Reproduktionsmedizin - Belastung nur für die Frau?

Unsere Hauptkategorie. Hier wird über alles rund um den Kinderwunsch diskutiert. :-)
joachim
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Beitrag von joachim »

Hallo,

fast alle Beiträge hier beschreiben die psychischen und physischen Auswirkungen der KiWu-Behandlung auf die Frau (die unbestritten extrem hoch sind) - ganz so, als ob wir Männer vollkommen unbeteiligt und nicht betroffen wären. Obschon wir Männer (hoffentlich!) keine wehleidigen Jammerlappen sind, haben aber auch wir Probleme mit der Behandlung, die wir (eventuell erziehungs- oder verhaltensbedingt) meist nicht offen ansprechen (können). Meine Gedanken sind persönlich geprägt und erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit. Man(n) wäre sicherlich schon zufrieden, wenn seine Probleme vom Partner wahrgenommen würden...

1. Männer sind zu Beginn der Behandlung oft nicht an Arztbesuche gewöhnt, haben keine Arzt ihres Vertrauens usw. Der 1. Arztkontakt und dann zu diesem sehr intimen Problem fällt sehr schwer.
2. Die Abklärung erfolgt oft erst nach zahlreichen und ergebnislosen Untersuchungen der Frau, ein negatives Ergebnis ist daher fast sicher.
3. Die Urologen und die Untersuchungsbedingungen sind oft katastrophal und können zu traumatischen Erlebnissen führen.
4. Die Samengewinnung erfolgt oft unter unwürdigen Bedingungen (mickrige WCs, Aufruf aus überfülltem Wartezimmer mit interessierten Zuschauern...)
5. Ein negatives Ergebnis (und das ist wahrscheinlich) ist vollkommen deprimierend und wird ohne Mitgefühl übermittelt (siehe "Dumme Sprüche").
6. Für den "unerfüllten Kinderwunsch" stößt die Frau eher auf Verständnis und Mitgefühl, hier gibt es viele gute Ratschläge. Der Mann setzt sich dem Gespött aus bzw. findet keinen Ratgeber / Gesprächspartner.
7. In der Regel gibt es für den Mann keine Therapiemöglichkeit und Hoffnung. Die Diagnose ist endgültig und vernichtend!
8. Werden empirische (und erfolglose) Ansätze erprobt, schließen sich Phasen des Hoffens und dann noch tieferer Enttäuschung an.
9. Besteht ein (behandelbares) hormonelles Problem, schließen sich manchmal belastende endokrine Tests und eine langwierige Therapie an, in deren Verlauf der Mann ein Vielfaches der Spritzen- und Hormonbelastung (und damit auch möglicher Risiken) der Frau bei IVF/ICSI-Stimulation ertragen muß.
10. Ist eine Hodenbiopsie erforderlich (mehrmalig) steht auch eine oder mehrere nicht ungefährliche OP an...
11. Alle Verfahren der Reproduktionsmedizin bedingen eine praktisch passive Beteiligung des Mannes an der Zeugung. Er hat im Gegensatz zu Frau nach der Samenspende keine Möglichkeit, sein biologisches Potenzial unter Beweis zu stellen und dafür Anerkennung zu finden.
12. Bei der KiWu-Behandlung ist der Mann (als eigentlich Kranker oder Schuldiger) zum Zusehen verdonnert. Die (unbestrittene) hohe Belastung der Frau und die intensive Betreuung in der Praxis kann zu starken Schuldgefühlen führen.
13. Die zeitliche und nervliche Belastung ist meist nicht geringer als die der Partnerin (die manchmal für die Wartephase krankgeschrieben ist), ebenso die Enttäuschung bei einem Fehlschlag. Oft muß der Mann die Frau aufmuntern, verwöhnen, trösten und aufbauen, obschon er selbst ebenso am Boden zerstört ist, ohne diese Gefühle zeigen zu dürfen / können.
14. Für die Frau schließt sich im Erfolgsfall eine (verdiente) Erfolgsphase mit großer Anteilnahme und Fürsorge Dritter an. Für den Mann ist Anerkennung kaum möglich, selbst wenn er seine Partnerin dann auf Händen trägt.
15. Die Suche nach Anerkennung (denkt an den Marathonläufer und den Fallschirmspringer der KiWu-Dokumentation im ZDF!) kann von der Partnerin missverstanden werden, bzw. wird nicht auf ein gesundes Maß begrenzt. Kann Man(n) beruflich/sportlich/ehrenamtlich sein "Versagen" nicht kompensieren, wird es problematisch.

