Gespräch mit Gudrun Schaich-Walch und Erika Ober am 05. Mai

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JBB
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Beitrag von JBB »

@Ovaria
Danke für den Link zu dieser traurigen Geschichte. Heute morgen wäre mein Termin für die FU gewesen. Ich bin froh, dass ich den abgesagt habe.

@Urmel
"Bei jungen Frauen (bis zum 20. Geburtstag) übernehmen die meisten Krankenkassen die Kosten."
http://www.profamilia.de/article/show/1119.html
Liebe Grüße
Bea

mit zwei erwachsenen ICSI Kindern
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Für mich wäre die FU nach meiner Vorgeschichte auch auf gar keinen Fall infrage gekommen.

Asiza ? wohl dem, der sowas nicht erleben muß. Sie liefert eine gute Beschreibung, wie die Umwelt mit solchen Betroffenen umgeht. Bei mehr Rückhalt hätte sie dieses Kind vielleicht doch ausgetragen. Ich wäre dafür, daß man die PID bei bestimmten Risikogruppen durchführen kann. Als Standard würde ich es nicht so gut finden. Man kann ja auch nicht auf alles untersuchen. Im Fall von Asiza lag ein altersbedingtes Risiko vor. Ein mongloides Kind kann aber durchaus glücklich werden und ist auch nicht unbedingt ein sehr schwerer Pflegefall.

Gruß, Rebella
JBB
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Beitrag von JBB »

Annbylla und Rebella,

wie ist das Gepräch verlaufen? Ich bin schon ganz gespannt!
Liebe Grüße
Bea

mit zwei erwachsenen ICSI Kindern
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo, Euch allen,

das Gespräch hat heute stattgefunden. Ein Gesprächsprotokoll schreibe ich noch zusammen mit Anbylla, bevor wir es hier einstellen. Zunächst mal kopiere ich Euch die Informationen, die wir dazu auch noch mal in schriftlicher Form abgegeben haben.

Liebe Grüße, Rebella
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Bisherige Tendenzen der Auswirkungen der Gesundheitsreform auf IVF / ICSI


a) Zitat Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland:
?Seit 1.1.2004 hat die Zahl der Inanspruchnahme von psychosozialer Beratung spürbar zugenommen. Auch Adoptionsstellen verzeichnen eine steigende Nachfrage, während reproduktionsmedizinische Zentren über einen Rückgang bis zu 40% berichten.

Außerdem lässt sich nach Angaben von Petra Thorn vom BKiD-Vorstand eine Zunahme der Fremdsamenbehandlungen beobachten, nachdem die teure intracytoplasmatische Spermieninjektion, die vor allem bei der männlichen Fruchtbarkeitsstörung eingesetzt wird, nur noch teilweise kassenfinanziert wird.?

b) Der bisherige durchschnittliche EBM-Punktwert von 3,5 Cent hat sich zum 1.1.2004 auf 5,11 Cent erhöht. Der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschland e.V. hat die Ärzte aufgefordert, einheitlich mit 5,11 Cent zu kalkulieren. Bisher ist uns zumindest kein Fall bekannt, in dem weniger kalkuliert wurde. Das entspricht einer Erhöhung von knapp 50%! Die Reduzierung der Anzahl der Patienten wird damit mehr als ausgeglichen. Viele Praxen, die bisher Selbstzahlern noch den 1-fachen GOÄ-Satz angeboten haben, haben diesen jetzt auf mindestens 1,5-fach erhöht, um nicht unter den per EBM abgerechneten Kosten zu liegen.
Die gesetzlichen Kassen sparen somit also nicht wie geplant 3,5 Cent pro Punkt, sondern nur 0,95 Cent pro Punkt. ?Gespart? wird daher mehr an den Paaren, die sich die hohe Zuzahlung nicht leisten können und daher auf ihr Wunschkind verzichten müssen.

