Der liebe Gott?

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Agnostikerin

Beitrag von Agnostikerin »

Ich hatte es schon mal erläutert: Ich als Mensch (=kleine Ameise in diesem Weltall) maße es mir nicht an, feststellen zu können, ob es einen Gott gibt oder nicht.
Ich kann aber versuchen, mit meinem Verstand (den mir ja ggf. ein Gott in der Schöpfung mitgegeben hat) zu VERSTEHEN. Das ist meine Intention !
@ Atheistin : is´ schon klar, jedoch habe ich versucht zu erklären, dass ein ganzheitliches Verständnis eines Gläubigen für Ungläubige allein auf der nüchtern rationalen Verstandesebene und die reale Welt bezogen schwer nachvollziehbar sein kann.

1. auf der logisch wissenschaftlichen Ebene findet man keine vernünftigen Antworten ( ausser bei den Fundamentalisten die pseudowissenschaftlich argumentieren) Aber ! Es ist nachweisbar, dass Religion auf die Menschen positiv wirken kann : „ wer heilt (hilft) hat Recht“..

Ansonsten:wenn man logisch dran geht, landet man in einem „ Kreisverkehr“ ( Zirkelschluss, naturalistischer Fehlschluss) ..es sind vorausgesetze Grundannahmen, die sich selbst bestätigen ...das meinte ich mit schwindlig.

2. auf der philosophischen Ebene findet man in der Religion Überlegungen über das Menschsein, über Gut und Böse ( Ethik), die in vielen Bereichen auch von Atheisten geteilt werden, woraus sich auch gemeinsame Überzeugungen zu Menschenrechten, Grundrechten und der Menschenwürde ergeben.

3. Auf der sozialen Ebene über Traditionen und Werte der Gesellschaft ( Moral), die auch ohne religiöse Überzeugungen als Handlungsmaßstab empfunden werden. „ das macht man eben so“..

4. Auf der politischen Ebene wird wie bei allen anderen Mitstreitern 2. und 3 zugrundegelegt. Der einzige Unterschied der Religiösen dabei: Sie beziehen sich zwar auf eine absolute (= totale) unumstößliche Letztbegründung , nämlich GOTT, wodurch aber die ethisch-moralischen Überzeugungen NICHT widerlegt sind, was sie aber nicht poliitsch ausschliesst, denn die anderen haben erst gar keine Letztbegründungen ( = Garantie, Voraussetzung )

Der Verfassungrichter Böckenförde erklärt dieses Dilemma so:

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und - auf säkularisierter Ebene - in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“

5. VERSTEHEN ? : Verstehen aus Glaubensicht heisst nicht nur logisch denken , beweisen, sondern ist ganzheitlich gemeint.

A) es gibt keine weltlich logisch vernünftigen Gottesbeweise
B) der Bewusstseinzustand, den man bei einer Meditation, bei Liebe, bei Zuneigung, bei fast blindem Vertrauen ( Eltern, Partner ? ) zu jemandem hat, beim sich Demütig-Fühlen angesichts seiner Erkenntnisse über die Welt ansich fühlt ( „Ameise im Weltall), Dankbarkeit ( ich hatte großes Glück, obwohl alles dagegensprach, bin dem Schicksal dankbar, dem Zufall dankbar sein wäre logisch unvernünftig, oder ?) das ist der Glauben.
C) Die Zweifel an Gott werden akzeptiert als gegebenes Schicksal des Menschen; warum ?
Wegen der tiefen Überzeugung von Anfang und Ende der Menschheit und
weil zugegebenermaßen auch nach der weltlichen vernünftigen Logik der Menschheit bekannt ist, dass der Erkenntnishorizont des Menschen begrenzt ist.( es ist in der Realität nur eine vorläufige größtmögliche Annäherung an die Wahrheit möglich) und auch Atheisten oder Wissenschftler nicht alles vernünftig erklären können.

Zu deinen 2 Fragen:

Gläubige hoffen und vertrauen zwar darauf, dass Gott eingreift, und es ist auch prinzipiell möglich (z.B Wunder). Sie setzen trotz aller Zweifel/ Verzweiflung voraus, dass es alles seinen Sinn haben werde und bemühen sich daher, all das zu akzeptieren.Der Zweifel wird im Extremfall als Ausdruck der menschlichen Schwäche gesehen, durch die Begrenzung des Erkenntnishorizonte gesehen.

