Spiegel vom 21.01.02 - "Der künstliche Kindersegen"

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joachim
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Beitrag von joachim »

Hallo,

ist wirklich die Schuldzuweisung ein so wichtiger Aspekt, daß Ihr immer noch darauf herumreitet? Und warum??? Daß die Männer zu 30-40% "schuldhaft" zum Aufsuchen eines KiWu-Zentrums führen, darüber waren wir uns doch einig. Und daß das in dem Artikel nicht zur Sprache kommt, dafür gibt es einen einfachen und einleuchtenden Grund:

In dem Artikel wurde mit keinem Wort (ich habe das zumindest nirgendwo gefunden) auf die Fertilitätsursachen hingewiesen. Auch den Frauen, die ja mit 60% "schuldhaft" (vollständig oder anteilig) daran beteiligt sind, gibt ja niemand die Schuld, selbst der Spiegel nicht. Bei der Behandlung selbst spielt die Infertilität des Mannes dann aber nun wirklich keine Rolle mehr, selbst in den schlimmsten mir bekannten Fällen (Hodenbiopsie o.ä., mit deformierten und toten Spermien) reichen die gewonnenen Spermien bei ICSI allemal für die "wenigen" punktierbaren Eizellen. Und bei normalen OAT-III-Männern würde das Ejakulat halt für einige Mio Eizellen reichen (obwohl sie auf natürlichem Weg vollkommen zeugungsunfähig sind!). Die Frau ist ganz einfach der limitierende Faktor bei der Behandlung, das männliche Unvermögen wird durch High-Tech-Medizin vollständig kompensiert. Es ist deshalb vollkommen irrelevant, wenn man über Chancen, Risiken und Begrenzungen der Reproduktionsmedizin nachdenkt: Hier sind dann allein die Eizellen der Frau relevant und genau darauf fokussiert der Spiegel-Artikel!

Ich denke, daß jede Frau dieses Abwälzen der Verantwortung instinktiv oder unbewußt spürt. Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, daß die Frau in der Phase nach Punktion und ET psychisch wesentlich stärker beansprucht ist (davor ist es aus meiner Sicht anders). Das "Versagen" findet bei einem Fehlschlag halt in ihrem Körper statt, sie empfindet es vermutlich als ihr Versagen. Und wenn dann die Ursache ursprünglich beim Mann lag, würde das auch dieses Insistieren auf der Schuldzuweisung erklären...

All dies hat aber bei einer sachlichen Darstellung, die die komplette Gefühlswelt ausklammert, nichts zu suchen. Das kann ich selbst als Spiegel-Hasser nicht kritisieren. Die Fokussierung auf die EZ der Frau als limitierender Faktor der Behandlung ist sachlich begründet, es entspricht absolut nicht meinen Gefühlen (auch wenn mir das vielleicht wieder einmal nicht geglaubt wird)!

Und wenn es den "Schuldzuweisern" hilft, ich nehme gerne alle Schuld auf mich, wenn das nicht als Mitleidsgeheische gewertet wird...

Joachim

Barbara
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Beitrag von Barbara »

Der Herr irren,

wenn er behauptet: Die Frau ist ganz einfach der limitierende Faktor bei der Behandlung, das männliche Unvermögen wird durch High-Tech-Medizin vollständig kompensiert.
Wohl dem, dessen genetisches 'Material' perfekt auf die Reise geschickt wird. Volkstümlicher ausgedrückt: Auch mit erlaubter Hightech sind chromosomale Spermienkrücken am nicht Weiterentwickeln einer befruchteten Eizelle beteiligt. In das einzelene Spermium kann man eben dann doch nicht sehen.

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Schnellchen
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Beitrag von Schnellchen »

Hallo,

@Joachim
Nu muss ich noch mal meinen Senf dazugeben. Es geht bei meinem Posting nicht darum, wer Schuld hat, sondern darum, dass nirgends erwähnt wird, dass auch die Männer die Schuld haben können. Wichtig ist mir nicht, wer wie viel Schuld hat - wenn man überhaupt von Schuld sprechen kann. Ich finde das Wort irgendwie unpassend. Verursacher wäre vielleicht angebrachter.