Bei den Medikamentenkosten wird ? zumindest bei den Kassen - mehr als die Hälfte gespart, weil die Patienten sich durch den Eigenanteil zunehmend die Medikamente im Ausland beschaffen, wo sie wesentlich günstiger sind. Interessant wäre es, daraus die steuerlichen Mindereinnahmen und den Verlust an Apotheker-Arbeitsplätzen zu ermitteln.

c) Laut einer amerikanischen Studie (Frankfurter et al: Fertil Steril Supplement; O-135 (1998) neigen Selbstzahler dazu, sich die maximale Anzahl von Embryonen transferieren zu lassen, um maximale Erfolge zu erzielen. Das wiederum führt aber zu vermehrten Drillings- und Zwillingsschwangerschaften, die wiederum höhere Kosten der GKV produzieren. Das D.I.R. 2004 wird darüber ? leider erst Ende 2005 ? Auskunft geben, wie sich das bei uns ausgewirkt hat. Dr. Michael Thaele, Vorsitzender des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren, rechnet mit einer 36%igen Steigerung der Mehrlingsgeburten und einer daraus resultierenden Kostenerhöhung von 17%. Im Vergleich zur Geburt eines einzelnen Kindes kostet die nachgeburtliche Versorgung für Zwillinge das Vierfache, für Drillinge sogar das Zehnfache.

d) Zahlen über mehr Behandlungen im Ausland liegen uns bisher nicht vor. Häufigere Anfragen im Forum lassen jedoch darauf schließen. In vielen Nachbarländern sind die Kosten geringer und die Erfolgsquoten höher, weil keine Behinderungen durch ein restriktives Embryonenschutzgesetz.

e) Einige Paare sparen jetzt erstmal auf einen Versuch. Das Markabere daran ist: Je länger sie sparen müssen, desto mehr sinkt ihre Aussicht auf Erfolg, weil sie dabei selbst immer älter werden.











Universität Brüssel


http://www.ulb.ac.be/erasme/edu/FIV/ger/D.htm


Rate der Schwangerschaften und Geburten pro Follikelpunktion
je nach Folgenummer des Versuchs


















Ungewollte Kinderlosigkeit ist eine Krankheit.


Nach der Definition der WHO ist ungewollte Kinderlosigkeit eine Krankheit. Es liegt ein regelwidriger Zustand des Körpers [des Geistes oder der Seele] vor, der der Krankenbehandlung bedarf. Der Bundesgerichtshof stellt in einem Urteil vom 17. Dezember 1986 fest, daß ungeachtet der jeweiligen Ursache im Tatbestand Fortpflanzungsunfähigkeit Krankheit zu sehen ist. (Neue Juristische Wochenzeitschrift 1987; 703 ? 704;II2 b:BGH-Urteil vom 17.12.1986 ? IV a ZR 78/85)

Soziologisch ist Krankheit eine Krise, die aus der Einschränkung der Handlungsfähigkeit des Individuums resultiert. Die Profession des Arztberufes ist die stellvertretende Krisenbewältigung (vgl. Oevermann 1998).

Unstrittig ist, daß Sterilität ( ICD 10 = Internationale Klassifikation der Krankheiten ) eine anerkannte Krankheit ist, Fortpflanzungsbeinträchtigung von medizin. Gutachtern als Behinderung/ körperliche Funktionsstötrung ( in D ?AHP ? 2003 vom Bundessozialgericht anerkannte ?Anhaltspunkte? f.d. ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem ( früher Schwerbehindertengesetz" inzw. SGB IX), auch n. WHO-definition ?ICF? = Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit ,eingestuft wird. Gültige Klassifikationen der Sterilität ( siehe dazu: http://www.dimdi.de/de/klassi/index.htm )
ICD 10 : N97 + N46 ICF: b 660 + b 6600 AHP: 26.13 + 26.14

Bei der Behandlung der Sterilität werden Operationen, Hormongaben, Zyklusmonitoring mit Blutanalysen u. Ultraschall , IUI als medizinisch sinnvolle therapeutische Massnahmen anerkannt und erstattet. Nur wenn eine direkte Zeugungshilfe medizinsch notwendig wird ( IVF / ICSI ) dann liegt plötzlich keine Krankheit oder erstattungsfähige Behandlungswürdigkeit mehr vor ?

