Hodenhochstand sei Zufall, jedenfalls aber nicht erblich, zumindest nicht widerlegt wurde. Man macht sich ja schließlich schon Gedanken, ob sich der Liebe Gott nicht etwas bei der Zuteilung der Zeugungsunfähigkeit gedacht hat.
Allen Kinderwunschkandidaten wünsche ich viel Kraft und Erfolg und ein gesundes Selbstvertrauen gegenüber den behandelnden Ärzten, auch wenn ich persönlich als Privatpatient hier vielleicht gut Reden habe.