Beim Beten wird die ganzheitliche Nähe ( Denken und Fühlen)zu Gott gesucht, um Vertrauen zu können, egal was passiert.
Wenn der Gläubige bittet, fordert er nicht ( oder überprüft oder misst Gott logisch) sondern er bittet darum, dass Gott hilft, was er als Betroffener sich erhofft auch erfüllt, z.B. das Kind möge nicht sterben.

Gleichzeitig bittet der Gläubige aber auch um die Kraft , das Hoffen können( das Getragen sein) von Gott, mit dem was passiert umgehen zu können, auch wenn das Kind stirbt, denn aus Glaubenssicht habe alles irgendwie einen Sinn, sei von Gott vorbestimmt nur durch die begrenzten Horizont des Menchen nicht verstehbar oder erkennbar und er verpflichtet sich sogar dabei, weil Beten auch immer eine Bekenntnis zu Gott ist.

Auf Ungläubige wirkt diese widersprüchliche Gleichzeitigkeit verwirrend, fast schizo.. für Gläubige hat das diesen tieferen unergründlichen haltgebenden Sinn..

Die Kirche gibt diese Unverstehbarkeit ( siehe Katechismus der deutschen Bischofskonferenz ) auch immer wieder ohne weiteres zu und spricht vom „Mysterium...“

Wie hilft denn dann den Menschen diese Haltung, die so grausam erscheint ?
Sie gibt sehr vielen Leuten Kraft ihr Schicksal auszuhalten, zu akzeptieren, sich nicht als Opfer zu fühlen, Hoffnung und Kraft zu schöpfen, ähnliches empfehlen auch Psychologen.

Eine gläubige Haltung hat nachweislich immer wieder vielen Menschen geholfen zu überleben..nicht aufzugeben ( z.B in Einzelhaft nicht irre zu werden oder sein Leben zu beenden).

Gläubige stellen berechtigterweise auch die Gegenfragen:
wohin mit deiner Dankbarkeit mit der Demut angesichts von Glück oder Schönheit die jeder Mensch erkennen kann. Sagt der Ungläubige dann: Danke lieber Zufall, danke Weltall,..wenn er allein am Strand den Horizont, nachts die Sterne..usw. betrachtet, oder im Glück nach der Geburt, beim Überleben einer Gefahr,..Danke Zufall, laut Statistik hat mich das Glück erwischt..

..und womit hadert der Ungläubige bei schwerstem Leid, mit der statistischen Wahrscheinlichkeit ? oder empfindet und sagt er sich abgeklärt,.ich gehöre zufällig zur Kohorte die mal gerade Pech hatte ?

Aber , diese menschlichen Bedürfnisse sind keine Gottesbeweise.

Natürlich kann man Religion auch genau daher mißbrauchen, wenn ich mir einreden lasse, ich sei kein Opfer, mich nicht gegen reale Mißstände wehre und nicht für poltisch-soziale Gerechtigkeit einsetze.


Wenn die Gynäkologin und Politikerin Fr. v.d. Leyen sagt, Kinder seien Geschenke Gottes, dann ist das allein ihre religiöse Privat-Überzeugung, aber kein politisches Argument für die Bioethikdebatte

Über IVF usw.. in den Ethikräten, Kommissionen wird darüber anders diskutiert, auch wenn diese Überzeugung zugrunde liegt. Ein Atheist könnte sagen, Kinder seien nur biologischer Zufall, der mit der Wahrscheinlichkeit XX eintritt...
Die Diskussionen müssen sich letztlich an unserem Grundgesetz und dem so indirekt festgelegten Menschenbild, dem im Prinzip definierten Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft orientieren.

LG Agnostikerin
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo Atheistin,

deine Verständnisfragen von gestern wollte ich dir beantworten (falls es dich interessiert).

Purgatorium: Habe ich jetzt auch zum ersten Mal gelesen. Ich schlußfolgere aus dem Zusammenhang, in dem der Begriff auftauchte, dass das so eine Art Wartezimmer sein soll. Wenn einer gestorben ist, kommt der dann nach Kirchenmeinung ertmal in dieses Wartezimmer, ehe entschieden wird, ob später Himmel oder Hölle.