Zitat: ?Die Fortpflanzungsfähigkeit gehört zu den biologischen Grundvoraussetzungen des menschlichen Lebens wie Ernährung, Bewegung und Kommunikation. Störungen derselben stellen somit ein erhebliches biologisches Defizit dar.? [Gisela C. Fischer, ?Falsches Signal?, GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE, Nr. 8 ? August 2003 ? Seite 16 ff., http://www.fertinet.de/news/temp/Fischer-gpk-08-03.pdf]






















Weitere Gründe für die Notwendigkeit einer sozialverträglichen Lösung


a) Fortpflanzungsfreiheit ist auch international als Menschenrecht anerkannt, u.a. in der UNO-Frauenkonvention (Art. 16, 1). Sie garantiert ?das Recht auf freie und verantwortliche Entscheidung über die Zahl der Kinder und den Abstand der Geburten?. ?Heiratsfähige Männer und Frauen haben ohne jede Beschränkung auf Grund der Rasse, der Staatsangehörigkeit oder der Religion das Recht, zu heiraten und eine Familie zu gründen...? (http://www.uno.de/menschen/index.cfm?ctg=udhr ]

b) Laut EU-Charta gibt es das Grundrecht auf das Gründen einer Familie und das Verbot von Diskriminierung ( bei Behinderung):
Artikel 9 Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen: Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln.

Artikel 21 Nichtdiskriminierung : (1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.

c) Unerfüllter Kinderwunsch ist nach WHO eine Krankheit. Eine künstliche Befruchtung kann bei Erfolg diese Krankheit heilen. In den meisten Fällen haben die betreffenden Paare diesen Zustand nicht selbst verschuldet, leiden aber stark darunter. Treffen kann es jeden. Manche Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit sind im allgemeinen gesellschaftlichen Verhalten unserer Zeit zu suchen. Wenn z.B. ein Mitarbeiter der Tankstelle ein eingeschränktes Spermiogramm hat, sind dafür alle mit verantwortlich, die Auto fahren (oder sich fahren lassen).
Die Entscheidung, ob sie zur Erfüllung ihres Fortpflanzungsbedürfnisses eine künstliche Befruchtung durchführen lassen will, muss die Patientin jedoch unabhängig von ihren finanziellen Mitteln treffen können.

d) ?Laut §10 SGB I hat jeder, der körperlich, geistig oder seelisch behindert ist, oder dem eine solche Behinderung droht, unabhängig von der Ursache seiner Behinderung ein ?soziales Recht? auf Hilfe, um ihm einen seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz in der Gemeinschaft, insbesondere im Arbeitsleben zu sichern. Rehabilitation ist damit nicht die Heilung oder Linderung von Krankheiten, sondern vielmehr die Beseitigung, der Ausgleich oder die Minderung der durch Krankheit verursachten Folgeschäden in Beruf, Familie und Gesellschaft.? (Gisela Fischer, ?Falsches Signal?, Gesellschaftspolitische Kommentare Nr.8 ? August 2003 ? Seite 16 ff., http://www.fertinet.de/news/temp/Fischer-gpk-08-03.pdf)

e) Kinder sind nicht nur Privatsache der Eltern, sondern auch ?gesellschaftliches Humankapital?. (Renten, Sozial- und Steuerkassen)








Volkswirtschaftliche Berechnungen

Für 21 Mio Kinder und Jugendliche, welche im Haushalt ihrer Eltern leben, werden 300 Mrd. Euro aufgewendet. (dbb magazin Oktober 2003, ?Mehr Kinder braucht das Land?). Danach wird für jedes Kind ein Betrag von 14.285 Euro pro Jahr aufgewendet. Dieser Betrag beinhaltet sämtliche Unterhaltskosten sowie den von den Eltern erbrachten durchschnittlichen Zeitaufwand, welcher mit dem Durchschnittseinkommen bewertet ist. Zieht man davon für eine konservative Berechnung 4.285 Euro für den Zeitaufwand der Eltern ab, dann setzt jedes Kind im Schnitt 10.000 Euro pro Jahr um.