In der Hoffnung, dass ich bei Euch ein wenig Verständnis oder eine interessante Diskussion wecken konnte schöne Grüße

Joachim
Barba
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Beitrag von Barba »

Hallo Joachim,

ich finde Deine Gedanken zum Thema super gut.
Bei meinem Mann und mir liegt zwar die Ursache bei mir, aber das Thema "Schuldgefühle" usw. ist das gleiche. Auch die Behandlung (IVF) erfolgt nach fast demselben Schema.
Ich denke es ist ganz wichtig, daß beide Partner miteinander im Gespräch bleiben. Ich hoffe natürlich immer noch, daß es eines Tages ein Ergebnis gibt, das Hand und Fuß hat, aber falls nicht, wünsche ich mir, daß uns diese Zeit der KIWU-Behandlung als Paar stärker werden läßt.

alles Gute
Barba
Schnellchen
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Beitrag von Schnellchen »

Hallo Joachim,

ich werde dir morgen ausführlich antworten. Dein Beitrag hat mich sehr zum Nachdenken animiert.. Ich habe ihn ausgedruckt und freue mich, dass endlich mal ein Mann über die Gefühle und Behandlungsmethoden hier im Forum gsprochen hat..

Wie gesagt - ausführliche Antwort gibbet morgen..
Lieber Gruß
Iris





gisa

Beitrag von gisa »

Lieber Joachim,
deinen Beitrag finde ich auch sehr gut. Ich denke, dass hier im Forum fast nur über die Probleme der Frauen gesprochen wird, weil kaum Männer vertreten sind, die ihre Meinung so frei dazu äußern (vielleicht aus deinen genannten Gründen). Ich habe mir auch oft Gedanken um die Psyche meines Mannes gemacht, weil die Ursache für unsere jahrelange Kinderlosigkeit wohl allein bei ihm lag. Er mußte zwar keine schwierigen hormonellen Behandlungen über sich ergehen lassen, aber die restlichen Belastungen, von denen du gesprochen hast, musste er auch erdulden. Durch die vielen Behandlungen, die letztlich aber doch meistens die Frau treffen, egal, wer "Verursacher" ist, vergisst man oft, wie sehr auch der Mann darunter leidet. Männer leiden meist still und jammern nicht viel herum. Dadurch unterschätzt man ihre Qualen. Ich glaube, ich kann das ganz gut nachvollziehen, aber manchmal weiß ich auch nicht, wie ich darauf reagieren soll. Ich selbst habe versucht, die Behandlungen relativ kopfgesteuert anzugehen. Das klappt nicht immer, aber bei mir letztlich doch ganz gut. Mein Mann hat mich dabei sehr unterstützt. Er hat Organisatorisches erledigt, sich um Medis gekümmert, mich gespritzt usw. Eigentlich waren wir ein gutes Team, wenn man das so blöd ausdrücken kann. Er kam sich dadurch auch nicht so hilflos vor, sondern war immer irgendwie beteiligt, nicht nur zur "Samenspende". Er hat nie geweint oder geklagt. Wenn es wieder mal nicht geklappt hatte, haben wir uns gegenseitig getröstet. Letztens habe ich ihn ganz lieb in den Arm genommen und mich bei ihm bedankt. Ich glaube, es hat ihn sehr gefreut, dass ich seinen "Einsatz" auch wirklich zu würdigen wusste. Am Ende aber vielleicht noch ein Tipp an die Männer. Wenn man als Frau heult, wütend oder sehr traurig ist, muss man sich als Mann nicht gleich schuldig fühlen. Eigentlich ist es nur eine ganz gute Art, sich von unangenehmen Gefühlen zu befreien. Bei mir hilft dann schon, wenn mein Mann das erträgt, ohne gleich zu überlegen: Was soll ich jetzt tun? Es reicht oft, einfach nur da zu sein.
Viele Grüße
Gisa
Mara
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Beitrag von Mara »

Lieber Joachim,
ein kleiner Einblick in unserer Geschichte:
Als vor 5 Jahren klar wurde, daß wir auf normalem Wege keine Kinder bekommen können, war natürlich der Schock sehr groß.