Trinität: Den Begriff hatte ich oben wohl selbst verwechselt. Aber Agnostikerin hat es klar gestellt: Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sollen eine Person sein und dann doch wieder nicht. (Kann´s jetzt nicht besser erklären, diese Kirchenbegründung ist mir ehrlich auch zu hoch.

Erbsünde: Jeder Mensch kommt nach deren Meinung erstmal mit Sünde beladen oder befleckt auf die Welt. Ich hatte das bisher so verstanden, weil der sexuelle Akt, aus dem es hervor gegangen ist, so was wie ´ne Schande oder Sünde ist. Der Dreck muß dann erstmal abgewaschen werden, damit der Mensch eine Chance auf ein Leben nach dem Tod im Himmel hat. Nach dem Zitat von Atheistin müßte es aber ebenfalls das Erbe des großen Vergehens von Adam und Eva sein, dass sie Verbotenes getan haben. Diese Sünde haftet dem Ungeborenen an. Muß also abgewaschen sein. Das mit der Erbsünde steht aber nicht in der Bibel, sondern das haben sich die Kirchengurus erst vor 100 oderr 200 Jahren ausgedacht (mag jetzt nicht nachlesen, wie lange das genau her ist). Früher wurden die Leute erst als Erwachsene getauft. Bis dahin konnten sie ja zumindest schon mal selber ´ne Sünde begangen haben. Also zumindest etwas nachvollziehbarer als die Taufe von Säuglingen. Aber würde man heute erst im Erwachsenenalter taufen, könnte man nicht mehr so viele Kirchenmitglieder gewinnen. Erst mit der Taufe wird man Kirchenmitglied. ...

Hallo Berni,

danke für deine Erklärung. Ich finde das dennoch äußerst seltsam. Das wäre ja ungefähr das Gleiche wie in diesem Beispiel. Jemand (J), dessen Worte mir Befehl sind, schreibt mir einen Brief: "Wenn dein Nachbar nicht an unseren Gott glaubt, drehe ihm den Hals um." Was mit "drehe ihm den Hals um" gemeint ist, weiß ja jeder. Und dann kommt einer (E), dem ich ebenfalls auf´s Wort folge, daher und sagt, "Jaja, was da in dem Brief steht, muß ausgeführt werden. Das ist absoluter göttlicher Befehl. Aber: Mit "drehe ihm den Hals um" ist nicht gemeint, dass du ihm das Leben nehmen sollst, sondern, dass du ihn sollst in eine andere Richtung blicken lassen, damit auch er unseren Gott sehen kann. - Was ich hier E zugute halten könnte, wäre ja, dass er verhindert hat, dass ich dem Leben meines Nachbarn ein Ende bereite. Aber wäre es nicht ehrlicher gewesen, er hätte gesagt: "Zerreiß den Brief!" ? Mit seiner komischen Auslegung hat E für mich nur Verwirrung gestiftet, denn ich weiß ja nun nicht mehr, ob ich J oder E folgen soll.

Die absolute Liebe und Güte eures Jesus zweifele ich übrigens an. Denn er ist ja der Begründer der Höllenstrafe. Er vertritt auch den Glauben an Teufel / Dämonen und Besessenheit. Eine Aussage mit sehr verheerender Wirkung war z.B. das hier:

"Ein unreiner Geist, der einen Menschen verlassen hat, wandert durch die Wüste und sucht einen Ort, wo er bleiben kann. Wenn er aber keinen findet, dann sagt er: ´Ich will in mein Haus zurück kehren, das ich verlassen habe´. Und wenn er es bei seiner Rückkehr leer antrifft, sauber und geschmückt, dann geht er und holt sieben andere Geister, die noch schlimmer sind als er selbst. Sie ziehen dort ein und lassen sich nieder. So wird es mit diesem Menschen am Ende schlimmer werden als vorher" (Mt.12; 43-45; Lk.11; 24-26).
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Hallo roundabout,

Zitat: "Jetzt wirst du sagen, dann hätte Gott das Kind ja heilen können, stimmt, aber was wäre dann gewesen, wenn einem Elternteil ein Unfall passiert wäre?"

Äh, ja aber diesen Unfall hätte der Gott ja nun wirklich auch verhindern können. In deinem Beispiel ist Gott nicht allmächtig.
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Es ist aber nicht meine Absicht, wieder vom Thema abzukommen.