12.000 IVF / ICSI ? Kinder würden damit pro Jahr 120 Mio. Euro Umsatz bewirken, in 20 Jahren 2,4 Mrd. Euro. Daraus resultieren bei Arbeitskosten je vollzeitbeschäftigtem Arbeitnehmer in Höhe von rund 44.800 Euro im Jahr (Quelle: http://www.destatis.de/themen/d/thm_loehne.htm) rund 53.500 Arbeitsplätze.


Ein Beschäftigter mit einem Durchschnittsbruttoeinkommen von 30.000 Euro im Jahr bringt

(1) den Krankenkassen 4.200 Euro (14%)
(2) der Rentenversicherung 5.850 Euro (19,5%)
(3) der Arbeitslosenversicherung 2.100 Euro (7%)

Angenommen, jedes Jahr erblicken 12.000 IVF / ICSI Kinder die Welt und das über 20 Jahre, dann bedeutet das als Primärfolge Mehreinnahmen pro Jahr für die

(1) Krankenkassen: 4.200 * 53.500 = 224.700.000, sprich: 224,7 Mio. Euro
(2) Rentenversicherung 5.850 * 53.500 = 313.000, sprich: 313 Mio. Euro
(3) Arbeitslosenversicherung: 2.100 * 53.500 = 112.000.000, sprich: 112 Mio. Euro

Und dies sind nur die primär entstehenden Abgaben. Denn man muß ja rechnen, daß diese Beschäftigten auch mehr ausgeben können, was wieder Arbeitsplätze schafft.

Fazit:

Allein die durch den Konsum der IVF/ ICSI-Kinder in den ersten 20 Lebensjahren primär geschaffenen Arbeitsplätze führen so viel Geld an die Krankenkassen ab, daß sich die Kosten der IVF / ICSI bereits daraus bestreiten lassen.
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Stella38
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Beitrag von Stella38 »

Rebella und Anbylla, diese Fakten sind so toll zusammengestellt, ist das nicht nochmal für Presse/TV verwendbar?

Dickes Lob erst mal!!!!
Liebe Grüße
Stella38, Katzenmama Bild

20 Jahre hier, die Zeit rennt!
*******
Bild



1 Abbruch vor PU November 03
3. ICSI negativ 2004/2005

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Mit Schreiben und Lesen fängt eigentlich das Leben an (aus einer Wachstafel mit Schülerübungen aus Mesopotamien, 4-5 Jh. n. Chr.)
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Beitrag von rebella67 »

Naklar, die Verwendung zu jedem Anlaß ist ausdrücklich erwünscht.

Ich habe das Protokoll von meiner Seite jetzt auch fertig und hoffe, daß ich es morgen mit Anbyllas Ergänzungen einstellen kann.

Gruß, Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Protokoll des Gesprächs:

5. Mai 2004, Beginn: 15:10 Uhr, Ende: 16:05 Uhr

Anwesende:
Frau Dr. Erika Ober (SPD, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag, Gynäkologin)
Herr ?. ( ?)
Herr Prof. Heribert Kentenich (Reproduktionsmediziner im DRK-Krankenhaus Berlin-Westend)
Anbylla und Rebella aus dem Kinderwunschforum

Frau Schaich-Walch war wegen anderer Termine verhindert. Sie hat sich aber persönlich bei uns entschuldigt.

Thema: ?Unzumutbare Belastungen und Notwendigkeit einer sozialverträglichen Lösung für ungewollt Kinderlose bei der Eigenbeteiligung für IVF / ICSI?

