ich war auf einer waldorfschule und habe mich auch etwas mit dem thema beschäftigt. mein fazit ist: mein kind kommt nicht in eine waldorfschule und auch nicht in einen waldorfkindergarten.
grund dafür ist nicht deiner, denn waldorf hat, wie andere schon geschrieben haben, mit der antiautoritären erziehung der 60er jahre nichts zu tun.
wie jemand schon schrieb: die waldorferziehung ist in vielem sogar sehr autoritär. ich bin kein freund der antiautoritäten erziehung, schon allein deshalb, weil ich glaube, dass eltern ebenso rechte der selbstverwirklichung der kinder haben. und damit jeder sich verwirklichen kann, muss halt auch jeder mal zurückstecken. außerdem gibt es situationen in denen kinder meiner ansicht nach zu gehorchen haben. von regeln zur straßenüberquerung angefangen bis zu situationen, die du beschreibst, wo ein kind dem anderen weh tut. also sitzuationen, in denen ein kind sich oder andere gefährdet bzw. beeinträchtigt. natürlich versuche ich erst, einsicht zu erreichen, aber wenn es damit nicht klappt, gibt es konsequenzen. man sagt ja auch immer, dass kinder (liebevolle) grenzen brauchen und das glaube ich auch.
anders ist es für mich, wenn kinder etwas nicht möchten ohne dabei jemanden zu beeinträchtigen. wenn mein kind später ein bestimmtes schulfach langweilig findet, werde ich ihn bestimmt nicht dazu überreden, sondern dann soll er sich auf die fächer konzentrieren, die ihm spaß machen.
soviel dazu, jetzt aber zu waldorf. die anthroprosophie ist ja eine weltanschauung, die in den 20er jahren rudolf steiner aus diversen weltanschauungen und religionen (führend das christentum, aber auch elemente aus fernöstlichen religionen wie reinkarnation finden sich wieder) "zusammengebastelt" hat.
steiner hat sich dabei mit praktisch allen themen befasst, von landwirtschaft über medizin bis zu erziehung, architektur, kunst und wissenschaft und kunst haben die anthroprosphoen eine ziemlich entschiedene vorstellung. teilweise spiegelt die antroprosophie auch einfach den geist der 20er jahre, in denen gedanken wie naturkost, okkultismus usw. ja blühten. die reformhäuser stammen ja z.b. auch aus den 20er jahren.
sie haben zu manchen themen, wie ich finde, auch sicher etwas zu sagen (wir sind selbst zu den u's und impfungen bei einem antr. kinderarzt), ihre gedanken zur erziehung decken sich jedoch kaum mit meinen.
nun endlich zur waldorf-erziehung: da sie ein bestimmtes welt- und menschenbild mit klaren werten und einer meinung zu fast allem haben (deshalb meine etwas langatmigen ausführungen oben