Die Fragen von Atheistin an alle waren:

1. Greift Gott nun in das Geschehen auf dieser Welt ein? Wenn ja, wie kann er dann ein "lieber Gott" sein, wenn er beispielsweise Kinder sterben lässt? Wenn nein, welchen Sinn macht dann das Beten?

2. An welcher Stelle hat Gott die Eltern "getragen", deren Kind an Krebs verstorben ist?

3. Wie kann es angesichjts des Leids auf dieser Welt einen Gott geben, der gleichzeitig allgütig, allmächtig und allwissend ist?
Zuletzt geändert von rebella67 am 22 Aug 2006 21:56, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von roundabout »

Nö, ist er nicht, habe ich nie behauptet, dass er es ist, ich habe geschrieben, dass ich glaube, dass er manchmal eingreift und da beißt sich die Katze in den Schwanz, dann könnte er auch die ganze Menschheit retten, das tut er aber nicht und damit stehen wir wieder am Anfang.
Es kann jeder nur für sich in seinem Alltag nach Gott/Wundern/höherer Macht Ausschau halten und diese Frage für sich persönlich klären, die einen glauben, die anderen nicht. So ist es eben, dass muß jeder für sich selbst rausfinden.
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Agnostikerin

Beitrag von Agnostikerin »

@ Rebella, deine Erläuterungen stimmen wieder nicht, sondern hier noch mal O-ton Vatikan ( übrigens es stand doch bereits da: Fegefeuer = lat. Purgatorium)

75. Worin besteht die erste Sünde des Menschen?

Vom Teufel versucht, ließ der Mensch in seinem Herzen das Vertrauen zu seinem Schöpfer sterben. Im Ungehorsam gegen ihn wollte er „wie Gott“ sein (Gen 3, 5), aber ohne Gott und nicht Gott gemäß. Damit verloren Adam und Eva sogleich für sich und für alle ihre Nachkommen die ursprüngliche Gnade der Heiligkeit und Gerechtigkeit.

76. Was ist die Erbsünde?

Die Erbsünde, in der alle Menschen geboren werden, ist der Zustand des Mangels an der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit. Sie ist eine Sünde, die wir „miterhalten“, nicht aber „begangen“ haben. Sie ist ein Zustand von Geburt an, nicht eine persönliche Tat. Wegen der Einheit des Ursprungs aller Menschen überträgt sie sich auf die Nachkommen Adams mit der menschlichen Natur, „nicht durch Nachahmung, sondern durch Fortpflanzung“. Diese Weitergabe ist ein Geheimnis, das wir nicht völlig verstehen können.



77. Welche weiteren Folgen verursacht die Erbsünde?

Infolge der Erbsünde ist die menschliche Natur zwar nicht durch und durch verdorben, aber in ihren natürlichen Kräften verletzt, der Unwissenheit, dem Leiden und der Herrschaft des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt. Diese Neigung heißt Konkupiszenz.

96. Was bedeutet „unbefleckte Empfängnis“?

Gott hat Maria aus Gnade von aller Ewigkeit her auserwählt, die Mutter seines Sohnes zu werden. Um diese Sendung zu erfüllen, wurde sie unbefleckt empfangen. Das bedeutet, dass Maria durch die Gnade Gottes und im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi von ihrer Empfängnis an vor der Erbsünde bewahrt worden ist.


hier passt das Thema Zeugung /Sex schon eher, denn:
98. Was bedeutet die jungfräuliche Empfängnis Jesu?

Es bedeutet, dass Jesus einzig durch die Kraft des Heiligen Geistes, ohne Zutun eines Mannes im Schoß der Jungfrau empfangen wurde. Er ist Sohn des himmlischen Vaters der göttlichen Natur nach und Sohn Marias der menschlichen Natur nach, eigentlich jedoch Sohn Gottes in beiden Naturen, da er nur eine einzige Person ist, nämlich die göttliche.
LG Agnostikerin
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Beitrag von rebella67 »