Auch ich rannte 2 Jahre zu meiner Gynäkologin, bis die Idee aufkam, es könnte auch an meinem Mann liegen. Ich brauchte 4 Monate, bis ich ihn zum Urologen brachte. Und auch dieses Erlebnis war für meinen Mann katastrophal. Es gab nur 1x pro Woche den Samengewinnungstermin, bei dem dann 15 Männer im Wartezimmer saßen und auf ihren Start ins Ungewisse warteten.
Beim Mitteilen des Ergebnisses hatte der Urologe lediglich gesagt, daß das Ergebnis grottenschlecht ausgefallen sei, aber immer noch das Beste war, von allen die an diesem Tag anwesend waren. Toller Zuspruch! Er bekam sein Ergebnis in die Hand gedrückt und das wars.
Damit wurde er nun alleingelassen, und leider auch von mir.
Mein Fehler: Als er nach Hause kam, um mir das schlechte Ergebnis mitzuteilen, hatte ich nichts besseres zu tun, als stundenlang zu heulen, anstatt ihn in die Arme zu nehmen, ihn zu trösten. Das führte dazu, daß sich mein Mann absolut minderwertig fühlte, und sich den Vorwurf machte, mich sterbensunglücklich zu machen. Im Inneren dachte ich das vermutlich auch. Ich war derart enttäuscht, einen Mann zu haben, der zeugungsunfähig ist. Auch ich habe das Problem zunächst einseitig gesehen. Die Folge: Unser Intimleben sank auf 0, und mein Mann hatte das Gefühl, nur noch als Zuchtbulle gut zu sein. Über beinahe 1 Jahr lief zwischen uns fast gar nichts mehr. Wir vermieden das Thema in jeder Hinsicht. (In dieser Zeit waren wir bereits in die "Maschinerie Reproduktionsmedizin" geraten)
Nach unserem 1. ICSI-Versuch mit negativen Ergebnis brach über mich die Welt zusammen, und ehrlich gesagt, war mir mein Mann egal, ich dachte nur an mich, wie schlimm es mich getroffen hat. Ich war sauer auf ihn, daß ich diesen ganzen Mist nur wegen ihm durchmachen muß. Geredet haben wir nie darüber. Auch er zog sich in sein Schneckenhaus zurück, und ich ließ ihn ziehen.
Dann plötzlich merkte ich, was ich falsch gemacht habe. Ich riskierte unsere Ehe, obwohl ich meinen Mann liebe wie ich noch nie jemanden geliebt habe.
Wir machten mit der Behandlung beinahe 2 Jahre Pause und lernten, Ehe, Sex und Kinderwunsch zu trennen. Seit dieser Zeit geht es uns wieder richtig gut, und was wichtig ist, daß es uns immer beide angeht, wenn ein erneutes schlechtes Ergebnis feststeht.
Mein Mann benötigt dann sogar viel mehr Zuwendung als ich, was auch in Ordnung ist. Das habe ich inzwischen kapiert. Er ist jedesmal am Boden zerstört, wenn nichts daraus geworden ist, und es wird nur wieder besser, nachdem ich ihm klar mache, daß es uns beide betrifft, es nicht allein an ihm liegt, und ich mit ihm zusammen sein möchte, mit oder ohne Kinder.

