Ist die Behandlung im Ausland wirklich günstiger?
Immer wieder ist zu lesen, dass Kinderwunschpaare sich zur Behandlung „ins Ausland“ begeben, weil sie sich im Ausland aufgrund der liberaleren Gesetzgebung höhere Erfolgschancen und damit verbunden geringere Kosten erhoffen. Dabei ist nicht immer eine Behandlung im Ausland auch wirklich Kosten sparend. Dieser Artikel soll sich mit der Frage beschäftigen, wann eine Behandlung im Ausland angesagt ist und in welchen Fällen man sich getrost in einem erfolgreichen deutschen Kinderwunschzentrum behandeln lassen kann.
Generell sind Paare mit Kinderwunsch dann auf das Ausland angewiesen, wenn sie nur mittels eines Verfahrens Eltern werden können, das in Deutschland verboten ist bzw. nicht praktiziert wird: Eizellspende, Embryonenspende oder Präimplantationsdiagnostik (PID). Auch dann, wenn eine Weiterkultivierung von mehr als drei Embryonen höhere Erfolgsaussichten bietet, kann eine Auslandsbehandlung angesagt sein. Eine Auslandsbehandlung aus finanziellen Gesichtspunkten macht jedoch nicht immer und nur nach einer gründlichen Kosten - Nutzen Analyse Sinn.
Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass die PID generell höhere Erfolgschancen mit sich bringt. Die PID ist nur dann angesagt, wenn ein Paar eine schwere Erbkrankheit in sich trägt und diese beim Kind verhindern will. Einzig bei der balancierten Translokation beim Mann macht die PID zur Erhöhung der Erfolgsraten Sinn. Eine balancierte Translokation bei der Frau kann man auch mittels Polkörperdiagnostik (PKD) an den Eizellen feststellen. Insbesondere ältere bisher erfolglose Paare versprechen sich von der PID mehr Erfolg. Studien haben jedoch gezeigt, dass die Erfolgsaussichten durch die PID vermindert werden. Die Paare sind oft unzureichend über die Erfolgsaussichten ihres Unternehmens aufgeklärt. Wer in Deutschland aufgrund des Verbots nur unzureichende Informationen bekommt, ist auf eine Beratung in der ausländischen Klinik angewiesen, die aufgrund von Sprachbarrieren nicht immer richtig verstanden wird. Eine europäische Kommission stellte fest, dass in ausländischen Kliniken oft Standards und Qualitätsrichtlinien fehlen. (Anniek Corveleyn, Eleni Zika, Michael Morris, Elisabeth Dequeker, James Lawford Davies, Karen Sermon, Guillermo Antiñolo, Andreas Schmutzler, Jiri Vanecek, Fransesc Palau, Dolores Ibarreta; EUR Number: 22764 EN; Veröffentlichung: 12/2007). Jedes Paar, das eine PID zur Erhöhung der Erfolgsrate in Erwägung zieht, ist daher gut beraten, wenn es sich vor diesem Schritt sehr gründlich informiert.
Viele Paare begeben sich zu ihrer Kinderwunschbehandlung deshalb ins Ausland, weil dort die Weiterkultivierung von mehr als 3 Embryonen erlaubt ist. Diese Methode kann tatsächlich auch schneller zum Ziel führen. In Deutschland müssen im Labor nach der strengen Auslegung des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) beim Vorhandensein von mehr als 3 Vorkernstadien alle übrigen Vorkernstadien entweder verworfen oder kryokonserviert werden. Die Kryokonservierung überleben nicht alle Embryonen. Außerdem führt sie zu mehr Behandlungszyklen und damit auch zu höheren Kosten für das Kinderwunschpaar. Nach einer liberaleren Auslegung des ESchG können bei Patientinnen mit geringeren Erfolgsaussichten bis zu 6 Vorkernstadien weiter kultiviert werden. Hier besteht jedoch eine große Rechtsunsicherheit, so dass diese Methode nur in wenigen Kinderwunschpraxen - vorrangig in Bayern und Baden-Würtemberg - angewandt wird. Nicht jedes Vorkernstadium einer in Befruchtung befindlichen Eizelle entwickelt sich tatsächlich auch zum Menschen. Im Schnitt findet sich unter 10 Vorkernstadien nur eines, das sich zum Menschen entwickelt, wobei dies eine ganz pauschale Angabe ist und abhängig von den individuellen Voraussetzungen beim Kinderwunschpaar oft gar keine oder mehr als eine entwicklungsfähige Eizelle dabei ist. Wenn man also nach dem Zufallsprinzip aus 10 Vorkernstadien 3 auswählt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass man ausgerechnet das eine, das sich zum Menschen entwickeln würde, auswählt, nur bei 30 Prozent. Kultiviert man alle 10 Vorkernstadien weiter, so bleiben bis zum 5. Tag