Danke für deine Aufklärung, Agnostikerin. Ich finde diese Erklärungen teilweise etwas nebulös. Kann jetzt nicht einsehen, dass hinter der Erbsünde was anderes steht als ich erklärt habe. Es ist hier nur im vatikanischen Stil mystisch umschrieben. Aber vielleicht brauchen wir das an dieser Stelle auch nicht näher zu debattieren. Mit Atheistins Fragen hat es ja weniger zu tun.
Liebe Grüße, Rebella
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Agnostikerin

Beitrag von Agnostikerin »

@ Rebellea, leider werden immer noch 2 Ebenen: dogmatisch-theologischer Überbau und reale Basis also die Wirklichkeit gläubiger Menschen heutzutage vermischt:

1.die Kirchenkritik,
welche sich hier eher aber gegen fundamentalistische oder überholte Bibelauslegung oder einfach Fehlannahmen richtet.
Wortwörtliche Bibel-Auslegung und Kinder-Grusel-Fürchtemachen sind meiner Meinung, Prägung und Erfahrung nach ( religiöse Schule, Bischofsstadt..) nach aber überwiegend untypisch für die religiöse Prägung der Mehrheit der im evangelisch / katholischen Glauben erzogener Menschen im aufgeklärten Deutschland.

2. die private Glaubenshaltung
Viele Erwachsene haben ihren Glauben doch abgewandelt, sie verhüten mit allen Methoden, sie lassen sich scheiden, haben Sex vor der Ehe, weibliche Jungfräulichkeit als moralisches Ideal wird allenfalls als sinnbildlich verstanden oder einfach ignoriert, die Abtreibungsfrage wird von der Mehrheit ganz sicher nicht so radikal wie von den Lebensschützern gesehen ( -> Donum Vitae, Konfliktberatung ), Kondomverbot trotz Aids wird oft nicht akzeptiert und Sex ( bei vielen auch Homosexualität) nicht mehr typischerwiese als schmutzig, unrein oder sündig verurteilt und mit der Taufe und der Erbsünde hat dieser Aspekt „moralischer Schmutz“ „Abwaschen “ nichts zu tun wie der katholische Katechisms der dtsch. Bischofskonferenz erklärt. Vor allem die individuelle Überzeugung vieler Leute nach letztendlichem Recht auf Gewissensfreiheit wird einfach so gelebt, auch wenn die Kirche anderes sagt.
Papst Benedikt hat doch erst kürzlich ( 1. Enzyklika: Gott ist Liebe ..Deus Caritas est) über verschiedene Dimensionen der Liebe: Eros, Liebe, Agape völlig „ schmutzfrei“ ..gesprochen ( ob neblig ausweichend, mit philosophischer Tiefe oder theologisch bis spirituell ist rational unobjektivierbare Ansichtssache)

Die Institution Kirche hat meiner Meinung nach knallharte Kritik und Überprüfung ihrers Tuns verdient und ich finde das auf der politisch-sozialen Ebene sehr sehr erforderlich ( z. B das extreme Bekämpfen des staatlich verpflichtenden Ethik-Schulunterrichts in Berlin, die Anmaßung der absoluten ethisch-moralischen Wahrheit bei der Bioethikdebatte ..)

Es ist daher sehr schade, wenn hier eine quasi mittelalterlich beschriebene Kirche wie bei „ Name der Rose“kritisiert wird, die so von den Menschen gar nicht mehr wahrgenommen wird ( und typischerweise bei uns so nicht mehr existiert außer bei Fundis..), es gibt da nur noch ab und zu ein paar “mittelalterliche Fundi-Zuckungen“ einzelner Vordenker, wer nimmt die schon ernst ?..
Dann wird diese Kritik als sinnlos und auf Missverständnissen beruhend wahrgenommen, nicht ernstgenommen, zielt vorbei und wirkt auf ehemalige Gläubige wie mich entweder ansatzweise unredlich oder zumindest irreal.

Der Zeitgenosse Luthers, Erasmus v. Rotterdam ( ebenso Theologe aber Humanist ! )hat vieles Kritische was hier genannt wurde ähnlich, aber sehr witzig , ironisch und respektlos schon zu dieser Zeit in seiner Lehrrede " Lob der Torheit“ schon 1511 zum Besten gegegeben.

