Neue Urteile zur Auslandbehandlung usw.

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Silvia
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Registriert: 11 Jul 2001 02:00

Beitrag von Silvia »

Hallo Ihr Lieben,

gerade habe ich unter wunschkinder von Ton einen Beitrag gelesen:



Hallo Miteinander,

es gibt neue Urteile des BSG welches sich mit zwei Themenbereichen auseinandersetz.

1) Erstattungsfähigkeit von Auslandsbehandlungen
2) Erstattungsfähigkeit von heterologen Maßnahmen der künstl. Befruchtung

In dem einen Urteil ging es um Erstattung für heterologe IVF (Eizellenspende) im Ausland, im anderen um Erstattung für eine in
Deutschland aufgrund des Strahlenschutzes unzulässige Strahlentherapie.

Die Urteile kenne ich nicht im Volltext, die Presse Vor und Nachbericht habe ich hinten angehängt. Im Vorbericht zur IVF Entscheidung
hat der Berichterstatter des BSG anscheinend Insem und IVF verwechselt.

Was folgt ist meine persönliche Einschätzung die nicht unbedingt zutreffend sein muß, insbesondere wenn sich aus dem Volltext was
anderes ergibt.



Zum Problem Auslandsbehandlungen.

Grundsätzlich sind Auslandsbehandlungen nur dann erstattungsfähig, wenn die Vorraussetzungen des § 18 SGB V vorliegen. Danach
darf die Krankenkasse die Kosten einer Auslandsbehandlung nur dann ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem Stand der
medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung im Inland nicht möglich ist .

Hier ließe sich natürlich unsererseits argumentieren, daß die deutschen Behandlungen aufgrund der Vorgaben des
Embryonenschutzgesetzes zum Teil nicht dem internationalen Standart entsprechen (kein Blastozytentranfer; lediglich 3 EZ die sich
weiterentwickeln dürfen, Verbot der Eizellenspende usw,usw.).
Diesen Weg hat das BSG aber anscheinend verbaut. Das BSG ist, wie es nach dem Pressebericht ausschaut, der Ansicht daß „, eine
Behandlung, die (in Deutschland) rechtlich nicht zulässig ist, von der Krankenkasse nicht gewährt oder bezahlt werden darf, und zwar
auch dann nicht, wenn sie im Ausland durchgeführt werden soll, wo das Verbot nicht gilt“.
Es läge dann keine Versorgungslücke vor, die §18 SGB V voraussetzt. Diese Ansicht hat das BSG in beiden Entscheidungen vertreten.

In beiden Entscheidungen wurde außerdem problematisiert, ob diese Einschränkung der Behandlungsmöglichkeiten aufgrund der
deutschen Rechtslage nicht gegen höherrangiges Europarecht verstößt.
Nach Art 59 des EG-Vertrages besteht grundsätzlich Dienstleistungsfreiheit, d.h. Dienstleistungen zwischen Mitgliedsstaaten dürfen
gegenüber gleichartigen Dienstleistungen im Inneren eines Mitgliedsstaates nicht benachteiligt oder erschwert werden.
Grundsätzlich darf es also nicht (durch Nichterstattung von Kosten)erschwert werden eine Dienstleistung in einem anderen EG Land in
Anspruch zu nehmen.
Das BSG macht es sich hier einfach. Weil in Deutschland heterologe IVF von den Kassen nicht gezahlt wird, werden ausländische
Dienstleister (sprich KiWu-Zentren) nicht benachteiligt wenn deren Leistungen auch nicht erstattet werden


Interessant wird es hier falls man unter dem Gesichtpunkt der Dienstleistungsfreiheit eine„normale“ IVF /ICSI im Ausland beantragt und
auf § 59 EG-Vertrag verweist. Hier müßten meines Erachtens gute Chancen für eine Kostenübernahme bestehen.


Zum Problem heterologe IVF

Fraglich war neben der obigen Auslandproblematik, ob die Herausnahme der heterologen IVF aus der Erstattungspflicht gegen den
Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz und den Schutz von Ehe und Familie aus Art 6 GG verstößt.

