Warum?

Unsere Hauptkategorie. Hier wird über alles rund um den Kinderwunsch diskutiert. :-)
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troja
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Beitrag von troja »

Hallo, ich versuch es auch mal. Bei mir treffen sicher alle möglichen Gründe zu und ich will das bisher geschriebene noch ergänzen:

VOR dem "Problem"
als Teenager, als Studentin, war es, wie bei vielen, einfach "klar": Meine Vorstellungen von der Zukunft hatten ebenfalls die Konstante "mit Kind". Bei diesem Thema stand nur im Vordergrund, wie schwer es sein würde, Kinder mit einem spannenden Beruf zu verknüpfen. Und, den richtigen Zeitpunkt zu finden, schliesslich meinte man, solche Dinge kontrollieren zu können.

Damals war der Wunsch einfach da und nicht weiter analysiert, differenziert, nicht besprochen oder diskutiert. Warum auch.?

Dann war ein Partner da, mit dem man sich das vorstellen konnte.

Und - nach einigen Jahren (7 Jahre), ein relativ sicheres Gefühl, dass es immer noch der richtige ist (an einen Partner, der als Vater fungieren soll, stellt man deutlich höhere Ansprüche...) und dann auch noch der vermeintlich richtige Zeitpunkt.

Natürlich wurde der Wunsch selber wieder nicht in Frage gestellt. Beide hatten den Wunsch so stark, so eindeutig, dass es überflüssig erschien. Es werden lieber andere Dinge diskutiert, die nicht so eindeutig sind. Heiraten ja/nein, allgemeine Lebenskonzepte, Treue, Karrierewünsche, Stellenwert von Geld, Arbeit, Haus und Garten etc. Der Kinderwunsch ist zu dem Zeitpunkt noch eindeutig stärker bei mir als bei ihm - da tickt bereits die Uhr etwas lauter - (Alter damals: 28 Jahre)

Dann (bisher) 6 Jahre unerfüllter Kinderwunsch. Stark schwankende Gefühle und Stimmungen.

Mit einem ansonsten erfüllten, interessanten, schönen Leben gibt es immer mal wieder sehr fröhliche Phasen, in denen man sich ein Leben ohne Kinder sehr gut vorstellen kann. Das hat auch viele Vorteile....klar.. Ich kann mir sehr gut vorstellen, eventuell noch ein paar Jahre ohne Kinder zu leben. Aber dann, immer wenn mir einfällt, dass es sein kann, dass es NIEMALS klappt, dann falle ich in ein riesiges furchtbares Loch.

Deine berechtigte Frage nach dem WARUM stelle ich mir erst seitdem ich dieses Gefühl manchmal aushalten muss. Ich habe eine so intensive Trauer noch nie erlebt. Alles tut dann weh. Vor allem dort, wo der Körper beteiligt ist: im Bauch, mitten im Körper. Deshalb wollte ich es auch wissen.

Und es sind so viele Gründe. Ich weiss nicht, welcher der wichtigste für mich ist und warum ich wirklich so traurig bin. Es sind alles nur Erklärungsversuche.

1. Grenzenlose Neugierde auf das Wunder
Vielleicht für mich der wichtigste: ich fühle mich um eine Riesenerfahrung gebracht. Ich habe die Vorstellung, im Kinder bekommen und aufziehen, das Wunder des Lebens live miterleben zu können und mehr über den Menschen und seine Entwicklung zu verstehen, als aus Büchern und Berichten möglich ist. Manchmal denke ich, ich glaube gar nicht, dass Kinder gezeugt werden, in Frauenbäuchen heranwachsen, geboren werden usw. bis ich es selbst erlebt habe. Zu den Erfahrungen, die ich nicht machen darf gehört die Schwangerschaft, aber auch das Zusehen und Miterleben, wie Kinder wachsen, sprechen, laufen lernen, Erfahrungen machen. Der Grund ist wohl schlicht und ergreifend: NEUGIERDE und das Gefühl, das ich von einer wichtigen Erfahrung ausgeschlossen bin.