Heute weiß ich, daß es sehr wichtig ist, daß mein Mann ganauso Zuspruch haben muß wie ich. Zwar sehe ich nach wie vor so, daß der Streß mit der Behandlung mich um vieles mehr trifft (Mein Mann benötigt keine Hormontherapie, oder Hodenbiobsie). Die ständige Rennerei in die Praxis zum Ultraschall, Blutabnahme, Punktion, Transfer etc.... und dazu die Hormonbomben und die ständigen Ausreden in der Arbeit. Ich glaube da schon, daß mein Mann weniger unter Sreß leidet, als ich, es aber akzeptiere, da ich nur mit ihm Kinder haben möchte. Allerdings erwarte ich in dieser Zeit tatsächlich von meinem Mann mehr Unterstützung (allerdings nicht, daß er mich auf Händen tragen soll). Ich denke auch, daß dies gerechtfertigt ist, weil einfach die Hormone mit einem verrückt spielen. Aber nach der Behandlung, vor allem bei negativen Ergebnis, betrifft es uns wieder beide. Und da benötigen wir auch beide gegenseitige starke Zuwendung.
Ich sehe es ehrlich gesagt nicht so schlimm, wenn das Wartezimmer voll ist, und jeder weiß, daß mein Mann jetzt gleich zur Tat schreiten darf. Denn in einer reinen Reproduktionspraxis sitzen wir alle in einem Boot. Allerdings was meinen Mann tatsächlich enorm stört, ist die Atmosphäre. Wie gesagt, eine Toilette mit Billigsexheftchen. Wie soll da was normal funktionieren? Vor allem unter derart hohem Druck!!! Ich bewundere ihn, daß er überhaupt kann. Ich glaube, ich wäre dazu nicht fähig, und bin froh und stolz, daß er es kann.
Im Op war oft das Dilemma, daß die Frau warten mußte, weil Mann nicht kann. Schlimm für beide!

Fazit für mich: Seitens des Mannes muß noch viel mehr getan werden. Jedoch ist es aber auch notwendig, daß dieser sich dazu mehr öffnet. Er umdenken muß; er nicht alleine damit fertigwerden muß; er nicht immer der starke Mann sein muß, und seine Probleme deswegen in sich reinfrisst. Er muß auch `mal den Schneid haben, sich mit Freunden über sein Problem auszutauschen, und nicht dabei meinen, sein Gesicht dabei zu verlieren. Aber ich glaube dieser Schritt ist sehr schwer.
Deswegen finde ich es toll, daß endlich ein Mann, d.h. Du, Deine Gefühle preis gibst. Toll!!! Ich hoffe, ich bewege meinen Mann dazu, Deinen Brief zu lesen, und sich bei dieser Diskussionsrunde einzureihen.

Was mich betrifft: Ich kann nicht während der Zeit einer Therapie so auf meinen Mann eingehen, wie er es bräuchte, da ich selbst viel zu sehr mit mir beschäftigt bin. Darum ist es besonders wichtig, daß er sich in dieser Zeit jemanden anvertraut. Er seine Gedanken mit einer vertrauten Person austauscht. Das ist leider bis heute nicht geschehen.

Vielen Dank für dieses ausführliche Statement, Ich hoffe, viele Männer fühlen sich angesprochen, sich hier an diese Runde zu beteiligen. Leider bisher noch nicht geschehen. Schade!!
Es tut so gut, `mal von der Männerseite zu hören!!!
Liebe Grüße Mara
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Susan37
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Beitrag von Susan37 »

Hallo Joachim,

ich finde es sehr gut, dass du hier deine Gedanken so frei äusserst. Und stimme dir voll zu, die Behandlungen sind auch für den Mann sehr belastend. Allein schon der Druck zu einem bestimmten Termin möglichst tolle Spermies "Auszuwerfen", sonst war alles umsonst, erzeugt doch Stress ohne Ende.Und jeder einezelne Punkt den du aufgeführt hast. Da hilft es wirklich am besten, sich als Team zu betrachten, wie Gisa das schrieb. Mein Mann ist eher son Naturwissenschaftlertyp und eher verschlossen, was Gefühle angeht (was einige von mir wahrscheinlich auch sagen würden :wink: ) und hat mich damit manchmal sehr auf die Palme gebracht. Aber das gegenseitige Verständnis war eigentlich immer da und auch zu spüren -oft eben auch ohne Worte.
Liebe Grüsse
Susan

