Wir, Frau 32, Mann 34, sind ein Kinderwunschpaar aus Bremen und neue Forumsteilnehmer.
Wir haben hier im Forum viele Einträge gelesen, worin es um die Frage ging, wie man mit der neuen gesetzlichen Situation umgehen könnte. Um es kurz zu machen: Nach unserer Auffassung, macht es keinen Sinn, sich großartig mit seiner KK auseinander zu setzen, denn die werden sich stumpf auf die neuen Regelungen berufen (Kostenargument !) und ihre Versicherten im Regen stehen lassen. Aus diesem Grund muss das Gesetz, konkret der neue § 27 a SGB V, angegriffen werden. Das geht aber nur, wenn der Verfahrensweg beachtet wird.
Hierzu kurz unsere Geschichte:
Unsere erste ICSI (September 2003) endete mit einer Fehlgeburt in der 6. SSW. Wegen der Gesundheitsreform und der absehbaren Schwierigkeiten mit unserer KK haben wir im Oktober bei der KK die Kostenübernahme für vier neue ICSI´s auf der Grundlage des damals ja noch geltenden Rechts beantragt. Das wurde natürlich prompt abgelehnt. Begründung: Ab 01.01.2004 wird ja alles anders und vorher werde nur noch eine ICSI bezahlt, wenn diese bis zum 31.12.2003 begonnen wurde. Dieser Versuch werde dann aber natürlich auf die nach neuem Recht vorgesehenen drei Versuche angerechnet.
Dagegen haben wir fristgerecht Widerspruch eingelegt und diesen wie folgt begründet:
Nach unserer Auffassung ist der neue § 27 a SGB V verfassungswidrig und damit unwirksam.
Wir argumentieren dahingehend, dass die Neuregelung gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (Gleichheitsgebot), Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz von Ehe und Familie) iVm. Art. 2 Abs. 1 GG (Freie Entfaltung der Persönlichkeit), Art. 20 Abs. 1 GG(Sozialstaatsprinzip) sowie gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes verstößt.
In Stichworten:
- Der Verstoß gegen das Gleichheitsgebot besteht unserer Meinung nach darin, dass die Gruppe der ungewollt Kinderlosen ungleich gegenüber vergleichbaren Gruppen von Versicherten belastet wird und dass diese Ungleichbehandlung willkürlich erfolgt.
- Der Verstoß gegen den Schutz von Ehe und Familie und die freie Entfaltung der Persönlichkeit besteht darin, dass durch die Neuregelung unzulässigerweise in die Familienplanung der Versicherten eingegriffen wird, da die Realisierung des Kinderwunsches zu einer reinen Kostenfrage wird, und einkommensschwache Versicherte dazu gezwungen werden ggf. auf den Kinderwunsch zu verzichten.
- In dieselbe Richtung zielt die gerügte Verletzung des Sozialstaatsprinzips, denn durch die Neuregelung wird es darauf hinauslaufen, dass sich die Frage des Nachwuchses am Portemonnaie entscheidet. Also: "Kinder(wunschbehandlung) nur noch für Reiche".
Der Knackpunkt in diesem Zusammenhang (1.-3. Spiegelstrich) ist nach unserer Meinung hier der, dass der Gesetzgeber - anders als in der Gesetzebegründung angegeben - es versäumt hat, wie in allen anderen Fällen eine Obergrenze der finanziellen Belastarkeit festzulegen (2 bzw. 1 Prozent des Bruttoeinkommens).
- Der Verstoß gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes besteht darin, dass durch die Anrechnung des aktuellen Versuches für "Altpaare" auf die nach neuem Recht vorgesehenen drei Versuche eine unzulässige Rückwirkung konstruiert wird, da eine Rechtsvorschrift, die es erst ab dem 01.01.2004 gab, auf Vorgänge angewandt wird, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begründet wurden.
Im übrigen - unabhängig von den vorstehenden Ausführungen - haben wir in unserem Widerspruch auch die Gesetzesbegründung des § 27 a SGB V angegriffen, wonach durch die Reduzierung auf drei Versuche das Kriterium der hinreichenden Erfolgssaussicht gewahrt werde. Wir haben dargestellt, dass in Deutschland die medizinischen Möglichkeiten wegen des blöden Embryonenschutzgesetzes ohnehin schon nicht ausgeschöpft werden können und es deswegen keinen Sinn macht, die Zahl der Versuche von vier ohne Erläuterung warum auf drei Versuche zu reduzieren.
Zurück zum Verfahren:
Unsere KK hat uns mitgeteilt, dass der Widerspruch jetzt vom Widerspruchsausschuß barbeitet werde. Da wir damit rechnen müssen, dass auch der Ausschuß dem Widerspruch nicht abhelfen wird, wird der nächste Schritt die Klage vor dem Sozialgericht sein.
Da der 27 a SGB V als solcher angegriffen wird, steht dieser Weg auch jedem Paar offen. Beachtet werden muss lediglich, dass ein Antrag auf Kostenübernahme nach altem Recht gestellt werden muss, und dass in dem sich anschließenden Verfahren (s. oben) di Verfahrensfristen gewahrt werden (Widerspruchsfrist und ggd. Klagefrist).
Soviel für jetzt. Wir sind für Stellungnahmen und Anregungen sehr dankbar und wünschen allen Kinderwünschis viel Erfolg, sei es bei eventuell laufenden Versuchen oder in der Auseinandersetzung mit der KK.