2. Erfahrungen weitergeben - der ganz persönliche Grössenwahn
Natürlich kann ich es besser als viele andere: Kinder erziehen. Natürlich sind meine Werte, Lebenseinstellungen, Ideen besser als andere und es natürlich wert, weitergegeben zu werden. Wenn ich keine Kinder bekomme, werde ich noch mehr schreiben. Ratgeber, Romane, meinetwegen auch Drehbücher. Schliesslich soll in der Welt von meinen Ideen, von meinen Gedanken etwas übrigbleiben.

3. Gene weitergeben - der Klassiker
Man will nicht sang- und klanglos verschwinden, hofft, sich zu verewigen, das kann ich nicht so erklären, das geben viele an, vor allem Männer. Ich glaube fast, das ist bei mir nicht so ausgeprägt. (Bei meinem Mann deutlich eher).

4. Der Traum von der ewigen Verbindung- die Besiegelung der Liebe
Was viel wichtiger ist, für uns und auch für sehr viele andere Liebende: Neues Leben entsteht aus den Genen von beiden Partnern. Die Verbindung zwischen den Partnern bekommt eine zusätzliche, mystische und unauflösliche, unzertrennliche Ebene. Ewigkeit der Liebe. Verbindung und Verschmelzung. Solche Vorstellungen können mit der Geburt eines gemeinsamen Kindes bedient werden.

4. Der Mutterkomplex
Ja, das kann ich schon besser erklären. Es passiert auch, wenn wir andere Kinder mit typischem Kindchenschema sehen und sie sofort bemuttern wollen. Das ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Wesens und notwendig zur Arterhaltung. Der Wunsch nach einem Wesen, an dem wir diese Rolle endlich ausprobieren können ist scheinbar riesengross und auch deutlich bei kinderlosen Frauen, die meist rührend um andere Menschen und auch andere Kinder bemüht sind und oft eigene Wünsche zurückstecken um anderen etwas Gutes zu tun. Meine Befürchtung aufgrund von einigen Beobachtungen: auch Mega-Erfolg im Beruf und im sonstigen Leben, selbst Gebrauchtwerden von ganz vielen Personen aus unterschiedlichen Gründen, alles reicht nicht, um zu überwinden, dass man ja "NUTZLOS" ist und für niemanden WIRKLICH Mutter sein kann. Dieser Grund ist nicht wirklich schön, man möchte diesen Komplex überwinden und ist am Ende nur sauer, dass man das nicht im Griff hat.

5. Das Geheimnis
Wir kennen ihn alle: Den Blick einer Schwangeren, die ihren Bauch streichelt. Sie erlebt irgendein Gefühl, das wir nur erahnen können, was aber absolut und grenzenlos schön sein kann, wie es scheint. Wir sind ausgeschlossen, keine Chance. Dann diese Eltern, die über ihre Kinder stöhnen, dann aber völlig verzückt und entrückt schauen, wenn sie etwas von ihnen erzählen. WAS IST DAS??? WIE IST DIESES GEFÜHL??? Wie genialer Sex? Wie ein guter Rausch? Gibt es irgendwas, was man damit vergleichen kann?? Man wird verrückt vor Neid.

6. Gegen den Strom - der Platz in der Familiengesellschaft
Natürlich lebt man ganz anders als die Familien mit den kleinen Kindern. Andere Zeitpläne, andere Freiheiten, andere Freizeitoptionen, anderer Urlaub, ein Zweisitzer und zwei volle Jobs. Kein Problem, solange man genug Singles kennt (in unserer Altersgruppe reduziert sich diese Zahl von Tag zu Tag ), oder Paare mit dem selben Problem (leider werden das immer mehr) oder eines von den wenigen Paaren, die WIRKLICH keine Kinder wollen. Ansonsten sieht man sich als Zaungast von Familien, als Unwissender, Ungläubiger, der die Notwendigkeiten nicht versteht (wenn ihr erst mal Kinder habt... seht ihr das auch anders), als jemand, der wenn er mit seinen Freunden in den Urlaub möchte, sich an Kinder anpassen muss, Kindergeschrei und Kinderlaunen ertragen muss, gestresste Eltern erlebt - und das alles, OHNE SELBST ELTERN SEIN ZU DÜRFEN.

Mit zunehmendem Alter wird man zum Aussenseiter, überall Geburten, Familienfeste, Familienurlaube, Zoobesuche, Einschulungen, Kinderkrankheiten und so weiter. Man kann nicht mehr mitreden. Kinder bestimmen das Leben der Menschen in meinem Alter. Alles dreht sich um sie. Natürlich. So soll es sein. Aber wir schauen immer nur zu. Und stellen uns vor, wie es wäre...