Schwerpunkte:
- Bisherige Tendenzen der Auswirkungen der Gesundheitsreform auf IVF / ICSI
- Definition der Ungewollten Kinderlosigkeit als Krankheit
- Gründe für die Notwendigkeit einer sozialverträglichen Lösung
- Vorschläge zur Problemlösung



1. Anbylla bedankt sich und alle Anwesenden stellen sich kurz vor

2. Anbylla nennt ein paar grundsätzliche Zahlen zum Thema. Sie betont, daß es uns nicht um eine 100%-ige Kostenübernahme geht, sondern um eine sozialverträgliche Lösung und darum, daß niemand aus Kostengründen auf die Behandlungen für ein Wunschkind verzichten muß.

3. Herr Prof. Kentenich nennt die aus seiner Sicht wichtigsten Fakten

- Bei den privat Versicherten hat es gegenüber dem letzten Jahr keinen Rückgang bei der Anzahl der Behandlungen gegeben.
- Bei den GKV- Versicherten hat es einen Rückgang um 20 - 40% gegeben. Die 40% betreffen eine große Anzahl der Praxen, speziell in sozialen Brennpunkten wie z.B. Berlin und Magdeburg
- Er bezeichnet die teilweise Streichung der Leistungen als ein populistisches Opfer. Es gab keinen Widerstand, auch nicht von den Behandlungszentren. Die Reproduktionszentren stehen dadurch nicht schlecht da, weil sie weiterhin Cash bekommen.
- Familienpolitisch ist das aber eindeutig ein falsches Signal.
- Besonders betroffen sind finanziell schlecht gestellte Paare, die sich auch zu einem großen Teil nicht richtig artikulieren können.
- Ist die Untergrenze bei 25 sinnvoll? ? Es wird bemängelt, daß der Kinderwunsch immer später realisiert wird (derzeit mit durchschnittlich knapp 30 Jahren, wo die Fruchtbarkeit bereits abnimmt). ? Und: Warum soll sie warten, wenn er ein absolut schlechtes Spermiogramm hat?
- Ist die Obergrenze bei 40 sinnvoll? ? Bei 40 ist keine Zäsur, die ist erst bei 43. Sonst hätte man den Schnitt schon bei 35/36 machen müssen.
- Er legt britische Zahlen vor, bei denen ein kleiner Knick bei der Erfolgsrate pro Versuch erst nach dem 5. Versuch zu erkennen ist. Danach gab es bei dem ersten Versuch eine Geburtenrate von 24% und bei dem zweiten bis fünften Versuch Geburtenraten zwischen 17 und 19%.
- Ist die Obergrenze beim Mann über 50 sinnvoll? ? Oft sind 30-jährige mit 50-jährigen verheiratet. Warum sollen sie dann keine Kinder mehr bekommen? ? Auch medizinisch betrachtet macht diese Grenze keinen Sinn.
- Die Grenze ist ökonomisch / fiskalisch gezogen worden.
- Wir werden das Thema wohl weiterhin gesellschaftlich gut totschweigen können.

4. Frau Dr. Ober dazu:

- Sie habe keine populistische Diskussion geführt. Sie habe z.B. mehrmals mit dem Dachverband, mit Herrn Dr. Michael Thaele telefoniert.
- Sie wolle den Sommer abwarten und dann sehen, wie sich manches entwickelt, dann erst erneut diskutieren.
- Mehrmals betont sie, daß die Leistungen ja ganz gestrichen werden sollten und daß sie sehr froh über diese Kompromisslösung war/ ist. Sie persönlich habe sich für eine geringere Eigenbeteiligung eingesetzt.
- Sie hätte nicht englische Zahlen diskutiert, sondern deutsche. (Auf den Einwand des Prof. Kentenich, es gäbe keine deutschen Zahlen dazu, das D.I.R. würde sie nicht hergeben, reagierte sie nicht.)
- Sie war erstaunt, daß der Rückgang ?nur? bei 40% lag, sie hätte höhere Zahlen bekommen.
- Frau Dr. Ober ist auch der Meinung, man müsse etwas für die allg. Akzeptanz der KB in der Öffentlichkeit tun.