- der vielgerühmte kunstunterricht: kinder machen dort kein design, nur die ausführung. d.h. die lehrer malen auch in den höheren klassen noch an die tafel und schüler malen ab. ebenso im vielgerühmten werken, da werden nur die designs der lehrer nachgebaut. weil das eben die für die altersstufe "richtigen" motive oder designs sind. das halte ich für einen kreativitätsstopper ohnegleichen.
- tätigkeiten oder dinge, die von den anthroprosophen abgelehnt werden, sind verpönt. in unserer klasse machte ein junge judo und musste sich zwischen judo und der schule entscheiden! zu den verpönten dingen gehören z.b. pop- und rockmusik, jazz, comics, fussball, judo/karate, fernsehen, computer usw.
teilweise ist mir diese auswahlliste völlig unverständlich (was soll an fussball schlimm sein? sportliche betätigung ist doch positiv, die heute genannte e-musik war doch zu zeiten ihres entstehens auch oft u-musik z.b. tafelmusik und warum soll man nicht mit elektrischen instrumenten musik machen?). computerei im übermass betrieben und fernsehen ist sicher bedenklich, aber diese medien, gerade das internet, bieten doch auch tolle chancen, also sollen kinder m.a. einen kritischen umgang damit lernen.
- da das weltbild der anthroprosophen ja das richtige ist, lernen schüler nicht, meinungen kritisch zu sichten. wir hatten keine schulbücher und wurden auch in den höheren klassen kaum zu eigenen recherchen und kritischem abwägen verschiedener meinungen ermutigt. in der 12. klasse noch haben wir NACHERZÄHLUNGFEN von dem geschrieben, was der lehrer gelehrt hat! was zu großen teilen irgendwelche antrhroprospohischen lehren wie die lehre von den vier temperamenten waren. diesen frontalunterricht, wo nur eine meinung die richtige ist, halte ich gerade im informationszeitalter für katastrpphal, wie sollen denn schüler, wenn sie nicht von natur aus kritisch sind und zur aufsässigkeit neigen, da eine eigene, begründete meinung finden!
sicher hat die waldorfschule auch gutes, es wird viel mit natürlichen materialien umgegangen, es wird theater gespielt, auf musische erziehung (sofern keine popmusik) wird viel wert gelegt. aber ich glaube, dass man das kindern auch durch eine gute staatliche schule bzw. durch entsprechende anregungen in der freizeit ermöglichen kann.
außerdem, wie jemand schon schrieb, man sollte hinter dem weltbild stehen, sonst hat man doch nur konflikte. und das tu ich nicht, schon allein deswegen, weil ich kein christ bin.
empfehlen kann ich in dem zusammenhang das etwas polemische, aber wie ich finde, fundierte buch:
Waldorf - Erziehung. Wege zur Versteinerung. ( Sammlung Luchterhand im DTV). von Charlotte Rudolph DTV, Mchn. (1988)
hi ; -): deinen bericht fand ich äußerst interessant, da wir ja teilweise ähnliche erfahrungen haben

zwei anmerkungen hab ich:
pisa-studie: hier gebe ich zu denken, dass waldorfschüler im allgemeinen aus gut gebildeten und besser verdienenden haushalten kommen, wo kinder einfach ganz anders gefördert werden.
die pisa-studie berücksichtigt jedoch kinder aller gesellschaftlichen schichten und daher ist der vergleich zwischen waldorfschülern und pisa aus meiner sicht nicht korrekt. es müssten für einen statistisch aussagekräftigen vergleich dann z.b. waldorfschüler und zukünftige abiturienten oder kindern von eltern aus akademischen berufen verglichen werden. und da würden die ergebnisse vermutlich ziemlich ähnlich ausfallen.
das klingt jetzt elitär, aber es ist doch nicht abzustreiten, dass sich das, worüber im elternhaus so geredet wird, auf die fähigkeit der kinder auswirkt. auch mittelmässig begabte kinder (dazu zähle ich mich auch) können bei guter förderung einiges erreichen, aber nur sehr stark begabte werden sich in einem elternhaus mit wenigen anreizen durchsetzen. damit will ich auf keinen fall sagen, dass eltern mit weniger bildung(schancen) schlechte eltern sind.
engagement der lehrer: auch das sehe ich mit gemischten gefühlen. ich kenne "staatliche" lehrer, die individuell für jede neue klasse neue lerneinheiten gestaltet haben!
das ist sicher wesentlich mehr aufwand, als bis zur rente den waldorf-lehrplan runterzurattern. da hat man eine einheit einmal drauf und in papierform ordentlich archiviert

anonym, ich würde deiner schwägerin gegenüber meine meinung sagen. dass kinder etwas unter sich aus machen sollen, stimmt sicher bis zu einem gewissen grade, nur müssen sie ja erstmal die idee bekommen, dass es nicht gut ist, anderen kindern weh zu tun. und da sind die eltern doch gefordert, den kindern solche werte zu vermitteln! und der altersunterschied ist doch, wie du schreibst, sehr groß.
ich muss sagen, dass ich eltern meiden würde, die schulternzuckend daneben stehen, wenn ihr kind meinem kleinen sohn weh tut.
liebe grüße und ich hoffe für dich, anonym, das sich der umgang deiner nichte mit deiner kleinen tochter bessert und deine schwägerin etwas sicherer wird!
mondschaf