Meines Wissens gibt es von Theologenseite keinerlei „vernünftige“ Antwort auf das Dilemma nach dem Leid in der Welt trotz angenommener Allmacht Gottes, ausser dem Glauben an die Erbsünde, im übertragenen Sinne eines selbstverurusachten Menschheitsschicksals und dem Ziel der Erlösung der Menschen nach dem Tod, der Gläubige müsste da “blind vertrauen“, wie soll er das dann aus der eigenen Glaubenssicht „vernünftig“ erklären ?

Heute mixen sich viele ihren Glauben, vertrauen und glauben zusätzlich an esoterische Dinge oder Ideen aus anderen Religionen, welches die Kirchen eigentlich unvereinbar finden. ( Astrologie, Energien Kräfte aller Art.. menschliche Reinkarnation, ethischer Status von Tier/ Mensch. -> Menschenbild)

Woher deine Folgerung kommt: der Sündenfall der ersten Menschen als Stellvertreter für die ganze Menschheit mit der Folge der Erbsünde habe mit der religiösen Antwort auf Atheistins Frage nach dem Leid trotz Allmacht Gottes , also der hier gestellten Glaubensfrage WENIGER zu tun ist mir unerklärlich.

Aber möglicherweise hat ja jemand eine Art „ vernünftige“ Erklärung für sich gefunden, auch wenn das bisher kein christlicher Theologe geschafft hat. Viele glauben an eine göttliche Kraft/ Hilfe auch ohne Antworten auf diese Fragen, sie würden sich aber ohne Glauben „transzendental obdachlos“ fühlen, nach spirituellem Sinnhaftigkeit suchen, sie glauben halt TROTZdem.


LG Agnostikerin
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Hallo Agnostikerin,

ist ja gar nichts dagegen einzuwenden, dass sie glauben. Wenn sie die spirituelle Sinnhaftigkeit suchen, ist das ja ihr Bier. Sollen sie. Den Glauben an Übernatürliches kritisiere ich gar nicht. Mir geht es einzig um das Anhängertum dieser christlichen Religion.

He, und dass die meisten Menschen, die sich Christen nennen, in vielen Punkten nicht mehr nach den christlichen Vorschriften leben, ist mir auch schon aufgefallen. Warum hängen sie dieser Religion trotzdem an? Tradition? Herdentrieb? Überzeugung (warum)? Warum sind sich die Menschen nicht dessen bewußt, dass sie eigentlich deshalb ausgerechnet dem christlichen Glauben anhängen, weil irgendwann um das 4. Jahrhundert breite Bevölkerungsschichten christianisiert wurden? Das heißt, von oben wurde befohlen, ihr müßt jetzt Christen sein. Und die Menschen wechselten aus Angst vor dem Tod vom Glauben an Mithras oder wen auch immer noch zum Glauben an den Christengott. Und heute hätten sie es gar nicht mehr nötig, dem Befehl von oben zu folgen. Heute DÜRFEN sie frei denken und glauben weiterhin an den Christengott, der ihren Ur-, Ur-, Ur-, ..... Urgroßeltern einst aufgezwungen wurde. Und sie glauben häufig deshalb daran, weil ihre Eltern und Großeltern auch schon on ihn geglaubt haben. - Ist das nicht ein merkwürdiges Dilemma? Wann werden wir Menschen erwachsen und befreien uns wirklich aus der Bevormundung der vergangenen Jahrhunderte?

Wozu brauchen wir ausgerechnet die christlichen Kirchen? Was hältst du von dem "wirklich religiösen Paradigma" wie es Franz Buggle vorgeschlagen hat? Da darf jeder glauben, was er will. Ob nun an das grüne Marsmännchen, das rosa Einhorn oder den unsichtbaren Geist nachts im Schlafzimmer. Nur eben ohne Gewalt, ohne Bevormundung, ohne Indoktrination. Ohne Unredlichkeiten, ohne Verdrängung, ohne intellektuelle Verbiegungen, ohne Denkverzicht, ohne Heuchelei - auch gegenüber sich selbst - u.v.m.

Mit ihrem wahren "Ich" sind viele Kirchenmitglieder heute gar nicht mehr christlich. Sollen sie ihre Augen öffnen und das sein, was sie wirklich sind. Sie müssen die Kirchen heute nicht mehr dabei unterstützen, in gewisser Weise weiterhin Diskriminierung zu betreiben.
Liebe Grüße, Rebella
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Agnostikerin

Beitrag von Agnostikerin »

@ Rebella, für dich erscheint es am Vernüftigsten, wenn der Mensch selbst danach strebt ( darf und kann) möglichst frei sein zu dürfen und möglichst wenig bevormundet wird.