Der Gleichheitsgrundsatz verbietet es wesentlich gleiches ungleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung ist aber zulässig wenn es
einen sachlichen Grund hierfür gibt.
Das BSG führt hierzu aus: „. Das Bestreben des Gesetzgebers, ein Auseinanderfallen von genetischer und sozialer Mutterschaft mit den
daraus möglicherweise erwachsenden Konflikten und negativen Auswirkungen auf die seelische Entwicklung des Kindes zu verhindern,
rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung von Ehefrauen, bei denen für die künstliche Befruchtung mit dem Samen des Ehemannes
eigene Eizellen zur Verfügung stehen, und solchen, bei denen fremde, von einer anderen Frau gespendete Eizellen verwendet werden
müssen“.

Leider dürften sich für andere Formen der heterologen Befruchtung leicht abgewandelte Begründungen finden lassen. Die Kassen werden
sich natürlich auf das die derzeitige Rechtslage stützende Urteil berufen.



Viel Glück

Ton



Hier Urteil 1 (het. IVF)

- B 1 KR 33/00 R - G. ./. Deutsche Angestellten-Krankenkasse

Streitig ist, ob die Beklagte der bei ihr versicherten Klägerin Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft unter Verwendung
eines durch künstliche Befruchtung einer Fremdeizelle (heterologe Insemination) erzeugten Embryos zu gewähren hat.

Die 1965 geborene Klägerin kann infolge eines mit Strahlen- und Chemotherapie behandelten Krebsleidens keine eigenen
befruchtungsfähigen Eizellen mehr entwickeln. Ihren Antrag, ihr deswegen eine Schwangerschaft durch In-vitro-Fertilisation mit
Fremdeizellen zu ermöglichen und die Kosten hierfür zu übernehmen, lehnte die Beklagte ab. Die Klage ist in beiden
Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, das Gesetz beschränke die Leistungspflicht der Krankenversicherung
für Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ausdrücklich auf Befruchtungsversuche mit Ei- und Samenzellen der
Ehegatten (homologe Insemination). Damit werde weder gegen Vorschriften des Grundgesetzes noch gegen Europäisches
Gemeinschaftsrecht verstoßen.

Mit der Revision wendet die Klägerin ein, die bei ihr bestehende Unfruchtbarkeit sei eine Krankheit, deren Auswirkungen sich durch die
beabsichtigte Maßnahme zumindest punktuell überwinden ließen. Auch habe sie wegen des unerfüllten Kinderwunsches eine
psychische Störung entwickelt, die nur auf diese Weise wirksam behandelt werden könne. Die im SGB V angeordnete Beschränkung
auf das sogenannte homologe System sei verfassungswidrig, denn für die unterschiedliche Behandlung von homologer und heterologer
Insemination gebe es keine sachliche Rechtfertigung. Schließlich verstoße die Ausgrenzung der in anderen Staaten der europäischen
Union zulässigen Embryonenspende gegen den europarechtlichen Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit, der bei der Ausgestaltung der
nationalstaatlichen Sozialsysteme zu berücksichtigen sei.

SG Stade - S 15 KR 137/98 -
LSG Niedersachsen - L 4 KR 42/99 -

Der Senat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sind nach § 27a Abs 1 SGB V nur dann der Krankenbehandlung
und damit den Leistungen der Krankenversicherung zuzurechnen, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet
werden. Die von der Klägerin angestrebte Implantation eines Embryos, der durch extrakorporale Befruchtung einer von dritter Seite
gespendeten Eizelle mit dem Samen des Ehemanns erzeugt wurde, kann deshalb von der Beklagten weder als Sachleistung noch im
Wege der Kostenerstattung beansprucht werden. Hinzu kommt, daß das 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz die Befruchtung
menschlicher Eizellen für eine spätere Embryospende verbietet. Auch dies stünde dem geltend gemachten Anspruch entgegen, denn
eine Behandlung, die rechtlich nicht zulässig ist, darf von der Krankenkasse nicht gewährt oder bezahlt werden, und zwar auch dann
nicht, wenn sie - wie hier von der Klägerin geplant - im Ausland durchgeführt werden soll, wo das Verbot nicht gilt.