nach der Befruchtung die meisten davon in der Entwicklung stehen, so dass meist nur noch 2 oder 3 Embryonen übrig bleiben. Wer jedoch glaubt, dass er in diesem Fall durch den Wechsel ins Ausland seine Chancen mehr als verdreifacht, der irrt. Denn tatsächlich verlassen sich auch die deutschen Mediziner bei der Auswahl der weiter zu kultivierenden Embryonen nicht auf das Zufallsprinzip. Durch das so genannte PN-Scoring kann man für jedes Vorkernstadium anhand verschiedener Muster Wahrscheinlichkeiten für seine Weiterentwicklung bestimmen. Es werden dann die Vorkernstadien mit den höchsten Entwicklungswahrscheinlichkeiten ausgewählt. Im Falle, dass man 3 aus 10 Vorkernstadien mit dieser Methode auswählt, erreicht man zwar nicht die gleiche Trefferquote, die man mit der Weiterentwicklung von allen 10 Vorkernstadien erreicht, jedoch rückt man dieser erheblich näher. Insbesondere auch dann, wenn man 6 aus 10 auswählt und man daran denkt, dass fast immer einige sehr wenig Erfolg versprechende Vorkernstadien dabei sind.
Ob die Methode der Weiterkultivierung von mehr als 3 oder mehr als 6 Embryonen dem einzelnen Paar deutlich erhöhte Erfolgsaussichten bringt, hängt von ganz individuellen Voraussetzungen ab. Einmal müssen natürlich mehr als 3 bzw. mehr als 6 Vorkernstadien da sein, um sie weiter zu kultivieren. Wenn dies der Fall ist, sollte man die individuellen Erfolgsaussichten für dieses Paar betrachten. So haben jüngere Frauen in ihren ersten Versuchen meist deutlich höhere Chancen als ältere Frauen, die schon mehrere erfolglose Versuche hinter sich haben. Bei den jüngeren Frauen befindet sich unter 10 Vorkernstadien oft mehr als ein entwicklungsfähiges. Ältere Frauen oder Frauen mit bestimmten Diagnosen dürfen sich jedoch freuen, wenn sie überhaupt mal in der Gesamtmenge ihrer Vorkernstadien ein entwicklungsfähiges dabei haben. Patienten mit guten Erfolgsaussichten können diese mit der Weiterkultivierung von mehr als 3 Embryonen zwar etwas verbessern, aber doch nicht so, dass sich in jedem Fall der Aufwand für eine Auslandsbehandlung lohnt. Auch zum Blastozystentransfer muss man sich nicht ins Ausland begeben. Dieser ist generell in Deutschland zulässig, bringt jedoch im Allgemeinen nur im Zusammenhang mit der Weiterkultivierung von mehreren Embryonen mehr Erfolg, da bis zum Tag 5 nach der Befruchtung fast immer ein größerer Teil der Embryonen in der Entwicklung stehen geblieben ist.
Die Erfolgsaussichten bei IVF und ICSI hängen noch viel deutlicher davon ab, in welcher Klinik sich ein Paar behandeln lässt. Sehr gut veranschaulicht das das deutsche IVF Register. Nach dem D.I.R. 2006 erreichten die beiden erfolgreichsten deutsche Zentren eine Schwangerschaftsrate pro Embryonentransfer von 41%, während das erfolgloseste Zentrum nur eine Schwangerschaftsrate pro Embryonentransfer von 3% erreichte, gefolgt von zwei weiteren Zentren mit nur 5%! Solche erfolglosen Zentren wird es auch im Ausland geben, wobei bei Inkompetenz die gesetzlichen Möglichkeiten auch nicht mehr viel herausholen können. Die Ergebnisse von 41% hingegen sind auch im Ausland schwer zu toppen und werden nur in einigen wenigen Kliniken unter Ausnutzung sämtlicher Möglichkeiten, aber auch im Zusammenhang mit erhöhten Preisen überboten. Daher sollte man sich vor der Entscheidung für eine Klinik im Ausland grundsätzlich erstmal über deren Erfolgsraten unter Nutzung der gewählten Methode informieren und diese dann mit den auch noch infrage kommenden deutschen Kliniken vergleichen. Das jedoch ist keine so leichte Aufgabe. Eine Anleitung zum Vergleich von Erfolgsstatistiken reproduktionsmedizinischer Zentren ist hier zu finden:
http://www.wunschkinder.net/infosammlun ... tatistiken
Die Behandlung in einer vom Heimatort weit entfernten Kinderwunschklinik ist für das Paar meist mit zusätzlichen Belastungen verbunden. Zu der ohnehin bestehenden Belastung kommen oft mehrfache Reisen mit Reise- und Aufenthaltskosten, sowie die oft schwierige Abstimmung der nicht genau planbaren Termine mit dem Beruf. Daher macht eine solche Reisetätigkeit meist nur dann Sinn, wenn sie dem Wunschelternpaar deutliche Vorteile durch deutlich verbesserte Erfolgsaussichten bringt.