Der Spiegel reitet aber überwiegend darauf rum, dass es die "älteren" Frauen sind, er vergisst die Jüngeren, die aus anderen Gründen keine Kinder bekommen kann (auch das habe ich in einem früheren Posting hier schon erwähnt), und er vergisst die Männer. Der ganze Artikel zielt für mich irgendwie wieder auf die 40-jährigen Frauen ab. Und das ist es, was bei mir aufstösst.. Kannst du nochmals nachlesen in meinem früheren Posting.

@Alle
Was nun die Kliniken anbelangt, so hatte ich ja schon geschrieben, dass hier Dr. Verhoeven und Dr. Katzorkes Äußerungen aufgegriffen wurden. Klar ist, dass nicht jeder Arzt bzw. jede Praxis so ist. Sicher ist es auch so, dass in der Düsseldorfer Praxis andere Ärzte tätig sind. Leider ist es aber trotzdem so, dass in vielen Praxen (aus Gewinnsuch???) nicht darauf hingewiesen wird, dass es keine Garantie auf ein Baby gibt. Dieser Aspekt wird in den meisten Kliniken nicht allzu deutlich herausgestellt. Tatsache ist nun mal leider, dass nur ein geringer Prozentsatz mit einem Baby aus der Behandlung herauskommt.

Der Artikel erweckt allerdings einen anderen Anschein - außer bei den älteren Frauen. Allein die Ausdrücke Babymacher und Fruchtbarkeitsfabrik erwecken einen falschen Eindruck beim Leser und wohl auch bei potentiellen zukünftigen KiWu-PatientInnen. Ich habe das vor ein paar Tagen im Gespräch mit meinem Mann mit dem Begriff "Engelmacher" aus den 60igern und 70igern verglichen.. Ist vielleicht ein bisschen krass - aber diesen Eindruck erweckte bei mir die Aussage des Spiegels.

Tatsache ist weiterhin, dass durch die Aussagen der beiden zitierten Ärzte der Eindruck erweckt wird, dass alle Praxen und Kliniken nach diesem Prinzip des Geldverdienens arbeiten.

Diese Eindrücke erweckt jedenfalls der Spiegelartikel bei mir.

Iris

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joachim
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Beitrag von joachim »

Hallo Barbara,

Irren ist eben auch männlich, oder? Und danke, dass ich als Besserwisser abgelöst werde. Bist Du denn auch noch bereit, den prozentualen Anteil der Männer mit "chromsomalen Krücken" anzugeben, damit ich hier nicht eine zwar verschwindend geringe aber vielleicht unrichtige Zahl angeben muß? Der 1-stellige %-Bereich ist es doch wohl nicht?

Nach meiner Kenntnis (und bitte korrigiere mich, wenn ich da auch irren sollte), werden aus diesem Grunde Chromosomenanalysen bei ICSI-Männern fast zwingend empfohlen/vorgeschrieben. Von einer ICSI-Behandlung wird bei den von Dir genannten Voraussetzungen, die man dabei zweifelsfrei findet, dann dringend abgeraten. Und vielleicht irre ich mich ja auch, wenn ich von erfolgreichen ICSI-Behandlungen bei 100% deformierten Spermien gelesen habe (Rundkopf etc.)...

Joachim
joachim
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Beitrag von joachim »

Hallo Iris,

Dein Beitrag war bei meiner vorherigen Antwort für Barbara noch nicht da, daher ein 2. Beitrag.