Die Beschränkung der Leistungspflicht der Krankenversicherung auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit eigenen Ei- und
Samenzellen der Ehegatten verletzt kein Verfassungsrecht. Das Bestreben des Gesetzgebers, ein Auseinanderfallen von genetischer
und sozialer Mutterschaft mit den daraus möglicherweise erwachsenden Konflikten und negativen Auswirkungen auf die seelische
Entwicklung des Kindes zu verhindern, rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung von Ehefrauen, bei denen für die künstliche
Befruchtung mit dem Samen des Ehemannes eigene Eizellen zur Verfügung stehen, und solchen, bei denen fremde, von einer anderen
Frau gespendete Eizellen verwendet werden müssen.

Der Leistungsausschluß für Maßnahmen der heterologen In-vitro-Fertilisation steht auch mit europäischem Recht in Einklang. Eine
Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs liegt nicht vor. Denn Dienstleistungen zwischen Mitgliedsstaaten gegenüber gleichartigen
Dienstleistungen im Inneren eines Mitgliedsstaates werden durch die Regelung nicht erschwert. Vielmehr kann die umstrittene Leistung
zu Lasten der Krankenversicherung weder im Inland noch im Ausland in
Anspruch genommen werden. Insoweit bleibt es dabei, daß das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zur
Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt läßt und das Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates bestimmt, unter
welchen Voraussetzungen ein Leistungsanspruch besteht.

SG Stade - S 15 KR 137/98 -
LSG Niedersachsen - L 4 KR 42/99 - - B 1 KR 33/00 R -




- Und für die die jetzt noch nicht eingeschlafen sind Urteil Nr.2

B 1 KR 26/99 R - W. ./. IKK Nordrhein

Der Kläger unterzog sich wegen einer Schilddrüsenerkrankung einer Radio-Jod-Therapie, die er auf Anraten des in Aachen als
Vertragsarzt zugelassenen Radiologen Dr. X. am 27.3.1998 ambulant in einem Krankenhaus in Lüttich/Belgien durchführen ließ. Am
31.3.1998 wandte er sich an die beklagte Krankenkasse, deren Mitglied er ist, und beantragte die Erstattung der für die Behandlung
verauslagten Kosten in Höhe von 600 DM. Er gab an, ihm sei von Dr. X. versichert worden, daß die Krankenkasse für die Behandlung in
Belgien aufkommen müsse und eine vorherige Genehmigung nicht erforderlich sei.

Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab, weil nach den deutschen Strahlenschutzbestimmungen eine Radio-Jod-Therapie nur unter
stationären Bedingungen zulässig sei. Auch habe der Kläger sich erst nach Abschluß der Behandlung mit ihr in Verbindung gesetzt, so
daß es an einer rechtzeitigen Antragstellung fehle. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Kostenerstattung
bei Behandlungen in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sei auf das vom Sachleistungsprinzip geprägte deutsche
Krankenversicherungssystem nicht übertragbar. Das vom Kläger angerufene SG hat sich dieser rechtlichen Bewertung angeschlossen
und die Klage abgewiesen.

Mit der Sprungrevision beruft sich der Kläger auf die Rechtsprechung des EuGH. Dieser habe dem EG-Vertrag entnommen, daß das
nationale Recht die Inanspruchnahme ärztlicher Dienstleistungen in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegenüber der
Inanspruchnahme entsprechender Leistungen innerhalb des betreffenden Mitgliedsstaates nicht erschweren dürfe. Die Möglichkeit der
Auslandsbehandlung dürfe deshalb weder vom Fehlen entsprechender Behandlungsangebote im Inland noch von einer vorherigen
Genehmigung der zuständigen Krankenkasse abhängig gemacht werden. Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs sei nur
dann ausnahmsweise zu rechtfertigen, wenn eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des nationalen
Gesundheitssystems oder eine Beeinträchtigung anerkennenswerter Belange des Gesundheitsschutzes zu befürchten sei. Beides sei
nicht der Fall, da die ambulante Radio-Jod-Behandlung den EG-Bestimmungen zum Gesundheitsschutz Rechnung trage und billiger sei
als die in Deutschland praktizierte stationäre Therapie.