Wer darauf abzielt, für die Behandlung möglichst wenig zu bezahlen, muss sich von den in Frage kommenden Kliniken im In- und Ausland vergleichbare Kostenvoranschläge schicken lassen und diese dann unter Zugrundelegung des zu erwartenden Erfolges miteinander vergleichen. Eine Klinik mit 1.500 Euro pro Versuch mit einer Schwangerschaftsrate pro Embryonentransfer von 15% ist nicht günstiger als eine Klinik mit Kosten von 3.000 Euro pro Versuch und einer Schwangerschaftsrate pro Embryonentransfer von 40%! Es ist jedoch sehr genau darauf zu achten, ob vergleichbare Zahlen vorliegen. Die Erfolgsaussichten von 25-jährigen lassen sich ebenso wenig mit den Erfolgsaussichten von 40-jährigen vergleichen, wie die Erfolgsaussichten von einer Patientengruppe mit nur Eileiterverschluss und einer Patientengruppe, bei der zusätzlich zum Eileiterverschluss noch andere Störungen vorliegen. Ebenso lassen sich nicht Schwangerschafts- mit Geburtenraten vergleichen. Auch Schwangerschaftsraten pro Embryonentransfer am 2. Tag nach der Befruchtung lassen sich nicht mit Schwangerschaftsraten pro Blastozystentransfer vergleichen. Im letzten Fall sollte man lieber Schwangerschaftsraten pro begonnenem Zyklus zum Vergleich heranziehen.
Letztlich sollten solche Paare, die noch einen Anspruch auf Unterstützung durch ihre Krankenkasse haben, vor der Entscheidung für eine Klinik im Ausland und für eine in Deutschland verbotene Behandlung daran denken, dass die Krankenkassen hierzulande verbotene Behandlungen auch dann nicht bezahlen, wenn sie im Ausland durchgeführt werden. Unter Umständen ist es also besser, erstmal die 3 zur Hälfte finanzierten IVF´s oder ICSI´s mit geringeren Chancen in Deutschland mitzunehmen und sich erst danach an eine Auslandsklinik zu wenden.
Manches Paar fällt seine Entscheidung allerdings nicht aus Kostengründen. Wer genug Geld hat oder wer nach vielen erfolglosen Versuchen kaum noch die Kraft hat, weitere Niederlagen einzustecken, entscheidet sich gern auch für eine deutlich teurere ausländische Klinik, wenn hier die Erfolgsaussichten noch einen Tick höher liegen. Dass es nicht nur auf das Geld ankommt, sondern auch darauf, so wenige Behandlungen wie möglich durchleiden zu müssen, sich in der gewählten Kinderwunschpraxis mit der Hoffnung auf bessere Erfolgsaussichten den Umständen entsprechend wohl zu fühlen, ist sehr verständlich, jedoch ein anderer Aspekt. Zu begrüßen wäre eine Änderung des deutschen Embryonenschutzgesetzes nicht nur hinsichtlich der Erlaubnis und sinnvollen Regelung der Eizellspende, Embryonenspende und PID, sondern auch dahingehend, dass ganz eindeutig 6 Embryonen pro Behandlungszyklus kultiviert werden dürfen. Das würde vielen ohnehin stark belasteten Kinderwunschpaaren den zusätzlichen Reisestress ersparen und ganz nebenbei noch Arbeitsplätze und Steuern in unserem Land sichern.