Mich hatte wirklich die Wortwahl gestört, die in fast jedem Beitrag zu finden war, und "Schuld" ist für mich definitv falsch. Mit dem "Verursacher" bin ich aber ebenfalls nicht einverstanden, denn das ist nur eine feinere Umschreibung. Was im Artikel fehlt (das hört sich vielleicht jetzt nach Wortklauberei an, aber wie man an Euren empfindlichen und heftigen, vermutlich auch berechtigten Reaktionen entnehmen kann, ist es vielleicht auch nicht unwichtig!) sind allgemeine Ursachen für die wachsende Personengruppe (männlich wie weiblich) mit Fruchtbarkeitsstörungen (z.B. Umweltgifte, Genußgift, Lebenstil wie Stress etc.). Aber das wäre ein anderes Thema. Und genau da setzte meine Kritik an: Den 1. Schritt begrüßen, er ist nämlich wirklich positiv und zu weiteren Beiträgen ermuntern. Das ist wirkungsvoller, als an dem Beitrag, der sich auf andere Teilaspekte konzentriert, herumzumäkeln...

Dass der Artikel sich auf die Frauen+40 konzentriert, finde ich nicht grundsätzlich verkehrt, da hier die biologische Uhr (leider und zwnagsläufig) unüberhörbar tickt und begrenzt. Dies ist wirklich das Limit der heutigen Reproduktionsmedizin da keine tiefgekühlten EZ vorliegen. Und genau darauf konzentrierte sich eben der Beitrag. Dass dabei andere wichtige Themen ausgeklammert werden, ist für mich eine läßliche "Sünde", die man aber wie oben behandeln sollte...

Zumt Thema "Abkassieren" hatte ich keinen Kommentar abgegeben, da ich genau das selbst und bei Verhoeven erlebt habe. Ursachenforschung und Vorbehandlung? Fehlanzeige! Nur ein Spermiogramm zur Klärung der Zahlungsmodalitäten (bei ICSI damals Selbstzahler und Abrechnung, nicht Behandlung (!) als Privatpatient. Unmittelbar nach der Punktion wurde abkassiert, ca. 20 Frauen lagen durch Plastik-Vorhänge getrennt in einem Riesenzimmer (Flur?), die Narkoseärztin kassierte DM 322,81 "BAR - KEINE SCHECKS!", und die Narkoseschwester kassierte IVF/ICSI bevor meine Frau aus der Narkose erwachte (sie hat das zum Glück nicht mitbekommen), "großzügigerweise" auf Scheckkarte ("... wir haben da schon schlechte Erfahrungen gemacht, wenn wir bei Selbstzahlern nicht sofort kassieren..."). Die Ergebnisse wurden vom Arzt im Vorbeigehen und gut verständlich für alle anderen Patientinnen und deren Männer genannt "Ihr Spermiogramm war ziemlich schlecht - aber wir brauchen ja bei der geringen EZ-Zahl Ihrer Frau nur 2 Spermien..." Soll oder kann ich da die Aussagen des Spiegel in irgendeiner Form kritisieren? Verlangst Du das wirklich von mir??? Vielleicht nur in der Form, daß bei den vorgstellten Praxen (ich kenne aber ja nur 1 davon) nur das Ambiente professionell ist, aber nicht die Leistungen, die Behandlung
und das Ergebnis... (Das wäre dann aber blanker Zynismus!)

Joachim
Schnellchen
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Beitrag von Schnellchen »

Nein - Joachim - du sollst nicht den Spiegel kritisiere. Meine Kritik ging dort auch nicht in Richtung Spiegel, sondern dass die Abkassierer nur dort erwähnt wurden. Nicht aber die Behandlung in anderen Praxen, wo nicht so abkassiert wird wie in Düsseldorf (die Methode ist ja wohl mehr als vor den Kopf stoßend). Und die Abkassierei ohne Ursachenforschung wie sie in Düsseldorf geschieht und teilweise auch im Spiegel beschrieben wird ist wirklich abschreckend. Nur ist das glücklicherweise nicht in jeder Praxis der Fall (meine hatte sich z.B. mit der Abrechnung der ersten ICSI Zeit gelassen von Juni = Behandlung bis November = Rechnung).