Nur weil uns ein Stück vom Glück fehlt, sollen wir uns nicht davon abhalten lassen, alles andere zu genießen....
Jane Austen
gisa

Beitrag von gisa »

Hallo,
nochmal eine Ergänzung, die mir bei Maras Beitrag in den Sinn kam. Sie hat scheinbar anfangs ganz anders empfunden als ich, also innerlich doch ihrem Partner die Schuld gegeben. Bei mir war es überhaupt nicht so, aber ich hatte immer das Gefühl, mein Mann dachte es. Das merkte ich u.a. auch an unserem Sexualleben, das irgendwie, genau wie bei Mara, für eine gewisse Zeit von extremer Lustlosigkeit geprägt war. Wie sollte ich aber nun meinem Mann beweisen, dass ich ihm wirklich, auch nicht innerlich, keinerlei Schuld gab!? Wenn man es anpricht, klingt es so heroisch, und der Partner glaubt's sicher nicht recht. Man traut sich kaum zu heulen, weil der Mann sonst noch in seinem Schuldgefühl bestärkt wird. Diese Zeit war schon nicht leicht und eine harte Belastungsprobe für die Partnerschaft. Darüber zu sprechen, war aber doch der richtige Weg. Es hat relativ lange gedauert, bis mein Mann es dann verinnerlicht hatte, dass es in unserer Situation keinen Schuldigen gibt. Und wer wollte denn ausschließen, dass bei mir nicht auch bisher unentdeckte Ursachen vorlagen. Wir hatten nämlich bei mir nicht erst die volle Untersuchungspalette durchgezogen, sondern sind gleich zum Urologen gegangen. Die "Schuldfrage" war damit endgültig ausgeräumt.
Viele Grüße
Claude
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Beitrag von Claude »

Lieber Joachim,
ich bin sehr froh, dass du deine Gedanken auch ausführlich und offen hier im Forum äußerst. Denn ich hoffe, dass so auch andere Männer motiviert werden, sich zu melden. Dass vor allem die Belastung der Frauen zu im Vordergrund steht, liegt sicher auch an der fehlenden Mitteilungsbereitschaft der Männer. Und so entgeht uns wirklich viel von der Problematik. Es findet zwar Austausch unter betroffenen Frauen statt, aber wenn die Partner eher zurückheltend sind, kann man sich nur schwer in die Gefühlslage der Männer hineinversetzen. So ist ein Beitrag wie der deine äußerst hilfreich für das gegenseitige Verständnis und den Dialog.

Liebe Grüße
Claude
joachim
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Beitrag von joachim »

Hallo,

die Reaktionen zeigen für mich überraschend, dass einige Verahltensmuster, die für einen Mann selbstverständlich sind, offensichtlich für die Frau nicht so leicht nachvollziehbar sind. Daher folgende Ergänzungen:

1. Warum reden Männer nicht über Ihre Gefühle und Probleme?

- Wir haben das weder gelernt noch geübt!
- Gefühle zu zeigen, gilt als Zeichen von Schwäche!
- Probleme nicht selbst lösen zu können, spricht für Hilflosigkeit!
- Mann muß damit selbst klarkommen und handelt eben auch so!

Das ist zwar alles falsch, aber so sind wir nun mal!

2. Mit wem könnten wir denn darüber reden?

- Unsere Ärzte sind unfähig bzw. haben sich durch ihr Verhalten disqualifiziert!
- Die Partnerin ist selbst schon genug belastet (durch uns verschuldet!), eine weitere Belastung können und wollen wir ihr nicht zumuten!
- Wir empfinden uns gegenüber anderen Männern immer in einer Konkurrenzsituation und können schlecht verlieren - erfolgreiche Familienväter (evtl auch durch... ?) scheiden aus
- Arbeitskollegen würden eine empfindliche Angriffsfläche erhalten
- Eltern und Geschwister scheiden oft aus, da sie zu eng beteiligt wären und eventuell auch abraten würden
- Selbst andere Betroffene würden wir nur dann akzeptieren, wenn Ihre Samenwerte noch schlechter wären...