Es gibt sicher noch mehr Gründe...
aber wir werden nie verstehen, warum es so weh tut.

Troja



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Schnellchen
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Beitrag von Schnellchen »

Liebe Troja,

die ganze Zeit lese ich schon in diesem Ordner.. Und alle haben ihre eigenen Argumente..

Deine spreche mir aus der Seele... Ich habe zwar diese Gefühle schon durchgemacht (Tochter ist 14), aber ich möchte alles das noch einmal durchmachen... Dein Beitrag hat mich tief berührt und sollte alle zum Nachdenken anregen.

Ich wünsche allen, die hier im Forum sind, ob mit Kindern oder bisher ohne Kindern, dass ihr Kinderwunsch irgendwann in Erfüllung geht!

Es grüßt dich ganz lieb
Iris
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Rapunzl
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Beitrag von Rapunzl »

Hi!

Troja, Du hast es auf den Punkt gebracht. Toll. Dem kann ich nix mehr hinzufügen. (Arbeitest Du immer noch oder bist Du schon zu Hause?)

Liebe Grüße
Conny
Elena
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Beitrag von Elena »

Liebe Troja,
ich sitze hier und wische mir die scheinbar nicht mehr enden wollende Tränenflut vom Gesicht.
In dem was Du schreibst stecken all die Erfahrungen und Emotionen, die ich selbst (wahrscheinlich wir alle) ebenfalls habe, in einer Form, wie ich sie niemals hätte ausdrücken können. Vielleicht sogar einige, die ich in mir seit langem geahnt habe, aber mich nie getraut habe, diese überhaupt "Form" annehmen zu lassen, sie auszusprechen oder aufzuschreiben.
Ich bin tief gerührt.
Danke, daß Du mir selbst klar gemacht hast, was ich empfinde.
Liebe Grüße
Elena
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Flip
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Beitrag von Flip »

Liebe Troja!
Toll, Du hast die Gedanken in Worte fassen können, für die ich keine hatte :smile: .
Ein wirklich schöner Beitrag von Dir :smile: :smile: :smile: .
Liebe Grüße, Flip
Su

Beitrag von Su »

liebe troja,

ich sag erstmal danke für diese,für deine gedanken!!!!

du sprichst mir aus der seele.
bevor ich das glück erleben durfte eine tochter dank icsi zu bekommen,erlebte ich deine gedanken genauso.

das ist wie eine liste mit pro und contra kind.aber letztendlich kommt man zu dem resultat,ein kind, DAS wäre/ist das i tüpfelchen auf eine liebevolle verbindung(ehe) sozusagen das non plus ultra.

danken möchte ich dir,da mich deine gedanken zum nachdenken angeregt haben.
ich habe wie bereits erwähnt eine tochter und wenn ich ,sei es aus finanziellen oder med. gründen, kein weiteres kind bekommen sollte,so bin ich auf jeden fall gott dankbar(und der medizin) das ich dieses eine wundervolle geschöpf bereits haben darf.
dein beitrag hat mich wieder gelehrt,das was man hat besser zu schätzen zu wissen,als nach noch mehr zu verlangen.

das soll nicht heißen das ich resigniere,NEIN,ich gehe weiter meinen weg,um ein geschwisterchen für unsere kleine zu bekommen,und natürlich auch aus egoistischen gründen.
aber deine gedanken helfen mir sehr dabei,auch einen evtl. mißerfolg besser in kauf nehmen zu können.

ich danke dir!
alles liebe
su
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troja
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Beitrag von troja »

Ihr Lieben,
jetzt bin ich ganz rot geworden.... Ihr seid aber lieb. Gerade von Euch Expertinnen ist das Lob für mich sehr viel wert. Ich freue mich, dass ich auch Eure Gedanken und Gefühle getroffen habe.
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Neschi
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Beitrag von Neschi »

Troja,

du sprichst mir aus der Seele. Ich möchte noch drei Punkte ergänzen:

1) Ich glaube, daß mehr oder weniger bewußt in uns allen das Streben nach Unsterblichkeit ist. Es ist der Wunsch durch die Jahrtausende hinweg, nicht einfach aufzuhören zu existieren. Solange es auch nur einen Menschen gibt, der auch nur den Bruchteil eines Gens von uns trägt, existieren wir weiter.