Dieses Ideal teile ich auch, der wichtige Philosoph Karl Popper beschrieb dies in „ die offene Gesellschaft und ihre Feinde“wodurch der Begriff „offene Gesellschaft“ heutzutage als fester Begriff genutzt wird. Unser Grundgesetz soll das ja garantieren.

Popper vergaß aber darüber, wie die Menschen so ticken, eben das Menschliche (humane) und ihre Einbindung in die Kulturelle Tradition , damit auch die Religion, abendländische Kultur.

In diesem Sinne ist eine absolute Befreiungsidee nach der jeder frei glauben sollte, was er will fast unrealisierbar ?
Denn Religion ist doch automatisch Bestandteil der soziokulturellen Prägung, ebenso wie Musik, Essen, Kleidung, selbst romantische Paar-Familienideale die nicht natürlich oder angeboren, sondern menschliche Kultur sind.

Kultur ist zwar stark veränderbar, wie die Renaissance, Aufklärung, französische Revolution, Menschenrechte zeigen, aber eine gesellschaftliche Revolte, dynamische Abkehr gegen die christliche Religion grundsätzlich halte ich wegen der transzendentalen menschlichen Sehnsucht , die sicher nicht nur auf Prägung beruht..für äußerst unwahrscheinlich, das verläuft bei uns schleichend und das Christentum bei uns wird ja durch Ersatzspiritualität verdrängt oder geschwächt.

Der Liberale Sir Dahrendorf (Politiker, Hochschullehrer und Autor in England u. Deutschland) erkannte, dass „ der Poppersche Liberalismus die Notwendigkeit und Bedeutung von sozialen Bindungen („Ligaturen“) und Traditionen unterschätzt. “.

Mein Hinweis auf Erasmus von Rotterdams „ Lob der Torheit“ geht auch besonders in diese Richtung.

Erasmus erklärt in seiner ironischen Rede, warum der unvernünftige also „ törichte“ Mensch einfach glücklicher ist, sich freier fühlt, als er es objektiv betrachtet ist.
Dass absurderweise gerade darin der Wert des Menschlichen liegt, denn es ist ja menschlich nach Glück in all seinen Spielarten zu streben.. so lang niemand zu schaden kommt, jeder selbst für sich eingeschlossen, aber selbst der wird noch verdrängt..

Er beschreibt respektlos mit scharfer Zielgenauigkeit den Selbstbetrug der Menschheit , besonders der Frommen.
Er kritisiert insbesondere auch diejenigen “Mitmenschen“ die gerade diese menschliche Neigung „ sich was vorzumachen “ ausnutzen für Macht, Profit, Ruhm, Eitelkeit..inclusive den selbstherrlichen Kirchenmitgliedern, den Frommen, den Theologen..seiner eigenen Kirche und all die anderen die vorgeblich für die „ gute Sache“ eintreten.

Das ist also eine humanistische Einstellung, und daher ist es human, den Menschen das nicht auszureden, solang keiner zu Schaden kommt. Erasmus und Luther kritisierten damals beide die Schädigung der Menschen durch den Ablasshandel und ein inhumane und anmaßende Auslegung der theologischen Lehren.
Auch heute wird innerhalb der Religionen um die Auslegung gestritten wobei die angenomme Kernbotschaft aber nicht angetastet werden darf, in deren Selbstverständnis.

Es ist auch in der liberalen Demokratie jedermanns Freiheit, sich potentiell schädlichen Risiken aussetzen, zumal religiöse Risiken meiner Meinung nach nur schwer objektivierbar oder beweisbar sind, im Gegensatz wie z.B gesundheitsschädlichem Verhalten. ( darin besteht evtl. der Gegensatz unserer Auffassungen ?)

Religion versucht ja den Humanismus einzubinden in den Glauben, er existiert demnach nicht nur in Verbindung mit Atheismus oder Liberalismus, sondern insgesamt als gesellschaftliches Prinzip, in unseren Wertvorstellungen.