3. Wie gehen wir mit den Problemen um?

- Wir fressen sie in uns hinein, versuchen damit klar zu kommen und kapseln uns ab (wird dann auch noch als Desinteresse, Verschlossenheit, mangelnde Zuwendung etc. interpretiert!)
- Wir entwickeln Aktivitäten zur Kompensation in Freizeit und Beruf ( wird dann auch als Egoismus, Desinteresse etc. gewertet)
- Mißerfolge verarbeiten wir (nur scheinbar) leichter, da wir rationaler und weniger emotional herangehen (eine Chance von nur 20-30% pro Versuch bedeutet eben 70-80% Mißerfolgswahrscheinlichkeit). Fehlt uns deshalb Mitgefühl, haben wir keine Hoffnung oder sind wir nicht enttäuscht (z.T. aber eben schon bei dem Versuch, den wir weniger euphorisch durchleben!)

4. Wie kann die Frau damit umgehen?

- Wir sind einfach strukturiert und pflegeleicht
- Eine Intensivbetreuung ist nicht erforderlich
- Es reicht das simple und zum Ausdruck gebrachte Verständnis dafür, daß auch wir Probleme damit haben
- Wir brauchen den nötigen Freiraum, um mit uns selbst klarzukommen, eine 24h-Fürsorge für die Frau übersteigt auch unsere Kräfte
- Gerade in der zwangsweise "lustlosen" Phase, in der vielleicht ein gemeinsames Kind gezeugt wird, die wir aber vollkommen passiv erleben, brauchen wir das Gefühl, als "Mann" gewollt zu sein


Schöne Grüße und ein noch besseres miteinander

Joachim
Sly
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Beitrag von Sly »

Hallo Joachim,
ich finde es super, dass Du Deine Gedanken zum Thema KIWU hier so offen äußerst und würde es sehr begrüßen wenn das noch mehr Männer machen würden !! Das Verständnis füreinander wäre dann bestimmt besser, weil frau ja dann weiß was der Partner fühlt und das er nicht nur mitleidet sondern es ihm auch selbst phasenweise nicht gut geht während einer KIWU-Behandlung. Nachdem ich Deinen Beitrag gelesen hatte, habe ich erstmal meinen Mann gefragt wie es Ihm denn so geht zur Zeit (wir sind gerade mitten in der 2ten ICSI) aber er hat nur gesagt er versuche das Ganze nicht allzusehr an sich rankommen zu lassen, dann kann ihn ein Misserfolg auch nicht so fertigmachen. Ist das eine "typisch männliche" Reaktion ? Oder einfach eine Möglichkeit mit dieser ganzen Behandlung und den damit verbundenen Sorgen, Problemen und Misserfolgen fertigzuwerden ohne sich verrückt zu machen ? Manchmal wünsche ich mir ich könnte damit auch so umgehen und ich weiß noch, dass ich mir bei meiner ersten ICSI geschworen hatte nicht in Tränen auszubrechen falls das Ergebnis negativ ist....als ich es dann erfahren habe hat es mich aber trotzdem ganz schon runtergezogen.....
Ich dachte immer ich bin stark und kann das alles gut verkraften, aber manchmal frage ich mich auch warum ich das alles tue und meinem Körper das zumute, Zweifel habe ich immer mal wieder und ich habe auch ziemlich Angst vor den eventuellen Spätfolgen (z.B. Krebs durch die Hormone). Vielleicht hilft es uns wenn wir wissen was in unseren PartnerInnen vorgeht, dann kann man/frau so eine KIWU-Behandlung besser verkraften. Und wenn wir endlich stolze Eltern eines Sohnes sind erziehen wir unsere Söhne (natürlich auch die Töchter) so, dass sie wissen, wie wichtig es ist auch als Mann Gefühle zu zeigen und darüber zu reden.
Also mach´ weiter so und sprich bzw. schreib über Deine Ängste, Sorgen und Probleme, vielleicht macht das den anderen Männern Mut.....
Liebe Grüße, Sly
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