Sicher wird auch in dem Spiegelbeitrag die Ursache zur Unfruchtbarkeit bei Männlein und Weiblein außer Acht gelassen. Ich denke aber, das wäre einen Extra-Artikel wert. Nur schade halt, dass sich dort wirklich nur auf die eine Gruppe konzentriert wird und die anderen halt - wie immer - außen vor bleiben.. Aber sonst würden wohl auch nicht so viele den Artikel lesen, denn wer möchte schon darüber aufgeklärt werden - egal ob Mann oder Frau -, dass es immer häufiger vorkommt, dass man / frau unfruchtbar ist?
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo Joachim,

noch mal ich. Also ich bin ja lernfähig. :wink: Aaaber mir wäre es neu, wenn im Rahmen der ICSI, also nach Samengewinnung, im Blitzverfahren ausser der morphologischen Untersuchung auch eine Chromosomananalyse des eunzelnen gewonnenen Samens gemacht würde. *wunder*
Hast du da in eurer Praxis andere Erfahrungen gemacht? Wir waren auch ICSI Kandidaten, aber ohne diese spezielle CA.
Eine 'normale' wurde bei uns schon im Vorfeld gemacht.

Grüße,

Barbara
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Beitrag von Barbara »

Könnte man sich in der Terminologie auf Ursachen einigen?
Schnellchen
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Beitrag von Schnellchen »

Noch ein Nachtrag

Bei uns wurde weder im Vorfeld noch während der Behandlung jemals eine ICSI gemacht. Mein Mann hatte einen nicht operierten Hodenhochstand sowie als junger Mann eine Hodentorsion. Lediglich ein Spermiogramm wurde gemacht, und festgestellt, dass aufgrund der Qualität der Spermien lediglich die ICSI infrage kommt. Bei der eigentlichen ICSI kam übrigens heraus, dass sich aufgrund von Padutin (hatte er 30 Tage lang genommen) das Spermiogramm so verbessert war, dass sogar eine IVF infrage gekommen wäre.

Aber Chromosomenanalyse wird wohl in den wenigsten Praxen durchgeführt. Ich habe lediglich mal gelesen, dass bei Prof. Würfel in München diese durchgeführt wird. Andere Praxen / Kliniken sind mir nicht bekannt.

Iris
joachim
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Beitrag von joachim »

Hallo Iris,

meine Kritik war definitiv nicht persönlich gemeint, das weißt Du ja.

Der Spiegel hatte sich die "führenden" Praxen in Deutschland angeschaut (was sich auf Behandlungszahl und damit auch Erfolgszahl bezieht) - das ist meiner Meinung nach eher ein Anzeichen für professionelle Recherche. Und wie es da aussieht, ist aus meiner Sicht korrekt beschrieben.

Zum Thema "Fruchtbarkeit" und Interesse bin ich anderer Ansicht. Das wäre schon einen Beitrag wert, das würde VIELE interessieren. Es könnte helfen, dass Männer sich z.B. frühzeitig untersuchen lassen würden, um nicht erst nach Heirat und fataler Diagnose in eine Sinnkrise zu fallen... (Das könnte dann natürlich auch zu Fehlentscheidungen führen, weil man sein Glück dann nicht beim Schopf packt, aber...)

Unser KiWu-Arzt hat uns in diesem Zusammenhang von seinem härtesten Fall erzählt, der vermutlich auch Dich als erfahrene Moderatorin hier überraschen und schockieren wird: Eine Mutter schleppte Ihren 12-jährigen Sohn in die Praxis, um sein Sperma vor einer notwendigen Chemotherapie (Krebs) einfrieren zu lassen, und ihm die Chance zu sichern, nach erfolgreicher Therapie Vater werden zu können... Der Arzt mußte dem Kleinen beibringen, wie man eine Samenprobe gewinnt...
Das ist Stand der Reproduktionsmedizin in Deutschland im Jahre 2001! Und da können mich dann die Überlegungen von Prof. Djerassi nun wirklich nicht mehr schocken...

Joachim
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