5. Rebella trägt die Fakten zu den bisherigen Tendenzen der Auswirkungen vor

- siehe dazu das Posting von gestern
- Auf die Information, daß aufgrund der hohen Kosten für ICSI bereits eine Zunahme bei Fremdsamenbehandlungen zu beobachten ist, reagierte Frau Ober recht schockiert. Zuerst mussten wir ihr das näher erklären und die Quelle war ihr wichtig. Prof. Kentenich konnte diesen Trend auch bestätigen.
- Daß der EBM-Punktwert sich erhöht habe, bestritt sie sofort. Das wäre eine falsche Information. Es konnte jedoch herausgestellt werden, daß bei den Verhandlungen um den abzurechnenden Punktwert die Anzahl der Behandlungen eine Rolle spielt. Je weniger Behandlungen durchgeführt werden, desto höher der Punktwert. Insofern war Frau Dr. Obers strikte Zurückweisung dieser Tatsache von uns nicht nachzuvollziehen.
- Die anderen Punkte wurden nach der Nennung nicht näher diskutiert.

6. Rebella stellt diese Fragen und erhält darauf gleich Antworten:

- Ist es mit den allgemeinen Menschenrechten (Grundgesetz, Europäische Gesetzgebung) und den Bürgerrechten vereinbar, wenn reproduktiv behinderte Menschen durch gesetzliche Restriktionen an der Wahrnehmung eines elementaren Menschenrechts ? Fortpflanzung ? gehindert werden oder wenn finanziell schlechter gestellten Paaren medizinische Hilfe verwehrt wird? Wurde das mal geprüft? Nein, das wurde nicht geprüft. Herr Prof. Kentenich meinte dazu, dann müssech das Zahlen eines BVG-Fahrscheines nicht mit den Menschenrechten vereinbar sein. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit, haben wir hier auf eine nähere Diskussion verzichtet.
- ?Reproduktionstourismus? ? ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Paare jährlich die Behandlung von In-/Subfertilität im Ausland durchführen lassen? Nein, solche Zahlen sind nicht bekannt.
- Plant oder überdenkt die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode die Vorlage eines ?Fortpflanzungsmedizingesetzes?? Zu dem Thema konnte Frau Dr. Ober nichts sagen, weil es nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt.
- Frau Dr. Ober, Sie weisen in Ihrem Dokument: ?Eingeschränkte Kassenleistung? darauf hin, daß eine Herausnahme der Leistung aus dem Katalog bedeuten würde, daß eine Qualitätskontrolle durch die Kassen nicht mehr gegeben wäre. Warum ist das nicht so wichtig bei heterologen Befruchtungen? Frau Dr. Ober bekräftigt, daß dieser Punkt wirklich sehr wichtig ist. Allerdings würde diese Qualitätskontrolle bei allen selbst finanzierten Versuchen nicht stattfinden. Das sei nun mal so. Rebella nennt einige Auswirkungen durch die fehlende Qualitätskontrolle bei HI: Inseminationen mit Fremdsperma ohne die vorgeschriebene Quarantänezeit (Aidsgefahr) / Unverantwortliche Medikamentengaben (z.B. Clomifen länger als 6 Zyklen) / Stimulation ohne Pausen / Keine Bauchspiegelung nach dem 4. Versuch / Gabe von Hormonen ohne Kontrolle (Ultraschall, Blutunters.), auch nicht vor der Insemin. / Keine vertragliche Absicherung (besonders wichtig für das Kind) / Spenderdaten werden manchmal gar nicht aufbewahrt, keine späteren Mglk. für das Kind Herr Prof. Kentenich erwidert darauf, daß hier eine Veränderungen bei den Richtlinien vorgesehen sei (wohl auch schon etwas konkreter) und daß solche Fälle dann damit ausgeschlossen werden können.