2) Ein Kind ist ein Stück Egoismus. Ein Kind (idealisiert) liebt uns immer, wir müssen nur wenig dafür tun, wir müssen es nur lieben. Es stellt uns nicht in Frage, es liebt bedingungslos. Wir müssen nicht schön sein, intelligent, witzig, erfolgreich. Es liebt uns so wie wir sind.

3) Mit einem Kind holen wir unsere eigene Kindheit und die damit verbundene Geborgenheit ein Stück weit zurück. Wir tauschen zwar die Rollen, aber das Gefühl der untrennbaren Zweisamkeit ist das gleiche.

Neschi
ZH33
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Beitrag von ZH33 »

Wirklich tolle Berichte, die Ihr da geschrieben habt.
So kann auch ich als Mann es nicht lassen, hier ein paar Zeilen zu schreiben.
Ich besitze einen mehr oder weniger zusammenhängenden Landwirtschaftsbertieb, mit Bächen, Wäldchen, verstreuten Obstbäumen, Äcker und Weiden in denen sich Kühe und Kälber tummeln. Auch viele Vögel und Wild sind vorhanden. Heute sagt man, Ökologisch sehr wertvoll. Unser Betrieb ist seit X Generationen im Familienbesitz. Meine Vorfahren haben sehr schwere Zeiten erlebt und waren stehts bestrebt, dieses stücken Heimat immer komplett der nächsten Generation zu übergeben. Persöhnliche Wünsche wurden stehts zugunsten des Bertiebes zurückgestellt. Wenn ich zb. früh morgens über die Felder und Wiesen gehe, die Sonne gerade hervorkommt, spüre ich sehr stark, dass da meine Wurzeln sind. Dass ich hierher gehöre. Dass ich diesen Bertrieb erhalten muss. Ich bin es meinen Vorfahren schuldig.
Es ist ein überwältigendes Gefühl, wenn man sagen kann, dieser Teil der Schweiz gehört mir, nur mir und niemandem anders. Ich würde lieber kämpfend sterben, als mich von hier verjagen zu lassen.
So ist es mein sehnlichster Wunsch, einem Kind, das von uns auf diesem Bertrieb aufgezogen wurde, das unseren Familiennamen trägt, die Möglichkeit zu bieten, dieses stückchen Heimat im Familienbesitz weiter zu führen. Es könnte natürlich auch ein adoptiertes Kind sein, kein Problem.
Natürlich sind da noch andere Gründe, aber die habt Ihr schon so schön geschrieben.

Liebe Grüsse ZH33
Katrin32
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Beitrag von Katrin32 »

Hallo!
Erst einmal: vielen, vielen Dank für Eure Anteilnahme an meinem Projekt und die vielen ergreifenden Antworten, die Ihr mir geschrieben habt! Mir ging es auch so, dass ich mit Tränen in den Augen vor dem Computer saß, und natürlich hoffe ich, dass es möglichst vielen einmal so gehen wird, wenn der Film fertig ist (aber das ist noch ein langer Weg...). Jedenfalls habt Ihr mir viele Anregungen für 'meine' Nora gegeben, und ich habe mich auch besonders gefreut, dass Du, lieber ZH33, als Mann geantwortet hast, denn natürlich gibt es auch zu Nora einen Mann, und oftmals habe ich Angst, dass es für mich noch schwerer sein wird, ihn zu verstehen.
Da Ihr mir mit Euren Antworten soviel Mut gemacht habt und so große Bereitschaft gezeigt habt, mir Auskunft zu geben, möchte ich noch eine zweite Frage stellen - in der Hoffnung, dass sie nicht zu persönlich ist: Ein Hauptthema ist in meinem Drehbuch, wie sich der Kinderwunsch auf die Beziehung zwischen Nora und Frank auswirkt, welche positiven Impulse, aber auch welche Probleme und Missverständnisse sich ergeben. Mögt Ihr mir auch dazu etwas schreiben?
Vielen Dank noch einmal... Übrigens: Falls Ihr Fragen zu meinem Projekt habt, werden die natürlich gern beantwortet.
Liebe Grüße
Katrin
Antworten

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