Im Moment gibt es ja vielfältige Bestrebungen das Menschsein anhand von Steinzeitlogik oder Soziobiologie oder der Evolution versimplifiziert zu erklären – das ist mir aber ziemlich wurscht, auch daraus könnten Schirrmacher, Matussek, Eva Herman, Peter Hahne usw. sicher den Vorteil der Religion und sonst wasableiten.

Auch könnte man das Gläubigsein auf logische aber schädliche Psychomechanismen reduzieren,
so könnte man die Bindung an den Glauben mit dem Stockholm-Syndrom ( Psychisches Phänomen) von entführten, verängstigten leidenden Geiseln) begründen oder mit der Doppelbindungstheorie :
Beim Stockholmsyndrom fühlen sich die Opfer demjenigenm der für das Leid verantwortlich ist, ausgeliefert, verdrängen aus ihrem Bewusstsein die Tatsache, dass der Verantworltiche für dieses schlimme Situation ihnen schadet und empfinden Sympathie und sogar Verständnis gegenüber demjenigen.
Vor dem Gefühl, ausgeliefert zu sein, also nur Opfer zu sein, schützen sich die Leidenden ( Geiseln) durch die Identifikation mit ihrem Peiniger. Das Kleinste Entgegenkommen wird vom Opfer als Großzügigkeit angenommen.

Beim Double Bind ist man widersprüchlichen, unerfüllbaren Forderungen von wichtigen Bezugspersonen ( z.B Eltern) ausgesetzt.
Beim Glauben wäre das entsprechend: glaube an Gott, trotz des Leids in der Welt (!) wenn du nicht glaubst ,dann treten negative Folgen ein (!)wenn du glaubst kannst du mich nicht dazu bringen, Leid zu verhindern.(!) Du selbst solltest aber versuchen, Leid zu verhindern.(!)..usw... hier spielt auch die „ Kognitive Dissonanz“ mit, sprich wie kann der Mensch, trotzdem Glauben obwohl es unlogisch erscheint. Durch Ausblenden der störenden Aspekte, wie z.B bei Rauchern.

Für mich beinhalten solche Erklärungen aber auch immer die mögliche Tendenz zynisch und inhuman zu sein, denn sie stehen auf der selben Stufe wie die Pseudo-Erklärungen v. Differenzfeministinnen, Soziobiologen usw.. warum sich Frauen Kinder auf welche Weise normal natürlich wünschen oder pathologisch modelifestyleabhängig.. und reduzieren den Menschen auf ein Berechnungs-Ideologieschema. ..sie greifen letzlich das Prinzip des freien Willens an, was doch inhuman und unliberal ist.

Die Analysen des Psychlogen u. Kirchenkritikers Buggle dazu habe ich noch nicht gelesen, kann aber dem was hier http://ibka.org/artikel/miz92/buggle.html steht historisch zustimmen,

aber alls das tatsächlich nur an der “kausalen Moral“ der Bibel, des Christentums liegt und nicht ebenso an den Vordenkern u. Mächtigen..? müsste ich wohl Buggle erst lesen...


Ich lehne den Tugendterror von allen Seiten, die übertriebene Unterdordnung unter jeglichen ideologisch-dogmatischen Gemeinsinn ab, woraus sich immer diese Diskriminierung von Minderheiten und bösartige Sündenbockmechanismen ; Bestrafungsfantasien ergeben, welche leider auch sehr menschlich sind.

Die Gefahr sehe ich jedoch generell nicht mehr so überwiegend im Christentum allein, denn es wird ja zunehmend an Bedeutung verlieren ( Kirchenaustritte ), sondern in den sich abzeichnenden Verteilungskämpfen der Gesellschaft ( Wirtschaftkrise) da wird Religion nur als Mittel zum Zweck politisch für eingesetzt, z.B. für die immer absurder werdende Demographie-Feminismusdebatte.

Es gibt momentan eine politische Tendenz bei uns in diese Richtung. Der sog. “dritte Weg“ oder „ Kommunitarismus“, bei dem stark vereinfacht, der Wert des Gemeinsinns über die Wertigkeit individueller Freiheit gestellt wird. Dies ist die Hoffnung und der aktuelle Weg für unsere christlichen Kirchen auf mehr soziopolitischen Einfluß, wie bei der Sozialethik, der Bioethik, der Wissenschaftsethik..da gibt es ja heute schon sehr wirksame , früher undenkbare politische Koalitionen.

LG, Agnostikerin
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