SG Aachen - S 6 KR 11/99 -

Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen.

Nach deutschem Recht darf die Krankenkasse die Kosten einer Auslandsbehandlung nur dann ganz oder teilweise übernehmen, wenn
eine dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung im Inland nicht möglich ist ( § 18 Abs 1 SGB V). Diese
Bedingung ist nicht erfüllt, denn die vom Kläger in Anspruch genommene Radio-Jod-Therapie kann ohne größere zeitliche Verzögerung
auch in Deutschland durchgeführt werden. Daß sie hier aus Gründen des Strahlenschutzes stationär erfolgen muß und deshalb in der
ambulanten Form nur im Ausland erhältlich ist, begründet keine Versorgungslücke, wie sie vom Gesetz für die Kostenübernahme bei
Auslandsbehandlung vorausgesetzt wird.

Eine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenerstattung läßt sich auch nicht aus Art 59 des EG-Vertrages herleiten. Es ist schon
zweifelhaft, ob die durch diese Vorschrift gewährleistete Dienstleistungsfreiheit im konkreten Fall überhaupt betroffen ist; denn der Streit
geht nicht um die benötigte Behandlung an sich, sondern um eine bestimmte Art der Durchführung, die nach deutschem Recht nicht
zum Leistungsumfang der Krankenversicherung zählt. Da eine ambulante Radio-Jod-Therapie von der Krankenkasse auch im Inland nicht
bezahlt wird, findet insoweit eine Diskriminierung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedsstaaten gegenüber gleichartigen
Dienstleistungen im Inneren eines Mitgliedsstaates nicht statt. In jedem Fall wäre eine darin liegende Einschränkung der
Dienstleistungsfreiheit durch Belange des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. Der mit den einschlägigen deutschen Vorschriften
bezweckte Schutz der Bevölkerung vor ionisierenden Strahlen läßt auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
Eingriffe in den Waren- und Dienstleistungsverkehr grundsätzlich zu.

Die Erstattung der Behandlungskosten kann der Kläger schließlich nicht deshalb verlangen, weil sein behandelnder Vertragsarzt die
Therapie in Lüttich für ihn in die Wege geleitet und ihm zugesichert hat, daß die Kosten von der Krankenkasse getragen würden und er
sich um nichts zu kümmern brauche. Eine fehlerhafte Auskunft des Vertragsarztes über die Möglichkeiten und die Voraussetzungen
einer Kostenerstattung bindet die Krankenkasse nicht. Soweit der Versicherte den Sachleistungsrahmen verläßt und sich eine
Behandlung auf eigene Kosten beschafft, trägt er das Risiko, daß die in Anspruch genommenen Leistungen nicht oder nicht in vollem
Umfang den Erfordernissen des SGB V entsprechen und deshalb von der Krankenkasse ganz oder teilweise nicht bezahlt werden.

SG Aachen - S 6 KR 11/99 - - B 1 KR 26/99 R -


Wichtig finde ich diesen Satz:

Hier ließe sich natürlich unsererseits argumentieren, daß die deutschen Behandlungen aufgrund der Vorgaben des
Embryonenschutzgesetzes zum Teil nicht dem internationalen Standart entsprechen (kein Blastozytentranfer; lediglich 3 EZ die sich
weiterentwickeln dürfen, Verbot der Eizellenspende usw,usw.)

Was haltet Ihr davon?


Liebe Grüße

Silvia
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Silvia
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Beitrag von Silvia »

Nach oben geholt für Nata.

Liebe Grüße

Silvia
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