7. Lösungsvorschläge

- Annbylla schlägt eine Fondslösung oder eine Art Bafög-Lösung vor, die bei Frau Dr. Ober auf offene Ohren stößt.
- Herr Prof. Kentenich sagt, im gemeinsamen Ausschuß könne man noch was zum Vorteil der Kinderwunschpatienten regeln. Frau Dr. Ober sieht das zunächst nicht so. Alles, was im Gesetz steht, lässt sich jetzt erstmal nicht ändern. Herr Prof. Kentenich sagt aber, z.B. hätten Frauen nach einer Fehlgeburt zur Zeit keinen Anspruch auf weitere Versuche. Das würde nicht so genau im Gesetz stehen und da könne man noch was machen.
- Rebella verweist auf ihre Berechnungen, die sie mit abgegeben hat. Die eine zeigt, daß die Kinder in ihren ersten 20 Lebensjahren durch die durch ihren Konsum geschaffenen Arbeitsplätze und die daraus resultierenden Krankenkassenbeiträge für die volle Erstattung der Beträge zu ihrer Entstehung sorgen. Die zweite macht den Vorschlag, eine freiwillige Zusatzrentenversicherung in der Art eines Aktienfonds zu schaffen. Die Beiträge würden für die Behandlungen benutzt. Dafür enthalten alle Einzahler später einen entsprechenden Anteil an den Rentenbeiträgen der Kinder.
- Außerdem wurde über die Möglichkeit gesprochen, daß die Kosten von familienpolitischer Seite getragen werden. Es sieht im Moment nicht so aus, daß von der Seite was zu erwarten ist. Frau Dr. Ober ist auch der Auffassung, mit ICSI / IVF könne man keine Familienpolitik machen.
- Frau Dr. Ober schlägt vor, daß wir uns in der Sache auch noch an die Patientenbeauftragte wenden und an die Patientenvertretungen, mit denen sie hauptsächlich zusammen arbeitet. Außerdem sollten wir uns an den Bundesausschuß + Patientenverbände wenden.

Rebella
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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

Liebe Rebella und Anbylla,

vielen Dank für diesen umfassenden Bericht! Das klingt ja nach einem sachlichen Gespräch, wollen wir mal hoffen, dass nicht alles Wahlkampf ist....

Besonders interessant fand ich auch Rebellas Zusammenfassung über die Auswirkungen der Gesundheitsreform - wesentlich geringere Einsparungen als geplant und eine (ja zu erwartende) Erhöhung des Mehrlingsrisikos.
Bei den Medikamentenkosten dürfte auch deswegen gespart werden, weil viele Kiwu-Medikamente seit 1.1.2004 ja auch in D signifikant im Preis gesunken sind -was ja eine positive Entwicklung ist.
Nur ob das alles in Relation zu den neu entstehenden Kosten durch Frühgeburten steht??? :roll: :roll: :roll: Ganz abgesehen von den ethischen Fragen - selbst, wenn die aktuelle "Lösung" nicht mehr kostet, finde ich eine Erhöhung des Risikos ethisch höchst fragwürdig.
Da kann man nur hoffen, dass auch die Krankenkassen diese Berechnungen durchführen.

Liebe Grüße und vielen Dank für Eure Initiative!

Mondschaf
Mit zwei Jungs geboren 2004 und 2007

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ – J. W. von Goethe

„Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es (zu) dir - für immer.“ - Konfuzius

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JBB
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Beitrag von JBB »

Hallo Rebella und Anbylla,

nochmals herzlichen Dank für eure Mühen!!!

Habe ich es überlesen oder was haben die dazu gesagt, warum die Zuzahlung nicht an das Einkommen der Paare gekoppelt wird, um eine sozial gerechte Lösung zu finden?

Zu dem Vorschlag mit der Fondslösung würde mich interessieren, wo das Geld dazu herkommen soll.

Auf jeden Fall war es sehr wichtig, dass unser Problem von den Verantwortlichen nicht einfach "vergessen" wird, so dass so ein Gespräch so oder so sehr wichtig war. Danke!
Liebe Grüße
Bea

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